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Geschichte von Rheinland-Pfalz

von Hedwig Brüchert. Erstmalig erschienen in: Geschichte der deutschen Länder. Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. hgg. von Werner Künzel und Werner Rellecke. Münster 2005, S. 279-298.

Einleitung

„Il est créé un Land…“ Als General Pierre Koenig am 30. August 1946 mit der „Ordonnance Nr. 57“ die Gründung von Rheinland-Pfalz verfügte und bald darauf die Beratende Landesversammlung zusammentrat, um eine Verfassung auszuarbeiten, glaubten nur wenige Menschen daran, dass dieses künstlich geschaffene territoriale Gebilde lange Bestand haben würde. Es war ein Produkt der französischen Deutschland-Politik, die von Dezentralisierungsbestrebungen sowie von dem Wunsch geprägt war, im Nordteil der eigenen Besatzungszone auf dem linken Rheinufer mit einem eigenständigen deutschen Land ein Gegengewicht zu den in der amerikanischen und britischen Zone gegründeten und sich rasch konsolidierenden Ländern zu bilden. Hierbei wurden willkürlich Gebietsteile zusammengefügt, die in konfessioneller, kultureller, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht auf eine sehr unterschiedliche Geschichte zurückblickten und in der Vergangenheit nur wenige Berührungspunkte gehabt hatten. So formulierte der spätere Ministerpräsident Peter Altmeier am 25. April 1947 als Vorsitzender der CDU-Fraktion während der Dritten Lesung der Landesverfassung, „daß dieses Land nicht aus dem Willen des Volkes geboren ist, sondern ein Ergebnis der Zonen- und Besatzungspolitik darstellt. Für uns hat das Land Rheinland-Pfalz also durchaus keinen Ewigkeitswert. Die Neuordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse Deutschlands ist ja noch mitten im Fluß.“[Anm. 1]

Nun, das Provisorium hat sich als durchaus stabil und lebensfähig erwiesen. Die Geschichte dieses „Landes aus der Retorte“, wie es oft genannt wurde, sei hier kurz skizziert, wobei den Schwerpunkt der Darstellung seine Entstehung 1946/47 und seitherige Entwicklung als Teil der Bundesrepublik Deutschland bilden soll. Die zweitausendjährige Vorgeschichte der einzelnen rheinland-pfälzischen Regionen, die sich in Teilen mit der Geschichte anderer Bundesländer überschneidet, kann hier nur kurz gestreift werden.

Alte Kulturlandschaft und Machtzentrum am Rhein

Die Region an Rhein und Mosel, an wichtigen Handelswegen und Heerstraßen gelegen, stand über 2000 Jahre lang im Mittelpunkt der Interessen der Mächtigen und war in endlosen Kriegen hart umkämpft.

Schon in vorgeschichtlicher Zeit siedelten Menschen hier am Rhein, wie archäologische Funde aus der Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit belegen. Über die damaligen „Rheinland-Pfälzer“ wissen wir allerdings wenig. Als die Römer an den Rhein kamen, war das Gebiet von Kelten besiedelt. Große Teile des heutigen Rheinland-Pfalz gehörten dann über 400 Jahre lang zum „Imperium Romanum“. Mogontiacum (Mainz), im 1. Jahrhundert n. Chr. zunächst Truppenstandort, wurde das zivile Verwaltungszentrum der neu gebildeten römischen Provinz „Germania Superior“ (Obergermanien). Der Rhein bildete die Grenze des Römischen Reichs und Galliens zu Germanien. Ende des 3. Jahrhunderts wurde Trier zur Residenz römischer Kaiser; noch heute sind dort Reste von Bauwerken jener Zeit – wie die Palastaula (Basilika) und die Kaiserthermen – zu sehen.

Mit dem Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert erlebte das Gebiet an Rhein und Mosel Krieg und Zerstörung. So fielen 406/407 Vandalen und andere Stämme ein und eroberten u. a. Mainz und Worms. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts mussten sich die römischen Heere endgültig aus „Germania Superior“ zurückziehen, und ab 460 übernahmen zunächst die Rheinfranken die Macht, bevor deren Königreich bald nach 500 im entstehenden fränkischen Großreich der Merowinger aufging. „In den Wirren der Völkerwanderung zwischen 450 und 500 hatte die Kirche nach und nach die untergehende staatlich-römische Autorität ersetzt. Anstelle nur noch rudimentär oder nicht mehr vorhandener städtischer Körperschaften lenkten die Bischöfe auch die weltlichen Geschicke ihrer Gemeinwesen und vertraten deren Interessen nach außen gegenüber den Merowingern.“[Anm. 2] Christliche Gemeinden existierten am Rhein spätestens seit der Mitte des 4. Jahrhunderts, so auch in Mainz seit dem Jahr 343 oder 346.

Die Region an Rhein und Mosel spielte in den darauffolgenden Jahrhunderten stets eine wichtige Rolle für die neuen Inhaber der Macht. Von der Bedeutung dieses geographischen Raums für die fränkischen, salischen und staufischen Herrscher im Früh- und Hochmittelalter zeugen z. B. die in Resten erhaltenen stattlichen Pfalzanlagen und Königshöfe Kaiserslautern, Oppenheim, Worms, Ingelheim, Bingen, Kreuznach, Oberwesel, Boppard, Koblenz, Andernach, Remagen, Sinzig, ebenso der Kaiserdom zu Speyer. Ein herausragendes Ereignis war das glanzvolle Pfingstfest, das Kaiser Friedrich Barbarossa 1184 auf der Maaraue bei Mainz abhielt. Zahlreiche Fürsten aus dem Reich und dem übrigen Europa nahmen daran teil.

Schließlich etablierten sich, als die Macht des Königtums zu schwinden begann und sich stattdessen einzelne Territorien mit mächtigen Landesfürsten an der Spitze herausbildeten, die bedeutenden Kurfürstentümer Mainz, Trier und Kurpfalz. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts war das Amt des Mainzer Erzbischofs mit dem Erzkanzleramt verbunden. Der Inhaber des Mainzer Stuhls nahm damit nach dem Kaiser die wichtigste politische Stellung im Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen ein, und die Mainzer Kirchenprovinz war die größte nördlich der Alpen. Auch die Bischöfe von Speyer und Worms gewannen als geistliche Fürsten zunehmend an politischem Einfluss. Die mächtigen romanischen Dome von Speyer, Worms und Mainz erzählen von jener Epoche, ebenso wie die zahlreichen eindrucksvollen Burgen und bedeutenden Klöster im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Im Wappen von Rheinland-Pfalz finden sich in Erinnerung an die bedeutende Geschichte der einzelnen Landesteile das Trierer Kreuz, das Mainzer Rad sowie der Pfälzer Löwe.

In den Auseinandersetzungen zwischen Königtum und Papsttum, weltlichen und kirchlichen Fürsten meldeten sich im 13. Jahrhundert erstmals die Städte am Rhein als eigenständige Interessengruppe zu Wort. 1254 schlossen sich Mainz und Worms, bald verstärkt durch Oppenheim und Bingen, zu einem Städtebund zusammen, der mit Unterbrechungen über fast 200 Jahre Bestand haben sollte: „Vereint wollte man in den verwahrlosten Rechtszuständen und in dem Wirrwarr der großen und kleinen Machtkämpfe, die vom Bürgerkrieg her fortdauerten, neue Ordnung schaffen, vor allem den für den städtischen Handel lebenswichtigen Verkehr auf Straßen und Flüssen von den zahlreichen Raubzöllen und Wegelagereien befreien und den allgemeinen Landfrieden wiederherstellen und aufrechterhalten. Das mittelrheinische Vierstädtebündnis weitete sich jedoch nach ganz kurzer Zeit zu einer großen und neuartigen überregionalen Einung aus.“[Anm. 3]

Stets gingen von der Region wichtige Impulse für das geistige Leben in den deutschen Landen aus. So übte Bonifatius, der „Apostel der Deutschen“, von 746 bis 754 Bischof von Mainz, durch seine Missionsarbeit ebenso wie durch seine Bemühungen um eine Kirchenreform einen großen überregionalen Einfluss aus. Erinnert sei weiter an Persönlichkeiten wie Hrabanus Maurus, Hildegard von Bingen und Nikolaus von Kues. Im Spätmittelalter prägten Renaissance und Humanismus das geistige Leben an Rhein und Mosel. Davon zeugen u. a. die Gründung der Universitäten Trier (1473) und Mainz (1477). Mit der Erfindung der Buchdruckerkunst in Mainz im Jahr 1455 trug Johannes Gutenberg (ca. 1397–1468) entscheidend dazu bei, dass sich neue Ideen, wie die Reformation, rasch verbreiten konnten. Der Übertritt des pfälzischen Kurfürsten zum Luthertum hatte zur Folge, dass weite Teile im Süden des heutigen Landes Rheinland-Pfalz bis heute protestantisch geprägt sind, und zwar im Gegensatz zu den katholischen kurmainzischen und kurtrierischen Gebieten.

In den Städten Speyer, Worms und Mainz existierten spätestens seit dem 11. Jahrhundert bedeutende jüdische Gemeinden (nach den Anfangsbuchstaben der drei Städte „SCH-U-M-Gemeinden“ genannt), die unter dem Schutz der geistlichen Landesherren standen. Sie stellten im Mittelalter mit ihren Hochschulen, bedeutenden Rabbinern und Gelehrten das geistige Zentrum für das askenasische Judentum in Deutschland und Frankreich dar. Doch immer wieder kam es zu Pogromen. Eine der schlimmsten Verfolgungen erlitt die jüdische Gemeinde Mainz am 27. Mai 1096, als Tausende von Kreuzfahrern in die Stadt eindrangen. Über Jahrhunderte kam es immer wieder zu Pogromen und Ausweisungen. Doch die Gemeinden bildeten sich stes neu und trugen zur kulturellen Entwicklung und Vielfalt der Rheinlande bei, bis die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten im 20. Jahrhundert diesem Zusammenleben und der wechselseitigen kulturellen Befruchtung nachhaltig ein Ende bereitete. Heute zeugen vor allem Friedhöfe, wie derjenige in Worms – der älteste und größte Judenfriedhof Europas – von der bedeutenden Geschichte der Juden in den Rheinlanden.

Freiheitsstreben und „Wiege der Demokratie“

Die „Mainzer Republik“ von 1793 und die „französische Zeit“

Begünstigt durch die Nachbarschaft zu Frankreich, war das Streben nach bürgerlichen Freiheiten im Gebiet von Rheinland-Pfalz schon früh ausgeprägt. Als die französischen Truppen unter General Custine in den Revolutionskriegen vom Herbst 1792 das linke Rheinufer rasch eroberten, stießen sie auf geringe Gegenwehr. In den besetzten Städten bildeten sich unmittelbar danach Jakobiner-Clubs, es wurden Freiheitsbäume errichtet, und die Farben der Trikolore dominierten. Im Februar 1793 wählten Bürger im Gebiet zwischen Landau in der Pfalz und Bingen am Rhein ein Parlament – trotz des eingeschränkten Wahlrechts und der geringen Wahlbeteiligung ein Meilenstein in der deutschen Geschichte. Am 18. März 1793 konstituierte sich der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent, verpflichtet auf die Grundrechte der französischen Verfassung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Die Abgeordneten des Konvents fassten den Beschluss, dass sich das Gebiet zwischen Landau und Bingen vom Reich trennen und einen „einzigen, freien und unabhängigen Staat“ bilden solle; „erstmals wurde hier eine nach bürgerlich-demokratischen Prinzipien organisierte Republik ausgerufen“[Anm. 4]. Der Konvent tagte im Deutschhaus in Mainz, dem heutigen Sitz des Landtags, und beschloss in seiner ersten Sitzung u. a., die Leibeigenschaft abzuschaffen und die Gewerbefreiheit einzuführen. Wegen der Bedrohung des jungen Staates, meist „Mainzer Republik“ genannt, durch die Koalitionsheere der Mächte des Ancien Régime, die mit der Rückeroberung des Gebietes begonnen hatten, sprach sich der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent am 21. März 1793 für den Anschluss an Frankreich aus und erhoffte sich den Schutz des großen Nachbarlandes. Drei Vertreter des Konvents, darunter Georg Forster, bekannt als Naturforscher, Teilnehmer der Weltumseglung mit James Cook, Schriftsteller und einer der führenden Köpfe der Mainzer Jakobiner, wurden mit der „Reunions-Bitte“ nach Paris entsandt.

Doch die Revolutionsarmeen waren zu diesem Zeitpunkt zu schwach, um die Rheinische Republik zu schützen. Im Juli 1793 waren die Franzosen besiegt und mussten die wenige Monate zuvor eroberten deutschen Lande verlassen. Bereits 1794 drangen die französischen Armeen erneut bis an den Rhein vor, lediglich Mainz wurde von österreichischen Truppen als Bollwerk gegen Frankreich ausgebaut und gehalten. Doch im Frieden von Campo Formio (1797) trat Österreich das linke Rheinufer an Frankreich ab; ein großer Teil des heutigen Rheinland-Pfalz wurde bis 1813 Teil der französischen Republik. Mainz bzw. „Mayence“ war nun die Hauptstadt des Départements Donnersberg (Mont Tonnerre), welches das Gebiet südlich von Mainz und weite Teile der Pfalz umfasste; der westliche Teil des Erzstiftes Trier bildete das Saar-Département (mit Trier als Hauptstadt) und das Gebiet zwischen Bonn und Bad Kreuznach das Rhein-Mosel-Département (mit der Hauptstadt Koblenz). Die alten Verwaltungsstrukturen wurden zerschlagen und durch das dreigliedrige französische Verwaltungssystem ersetzt. Die Säkularisation und Entfeudalisierung wurde auf dem linken Rheinufer am weitesten vorangetrieben. Schon 1798 wurde ein neues Justizsystem eingeführt, das auf den Prinzipien „Öffentlichkeit, Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Mitwirkung von Laien“ bei den Gerichtsverfahren beruhte und dessen Vorteile die Bevölkerung rasch zu schätzen lernte. Auch wurde das französische Zivilstandswesen mit Standesämtern übernommen. Ab 1804 galt der „Code Civil“ (auch „Code Napoléon“ genannt), ein bürgerliches Gesetzbuch.

Nach der Niederlage Napoleons und dem Wiener Kongress von 1814/15 fand eine vollständige territoriale Neugliederung des linken Rheinufers statt. Die linksrheinische Pfalz kam zum Königreich Bayern, während die kurtrierischen Gebiete Teil der von Preußen regierten Rheinprovinz bildeten. Das Gebiet um Mainz wurde 1816 als neue „Provinz Rheinhessen“ mit der Provinzialhauptstadt Mainz dem erweiterten Großherzogtum Hessen-Darmstadt eingegliedert. Für die ehemals wichtigste Stadt des Reiches bedeutete dies einen herben sozialen Abstieg. Hinzu kam, dass Mainz Bundesfestung wurde und etwa 7.000 preußische und österreichische Soldaten ständig hier stationiert waren. Die Stadt wurde für lange Jahre militärisch geprägt, die Zivilverwaltung war in wichtigen Fragen dem Festungsgouverneur untergeordnet.

Die unter französischer Herrschaft erworbenen Freiheitsrechte wurden weitgehend abgeschafft, auch wenn die deutschen Fürsten ihren Landeskindern während der Freiheitskriege gegen Napoleon Verfassungen versprochen hatten. Immerhin: in einem Teil der linksrheinischen Gebiete, in denen der „Code Napoléon“ gegolten hatte, nämlich in der Pfalz und in Rheinhessen, ließen sich die Bürger ihre einmal gewonnenen Rechte nicht einfach wieder wegnehmen. Ihre Vertreter in den Landtagen kämpften erfolgreich um die Beibehaltung der sogenannten „rheinischen Institutionen“.

Doch die Restauration war in der Epoche des „Vormärz“ überall zu spüren. Im Deutschen Bund, dessen Sitz Frankfurt am Main war, hatte Metternich großen Einfluss. Die auf sein Betreiben gefassten „Karlsbader Beschlüsse“ von 1819 schufen für ihn die Handhabe, ein strenges System der politischen Überwachung aufzubauen. Mit Hilfe einer „Zentral-Untersuchungskommission“, die in Mainz (von Metternich einmal ein „fürchterliches Jakobinernest“ genannt) angesiedelt war und auf einem Spitzelsystem beruhte, versuchte er, alle „revolutionären Umtriebe“ im Gebiet des Deutschen Bundes aufzuspüren.

Das Hambacher Fest von 1832 – „der Deutschen Mai“

Die einmal genossene Freiheit ließ sich jedoch nicht mehr ganz unterdrücken. Es war sicher kein Zufall, dass in der Zeit des „Vormärz“, im Jahr 1832, das „Hambacher Fest“ im ehemals französisch regierten Gebiet stattfand. Die Journalisten Philipp Jacob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth riefen anlässlich des alljährlich am 26. Mai begangenen bayerischen Verfassungsfestes im Jahr 1832 für den darauf-folgenden Tag zu einem „deutschen Nationalfest“ auf. Der Aufruf fiel auf fruchtbaren Boden. In der Pfalz herrschte seit langem eine unzufriedene Stimmung, die durch die Nachrichten von der Juli-Revolution in Paris von 1830 und durch den Kontakt mit den seit 1831 zahlreich durch die Pfalz kommenden Polenflüchtlingen, die einen Aufstand gegen die russische Herrschaft gewagt hatten, Nahrung erhalten hatte. Am 27. Mai 1832 wanderten rund 30.000 Menschen nicht nur aus der Pfalz, sondern auch aus den übrigen deutschen Ländern und aus dem Ausland, von Neustadt (Haardt) in einem langen Zug unter schwarz-rot-goldenen Fahnen zur Ruine des Hambacher Schlosses hinauf. Dort feierte man ein politisches Volksfest mit Musik, Essen, Trinken und vielen Reden. Zentrale Forderungen waren: ein Verfassungsstaat, eine Verwirklichung der deutschen Einheit, Presse- und Redefreiheit. Auch die Forderung nach der politischen und bürgerlichen Gleichstellung der Frauen wurde bereits erhoben. Das restaurierte Schloss bei Neustadt a. d. W. ist heute eine Erinnerungsstätte dieses großen Freiheitsfestes des Volkes; in den Räumen wird eine Dauerausstellung zur Geschichte der Demokratie gezeigt.

In den Jahren nach 1832 wurde die staatliche Überwachung erneut verschärft. Als Nachfolgeinstitution der „Zentral-Untersuchungskommission“ ließ Metternich 1833 das „Mainzer Informations-Büro“ einrichten, dessen Kundschafternetz ganz Europa umspannte.

