Aktionen

  • Türchen 3

3. Dezember 1931 – Die Eröffnung des neuen jüdischen Vereinsheims in Mainz

Nicht unbedingt das anstehende Weihnachtsfest des Jahres 1931 sorgte bei zahlreichen Mainzer:innen vor 90 Jahren für große Freude in den Dezemberwochen. Auch viele Mainzer Jüdinnen und Juden hatten Grund zum Feiern. Ausnahmsweise war dafür nicht allein das anstehende Chanukka-Fest (4.-12. Dezember 1931) verantwortlich, sondern ein weitaus weltlicherer Grund. Nach über einem Jahrzehnt Suche und Planung war es der liberalen israelitischen Religionsgemeinde Mainz gelungen, den jüdischen Vereinen in Mainz ein eigenes Vereinsheim in der Klarastraße 13 zur Verfügung zu stellen. Gerade in den 1920er Jahren hatten sich auch in Mainz zahlreiche jüdische Vereine gebildet, die die Diversität der Jüdinnen und Juden in der Weimarer Republik nur allzu deutlich spiegelten. So zeigt die Liste der damaligen Nutzer der Vereinsräumlichkeiten die Vielfältigkeit jüdischen Lebens: der jüdische Jugendverein, der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, die zionistische Ortsgruppe, der Sportklub Hakoah, der Frauenbund und der jungzionistische Kreis sollten fortan die Räume in der Klarastraße 13 (heute etwa Klarastraße 8 – 10) nutzen. Über deren Ausstattung berichtete das Mitteilungsblatt des Landesverbandes israelitischer Religionsgemeinden Hessens im Januar 1932:

Der Vereinsarbeit steht ein größerer, etwa 50 – 60 Personen fassender Raum, sowie ein kleineres Zimmer zur Verfügung. Das kleinere Zimmer wird vor allem von begrenzten Arbeitsgemeinschaften und kleineren Zirkeln benutzt. Dort ist z.Z. in eingebauten Wandschränken, die dem jüdischen Jugendverein in Selbstverwaltung gegebene Jugendbücherei des Vereines für jüdische Geschichte und Literatur untergebracht. Die Ausstattung dieser Räume ist der Zeit entsprechend zwar einfach und rein zweckmäßig erfolgt, aber sie ist äußerst geschmackvoll und vermeidet alles, was kalt und nüchtern wirken könnte. […] Das dritte Zimmer ist der allgemeine Aufenthaltsraum. […] Er ist, was noch einmal ausdrücklich zu betonen ist, einem Jeden zugänglich und jeden Tag von 14 bis 22 Uhr durchgehend geöffnet. Schon beim Betreten heimelt er außerordentlich gemütlich an, so daß man gern dort einige Stunden verbringt und im wohlgeheizten Zimmer behaglich seine Zeitung liest.

Nach der Machtübertragung auf die Nationalsozialisten nur rund 14 Monate nach der Eröffnung avancierte das jüdische Vereinsheim in den ersten Jahren der NS-Diktatur zu einem sozialen Rückzugsort. Gerade junge Jüdinnen und Juden konnten sich dort mit ihren Jugendgruppen treffen und bereiteten sich dort nicht selten auf eine Auswanderung vor. Das lebendige und vielfältige jüdische Vereinsleben in Mainz, das mit der Eröffnung eines eigenen Vereinsheims am 3. Dezember 1931 einen Höhepunkt erlebte, wurde ebenfalls auf Jahrzehnte durch die Shoah zerstört.   

[Bild: Digitales Häuserbuch Mainz – Kartenteil, URL: http://www.mainz.de/microsite/digitales-haeuserbuch/kartenteil/digitales-haeuserbuch-kartenteil.php]

Mehr zum Thema

Die Tafeln der neuen Ausstellung des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ können unter https://www.igl.uni-mainz.de/fileadmin/user_upload/files/aktuelles/Newsletter-Material/2021_08/IGL_Juden_in_RLP_Rollups_Preview.pdf angesehen werden. Vom 1.-19.12. ist sie in der Synagoge Niederzissen, Mittelstraße 28, 56651 Niederzissen. 02636 6482, zu besichtigen.

Verfasser: Henrik Drechsler
Literatur: