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Cornelius Martin: Der Rheinische Städtebund

Entstehung der Städtebünde

Von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an hatte sich ein starkes Städtewachstum eingestellt, eine Entwicklung, die eine Rückkehr zur urbanen Kultur einleitete. Innerhalb der Städte entstanden Gemeinden und Verbände. Die Städte waren eine Antwort auf das Feudalwesen und hatten zum Ziel in gewisser Weise ein Equilibrium von Machtverhältnissen zwischen den regierenden Fürsten und der Bevölkerung anzustreben. Dies wurde jedoch nicht erreicht, denn jeder Stadt stand entweder König, Fürst, oder Bischof vor. Die einzige Möglichkeit der Bürger war, sich zu Eidgenossenschaften zusammenzuschließen um ihre Interessen in gewissem Maße durchzusetzen. Einzelne Städte schlossen sich am Anfang des 14. Jahrhunderts zu so genannten Städtebünden zusammen. Dies war ein Verbund zweier oder mehrerer Städte, die sich zusammenschlossen um daraus politischen und wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Der politische Nutzen bestand darin, dass die Städte sich effektiver gegen die Willkür der Fürsten (z.B. bei Verpfändungen) wehren konnten und einen stärkeren Einfluss auf politische Entscheidungen hatten (dabei hatten sie zwar ein Mitspracherecht, jedoch keinerlei Exekutivrechte). Des Weiteren waren die Städte durch eine Verbündung in der Lage sich gegenseitigen militärischen Beistand in Friedens- sowie in Kriegszeiten zu leisten. Primär waren Städtebünde die Antwort der vereinzelten Städte auf die Unzuträglichkeiten im Zoll-, Gerichts-, Steuer- und Münzwesen, denn nach dem politischen Umschwung, der auf das Ende der Stauferherrschaft folgte, schien die Situation im damaligen Deutschen Reich ungesichert. Durch eine verfassungsmäßige Absicherung peilte man daher an, eine Art Autonomie zu erreichen, was jedoch nie völlig erreicht wurde. Die Städtebünde wurden durch Vereidigung der jeweiligen Städtevertreter gegründet. Es gab eine interne Organisationsstruktur, wie zum Beispiel Schiedsgerichte, um interne Konflikte zu bereinigen und Ausschüsse, welche wichtige Entscheidungen im Interesse aller dem Bund angehörigen Städte trafen und verabschiedeten. Städtebünde waren in sich geschlossene Verbände. Die Bürger waren verpflichtet sich gegenseitig Hilfe zu leisten, des Weiteren galten im Allgemeinen die gleichen Gesetze in den "Mitgliedsstädten". Auch der Handel florierte speziell zwischen den Städten eines Bundes. Die Fürsten und jegliche Stadt, welche die fürstliche Territorialpolitik unterstützte, wurden automatisch als Feinde betrachtet. Städte aus dem Bund, die Interaktionen mit Fürsten führten, seien sie wirtschaftlicher oder politischer Natur, wurden aus dem Bund ausgeschlossen. Die radikale Einstellung der Städte stieß oft auf Widerstand, wie man an Beschlüssen, zum Beispiel an der "Goldenen Bulle" von 1356, sehen konnte. Am Anfang des16. Jahrhundert wurden die Städtebünde von Reichskreisen abgelöst. Die wichtigsten Deutschen Städtebünde zwischen den Jahren 1300 und 1500 waren: die Hanse, der Rheinische Bund, der Schwäbische Städtebund, der Oberlausitzer Sechsstädtebund und der Elsässer Städtebund.