1848 und der Pfälzische Aufstand von 1849

Doch der Wunsch nach Meinungsfreiheit und größeren politischen Mitwirkungsrechten war im Bürgertum übermächtig geworden. Die Unzufriedenheit mit der politischen Repression wuchs. Hinzu kamen in der Pfalz und anderen deutschen Gebieten wirtschaftliche Krisen und Hungersnöte in den 1840er Jahren. Die Nachrichten von den Ereignissen in Paris vom 22.-24. Februar 1848, wo die Monarchie gestürzt und die Republik ausgerufen wurde, ließen die revolutionäre Stimmung sofort auf Deutschland, vor allem den Südwesten, überspringen. Schon am 28. Februar formulierten z. B. einige liberal gesinnte Bürger in Mainz, darunter der Rechtsanwalt und Abgeordnete des Hessischen Landtages Franz Zitz, elf Forderungen an die Landesregierung. Der Großherzog gab schon am 5. März nach, bewilligte einen Teil der Forderungen, setzte seinen Sohn zum geschäftsführenden Mitregenten ein und entließ den verhassten reaktionären Innenminister Du Thil. Zu dessen Nachfolger wurde der liberale Heinrich von Gagern (der spätere Präsident des Paulskirchen-Parlaments) berufen. Auch in der Pfalz wurden in Versammlungen Anfang März ähnliche Forderungen formuliert und in München der Ständekammer überreicht. Der bayerische König Ludwig I. legte wegen des Skandals um seine Geliebte, Lola Montez, am 20. März die Krone nieder. Sein Nachfolger, Maximilian II., versprach, die Forderungen und Beschwerden der Pfälzer sorgfältig zu prüfen. In der Rheinprovinz kam es dagegen nur vereinzelt zu revolutionären Bewegungen.

Im Zuge der Vorbereitungen der Wahlen zur deutschen Nationalversammlung zeigten sich deutliche Unterschiede in den politischen Vorstellungen der Mitglieder der spontan entstandenen Bürgerkomitees. Die tiefste Kluft verlief zwischen Monarchisten und Republikanern. Es kam zur Spaltung und zur Formierung von ersten politischen Vereinen, die in ihrer jeweiligen programmatischen Ausrichtung als Vorläufer der späteren Parteien erkennbar sind. In dieser Gründungsphase spielte Mainz erneut eine wichtige Rolle. So fand sich hier bereits am 23. März 1848 der „Pius-Verein für religiöse Freiheit“ zusammen, der zur Keimzelle der katholischen Vereine Deutschlands und Vorläufer der Zentrums-Partei wurde. Am 25. März erfolgte auf Initiative des „Bundes der Kommunisten“ die Konstituierung des Mainzer Arbeiterbildungsvereins (ein Vorläufer der Sozialdemokratie), der Anfang April des gleichen Jahres Besuch von Karl Marx und Friedrich Engels erhielt. Mainz wurde zur Zentrale aller deutschen Arbeiterbildungsvereine ausersehen. Am 11. Mai wurde der „Demokratische Verein“ gegründet, der von dem jungen Mainzer Juristen Ludwig Bamberger geleitet wurde und der im Frühjahr 1849 bereits 2.000 Mitglieder zählte. Im Juli wurde schließlich der konservative „Bürgerverein“ aus der Taufe gehoben, der sich der konstitutionellen Monarchie verschrieben hatte. Zu Pfingsten 1848 fand in Mainz, der Stadt Gutenbergs, auch die erste Nationale Buchdruckerversammlung statt, die zur Gründung des „Verbandes der Mainzer Buchdrucker“, dem ersten gewerkschaftlichen Zusammenschluss, führte.

Nach dem Scheitern des Paulskirchen-Parlaments kam es in einigen Staaten zu Aufständen, so in Sachsen und Baden. In der Pfalz beschlossen Volksversammlungen die Loslösung von Bayern, da die bayerische Staatsregierung sich strikt weigerte, die Reichsverfassung anzunehmen. Es formierte sich ein Volksheer, bestehend aus Bürgerwehren und Freischaren. Unterstützt wurden die Pfälzer Aufständischen durch rheinhessische Freischaren, darunter zahlreiche Turner. Doch der Aufstand in der Pfalz wurde ebenso wie der badische von preußischen Truppen unter der Führung des Kronprinzen Wilhelm, des „Kartätschen-Prinzen“, blutig niedergeschlagen. Noch heute kündet ein Denkmal auf dem Friedhof von Kirchheimbolanden vom Tod zahlreicher junger Männer, die dort am 14. Juni 1849 bei einer Entscheidungsschlacht im Schlossgarten für die Freiheit starben. Die Erinnerung an diesen Aufstand blieb in der Bevölkerung der Region lange lebendig, und der Hass auf die Preußen saß tief.

Kaiserreich und Weimarer Republik

Im Krieg von 1870/71 waren die linksrheinischen Gebiete einmal mehr Aufmarschgebiet der deutschen Truppen, die gegen Frankreich zogen. Nach dem Sieg und der Reichsgründung war die Region dann kein unmittelbares Grenzland mehr und hätte nun eine ruhige Entwicklung nehmen können. Doch die Militärführung des inzwischen gegründeten Deutschen Reiches betrachtete die Festungsstädte am Rhein weiterhin als strategisch wichtige Bollwerke gegen den „Erbfeind“ im Westen, und es gelang erst spät, die Genehmigung zur Entfestigung zu erhalten. Die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung der Städte wurde dadurch stark verzögert und behindert.

Am Ende des Ersten Weltkriegs, nach dem Waffenstillstand vom November 1918, wurde das linke Rheinufer und damit der größte Teil des heutigen Landes Rheinland-Pfalz einmal mehr von französischen Truppen besetzt. Die damit verbundenen Belastungen und Einschränkungen wirkten sich in den Folgejahren sehr nachteilig auf die wirtschaftliche Lage der Region aus. Hinzu kamen die Inflation sowie verschiedene Krisen – etwa die Separatistenputsche in Rheinhessen und in der Pfalz von 1919 und 1923 sowie die Rhein-Ruhr-Krise mit dem passiven Widerstand der Bevölkerung. In den linksrheinischen Gebieten herrschte zeitweise große wirtschaftliche Not.

Dank intensiver Verhandlungen mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand erreichte Reichsaußenminister Gustav Stresemann die vorzeitige Räumung der besetzten linksrheinischen Gebiete. Nach der Räumung der Rheinlandzone um Köln 1925/26 und der Zone Koblenz bis Ende November 1929 verließen die französischen Truppen am 30. Juni 1930 auch Rheinhessen mit den Brückenköpfen Mainz und Worms, das Gebiet um Trier und die Pfalz. In den darauf folgenden Wochen wurde die „Rheinland-Befreiung“ in Anwesenheit von Staatspräsident Hindenburg überschwänglich gefeiert.

Bis 1930 hatte die NSDAP in den linksrheinischen Gebieten nur geringe Erfolge erzielen können. Der Aufbau ihrer Organisation war durch Uniformverbote und andere Maßnahmen der Besatzung stark erschwert. Zwischen 1930 und 1933 nahm die Hitler-Partei dann jedoch auch hier, begünstigt durch die dramatische Notsituation während der Weltwirtschaftskrise, einen raschen Aufschwung. Die Wahlergebnisse fielen von Ort zu Ort allerdings sehr unterschiedlich aus und spiegeln meist die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung wider. Auch hier bestätigte sich der allgemeine Trend, dass mehrheitlich katholische Gebiete bis 1933 resistenter gegenüber dem Nationalsozialismus waren als Gebiete mit einer protestantischen Mehrheit.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Unmittelbar nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wurden auch auf dem linken Rheinufer zahlreiche Gegner der Nationalsozialisten, vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und Mitglieder des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, verhaftet und zur Einschüchterung, offiziell „Umerziehung“ genannt, in die frühen Konzentrationslager eingeliefert. Eines dieser frühen „wilden“ Lager wurde um den 8. März 1933 in Osthofen bei Worms in einer stillgelegten Papierfabrik eingerichtet und im Mai von Dr. Werner Best, seit 7. März „Sonderkommissar des hessischen Polizeiwesens“, nachträglich legitimiert. In den Gebäuden befindet sich heute die zentrale Gedenkstätte und das Dokumentationszentrum zur Geschichte des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz.

Im Jahr 1936 ließ Hitler unter Verletzung des Versailler Vertrags Wehrmachtseinheiten in das Gebiet auf dem linken Rheinufer einmarschieren. Kritischen Beobachtern war schon zu diesem Zeitpunkt klar, dass Deutschland auf einen neuen Krieg zusteuerte.

Das Rhein-Main-Gebiet mit Mainz und Rheinhessen, z. T. bis Ludwigshafen und tief in die Pfalz hineinreichend, bildete in den Jahren von 1933 bis zum Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 ein wichtiges Zentrum des zivilen Widerstandes gegen die NS-Herrschaft. Zu den herausragenden politischen Köpfen zählen z.B. Wilhelm Leuschner, Carlo Mierendorff und Ludwig Schwamb. Viele der Widerständler bezahlten ihren mutigen Einsatz mit dem Leben.

Die einzelnen Landesteile von Rheinland-Pfalz gehörten von 1933 bis 1945 zu verschiedenen NS-Gauen: Rheinhessen war Teil des Gaues Hessen-Nassau mit Gauleiter Jakob Sprenger, die Regierungsbezirke Trier und Koblenz gehörten zum Gau Moselland mit Gauleiter Gustav Simon an der Spitze, während die Pfalz (anfangs als Gau Rheinpfalz, dann als Teil des erweiterten Gaues Saar-Pfalz, schließlich des Gaues Westmark) dem Gauleiter Josef Bürckel unterstand.

Die Juden wurden vom Frühjahr 1933 an auch hier an Rhein und Mosel, wo sie seit 1000 Jahren ansässig und Teil der Gesellschaft waren, systematisch diskriminiert und verfolgt, beginnend mit dem Boykott vom 1. April 1933 über die schrittweise Entrechtung, finanzielle Ausplünderung und den Pogrom vom 9./10. November 1938 bis hin zu den Deportationen. Noch bevor die ersten Juden abtransportiert wurden, gab es in Südwestdeutschland sozusagen eine „Generalprobe“: Am 15. Mai 1940 wurden fast alle Sinti in der Pfalz familienweise verhaftet und am nächsten Tag zusammen mit fast 100 Leidensgefährten aus Rheinhessen und den Sinti aus Karlsruhe mit der Eisenbahn zum Hohenasperg bei Ludwigsburg gebracht. Nach einigen Tagen Haft in der dortigen Festung deportierte man sie zunächst in Ghettos nach Polen, wo alle vom Greis bis zum Kind Schwerstarbeit leisten mussten, bevor die meisten im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Der Pfälzer Gauleiter Bürckel tat sich besonders dabei hervor, seinen Gau als einen der ersten „zigeunerfrei“ und „judenfrei“ zu machen. Bereits im Oktober 1940 ließ er über 800 pfälzische Juden nach Frankreich in das berüchtigte Internierungslager Gurs am Fuße der Pyrenäen abtransportieren. Das gleiche Schicksal erlitten die Juden aus Baden und dem Saarland. Die Juden aus Rheinhessen und dem „Gau Moselland“, denen bis dahin die Auswanderung nicht geglückt war, wurden ab Frühjahr 1942 in mehreren großen Transporten in die Vernichtungslager im Osten bzw. in das „Musterghetto“ Theresienstadt deportiert.

In der Kriegsvorbereitungsphase bestimmten einmal mehr militärstrategische Entscheidungen das Leben der Bevölkerung im Grenzgebiet zu Frankreich. Zahlreiche Menschen aus der „Roten Zone“, einem acht bis zehn Kilometer tiefen Streifen entlang der Westgrenze, mussten im Sommer 1939 ihre Häuser und Höfe verlassen und wurden evakuiert. Mit Hilfe von dienstverpflichteten Arbeitskräften der „Organisation Todt“ und des Reichsarbeitsdienstes war bereits ab 1938 der Westwallbau vorangetrieben worden. In diesem Zusammenhang hatte die SS ein Sonderlager in Hinzert bei Trier errichtet, das zunächst als Straf- bzw. „Arbeitserziehungslager“ für Westwallarbeiter diente. Später hatte es den Charakter eines Konzentrationslagers, in das vor allem luxemburgische und französische Häftlinge, sowjetische Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter eingewiesen wurden. Sie alle mussten Schwerstarbeit leisten, ein Teil der Häftlinge wurde ermordet.

Wie überall im Deutschen Reich, so wurde auch im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz die Kriegswirtschaft mit Hilfe von vielen Tausenden von Zwangsarbeitskräften aufrechterhalten. Im September 1944 zählte man in den Gauarbeitsamtsbezirken Moselland (ohne Luxemburg), Westmark (ohne Lothringen und heutiges Saarland) und Rhein-Main (hiervon die Arbeitsamtsbezirke Mainz, Niederlahnstein und Worms) über 131.000 Ausländerinnen und Ausländer, darunter mehr als 54.000 „Ostarbeiter“. Von 1942 an hatten die linksrheinischen Gebiete zunehmend unter Luftangriffen zu leiden, die vor allem die industriellen Zentren und Eisenbahnknotenpunkte betrafen. Gegen Kriegsende lagen die meisten Städte in Trümmern. Ein Teil der Bevölkerung war aufs Land evakuiert worden.

In der Zeit von Mitte Februar bis zum 22. März 1945 rückten die US-Truppen von Westen her über die Grenzen vor und eroberten den größten Teil des heute zu Rheinland-Pfalz gehörenden Gebiets, bevor sie an mehreren Stellen den Rhein überschritten. Zuvor hatten Pioniere der Wehrmacht fast alle Brücken gesprengt. Noch in den letzten Stunden vor dem Einmarsch der Alliierten wurden „Fahnenflüchtige", Zivilisten und Volkssturmangehörige, die sich diesen unsinnigen Befehlen verweigerten, erschossen oder aufgehängt.

Kriegsende und politscher Neubeginn

Sofort nach ihrem Einmarsch begannen die Amerikaner in den linksrheinischen Gebieten mit dem Aufbau provisorischer deutscher Lokalverwaltungen. An deren Spitze berief man politisch unbelastete Personen, die häufig bereits vor 1933 Ämter innegehabt hatten und als Gegner der Nationalsozialisten unter Hitler verfolgt gewesen waren. Als dringendste Aufgabe mussten die provisorischen deutschen Verwaltungen die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Brennstoffen, Kleidung und Wohnraum versorgen. Im Juli 1945 wurde Deutschland dann gemäß den Vereinbarungen der Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Das linke Rheinufer und einige rechtsrheinische Gebiete im Bereich von Westerwald und Taunus wurden von den Amerikanern geräumt und der französischen Militärverwaltung unterstellt; wieder einmal begann für diese Region eine „französische Zeit“.
In der französischen Zone kamen die Normalisierung des Alltags und der Wiederaufbau nur schleppend in Gang. Frankreich hatte im Krieg durch die deutsche Besatzung stark gelitten, und seine Bevölkerung hungerte selbst. Die Militärregierung versuchte daher zunächst, durch Demontagen von deutschen Fabrikanlagen und durch Beschlagnahmung von Lebensmitteln und Rohstoffen wenigstens eine geringe Entschädigung zu erlangen. Für die Städter gehörten der Hunger, das Tauschen und das „Hamstern" bei den Bauern zum Nachkriegsalltag. Eine große Unterstützung bedeutete die humanitäre Hilfe aus dem Ausland, die u. a. von der „Schweizer Spende" sowie von den Mennoniten und Quäkern aus den U.S.A. geleistet wurde.
Bereits kurz nach Kriegsende wurden in den größeren Städten Betreuungsstellen für politisch, rassisch und religiös Verfolgte eingerichtet. Schwierig war die Situation der ausländischen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie der überlebenden KZ-Häftlinge aus anderen Ländern. Sie wurden von den Alliierten in Lagern für „Displaced Persons" (kurz „DPs“), zusammengefasst, von dort sollten sie in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Frankreich hatte am 27. Juni 1945 ein eigenes Abkommen mit der Sowjetunion geschlossen, in dem es sich verpflichtete, die sowjetischen Zwangsarbeiter aus der französischen Zone auch gegen ihren Willen zurückzuführen

Die Wiedergründung von Gewerkschaften und politischen Parteien

Die Situation nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes wurde von großen Teilen der Arbeiterschaft als Chance zum völligen Neubeginn angesehen. Ehemalige Gewerkschaftsfunktionäre drängten auf die Gründung von Einheitsgewerkschaften, um in Zukunft eine Zersplitterung der Arbeiterbewegung, wie sie am Ende der Weimarer Republik geherrscht hatte, zu verhindern. Durch die Verordnung Nr. 6 der französischen Militärregierung vom 10. September 1945 wurden Gewerkschaften wieder zugelassen. In den folgenden Monaten gründeten sich einzelne Fachgewerkschaften. Eine zentrale Organisation für die gesamte französische Zone wurde nicht gestattet. Erst im Oktober 1949 konnte dann mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund ein Dachverband für das gesamte Gebiet der neuen Bundesrepublik ins Leben gerufen werden.

Als letzte der drei Westzonen gestattete die französische Militärregierung die Wiedergründung von politischen Organisationen, vermutlich aus Angst vor einem Wiederaufleben des Nationalsozialismus. Erst mit der Verordnung Nr. 23 vom 13. Dezember 1945 wurde hier die Bildung von demokratischen und antinationalsozialistischen Parteien genehmigt. Beim Antrag auf Zulassung hatten sie eine Reihe von Auflagen zu erfüllen. Zonenübergreifende Parteien wurden nicht gestattet, ja nicht einmal Organisationen für die gesamte französische Zone. So entstanden anfangs mehrere regionale christliche und liberale Parteien mit unterschiedlichen Namen, da diese Parteien keine direkten Vorläuferorganisationen aus der Weimarer Republik hatten. Erst etwas später schlossen sie sich zur CDU bzw. zur FDP zusammen. SPD und KPD hatten es da einfacher. Sie waren 1933 verboten und ihre Mitglieder verfolgt worden. Sie knüpften beim Aufbau ihrer Organisation programmatisch und personell an die Zeit vor 1933 an. Ein Teil ihrer führenden Persönlichkeiten war aus dem Exil oder aus Lagern zurückgekehrt und wurde nun mit dem Wiederaufbau betraut.

Entnazifizierung, Umerziehung und „Vergangenheitsbewältigung”

Für die Entnazifizierung entwickelte die französische Militärregierung ein eigenes Konzept, das sich bewusst von der amerikanischen Säuberungspolitik abgrenzte. Es ging weniger um eine Abrechnung mit der Vergangenheit, als vielmehr darum, den Aufbau der neuen Demokratie gegenüber nationalsozialistischen Einflüssen abzusichern. So musste nicht automatisch jeder Erwachsene einen Fragebogen ausfüllen, sondern nur Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, Lehrer, Führungskräfte in der Privatwirtschaft und Angehörige bestimmter Freier Berufe. Aus dem Dienst entfernt wurden nur schwer belastete Nationalsozialisten. In den ersten beiden Jahren entwickelte sich die Praxis der Entnazifizierung in den einzelnen Regierungsbezirken der nördlichen französischen Zone sehr unterschiedlich. Während in der Pfalz relativ streng gesäubert wurde, schob man die Entnazifizierung in Rheinland-Hessen-Nassau eher auf die lange Bank. Etwa nach der Landesgründung wurde im April 1947 mit der „Landesverordnung zur politischen Säuberung im Land Rheinland-Pfalz" die Entnazifizierung landeseinheitlich geregelt. Ab jetzt verliefen die Verfahren allerdings überall sehr schleppend, und die Sanktionen fielen zunehmend milde aus. Das Interesse an der Entnazifizierung hatte inzwischen merklich nachgelassen, und eine große Zahl von Fällen hatte sich außerdem durch die inzwischen erlassenen Amnestien erledigt. Von dieser veränderten Lage profitierten vor allem die schwer belasteten Nationalsozialisten, die zum Teil noch in Internierungslagern in Idar-Oberstein, Landau, Wörth, Diez-Freiendiez und Trier-Petrisberg auf ihre Verfahren warteten.

Dass sich die Justiz mit der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts schwer tat und keinen allzu großen Eifer bei der Verfolgung der Täter an den Tag legte, überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der Richter und Staatsanwälte während der NS-Zeit die gleichen Funktionen ausgeübt hatte. Waren in der französischen Zone 1945 zunächst die meisten Richter und Staatsanwälte im Rahmen der Entnazifizierung entlassen worden, so kehrte ab 1948 ein großer Teil von ihnen zurück. Ehemalige Mitglieder der NSDAP nahmen schon bald wieder führende Positionen im Justizwesen ein. Auch von den 110 Juristen, die an den Sondergerichten tätig gewesen waren, die sich auf dem Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz befunden hatten, wurden 47 wieder in den Justizdienst übernommen und konnten ungehindert Karriere machen. Einer von ihnen brachte es bis zum Oberlandesgerichtspräsidenten.

Schwer tat sich die Justiz lange Jahre auch mit der Frage, inwieweit Urteile, die im „Dritten Reich" gefällt worden waren und die offenkundig keinen rechtsstaatlichen Prinzipien entsprachen, aufgehoben werden müssten. Mit der „Landesverordnung zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege" vom 23. März 1948 wurde in Rheinland-Pfalz zwar bereits relativ früh eine Grundlage zur Revision von Unrechtsurteilen geschaffen. Doch erst auf Initiative von Justizminister Caesar wurden in Rheinland-Pfalz 45 Jahre nach Kriegsende, zwischen 1990 und 1992, sämtliche Urteile der während der NS-Zeit hier bestehenden Sondergerichte überprüft, sofern die Akten noch auffindbar waren. Alle von den Sondergerichten ausgesprochenen Todesurteile, es handelte sich um 29 noch feststellbare Fälle, wurden inzwischen aufgehoben.

Die französische Militärregierung versuchte das Ziel der Umerziehung der Deutschen nach 1945 vor allem durch eine gezielte Kultur- und Bildungspolitik zu erreichen. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg, spielte jetzt auch der Gedanke der Aussöhnung zwischen den beiden Nachbarländern von Anfang an eine wichtige Rolle. Bei der obersten Militärverwaltung für die Französische Zone in Baden-Baden wurde eine „Abteilung für Öffentliche Bildung" (Direction de l'Education Publique) eingerichtet, die dem Germanisten Raymond Schmittlein unterstand. Ihm und seiner Stellvertreterin Irène Giron, beide intensiv mit der deutschen Sprache und Kultur vertraut, verdankt Rheinland-Pfalz die Schaffung mehrerer Bildungs- und Forschungseinrichtungen mit bis heute herausragender Bedeutung für das Land. Dies sind beispielsweise die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und die Akademie der Wissenschaften und der Literatur (vgl. auch den Abschnitt „Gute Nachbarschaft mit Frankreich“ unten).

Die Schulen wurden Anfang Oktober 1945 wieder geöffnet. Auch Lokalzeitungen durften ab Herbst 1945 wieder erscheinen. Allerdings wurden Schulbücher und Presseerzeugnisse streng zensiert. Der Neubeginn des Rundfunks verlief schleppend. In Koblenz wurden durch private Initiative die Sendeanlagen des früheren Reichsrundfunksenders Koblenz instand gesetzt und nahmen im Oktober 1945 als „Radio Koblenz" den Betrieb auf. Wenig später wurde von den Franzosen in Baden-Baden der Südwestfunk aus der Taufe gehoben. Im Mai 1946 wurde „Radio Koblenz" in die offizielle Rundfunkanstalt der französischen Zone integriert. Am 30. Oktober 1948 erklärte die Militärregierung den Südwestfunk zu einer „Anstalt des öffentlichen Rechts" mit Sitz in Mainz.

„Land aus der Retorte“ – Landesgründung als Akt der Besatzungsmacht

Durch die Verordnung Nr. 57 vom 30. August 1946, unterzeichnet vom Oberkommandierenden der französischen Truppen in Deutschland, General Pierre-Marie Koenig, wurde aus dem nördlichen Teil der französischen Zone das Land Rheinland-Pfalz geschaffen, das die zuvor bayerische Pfalz sowie die Regierungsbezirke Trier und Koblenz (zuvor preußische Rheinprovinz), Mainz (zuvor Großherzogtum bzw. Volksstaat Hessen) und Montabaur (früher Herzogtum Nassau, dann ebenfalls preußische Rheinprovinz) umfasste. Hauptstadt des neuen Landes sollte Mainz werden.

Einen ersten wichtigen Schritt zur Wiederherstellung einer demokratisch legitimierten Selbstverwaltung, die von Hitler 1933 zerschlagen worden war, bildeten die Kommunalwahlen vom Herbst 1946. Am 15. September wurden die Gemeinderäte gewählt; Kreistagswahlen folgten am 13. Oktober. Aus den vereinigten Mitgliedern der Kreisversammlungen und der Gemeindeversammlungen der Städte mit mehr als 7.000 Einwohnern wurden dann am 17. November 1946 die 127 Mitglieder der Beratenden Landesversammlung gewählt mit dem Auftrag, dem zukünftigen Land eine Verfassung zu geben. Am 22. November 1946 trat das Gremium im Koblenzer Stadttheater in Anwesenheit von Mitgliedern der französischen Militärregierung erstmals zusammen. Bis April 1947 beriet der Verfassungsausschuss den Verfassungsentwurf, den die „Gemischte Kommission" unter Federführung des Staatsrechtlers Dr. Adolf Süsterhenn (CDP/CDU) vorgelegt hatte. Süsterhenns Entwurf war stark von einem christlichen Menschenbild geprägt.

Im Laufe der Beratungen traten zwischen den einzelnen politischen Parteien große Meinungsunterschiede zu verschiedenen Punkten der Verfassung zutage. Dies betraf neben der Frage der Einbindung von Rheinland-Pfalz in einen Zentralstaat vor allem die Wirtschafts- und die Schulverfassung. Die Fronten hinsichtlich der Schulverfassung in der Frage: Simultan- oder christliche Bekenntnisschule waren so verhärtet, dass schließlich festgelegt wurde, die Bevölkerung über die Schulartikel gesondert abstimmen zu lassen. Bei diesem Konflikt zeigten sich vor allem die Traditions- und Konfessionsunterschiede der verschiedenen Regionen, die man künstlich zu einem Land zusammengefügt hatte.

Am 18. Mai 1947 war die Bevölkerung aufgerufen, über die Landesverfassung abzustimmen und den ersten Landtag zu wählen. Bei einer Wahlbeteiligung von 77,7% stimmten insgesamt 53% für die Verfassung und 47% dagegen. Für die Schulartikel wurden 52,4% Ja- und 47,6% Nein-Stimmen abgegeben. In den Regierungsbezirken Rheinhessen und Pfalz hatten 53,2 bzw. 59,7% der Wahlberechtigten gegen die Verfassung gestimmt; die Schulartikel waren sogar mit 67% (Rheinhessen) bzw. 63,2% (Pfalz) abgelehnt worden. Von den 101 Sitzen im ersten Landtag erhielten die CDU 48 (47,2%), die SPD 34 (34,4%), die LP/SV 11 (9,7%; Liberale Partei und Soziale Vereinigung schlossen sich später zur FDP zusammen) und die KPD 8 (8,7%).

