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Teilchen oder Stückchen? – Süßes Gebäck zum Kaffee

von Simone Busley

Puddingschnecken, Apfeltaschen, Schweinsohren und Nussecken – dies ist nur eine kleine Auswahl von den süßen, etwa untertassengroßen Gebäckstücken, die hierzulande gerne zum Kaffee am Nachmittag verspeist werden. Im Westen Deutschlands kennt man für diese Backwerke verschiedene Oberbegriffe wie Kaffeestückchen oder Teilchen.

süße Gebäckstücke[Bild: gemeinfrei]

Datenerhebung und -auswertung

In unserer Online-Umfrage wurde die ortstypische Bezeichnung für süße Gebäckstücke, die man zum Kaffee verzehrt, mithilfe einer Abbildung erfragt. 366 Antworten bezogen sich eindeutig auf den zu benennenden Gegenstand und wurden in die folgenden Auswertungen einbezogen. Dabei sind zusammengehörige Varianten eines Typs zusammengefasst worden, also z. B. Kaffeeschdiggsche, Kaffeestick und Kaffeeschdiggelche zum Typ Kaffestück(-chen). Es wurde nicht zwischen Dialekt, regionaler Umgangssprache und Standarddeutsch unterschieden.

Karte ‘süßes Gebäckstück’[Bild: Simone Busley, IGL]

Ergebnisse

Regionale Oberbegriffe für süße Gebäckstücke hat bereits der Atlas zur deutschen Alltagssprache (Elspaß/Möller 2003ff.) für das gesamte deutsche Sprachgebiet erfasst. Wir fokussieren mit unserer neuen Erhebung Rheinland-Pfalz und das Saarland. Wie die Karte zeigt, ist unser Gebiet zweigeteilt: Im Norden herrscht konkurrenzlos das Teilchen vor, im Süden dominieren Varianten mit Stück, d. h. insbesondere das Kaffeestück(chen). Die Isoglosse entspricht der Hunsrück-Schranke. Damit unterscheidet sich unsere Karte von der des Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA), denn dort ist das Kaffeestückchen nur im Saarland belegt.

Der AdA erklärt den Ursprung der Bezeichnung Teilchen (Däälchje, Teilche, Deilsche...) damit, dass man von anderem Süßgebäck – z. B. Kuchen – unterscheiden wollte, das nach dem Backen zerteilt wird. So könnte man auch die Varianten mit Stück (Kaffeestück, süßes Stückle, Stückchen etc.) erklären. Als Stück bezeichnet man in unserer Region jedoch auch das Butterbrot (vgl. Busley 2020), das früher üblicherweise auch nachmittags zum Kaffee verzehrt wurde (vgl. Busley 2021). Möglicherweise wurde das Wort auf das süße Gebäck, das man heute zum Nachmittagskaffee bevorzugt, übertragen. Das Kaffeestück(chen) ist die häufigste Variante, die insbesondere im hessischen Teil der Karte jedoch mit dem Stückchen (Stickche, Schdiggsche, Stücksche...) konkurriert. Das süße Stückle ist in Baden-Württemberg verbreitet.

Das gestreut auftretende Plunder bezieht sich eigentlich auf süßes Gebäck, das aus sog. Plunderteig zubereitet wurde, d. h. einem Teig aus Hefeteig und in Schichten eingearbeitetem Ziehfett. Durch den Zusatz von Wasserdampf bei der Garung entsteht ein luftig-lockeres Gebäckstück. Das Wort Plunder ist daher möglicherweise mit dem frühneuhochdeutschen Verb pludern ‘flattern, bauschen, Falten werfen’ in Verbindung zu stellen. Eine aufgrund der Gleichlautung naheliegend erscheinende etymologische Verwandtschaft mit neuhochdeutsch Plunder ‘alter, wertloser Kram, Hausrat’ zu mittelhochdeutsch blunder, plunder ‘Hausgerät, Kleider, Wäsche, Bettzeug’ (z. B. diskutiert im AdA) kann nicht nachgewiesen werden.

Vereinzelt belegt ist Mürbes (Merbs, Merwes etc.). In Rheinhessen ist dies der Oberbegriff für „mürbes Feingebäck, mit Weizenmehl und Hefe, oft mit Zuckerguss, vom Bäcker od[er] Konditor gebacken“ (Südhessisches Wörterbuch Bd. 4, Sp. 824). Diese Bezeichnung ist abgeleitet vom Adjektiv mürbe ‘weich, zart, locker’, das sich auf die Konsistenz des Mürbeteigs bezieht (vgl. auch Pfälzisches Wörterbuch Bd. 4, Sp. 1472). Daher ist sie wie Plunder ebenfalls spezifischer als Teilchen oder Stück.

Nachweise

Verfasserin: Simone Busley

Literatur:

  • Busley, Simone (2020): Butterbrot, -schmier oder -stück? – Der erste Happen aus unserer Online-Umfrage, in: www.regionalgeschichte.net, URN: urn:nbn:de:0291-rzd-020926-20201212-0

Erstellt am: 22.09.2021