Schulchroniken als historische Quellen zur Klima- und Wirtschaftsgeschichte der Region Trier
-Am Beispiel der Eifeldörfer Hofweiler und Ittel (Gemeinde Welschbillig)-
von Rudolf Müller
0.1.Einleitung
Im Unterschied zu früheren Zeiten ist seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein für die globalen Gefahren des Klimawandels gewachsen. War diese Thematik früher nur ein Fachgebiet für Experten, so hat die Beschäftigung mit der Problematik mittlerweile eine sehr große Bandbreite angenommen – bis hin zu den Mittelalter-Historikern.[Anm. 1] Anknüpfend an einen Beitrag über die Bedeutung der Eifelmaare für die Klimageschichte[Anm. 2] soll im folgenden der Frage nachgespürt werden, ob und in welchem Umfang lokale Schulchroniken als Quelle für eine historische Klimaforschung in Betracht kommen können. Dabei ist aufgrund der Quellengattung von vorneherein eine relativ enge zeitliche Befristung ab den 1880er Jahren einzukalkulieren, da erst seitdem fortlaufende Aufzeichnungen in den herkömmlichen Schulchroniken aufzufinden sind. Die Relevanz des Themas ergibt sich nicht bloß aus einem allgemeinen Erkenntnisinteresse über den lokalen Klimawandel im Zeitverlauf; mehr noch ist der – vermutliche – Zusammenhang von Klimaereignissen und regionaler Geschichte von Erkenntnis leitender Bedeutung. Was man darunter verstehen kann, soll an einem Fall beispielhaft verdeutlicht werden: Unbestreitbar stand der Beginn der preußischen Herrschaft in den Rheinlanden nach dem Wiener Kongress 1815 unter keinem guten Stern. Verursacht durch den gewaltigen Ausbruch des Vulkans Tambora 1815 im damaligen Niederländisch-Indien (heute Indonesien) ergab sich im Folgejahr 1816 eine weltweite Klimaveränderung mit übermäßig viel Regen und allzu früh einsetzender Kälteperiode, welche sich besonders in den Höhenlagen Mitteleuropas verheerend auf die damalige Landwirtschaft auswirkte. Gerade in den verkehrsabseitigen Mittelgebirgen wie Eifel und Hunsrück führte dies zu einer fürchterlichen Notlage großer Bevölkerungsteile, welcher der preußische Staat seinerzeit relativ hilflos gegenüberstand. Diese negative Erfahrung mit der preußischen Herrschaft zu deren Beginn in den Rheinlanden trug sicher nicht unerheblich zu dem belasteten Verhältnis bei, das sich bis zur Märzrevolution 1848 und auch noch hernach ergab. Selbstverständlich war die durch eine Naturkatastrophe herbeigeführte Notlage des Jahres 1816, an die man sich noch Generationen später erinnerte, nur e i n Aspekt in diesem vielseitig belasteten Verhältnis zwischen Preußen und Rheinländern. Eine kontrafaktische Betrachtung lässt jedoch vermuten: Hätte es die durch eine kurzfristige gravierende Klimaveränderung erzeugten negativen sozialen Auswirkungen nicht gegeben, und hätte man stattdessen in der hiesigen Bevölkerung den Beginn der preußischen Herrschaft 1816 mit einer spürbaren Verbesserung der Lebensverhältnisse verbinden und in der kollektiven Erinnerung verankern können, so wäre auch ein deutlich entspannteres preußisch-rheinländisches Verhältnis in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus denkbar gewesen. Insofern stellt sich dieses zufällige zeitliche Zusammenfallen einer Naturkatastrophe einschließlich ihrer ökonomischen und sozialen Auswirkungen mit einer politischen Umbruchsituation und dem Beginn einer neuen politischen Herrschaftsperiode als ein sehr markantes Beispiel für die gelegentliche Bedeutung von Klimaereignissen als durchaus gewichtigen Faktoren mit nachhaltiger Wirkung im historischen Prozess dar.