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„...seine Rolle nicht zu Ende gespielt“: Bruno Kastners Tod in Bad Kreuznach

von Hans-Joachim Langer

Der 1890 in Forst / Lausitz geborene Bruno Kastner begann seine schauspielerische Laufbahn beim Theater. Jahrelang tingelte er ohne Erfolg als Statist und Chorsänger über verschiedene Bühnen Deutschlands, denn er stotterte. Zum Beginn des Ersten Weltkrieges hielt er sich in Berlin auf. Da er kriegsuntauglich und gut aussehend war, kam seine grosse Chance. Der Männermangel öffnete ihm die Stummfilmtüren. So begann eine der seltsamsten Karrieren im deutschen Film. Die erste große Rolle spielte er 1914 in „Engelein“ mit Asta Nielsen. Obwohl die Kritiker jeden seiner Filme zerissen, liebte ihn die Frauenwelt. Wäschekörbeweise erhielt er Liebesbriefe, auf den Nachttischen stand sein Bild. Die Männerwelt sprach nur vom „Chlorodondlächeln“, vom „Kleiderständer“ oder „dem schönen Bruno“. 1921 gewann er mit Abstand die Wahl zum beliebtesten Filmschauspieler, seine Filme waren ein sicheres Geschäft. Nichts konnte seine Popularität erschüttern. ,,Wenn die Maske fällt", ,,Die Frau mit dem Etwas“, ,,Das Paradies im Schnee“, ,,Verbotene Liebe“ und ,, Das Herz des Casanova" sind heute wieder vergessen. Ein schwerer Motorradunfall setzte ihn 1924 ein Jahr lang ausser Gefecht. Aber die Fans warteten geduldig auf ihr Idol. Nach dem Unfall litt er häufig an Schmerzen und wurde mehrfach operiert. Sein Stern begann zu sinken. Die Filme begannen zu floppen, auch der Tonfilm brachte keine Rettung. So trat er in Revuen auf, liess sich von der Schauspielerin Ida Wüst Scheiden und sein Vermögen löste sich allmählich in Luft auf. In dem Tonfilm „Liebelei“ von Regisseur Max Ophüls erhielt er eine Rolle, die aber nicht beachtet wurde. Der Film gehört zu den Klassikern. Seine letzte Nebenrolle hatte er 1930 in „Das Land des Lächelns“ an der Seite von Richard Tauber. 1932 tourte er mit dem Engagement des Künstlernoteinsatzes in kleinen Theatern der Kurbäder. Kaum jemand kannte ihn noch.

Für Mittwoch, den 29. Juni wurde ein einmaliges Gastspiel im Kurtheater Bad Kreuznach angezeigt. Das Lustspiel „Treu oder untreu“ wurde mit Gästen aufgeführt. In der Hauptrolle Bruno Kastner. Am 01.07.1932 meldete der,Öffentliche Anzeiger: „Der Schauspieler Bruno Kastner, der in der Tragödie ,,Treu oder untreu' vorgestem abend in einer schauspielerisch hervoragenden Weise auftrat, ist der Nacht zum 30. Juni in seinem Hotel plötzlich gestorben. Das unerwartetete Hinscheiden des allgemein beliebten Künstlers, der in der Filmschauspielkunst lange Zeit hervoragenden Namen hatte, wird allseits sehr bedauert.“

Er hatte sich erhängt.

Der General-Anzeiger berichtete ausführlich über „Kastners Verzweiflungsschritt“: „Man sieht ihn noch vor sich auf der stummen Leinwand, lächelnd, zwei Reihen weiße Zähne, das glatte Haar gescheitelt: Bruno Kastner, der „schöne Mann“!“ Nach dem Lebenslauf folgt die Schilderung des letzten Abends: „...Kastner verzweifelt langsam. Enttäuschung reiht sich an Enttäuschung. Er sieht den Weg von neuem nach oben in nüchterner Beurteilung für immer versperrt. Wehmütige Erinnerungen tauchen auf. Alles vorbei. In ungünstiger Stimmung spielt er am Abend seinen Lustspielhelden. Die Freunde wundern sich. Es waren schon schlechtere Einnahmen zu verzeichnen und morgen ist ein neuer Tag. „Was hast du Bruno?“ – Kastner wehrt ab. „Laßt mich in Frieden, Kinder, ich will meine Ruhe haben.“ – „Schön, geh schlafen und träume süß“, witzeln die Freunde. Kastner geht in sein Zimmer. Er schreibt einen Abschiedsbrief an seine Frau, in dem er die ganze Trostlosigkeit der wirtschaftlichen Notlage aufrollt. Auch von Enttäuschungen spricht der Brief und von einem – verfehlten Beruf. – „Ja“ hat Kastner einmal gesagt „ich bin gegen meinen Willen Schauspieler geworden. Es zog mich zur Zoologie. Ich wollte Forscher werden, ein berühmter Zoologe.“ Kastner ist Schauspieler geworden. Er hat aber seine Rolle nicht zu Ende gespielt. Er, der die lebende Liebenswürdigkeit auf der Leinwand war, hat sich einen wenig liebenswürdigen Abtritt erwählt.“

Nachweise

Verfasser: Hans-Joachim Langer

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Der Artikel erschien im Naheland-Kalender 2011

Erstellt: 05.01.2011