Die Voraussetzungen für die Gründung

1138 begann die Staufer-Dynastie. Unter Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) gewann das Kaisertum wieder eine große Bedeutung. Jedoch begann unter ihm eine territoriale Zersplitterung, die letztlich die Zentralgewalt schwächte. Nach und nach zersplitterte das Reich. Die geistlichen und weltlichen Fürsten wurden zu halbsouveränen "Landesherren". Dies führte trotz der herausragenden Regierung Friedrichs II. zum Niedergang der Dynastie Mit dem Untergang der Staufer um 1268 endete vorerst auch das Kaisertum. Die auseinanderstrebenden Kräfte im Innern hinderten Deutschland daran, zum Nationalstaat zu werden. Die eigentliche Macht in Deutschland teilten die großen Fürsten unter sich auf. Dabei verliefen diese Entwicklungen alles andere als friedlich. In zahlreichen Kämpfen versuchten die Fürsten die Nachfolge der Staufer anzutreten. Finanziert wurden diese Kämpfe durch überhöhte Steuern und Zölle, die die Bevölkerung zahlen musste. Die Wirtschaft, speziell Handel und Landwirtschaft, litt stark unter dieser Last. Aus diesem Grund beschlossen einige rheinische Städte sich zu einem Bund zusammenzuschließen um stark genug zu sein sich gegen die ausbeuterische und willkürliche Politik der Fürsten zu wehren.

Die Entstehung des Rheinischen Bundes

Dem im Jahre 1235 von Friedrich II. beschlossene Mainzer Reichslandfrieden wurde nach dem Untergang der Stauferdynastie keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Dies war ein Versuch gewesen eine Art Verfassung bzw. Ordnung herzustellen, welche Frieden und eine Rechtsstruktur gewährleisten sollte. Nachdem 1254 der letzte StauferKönig Konrad IV. – gestorben war, schlossen die Städte Worms, Mainz und Oppenheim sich zu einem Drei-Städte-Bund zusammen. Bis 1256 zählte er bereits 70 Mitgliedsstädte. In einer Gründungsurkunde wurden die gemeinsamen Richtlinien für den Bund am 13. Juli in Mainz festgehalten. In diesem Vertrag wurde beschlossen, dass die Städte für zehn Jahre Frieden wahren sollten. Auch sollten "Juden, Reiche, Arme, Geistliche und Laien" geschützt werden. Hier kann man deutliche Parallelen zum Mainzer Reichsfrieden erkennen, welcher die Grundideen des Städtebundes maßgeblich beeinflusste. Für die Bürger in allen dem Bund angehörenden Städten galten die gleichen Rechte. Des Weiteren wurde ein gemeinsames Gremium geschaffen, das im Falle von Streitfragen eingreifen konnte. Dieses bestand aus jeweils vier Abgeordneten aus den Städten. Später entwickelte sich dieses Gremium zu einer Bundesversammlung, die viermal im Jahr zusammentreten sollte. Der Friedenserhalt war einer der großen Grundsätze des Rheinischen Städtebundes und so war jeder, der diesen Grundsatz ignorierte, ein Feind. Fürsten, die sich dieser Ansicht nicht anschlossen, wurden durch Sanktionen oder Angriffe bestraft oder vor die Wahl gestellt dem Bund beizutreten. Diese Konsequenz klingt paradox, da jeder Fürst ein potentieller Feind war und als solcher vom Bund ausgeschlossen wurde. Städte, die feindliche Fürsten unterstützten, wurden ebenfalls ausgeschlossen und bestraft.

Wirtschaftsinteressen des Rheinischen Bundes

Es wird deutlich, dass gerade die Kaufleute einen starken Einfluss auf die Entstehung des Rheinischen Bundes hatten. Gerade die unsichere Lage, die aus den Machtkämpfen der Fürsten resultierte, machte es für sie schwer, Handel zu treiben. Räuber und Raubritter gefährdeten den Transport von Waren, Zölle trieben die Preise in die Höhe und der Handel mit verfeindeten Provinzen wurde unterbunden. Der Rheinische Bund war daher eine Möglichkeit für Kaufleute sichereren Handel zwischen den "Mitgliedsstädten" zu betreiben und geregelte Zölle und Abgaben zu leisten, die vertraglich abgesichert waren und nicht von der Willkür der Fürsten abhingen. Die Interessen des Rheinischen Bundes waren also Sicherung der Handelsrouten, Intensivierung des Handels zwischen den Städten und die Regelung der Handelsbestimmungen. Die Reaktion der meisten Städte kann man daran erkennen, dass der Rheinische Bund innerhalb kurzer Zeit einen immensen Zuwachs an Mitgliedsstädten hatte.