Wie stabil war ein solches Land, das nicht gewachsen und aus dem Wunsch der Bevölkerung heraus entstanden, sondern durch eine Verfügung der Besatzungsmacht verordnet worden war? Das 1949 beschlossene Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sah in Art. 29 die Möglichkeit einer Neugliederung vor. Im Dezember 1955 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Durchführung von Volksbegehren, das den Weg für Abstimmungen in jenen Gebieten ebnete, deren territoriale Zugehörigkeit sich nach dem 8. Mai 1945 geändert hatte. Vom 9.-22. April 1956 fand aufgrund dieses Artikels in Rheinland-Pfalz ein Volksbegehren statt, das zum Teil von einem emotionsgeladenen und polemischen Wahlkampf begleitet war. Es standen die folgenden Gebietsveränderungen zur Diskussion:

  1. Angliederung der Regierungsbezirke Koblenz und Trier an das Land Nordrhein-Westfalen;
  2. Angliederung des Regierungsbezirks Montabaur an das Land Hessen;
  3. Angliederung des Regierungsbezirks Rheinhessen an das Land Hessen;
  4. Angliederung des Regierungsbezirks Pfalz an das Land Bayern;
  5. Angliederung des Regierungsbezirks Pfalz an das Land Baden-Württemberg.

Die beiden letztgenannten Volksbegehren scheiterten, da die erforderliche Eintragung von 10% der Wahlberechtigten nicht erreicht wurde. In den übrigen drei Gebieten musste nun der anschließend vorgesehene Volksentscheid folgen. Allerdings hatte die Bundesregierung inzwischen ihr Interesse an einer Neugliederung der Länder, die gravierende Folgeprobleme nach sich gezogen hätte, verloren. Für sie hatten die Verhandlungen um die NATO-Mitgliedschaft und die EWG Vorrang. Erst mit großer zeitlicher Verzögerung wurde der Volksentscheid endlich am 19. Januar 1975 durchgeführt. Die Wahlbeteiligung lag zwischen 28,9 (Rheinhessen) und 46,5% (Regierungsbezirk Montabaur). In allen drei Gebieten sprachen sich jeweils mehr als zwei Drittel für den Verbleib ihres Regierungsbezirks bei Rheinland-Pfalz aus. Offenbar war das neu geschaffene Land inzwischen bei der Bevölkerung akzeptiert.

Die Ära Altmeier

Nach der Landtagswahl vom 18. Mai 1947 wurde Dr. Wilhelm Boden, seit 1. Dezember 1946 bereits von der französischen Militärregierung eingesetzter vorläufiger Ministerpräsident, vom neuen Landtag zum Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz gewählt. Er trat jedoch schon am 9. Juli zurück, nachdem es ihm nicht gelungen war, eine Regierung zu bilden.

Zu seinem Nachfolger wurde am gleichen Tag Peter Altmeier gewählt, der das Amt des Ministerpräsidenten dann über fast 22 Jahre hinweg, bis Mai 1969, innehatte und in die Rolle eines „Landesvaters“ hineinwuchs. Aufgrund der regionalen und konfessionellen Struktur des neuen Landes ging die CDU aus allen Landtagswahlen von 1947 bis einschließlich 1987 als stärkste Partei hervor und stellte den Ministerpräsidenten. In seiner ersten Amtszeit regierte Altmeier mit einem All-Parteien-Kabinett aus CDU, SPD, LDP und KPD. In den folgenden Wahlperioden bildete die CDU entweder eine Koalition mit der FDP. oder konnte mit absoluter Mehrheit alleine regieren. Lange Zeit blieb der rheinland-pfälzische Landtag eine Männerdomäne: hatten den ersten beiden Nachkriegs-Landtagen immerhin noch acht bzw. sieben weibliche Abgeordnete angehört, so sank ihre Zahl in den darauffolgenden Wahlperioden auf vier bzw. fünf. Es dauerte bis 1979, bis erstmals zehn Frauen den Sprung ins Parlament schafften; in der 14. Wahlperiode (2001-2006) sitzen 32 Frauen (bei insgesamt 101 Abgeordneten) im rheinland-pfälzischen Landtag.

In Altmeiers erste Regierungszeiten fielen wichtige Ereignisse und Entscheidungen für die Zukunft von Rheinland-Pfalz und ganz Deutschland. Vom 8. bis 10. Juli 1948 war er Gastgeber, als in Koblenz erstmals die Ministerpräsidenten der Länder der drei westlichen Besatzungszonen zu einer Konferenz zusammenkamen, die später nach dem Tagungsort „Rittersturz“ benannt wurde. Die Teilnehmer schufen in ihren Beratungen auf Initiative der westlichen Alliierten, die durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft Deutschlands hatten, unter schwierigen Bedingungen die Grundlage für den politischen Weg zur Schaffung eines Weststaats, der Bundesrepublik. Am 1. September 1948 trat dann in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen, um eine Verfassung auszuarbeiten. An den Beratungen waren mit Adolf Süsterhenn und Albert Finck (beide CDU) sowie Justizrat Friedrich Wilhelm Wagner und Karl Kuhn (beide SPD) auch vier Vertreter aus Rheinland-Pfalz beteiligt. Das Grundgesetz wurde am 8. Mai 1949 angenommen; am 18. Mai stimmte dann auch der Mainzer Landtag der neuen Staatsverfassung zu, wodurch Rheinland-Pfalz ein Gliedstaat der föderalistisch organisierten Bundesrepublik Deutschland wurde. Damit waren endgültig alle Überlegungen zu den Akten gelegt, das linksrheinische Gebiet zu einem autonomen Staatsgebilde zu machen, falls denn einzelne französische Politiker oder Militärs solche Pläne zu dieser Zeit noch hegten.

Am 16. Mai 1950 bekräftigte der rheinland-pfälzische Landtag nochmals per Beschluss die Verlegung des Sitzes der Regierung nach Mainz; die Entscheidung war hart umkämpft. Zwar war bereits 1946 Mainz von den Franzosen zum Sitz der Landesregierung bestimmt worden. Wegen des Mangels an Sitzungsräumen und Büros infolge der starken Kriegszerstörungen in Mainz hatte man Landtag und Landesregierung jedoch zunächst in Koblenz untergebracht, und es gab im Gebiet der ehemaligen Rheinprovinz starke Bestrebungen, dieses Provisorium zum Dauerzustand zu machen. Die Wahl von Mainz als Regierungssitz spielte langfristig für die Bindung der südlichen Landesteile (die Pfalz und Rheinhessen) an das neue Land und damit für dessen Weiterbestand bis heute mit Sicherheit eine wichtige Rolle. In der zerstörten Stadt wurde nun in aller Eile das Deutschhaus für den Landtag wieder aufgebaut, während die Staatskanzlei im benachbarten ehemaligen Zeughaus ihren Sitz fand.

Schwerpunkte der Arbeit der Landesregierung bildeten in den ersten fünf Wahlperioden vor allem die Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Wohnungsbauförderung. Rheinland-Pfalz war noch Mitte der 1950er Jahr schwächer industrialisiert als die übrige Bundesrepublik. Der Flächenstaat mit seinen großen, dünn besiedelten und strukturschwachen Regionen in der Pfalz, an Nahe und Mosel, im Hunsrück und Westerwald und in der Eifel erforderte eine gezielte Strukturförderung, um ein Abwandern vom Land in die Städte zu verhindern und das Überleben der einheimischen Land- und Weinwirtschaft unter den Bedingungen des EG-Marktes zu sichern. Außerdem mussten Tausende von Flüchtlingen und Vertriebenen eingegliedert werden. In den Ballungszentren wie Ludwigshafen, Kaiserslautern, Mainz und Koblenz herrschten noch in den späten fünfziger Jahren große Wohnungsnot und teilweise Zwangsbewirtschaftung. Mit dem ersten und zweiten Wohnungsbauförderungsgesetz von 1950 bzw. 1956 begann der Bau von großen Wohnsiedlungen, meist mit vier- und fünfgeschossigen preiswerten Mietwohnungsblocks am Rand der Städte. Von großer Bedeutung bis heute war die Ansiedlung einiger wichtiger Unternehmen und Einrichtungen, wie den Schott-Glaswerken Mitte der 1950er Jahre und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (durch Staatsvertrag von 1962) in Mainz. Zu den wichtigsten Arbeitgebern im Land zählten unter anderen die BASF in Ludwigshafen, die Firma Boehringer Ingelheim sowie die Firmen Pfaff und Opel in Kaiserslautern, um nur einige zu nennen. Im Raum Pirmasens spielte in dieser Zeit auch die Schuhfabrikation noch eine herausragende Rolle.

Rheinland-Pfalz wird „Flugzeugträger der NATO“

Die Zeit des „Kalten Krieges“ und der Verfestigung der beiden militärischen Blöcke hatte unmittelbare Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz. Mit der Einbindung der Bundesrepublik in die NATO fiel dem kleinen Bundesland an der Westgrenze eine neue wichtige Rolle im militärischen Bereich zu. Die U.S.-Armee verlegte in Absprache mit den Franzosen umfangreiche Truppenteile auf das linke Rheinufer, um im Fall eines Angriffs der Sowjetunion von hier aus agieren zu können. So wurden mehrere amerikanische Militärflughäfen in der Pfalz, im Hunsrück und in der Eifel ausgebaut sowie Panzereinheiten westlich des Rheins stationiert. Der Bau von zahlreichen Kasernen für die amerikanischen Soldaten sowie von ausgedehnten Wohnsiedlungen für deren Familien folgte. Einige Jahre später, in der Zeit der atomaren Aufrüstung, kamen strategisch wichtige Raketenstützpunkte hinzu. Insbesondere in den strukturschwachen ländlichen Gebieten von Rheinland-Pfalz entwickelte sich die U.S.-Armee zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor und zu einem der wichtigsten Arbeitgeber für die einheimische Bevölkerung. Frankreich zog dagegen nach Aufhebung des Besatzungsstatuts im Jahr 1955 seine Truppen weitgehend ab.