[Anm. 3] Solchen „natürlichen“ Faktoren sollten auch die Historiker heutzutage mehr Beachtung schenken. Die etwa von Alfred Heit formulierten Anforderungen an eine fundierte „Ökologiegeschichte“ der Region Trier sind längst noch nicht flächendeckend eingelöst worden.[Anm. 4] Für die Lokal- und Regionalgeschichte bieten sich die Schulchroniken als probate Quellen für derartige Beschreibungen und Analysen an. Am Beispiel der Eifeldörfer Ittel und Hofweiler im damaligen Landkreis Trier (heute Ortsteile der Gemeinde Welschbillig im Landkreis Trier-Saarburg) wird hier das lokale Klimageschehen im Zeitverlauf von etwa fünf Jahrzehnten dokumentiert und in Beziehung zu wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen vor Ort von erkennbarer Tragweite gesetzt. Dabei geraten ebenfalls die geschichtsmächtigen Bewegungen und Einflüsse aus der „großen“ Politik in den Blickpunkt.[Anm. 5]
0.2.Schulchroniken in Anlage, Ausführung und Überlieferung
Im Kreisarchiv Trier-Saarburg ist eine umfangreiche Sammlung von Schulchroniken - teils im Original, teils in Kopien - aus dem ganzen Kreisgebiet vorhanden und zugänglich.[Anm. 6] Die Führung einer Schul- und Gemeindechronik war den Schullehrern seit 1873 im hiesigen Bezirk durch eine Verfügung der (Bezirks-)Regierung zu Trier zur Pflicht gemacht worden. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis man vor Ort dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkam. Mancherorts brauchte es erst einen Lehrerwechsel, um eine Chronik zu beginnen. Man bezweckte mit der Schulchronik „die Aufzeichnung aller die Schule unmittelbar berührenden Ereignisse und Veränderungen“, wie es in einer allgemeinen Bestimmung des Königl. Preuß. Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten vom 15.10.1872 heißt. „Nebenbei darf dieselbe sich zu einer Geschichte des Schulortes entwickeln, also besonders wichtige Vorkommnisse in dieser Richtung aufzeichnen und hervorheben, in wieweit letztere mit den Interessen der Schule verknüpft sind u.s.w.“ Die Dorfschullehrer sollten also Chronisten ihrer jeweiligen Schule u n d des jeweiligen Schulortes sein. Viele kamen dieser Aufgabe mit erkennbarer Schreibfreude nach, andere beschränkten sich auf karge Mitteilungen, wurden mitunter sogar von den aufsichtsführenden Kreisschulräten deswegen gerüffelt. Die preußischen Schulbehörden legten Wert auf eine ausführliche Berichterstattung in den Schulchroniken und trugen so entscheidend dazu dabei, diese zu wichtigen und sprechenden Quellen für die Ortsgeschichte werden zu lassen. Erst mit dem Verschwinden der Volksschulen aus den kleineren Dörfern im Zuge der rheinland-pfälzischen Schulreform seit den 1960er Jahren brach die ‚preußische' Tradition der Schulchroniken ab. Die Schulchroniken von Hofweiler und Ittel wurden in den Jahren 1889 und 1892 von den damaligen Lehrern begonnen und bis zur Auflösung der Volksschule Hofweiler 1965 und der Volksschule Ittel 1966 handschriftlich fortgeführt. In der Schulchronik von Hofweiler gibt es jedoch eine Lücke von Mitte 1933 bis 1945, die dadurch entstanden ist, dass die offenbar als belastend empfundenen Seiten über die Jahre des „Dritten Reiches“ nachträglich herausgetrennt wurden. Während einiger Jahrzehnte galten beide Schulchroniken als unauffindbar. Im Zuge der Recherchen nach historischen Zeugnissen zur Vorbereitung eines Dorffestes und einer Ortsgeschichte von Hofweiler wurden beide Schulchroniken im Dezember 1999 in der Hauptschule Idenheim wieder aufgefunden und können seitdem für die Erforschung der Ortsgeschichte beider Dörfer ausgewertet werden.
0.3.Historische Zusammenhänge in der lokalen Klimabeobachtung
Die in der nachstehenden Dokumentation zusammengestellten klimarelevanten Nachrichten aus den Schulchroniken von Hofweiler und Ittel umfassen den Zeitraum von 1893 bis 1943. Dieser Zeitraum reicht allgemein klimatisch vom Beginn bis zum Ende einer ersten Erwärmungsepoche im 20. Jahrhundert seit den 1890er bis Anfang der 1940er Jahre. Es sind jedoch nicht für alle Jahre Eintragungen vorhanden. Dennoch lässt sich an dieser fünfzigjährigen Zeitreihe einiges zur örtlichen Klima- und Wirtschaftsgeschichte ablesen, vor allem auch eine nachvollziehbare Verknüpfung zwischen den witterungsbedingten Geschehnissen und den daraus ableitbaren Folgen ersehen, beispielsweise in der Entwicklung der Ernten – Güte und Menge betreffend - und dem durchschnittlichen Preisniveau für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf dem regionalen Markt. Zunächst tritt bei den Aufzeichnungen aus der Hofweiler Schulchronik die durchgängige Klage über den Wassermangel in den überwiegend trockenen Sommerzeiten vor und nach 1900 hervor. Es handelt sich bei diesem Problem um eine lokale Besonderheit, welches erst in den Jahren 1929-31 mit dem Bau einer Wasserleitung für Hofweiler und Ittel abgestellt werden konnte.[Anm. 7] Bemerkenswert sind in der Itteler Schulchronik ferner die Berichte über einzelne schwere Unwetterereignisse, so in den Jahren 1920 und 1933, denen wohl ebenfalls nur lokale Bedeutung beizumessen ist. Anders verhält es sich mit den Berichten über die schlechten Ernten in den Jahren 1921, 1922 und 1924, die zum einen auf eine überaus große Trockenheit, zum anderen auf übermäßig viel Regen zurückzuführen waren. Während in den Jahren 1921/22 die allgemeine Stimmung infolge der harten französischen Besatzung und der beginnenden Inflation im linksrheinischen deutschen Reichsgebiet bereits schlecht war – und durch die schlechten Ernten noch zusätzlich belastet wurde, konnte man nach dem überstandenen schweren Krisenjahr 1923 im Folgejahr 1924 mit der stabilen neuen Rentenmark wieder Hoffnung auf eine wirtschaftliche und politische Besserung schöpfen, so dass trotz der schlechten Ernte bei der Berichterstattung in der Schulchronik die Hilfen des Staates in Form von Steuerermäßigungen und günstigen Ernte- und Saatkrediten in den Vordergrund rücken. Hier zeigt sich ein neuer Optimismus, der auch für die zweite Hälfte der 1920er Jahre noch spürbar ist. Im Hinblick auf die gute Ernte des Jahres 1932 wird allerdings in der Berichterstattung der Unterschied zwischen der relativ zufriedenen Landbevölkerung und den übrigen, von der allgemeinen Wirtschaftskrise hart getroffenen Bevölkerungsgruppen sichtbar. Für die Jahre von 1933 bis 1938 werden in der Itteler Schulchronik in sehr ausführlicher Berichterstattung günstige klimatische Ereignisse und gute Ernteerträge ausdrücklich mit den ‚neuen' politischen Verhältnissen verknüpft. So schreibt man gute Ernten der Jahre 1936-38 der „nationalsozialistischen Aufbauarbeit“ zu oder stellt sie als „Verdienst der Erzeugungsschlacht“ dar. Der Landwirt brauche wegen der Preisfestsetzung – durch den Reichsnährstand - nicht mehr einen Preissturz für seine Produkte zu fürchten, heißt es in der Schulchronik ideologisch korrekt - „Dank unserem Führer“. Für die ersten drei Kriegswinter 1939/40, 1940/41 und 1941/42 vermerkt die Berichterstattung strenge, sehr kalte Witterung. Die Ernteerträge in den Jahren 1942 und 1943 werden noch als gut oder sogar überdurchschnittlich aufgelistet. Insgesamt bieten die hier dokumentierten Einträge in den Schulchroniken von Hofweiler und Ittel einen nachdrücklichen Einblick in das lokale Klimageschehen und zeigen dabei eine enge Verbindung zum Alltagsleben in beiden Eifeldörfern, welches im fraglichen Zeitraum im Wesentlichen noch von der Landwirtschaft geprägt war. Die Abhängigkeit der Bauern vom Wetter hinsichtlich der Ergebnisse ihrer Arbeit, insbesondere der Ernteerträge und der Marktpreise für die landwirtschaftlichen Produkte, tritt in den Aufzeichnungen deutlich zutage. Ein Zusammenhang mit der ‚großen' Politik wird ebenfalls in mehreren Zeitabschnitten greifbar. Insofern sollte diese Dokumentation in hinreichendem Maße Beleg dafür sein, dass Schulchroniken eine wertvolle historische Quelle für das lokale Klimageschehen im Zeitverlauf und damit verknüpft für die lokale Wirtschaftsgeschichte darstellen können. Eine in diese Richtung zielende systematisch vergleichende Erfassung und Analyse der heimischen Schulchroniken in regionaler Perspektive muss derzeit noch als ein Desiderat bezeichnet werden.
0.4.Aus der Schulchronik von Hofweiler
1893 | Infolge der großen Trockenheit war hier ein derartiger Wassermangel, daß die Einwohner von hier, Fässer auf die Wagen befestigten und das Wasser von Ittel herbeischafften. Eine überaus reiche Obsternte war dieses Jahre, so daß vieles Obst faulen mußte, da es nicht zeitig herbeigeschafft (war) u. verwertet werden konnte. Der Centner Äpfel kostete 1 M. - 1,50 M. Der Apfelwein wurde mit 90 - 110 M. pro 1000 Liter bezahlt. Die Treber des gekelterten Obstes wurden in Löchern, welche die Leute in den Wiesen gruben, aufbewahrt und während des Winters wurde Branntwein daraus gebrannt. |
1894 | Eine viel geringere Obstmenge war dieses Jahr als im vorigen, trotzdem steigerte sich der Preis des Apfelweines nur um 5 - 10 M. pro Fuder. Da in diesem Jahre reichlich Futter gewachsen war, so steigerte sich der Viehpreis, wegen der vorhergehenden Futtermangel-Jahre u. des geringen Viehbestandes so hoch, daß alte Leute sich nicht erinnern können, daß jemals ein solcher hoher Viehpreis herrschte. Es wurden nämlich bezahlt für frische Kühe a. 240 - 375 M. |
1895 | Die Trockenheit war in diesem Jahre so groß, daß hier kein Wasser in den Pumpen mehr war. Die Bewohner mußten per Wagen das Wasser von Ittel herholen. |
1896 | war der Herbst naß. Die Einwohner wußten kaum ihre Feldfrüchte wegen der Nässe einzuscheuern. Stroh kam naß ein, Kartoffeln wurden mit dem Schlitten aus dem Land auf den Weg gebracht. Die Ernte fiel nicht besonders aus. |
1897 | Im Sommer herrschte in hiesigem Orte großer Wassermangel. Die Pumpen versagten. Das Wasser wurde in Fässern mit Wagen von Ittel herbeigefahren. |
1898 | Großer Wassermangel herrschte in diesem Sommer in Hofweiler. |
1899 | In den Tagen vor Weihnachten herrschte hier großer Wassermangel. Die Leute befanden sich deshalb in großer Not. Es mußte deshalb unterhalb Ittel bezogen werden. Mit Rindvieh konnte man wegen des Eises nicht hinkommen; viele Leute waren deshalb gezwungen, sich Wasser zu leihen um noch Kaffee und die übrigen Speisen kochen zu können. |
1901 | Der Herbst war für diesen Ort sehr ungünstig. Es regnete einmal zu viel, so daß die Leute in dem ohnehin schon sehr nassen Boden mit der Feldarbeit nicht vonstatten kamen. Zudem standen die Apfelbäume so leer da, daß es kaum noch Jemand erlebt hatte, daß die Apfelernte so schlecht ausfiel. Mit den Birnbäumen stand es noch besser. |
1904 | 17. Juli! Der heißeste Tag in diesem Jahre und jedenfalls in den letzten 25 Jahren war der 17. Juli, ein Sonntag. Das Thermometer stieg bis zu 35 Grad Celsius im Schatten. Es wird berichtet, daß seit dem Juli 1881, in welchem das Thermometer auch verschiedentlich den hohen Stand von 35 Grad Celsius gehabt haben soll, eine solche Hitze nicht mehr geherrscht hat. In unserm wasserarmen Dorfe ist alles dem Vertrocknen nahe. |
1906/07 | ) Der feurige Winter brachte uns einen Schnee, wie er seit Jahren nicht mehr hier gesehen wurde. Der erste Schneefall trat ein in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1906 und zwar in einem solchen Maßstabe, daß im Frühjahre noch an vielen Stellen von diesem ersten Schnee lag, obwohl derselbe schon sonst nach kurzer Zeit geschmolzen war. Der kälteste Tag des Winters war wohl der 27. Dez. ein Mittwoch. Die Folge dieses strengen Winters war, daß das gelieferte Schulholz vorzeitig ausging, weshalb schon im März grünes Holz angefahren u. verbrannt werden mußte. - Auf den strengen Winter folgte ein naß-kalter Frühling, so daß bis Anfang Juli noch Feuer in der Schule unterhalten werden mußte. Wegen des ungünstigen Wetters kamen die Leute nicht voran mit ihren Feldarbeiten, die Apfelblüte wurde vollständig verdorben, weshalb die Hoffnung auf ein gutes Viezjahr vollständig vernichtet ist, was man in hiesiger Gegend sehr beklagt. Trotz des ungünstigen Wetters stehen alle Feldfrüchte schön. Nur der erste Grasschnitt ließ an Menge gegen dem des vorjähigen zu wünschen übrig. Was er aber an Güte mehr gewesen wäre, wurde vernichtet durch eine schlechte Heuernte. Vom 29. Juni ab regnete es sozusagen 14 Tage lang ohne Unterlaß. Darauf folgten acht Tage guter Wärme, so daß der Rest des Heues gut unter Dach und Fach kam. Sehr zurückgehalten wurde die Reife des Getreides, so daß man heute (1. August) noch nicht mit dem Schnitt desselben beginnen kann. Um so schöner stehen auf unserer Gemarkung die Kartoffeln, so daß man Hoffnung hegt, daß sich nächstes Frühjahr der Preis derselben nicht 6-7 Mark pro Zentner beläuft, wie man ihn dieses Jahr zahlen mußte. |
0.5.Aus der Schulchronik von Ittel
Das Jahr 1897 war ein reiches Obstjahr. Das Obst wurde viel aufgekauft und gut bezahlt. Für gutes Tafelobst (Äpfel) bezahlte man 10-12 M. per 50 kg. (od. die Centner). Trankobst wurde auch gut bezahlt. Für den Centner Holzäpfel bezahlte man 4 1/2 bis 5 Mark.
1898 war ein sehr fruchtbares Jahr. Es ergab eine reiche Stroh- und Körnerernte. Weil das Stroh nicht all unter Dach gebracht werden konnte, so sah man etwas vom Dorfe entfernt viele große Strohhaufen, welche im Laufe des Winters 1898/99 erst in die Scheunen gesammelt wurden. Der Winter war sehr gelinde. Meistens Regen, nur wenige Tage Schnee.
Das Jahr 1899 war ein außergewöhnliches gutes Jahr für den Landwirt. Es ergab nicht nur wie im vorigen Jahre bloß eine reichliche Stroh- und Körnerernte, sondern auch viel Klee, Heu, Kartoffeln und Runkelrüben. Besonders verdient noch erwähnt zu werden die reichliche Apfelernte. Für die besseren Äpfel bezahlte man 10 bis 12 Mark per 50 kg. Trankäpfel wurden auch gut bezahlt. Für den Zentner (50 kg) Holzäpfel bezahlte man 5 bis 6 Mark. Der Ertrag an Birnen war nahe Null, denn die Birnbäume hatten in der Blüte durch nasse kalte Witterung gelitten.