Die Entwicklung des Rheinischen Bundes

Bei der Gründung des Rheinischen Städtebundes war den Fürsten noch nicht gestattet dem Bund beizutreten, doch schon nach kurzer Zeit traten mehr und mehr Landesherren dem Bund bei. Dies brachte Vor- als auch Nachteile mit sich. Einerseits gewann der Bund an Macht und Bedeutung, andererseits verlor er seine Ziele aus den Augen, denn die Fürsten versuchten sich durch ihre Stellung im Bund Vorteile zu verschaffen und ihre Position zu stärken. Konflikte, die vorher extern zwischen den Fürsten und Städtebünden behandelt wurden, spielten sich nun innerhalb des Bundes ab. So kam es, dass am 29. Juli 1255 auf der Bundesversammlung ein Konflikt zwischen Adel und Städten ausbrach. Die Städte kritisierten die eigensinnige Haltung des Adels gegenüber dem Bund, wogegen der Adel fürchtete, dass die Städte zu viel Macht gewönnen. Als die Spannungen zu groß wurden, vereinbarte man einen Waffenstillstand, an dessen Ende die Vereinbarung getroffen wurde, dass seitens der Fürsten keine illegalen Zölle mehr verlangt wurden. Die Landbevölkerung, die von den Städten unterstützt wurde, musste, um den Frieden zu wahren, ihren Herren Gehorsam leisten. Auch das Pfahlbürgertum wurde verboten. Pfahlbürger waren all diejenigen, welche zwar Bürger der Stadt waren, jedoch außerhalb der "Pfähle" bzw. der Stadtmauern lebten, meist im unmittelbaren Umkreis der Stadt. Als König Wilhelm, der anfangs den Rheinischen Bund verboten hatte und von diesem in seiner Rolle als König nicht anerkannt war, am 10. März 1255 den Rheinischen Bund anerkannte und verkündete, dass er die Schutzherrschaft übernehmen würde, stellte dies einen großen Umschwung für den Bund dar. In dem oben erwähnten Streitfall zwischen Adel und Städten im Juli 1255 trat Wilhelm nun als Schlichter ein. Durch seine Mithilfe wurde eine Übereinkunft beschlossen, in der der Status Quo beibehalten wurde, d.h. die gegebenen rechtlichen Verhältnisse hinsichtlich der Grenzen und Einflusssphären wurden beibehalten. Des Weiteren wurde eine Schlichtungsinstanz eingesetzt, die für Ordnung bei weiteren Zwistigkeiten sorgen sollte. Obwohl keine offenen Kämpfe zwischen den Adligen und den Städten mehr ausgetragen wurden, blieb stets eine argwöhnische Haltung zwischen den beiden Parteien. Es wurden keine weiteren Beschlüsse gefasst, wahrscheinlich um die Lage nicht eskalieren zu lassen.

Die Auflösung des Rheinischen Bundes 1257

Über die Gründe für die Auflösung des Rheinischen Städtebundes ist man sich heute noch nicht ganz im Klaren. Es wird vermutet, dass der Rheinische Bund durch den Beitritt von Fürsten, welche oft gezwungenermaßen dem Bund beigetreten waren, interne Konflikte entstanden, die es dem Bund erschwerten, weiterhin seinen Aufgaben nachzugehen, und dieser sich deswegen auflöste. Auch wird vermutet, dass der Bund einen zu großen Umfang erreichte um gemeinsame Ziele und Interessen verfolgen zu können. Je mehr Städte dem Bund beitraten, desto schwieriger wurde es für diesen, einen Kompromiss zu erzielen, der den Interessen aller Parteien nachkam. Letztendlich wird auch vermutet, dass durch die Schutzherrschaft des Königs der Bund seine Eigenständigkeit eingebüßt habe, in der der eigentliche Erfolg des Bundes gelegen haben soll. Fest steht, dass der Bund durch die Aufnahme der Fürsten einen inneren Konflikt erzeugt hat, dadurch dass die Meinungen von Städten und Fürsten sich völlig in ihren Zielen unterschieden. Daher bin ich persönlich der Meinung, dass dies der eigentliche Grund für den Untergang des Rheinischen Städtebundes war.

Text von Cornelius Martin. Quelle: http://www.bernhardkeller.de/Projekte/_Die_deutsche_Hanse_/_Hanse__-_Inhalt/_Hanse__-_Handelsgebiete/_Hanse__-_Kaufleute/_hanse__-_stadtebunde.html; redakt. Bearb. S.G.