Rheinland-Pfalz seit 1969

Im Mai 1969 ging die Ära Altmeier zu Ende. Er trat mit seinem Kabinett in der Mitte der Legisalturperiode zurück, und zu seinem Nachfolger als Ministerpräsident wählte der rheinland-pfälzische Landtag Dr. Helmut Kohl. In seiner Regierungszeit wurde eine Reihe von Reformen vorangetrieben. Als eines der wichtigsten Projekte wurde die bereits 1965 eingeleitete Gebiets- und Verwaltungsreform umgesetzt, die 1974 weitgehend abgeschlossen war. Sie umfasste 18 Landesgesetze zur Verwaltungsvereinfachung und die erste Reform dieser Art in der Bundesrepublik. Kernpunkte waren die Gebietsreform sowie die Vereinheitlichung der bis dahin höchst unterschiedlichen Landgemeindeverfassungen durch die Verbandsgemeindeordnung. Die Zahl der Regierungsbezirke wurde auf drei, die Zahl der Landkreise durch Zusammenlegungen von 39 auf 24 reduziert. Etwa 1.000 „Zwerggemeinden“ von weniger als 300 Einwohnern lösten sich auf; es wurden 163 Verbandsgemeinden gebildet. Die Reform wurde dadurch erleichtert, dass seit der napoleonischen Zeit sowohl im Gebiet der preußischen Rheinprovinz als auch in der Pfalz mit den hauptamtlich besetzten Amtsbürgermeistereien bzw. den gemeinschaftlichen Bürgermeistereien und Einnehmereien bereits vergleichbare Strukturen bestanden.

Eine weitere dringende Aufgabe dieser Jahre war die Reform des Bildungswesens. Es hatte sich gezeigt, dass das von der CDU nach dem Krieg gegen den Willen der französischen Militärregierung und der anderen Parteien durchgesetzte rheinland-pfälzische Konfessionsschulwesen mit seinen zahlreichen Zwergschulen den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr gerecht wurde. Anstelle der Konfessionsschule wurde mit Gesetz vom 8. Juli 1970 die „christliche Gemeinschaftsschule“ als Regelschule in der Verfassung verankert. Auch in der Lehrerausbildung wurde die konfessionelle Bindung beseitigt und im Oktober 1969 die Erziehungswissenschaftliche Hochschule Rheinland-Pfalz geschaffen (seit 1990: Universität Koblenz-Landau). Durch die Errichtung von Mittelpunktsschulen im ländlichen Raum wurden Kleinstschulen vermieden. Gleichzeitig wurden durch eine Neuorganisation der Volksschule (nun in Grund- und Hauptschule gegliedert), durch Einführung neuer Fächer und durch eine Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen den Schularten die Bildungsmöglichkeiten für alle verbessert. Integrierte Gesamtschulen wurden zunächst nur an drei Standorten als Modellversuche eingerichtet. Auch im Hochschulwesen bestand Nachholbedarf in Rheinland-Pfalz. 1970 wurde als zweite Hochschule des Landes die Universität Trier/Kaiserslautern gegründet; beide Einrichtungen wurden 1975 selbständig. Auch die Fachhochschulen wurden stark ausgebaut.

Verantwortlich für die Bildungspolitik in dieser Zeit war Kultusminister Dr. Bernhard Vogel, der im Dezember 1976, nach Kohls Weggang in die Bundespolitik, dann zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Dieses Amt hatte er bis Dezember 1988 inne. Nach Vogels Rücktritt wählte die CDU Dr. Carl-Ludwig Wagner zu seinem Nachfolger. Bei den Landtagswahlen 1971, 1975, 1979 und 1983 konnte die CDU jeweils die absolute Mehrheit erringen. 1987 konnte sie weiterhin den Ministerpräsidenten stellen, büßte jedoch die absolute Mehrheit ein und musste eine Koalition mit der F.D.P. eingehen.

Der Machtwechsel von 1991

Bei der Landtagswahl 1991 wurde die CDU erstmals als stärkste Kraft abgelöst. Zum Ministerpräsidenten wurde am 21. Mai der Sozialdemokrat Rudolf Scharping gewählt, der in einer Koalition mit der FDP regierte. Am 26. Oktober 1994, nach Scharpings Weggang in die Bundespolitik, folgte ihm Kurt Beck (SPD) als Ministerpräsident. Er wurde seitdem in den Jahren 1996 und 2001 zweimal wiedergewählt.

Die SPD übernahm die Regierung in einer Zeit, in der sich Deutschland und Europa stark veränderten und damit auch auf Rheinland-Pfalz neue Aufgaben und Herausforderungen zukamen. Die U.S.A. begannen einen großen Teil ihrer Truppen aus Rheinland-Pfalz abzuziehen. Die Landesregierung musste und muss sich bis heute intensiv dem Thema „Konversion“ widmen. Die Truppenreduzierung bedeutet mit den umfangreichen freiwerdenden Flächen und Gebäuden eine große Chance für die Neuansiedlung von Unternehmen und zivilen Einrichtungen, gleichzeitig aber auch den Verlust von vielen Tausenden von Arbeitsplätzen und von Kaufkraft in den ländlichen Regionen. Bis Ende 1996 waren fast 10.000 ha militärisch genutzte Flächen freigegeben; rund 70.000 amerikanische, französische und deutsche Soldaten (von zuvor ca. 127.000) hatten das Land verlassen. 20.000 Zivilbeschäftigte beim Militär hatten ihren Arbeitsplatz verloren. Die Konversion erfordert hohe finanzielle Aufwendungen. Mit Hilfe des 1992 von der Landesregierung vorgelegten Konversionsprogramms konnten inzwischen mehrere Projekte erfolgreich abgeschlossen werden, so die Ansiedlung eines Zweiges der Fachhochschule Trier auf dem „Umwelt-Campus Birkenfeld“.

Große Anstrengungen unternimmt die Landesregierung seit Jahren auch im Bereich des Bildungswesens einschließlich des Vorschulbereichs, um das Schulwesen den Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. So wurden in den vergangenen drei Jahren erhebliche Mittel zum Ausbau der Ganztagsbetreuung und zur Schaffung von Hochbegabtenschulen bereit-gestellt.

Auch die deutsche Wiedervereinigung und der „Aufbau Ost“ verlangte jedem einzelnen Bundesland, so auch Rheinland-Pfalz, finanzielle Opfer ab und veränderte den Stellenwert dieses kleinen Landes innerhalb des vergrößerten föderalen Staates. Hinzu kommt ein sich rasch veränderndes Europa. Im zukünftigen „Europa der Regionen“ muss sich jede Region auf ihre individuellen Stärken und Vorzüge stützen. Einer der hervorragenden Wirtschaftsfaktoren von Rheinland-Pfalz ist der Weinbau: auf ca. 66.000 Hektar Rebfläche (dem größten Weinanbaugebiet der Bundesrepublik), wachsen rund 70% aller deutschen Weine. Daneben ist das Land Standort von einigen Weltkonzernen insbesondere der Chemie-Branche und ebenso Heimat von bedeutenden Forschungsinstituten und Technologiezentren (z.B. in Mainz, Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen und Trier). Die kulturelle Identität des Landes wird von den Staatstheatern, Staatsorchestern und Institutionen, wie der Villa Musica, dem Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems und der Villa Ludwigshöhe in Edenkoben, der regelmäßigen Verleihung von angesehenen Kunst- und Literaturpreisen, von zahlreichen Museen ebenso wie von den regen Aktivitäten örtlicher Kulturstätten und Vereine bestimmt. Einen besonderen Stellenwert besitzt der jährlich veranstaltete „Kultursommer Rheinland-Pfalz“ mit seinem vielfältigen Programm, der 1992 von der damaligen Kulturministerin Rose Götte initiiert wurde.

Gute Nachbarschaft mit Frankreich

Zum Schluss soll noch eine Besonderheit von Rheinland-Pfalz zur Sprache kommen, die mit der geographischen Lage und mit der Geschichte dieser Region zu tun hat. Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg gab es auf französischer und auf deutscher Seite ernsthafte Bemühungen, die „Erbfeindschaft“ endlich zu überwinden und zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu finden. Durch seine Grenzlage und als Teil der französischen Besatzungszone fiel Rheinland-Pfalz hierbei eine herausragende Rolle zu.

Zunächst profitierte das Land in seiner Gründungsphase von der aktiven Kulturpolitik, die innerhalb der französischen Militärverwaltung von der „Abteilung für Öffentliche Bildung" (Direction de l'Education Publique) unter Leitung von Raymond Schmittlein betrieben wurde. Auf französische Initiative wurde im Mai 1946 die Mainzer Universität wiedergegründet, nachdem die alte kurfürstliche Universität unter Napoleon rund 150 Jahre früher geschlossen worden war. Außerdem entstanden die Verwaltungshochschule in Speyer, das Dolmetscherinstitut in Germersheim (heute Teil der Mainzer Universität), das Institut für Europäische Geschichte und einige Lehrerausbildungsstätten. Auch die Gründung der Akademie der Wissenschaften wurde von französischer Seite wesentlich unterstützt.

