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Heinrichsburgen
Sammelbegriff für eine Vielzahl an Burgen von Heinrich I. und Heinrich IV. Burgen Heinrichs I. (919-936)
Ende des 9. Jahrhunderts erwies sich das karolingische System weit gestreuter oft unzureichend befestigter Königspfalzen als ungenügend zur Abwehr vor allem der ungarischen wie auch der normannischen Überfälle. Der Bau von ausgesprochen wehrhaften Befestigungen schien die einzige Möglichkeit zu sein, der Gefahr wirkungsvoll zu begegnen. Im offenen Feld ließen sich die Eindringlinge aufgrund ihrer überlegenen Kampfkraft und Taktik kaum bezwingen, dagegen waren sie aber nur bedingt imstande, die langwierige Belagerung eines festen Platzes zu organisieren. Brandspuren an manchen Burganlagen weisen jedoch darauf hin, daß es den Ungarn nicht ganz unmöglich war, Befestigungen zu erobern.
Das Königtum hatte sich bisher bemüht, bestehende Burganlagen in Ordnung zu bringen bzw. strategisch wichtige Plätze neu zu befestigen. Doch blieben diese Anstrengungen Stückwerk, da keine Systematik dahinter stand. Als die Ungarn 924 erneut ins Reich einfielen, ergriff der erste ottonische (sächsische) König Heinrich I. (919-936) die Initiative. Wie seine Vorgänger vermied er den risikoreichen offenen Kampf, doch begann er planmäßig, das Land mit einem Netz von neuen Burgen und Befestigungsanlagen zu überziehen. Gleichzeitig erweckte er aufgegebene altfränkische Burgen zu neuem Leben und baute sie entsprechend "modern" aus. Um gegen die überfallartigen Angriffe der Ungarn gewappnet zu sein, ließ er ständige Besatzungen in seine Burgen legen. Da er im Jahr 926 einen Waffenstillstand mit den Ungarn schließen konnte, stand ihm ausreichend Zeit für sein umfangreiches Bauprogramm zur Verfügung. Diese Atempause, so berichtet der Chronist Widukund von Korvei, nutzte König Heinrich, um die Verteidigung des Reiches neu zu organisieren und zu garantieren, dass im Fall der Gefahr wirtschaftlich und herrschaftlich autarke Stützpunkte mit einer Burgmannschaft zur Verfügung standen. Dieses Programm ist als "Burgenordnung Heinrichs I." in die Geschichte eingegangen.
Im Jahr 926 forderte Heinrich I. auf dem Reichstag in Worms die Befestigung bzw. Wiederbefestigung geeigneter königlicher und privater Plätze sowie deren Unterhaltung und Sicherung durch feste Siedlergruppen. Der Chronist Widukind von Korvei berichtet, dass er dazu jeden neunten Mann von den ihm zur Verfügung stehenden königsfreien Berufskriegern (agrarii milites) auswählte und diesen in einer der Burgen (urbes) ansiedelte. Dieser Mann musste für die anderen acht (familiares) Wohnsitze (habitacula) und Fruchtscheuern errichten. Während er ständig auf der Burg wachte, lebten die anderen acht auf Höfen, kümmerten sich um die Feldarbeit und brachten die Ernte ein. Zentrum dieser Interessensgemeinschaft war die Burg, auf der alle Entscheidungen getroffen werden sollten. Der "Burgherr" musste Sorge tragen, dass "Tag und Nacht" an den Burg-und Wirtschaftsgebäuden gearbeitet wurde. Außerhalb dieser Burgbereiche (urbes) habe es - so berichtet Widukind von Korvei weiter - nur schwache oder gar keine Befestigungen gegeben.
Die Heinrichsburgen erlangten in der Auseinandersetzung mit den Ungarn offenbar nie größere Bedeutung, da es dem Herrscher schließlich gelang, die Eindringlinge in offenem Kampf auf dem Lechfeld (955) vernichtend zu schlagen. Einzelheiten zu den Burgen sind nicht überliefert; es ist noch nicht einmal bekannt, welche Burgen genau ihre Entstehung der Initiative des ersten sächsischen Herrschers verdanken.
Burgen Heinrichs IV. (1056-1105)
König Heinrich IV. werden einige Neuerungen im Burgenbau zugeschrieben. So soll er als erster planmäßig Burgen zur herrschaftlichen Durchdringung eines größeren Raumes errichtet haben. Doch weiß man heute, daß die Anfänge einer solchen Vorgehensweise schon auf die Jahrtausendwende zurückgehen. Dank der Schriften des Lampert von Hersfeld und der Schilderung Bischof Brunos über den Sachsenkrieg sind Einzelheiten zu den Burgen Heinrichs IV. bekannt. Lampert von Hersfeld (Annalen S.195 zum Jahr 1073) nennt die Burgen Spatenberg bei Sondershausen, die Heimburg bei Blankenburg, die Hasenburg bei Haynrode, die Harzburg und die bisher nicht sicher lokalisierbaren Burgen Wigantestein, Moseburg und Vokenroht, die auf Heinrich IV. zurückgehen sollen. Auch der Sachsenstein bei Walkenried, und Burg Iburg im Teutoburger Wald südlich von Osnabrück müssen diesem Herrscher zugeschrieben werden.
Als Architekt und Bauherr konnte sich Heinrich IV. auf Benno, den späteren Bischof von Osnabrück, verlassen. In dessen Lebensbeschreibung, der Vita Bennonis, wird näher auf die Funktion dieser Burgen eingegangen. Es heißt (c.9), Heinrichs Burgen hätten starke Mauern, Türme und Tore besessen und teilweise über eine prächtige Innenausstattung verfügt. Bei den meisten Burgen habe aber die Wehrhaftigkeit im Vordergrund gestanden. Die sächsischen Landleute, so Benno weiter, hätten zunächst geglaubt, daß diese Burgen zur Abwehr fremder Völker dienen sollten. Als die Burgen aber dann vom König mit einer Besatzung bemannt wurden und diese begannen, das Umland zu schädigen, die Ernte zu beschlagnahmen, freie Männer zu Baumaßnahmen und Sachleistungen zu zwingen und die Frauen zu belästigen, da hätten die Sachsen erkannt, daß diese Burgen ihnen keinen Schutz boten, sondern Teil eines Herrschaftssystems waren, das die ganze Region unter königlichen Befehl bringen sollte.
(Text: Stefan Grathoff)