Innerhalb von Raymond Schmittleins Behörde entwickelte das „Büro für Jugend und Volksbildung", 1948 in „Amt für Internationale Begegnungen" umbenannt und in Mainz angesiedelt, zahlreiche Aktivitäten und Programme, um deutsche und französische Jugendliche zusammenzubringen. Den Höhepunkt stellten die internationalen Jugendtreffen vom 20. Juli bis 6. September 1951 dar, bei denen insgesamt 30.000 junge Menschen aus fünfzehn Ländern für jeweils zehn Tage auf dem Loreley-Felsen, in von der Hitler-Jugend hinterlassenen Lagern, zusammenkamen. Hier wurden am 18./19. August von hochrangigen Vertretern beider Länder auch wichtige Vereinbarungen für den weiteren Ausbau der Begegnungsprogramme getroffen. Das Treffen auf der Loreley kann als Markstein auf dem Weg zu dem am 5. Juli 1963 unterzeichneten Abkommen über das deutsch-französische Jugendwerk betrachtet werden.

Wichtige Impulse für den Aufbau der Beziehungen zwischen Rheinland-Pfalz und seiner späteren Partnerregion Burgund gingen von Ministerpräsident Altmeier, den Oberbürgermeistern von Mainz und Neustadt an der Weinstraße, dem Landrat von Frankenthal sowie Vertretern verschiedener Bildungsinstitutionen aus. Im Juli 1953 reiste erstmals eine größere Delegation von rheinland-pfälzischen Journalisten nach Burgund und wurde vom Deputé-Maire Chanoine Félix Kir im Rathaus von Dijon empfangen.

Am 5. Mai 1955 wurde das Besatzungsstatut aufgehoben. Damit wurde auch das französische Landeskommissariat sowie die französischen Bezirks- und Kreisdelegationen aufgelöst. Die bisherigen über diese Behörden organisierten Austauschprogramme drohten dadurch zum Erliegen zu kommen. Doch engagierte Personen auf beiden Seiten, darunter mehrere Journalisten, die der Delegation von 1953 angehört hatten, sorgten für eine Fortführung der Begegnungen. So gründete sich im September 1956 der Freundschaftskreis Mainz-Dijon, im Februar 1957 wurde die entsprechende Partnerorganisation in Dijon aus der Taufe gehoben. Ebenfalls im Jahr 1956 vereinbarte Neustadt an der Weinstraße eine Partnerschaft mit der burgundischen Stadt Macon. Diese Vereine bildeten die „Keimzellen“ für die spätere institutionalisierte Partnerschaft zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Region Burgund. Der Vertrag wurde am 26. Juni 1962 mit der Unterzeichnung durch Chanoine Félix Kir und Ministerpräsident Peter Altmeier im Rahmen einer Feierstunde in der Mainzer Staatskanzlei besiegelt.

Seitdem wurden zahlreiche Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden geschlossen, es haben unzählige Begegnungen zwischen Rhein-land-Pfälzern und Burgundern stattgefunden, und es haben sich tiefe Freundschaften entwickelt. Das „Maison de Bourgogne“ in Mainz und das „Haus Rheinland-Pfalz“ in Dijon dienen als dauerhafte Anlaufstellen, um der Bevölkerung die Kultur und Lebensart der jeweiligen Partnerregion nahezubringen. Es findet ein regelmäßiger Austausch von Schulklassen, Lehrlingen, Studierenden, Künstlern und anderen Personenkreisen statt. Die traditionell engen Beziehungen zwischen den rheinland-pfälzischen Territorien und dem benachbarten Frankreich, die Jahrhunderte zurückreichen und früher oft unter kriegerischen Vorzeichen zustande kamen, haben sich inzwischen zu einer stabilen Partnerschaft und Freundschaft inmitten des zusammenwachsenden Europa gewandelt. Allerdings lässt das Erlernen der französischen bzw. der deutschen Sprache an den Schulen diesseits und jenseits der Grenze noch zu wünschen übrig, da Englisch als erste Fremdsprache in beiden Ländern dominiert. Neben den binationalen Beziehungen haben sich im Raum von Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Elsaß, Lothringen, Luxemburg und Belgien seit Jahren viele Formen der engen Zusammenarbeit herausgebildet, z.B. bei wasserwirtschaftlichen Aufgaben und grenzüberschreitenden Naturparks.

Rheinland-Pfalz – weltoffene Region im „Europa der Regionen“

Auch wenn die Freundschaft mit Frankreich für Rheinland-Pfalz oberste Priorität genießt, unterhält das Land eine ganze Reihe von engen Beziehungen mit weiteren Ländern. Während bei den anderen EU-Ländern, wie Italien, Spanien, Großbritannien u. a. zahlreiche Städte- und Gemeindepartnerschaften den Charakter der Begegnungen bestimmen, wurden auf Landesebene in den vergangenen Jahren seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ Beziehungen von Rheinland-Pfalz zu der Woiwod-schaft Oppeln in Polen sowie seit kurzem zur Region Mittelböhmen aufgenommen. Am 21. Mai 2003 wurde zwischen Rheinland-Pfalz, Burgund, der Woiwodschaft Oppen und der Region Mittelböhmen erstmals ein beispielgebender quadrinationaler Partnerschaftsvertrag unterzeichnet.

Doch Rheinland-Pfalz blickt auch über die europäischen Grenzen hinaus. Seit über zehn Jahren bestehen nahe transatlantische Kontakte zum Staat South Carolina in den USA, die am 8. September 1995 durch eine Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit auf den Gebieten Erziehung, Forschung und Wissenschaft, Kultur, Gesundheit, Sport und Tourismus formalisiert wurden. Bereits seit 1982 ist Rheinland-Pfalz mit dem zentralafrikanischen Staat Ruanda partnerschaftlich verbunden. Damit wollte Rheinland-Pfalz einen gezielten Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit leisten; zahlreiche Initiativen und Kooperationsprojekte zwischen Gemeinden, kirchlichen Einrichtungen, Vereinen und Verbänden, Schulen, Universitäten, Fachhochschulen und anderen gesellschaftlichen Gruppen beider Länder sind inzwischen daraus erwachsen. Der dezentrale Ansatz der rheinland-pfälzischen Hilfe hat sich in Ruanda als besonders wirksam erwiesen und dortige lokale Strukturen gestärkt, auf denen nach Überwindung von Bürgerkrieg und Völkermord weiter aufgebaut werden kann.

Rheinland-Pfalz ist mehr als ein „Land der Reben und Rüben“, wie es manchmal etwas lächelnd bezeichnet wird. Es hat in seiner über zweitausendjährigen Geschichte im abwechselnd kriegerischen und friedlichen Kontakt und Austausch mit anderen Völkern seine Weltoffenheit und kulturelle Identität entwickelt und eine Vorreiterrolle bei der Herausbildung des Parlamentarismus und unseres heutigen demokratischen Systems gespielt. Carl Zuckmayer hat die Vergangenheit, Mentalität und Kultur der Menschen am Rhein in den Worten, die er dem Fliegergeneral Harras in „Des Teufels General“ in den Mund legt, trefflich zusammengefasst:

„... Denken sie doch – was kann da nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie. Vom Rhein – noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und – und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald, und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann (...)!“[Anm. 5]

Nachweise

Verfasser: Hedwig Brüchert

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Literatur:

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  • 50 Jahre Rheinland-Pfalz. Ein Land gewinnt Profil. Begleitheft zur Wanderausstellung der Landesregierung und des Landtages aus Anlass des 50jährigen Bestehens des Landes Rheinland-Pfalz. Mainz 1997.
  • Hambacher Fest 1832-1982. Freiheit und Einheit, Deutschland und Europa. Eine Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz zum 150jährigen Jubiläum des Hambacher Festes, Hambacher Schloß Neustadt an der Weinstraße 18. Mai-19. September 1982. Katalog, Neustadt a. d. W. 1982.
  • Franz-Josef Heyen (Hrsg.), Rheinland-Pfalz entsteht. Beiträge zu den Anfängen des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz 1945-1951 (Veröffentlichungen des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 5), Boppard am Rhein 1984, S. 315-328.
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  • Hans-Georg Meyer/Hans Berkessel, „Unser Ziel – die Ewigkeit Deutschlands“ (Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz 3), Mainz 2000.
  • Rainer Möhler, Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952 (Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 17), Mainz 1992.
  • Gerhard Nestler/Hannes Ziegler (Hrsg.): Die Pfalz unterm Hakenkreuz. Eine deutsche Provinz während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, Landau 1993.

Erstellt: 08.06.2009

Anmerkungen:

  1. Karl Martin Graß/Franz-Josef Heyen (Hrsg.), Peter Altmeier, Reden 1946-1951 (Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 2), Boppard a. Rh. 1979, S. 35. Zurück
  2. Ronald Knöchlein: Mogontia – Mainz in fränkischer Zeit (Manuskript, Text für Ausstellung „Mainz von den Anfängen bis zur Gegenwart“ im Stadthistorischen Museum Mainz, Mainz 2004). Zurück
  3. Ludwig Falck: Die Freie Stadt in ihrer Blütezeit 1244-1328. In: Dumont/Scherf/Schütz (Hrsg.), Mainz (wie Anm. 5), S. 143-170, hier S. 144. Zurück
  4. Franz Dumont: Mayence. Das französische Mainz (1792/98-1814). In: Du-mont/Scherf/Schütz (Hrsg.), Mainz, S. 319-37, hier: S. 337. Zurück
  5. Aus: Des Teufels General. Auszug aus dem Gespräch des Generals Harras mit dem jungen Fliegeroffizier Hartmann, dessen Verlobung zu platzen droht, da sich bei der Erbringung seines „Arier-Nachweises“ die Herkunft einer seiner Urgroßmütter nicht klären lässt. Zurück