Das Jahr 1900 war im Allgemeinen ein sehr fruchtbares Jahr. Es ergab nicht nur eine reichliche Stroh- und Körnerernte, sondern auch eine ziemlich gute Heuernte und sehr reichliche Kartoffelernte. Auch gab es viel Gemüse aller Art. Obst gab es zwar nur befriedigend gegen voriges Jahr.
Im Laufe des Sommers gab es viele Gewitter.
Das Jahr 1901 stand dem vorigen Jahre an Fruchtbarkeit etwas nach. Stroh- und Körnerertrag, sowie der Ertrag an Heu und Klee waren im Allgemeinen nur mittelmäßig. Dagegen gab es aber allgemein viele und schöne Kartoffeln, Runkelrüben und Kohlraben. Obst war aber fast keins vorhanden. Nur einzelne Birnbäume lieferten etwas Trankobst.
Im Laufe der Sommermonate gab es sehr viele Gewitter.
Dieses Jahr (1902) war sehr ergiebig für den Landmann. Stroh- und Körnerertrag ausgezeichnet. Kartoffeln und Gemüse auch. Zweites Futter spärlich, da der Regen zu lange ausblieb. Obst gab es sehr wenig.
Das laufende Jahr (1903) war sehr ergiebig für den Landmann. Stroh- und Körnerertrag ausgezeichnet. Auch Futter, sowohl erstes als zweites; auch gab es reichlich Kartoffeln und Gemüse. Obst gab es sehr wenig.
Dieses Jahr (1904) hatte einen trockenen und heißen Sommer. Die Früchte wurden daher etwas früher reif wie in den vorhergehenden Jahren. Der Landmann war mit seiner Ernte sehr zufrieden, denn Stroh- und Körnerertrag war ausgezeichnet. Bloß zweites Futter gab es spärlich, da zu große Hitze und Trockenheit während der Sommermonate herrschte. Gewitter gab es zwar noch viele, aber nur einige brachten sehr spärlich Regen. Das Jahr lieferte aber dennoch viele Kartoffeln und vieles Gemüse. Auch gab es reichliches Obst, sowohl Tafelobst als Trankobst.
(1909 – während der Heuferien im Juli) Es hat fast die ganze Zeit geregnet. Vieles Heu hat sehr Schaden gelitten durch den Regen und weil es nicht ganz trocken nach Hause kam. Die Heuernte hat sich sehr lange hingezogen.
Am 22. Juli abends zwischen neun und zehn waren in Ittel und Umgebung furchtbare Gewitter. Der ganze Himmel stand fast die ganze Zeit (wie) in Flammen. Furchtbare Blitze zuckten fast ununterbrochen. Der Sturm heulte, die Wege sahen aus wie Bäche. Der Blitz schlug auch in ein Haus ein, jedoch ohne Schaden zu tun. Es war ein furchtbar prächtiges Schauspiel.
Da es während der Heuferien (vom 27. Juni bis 16. Juli 1910) fast fortwährend regnete, so waren in diesem Jahre die Ober- und Mittelklasse des Nachmittags beurlaubt, damit die Kinder am Heu helfen konnten.
Am Sonntag, den 11. Januar (1920) wütete ein furchtbarer Sturm mit wolkenbruchartigem Regen in unserer Gegend. Da die Wasserdurchlässe nicht in Ordnung u. teilweise zu klein waren, ergoß sich bald ein rauschender, reißender Bach durch die Dorfstraße, eine Wassermenge, wie sie die ältesten Leute des Dorfes noch nicht gesehen. Die Straßen waren im Moment aufgerissen u. das Wasser ergoß sich in Häuser u. Keller u. Ställe. Da das Unwetter ganz überraschend kam, richtete es erheblichen Schaden an.
Das Jahr 1921 ein Mißjahr.
Der Krieg hat ein unglückliches Ende genommen und die Franzosen haben unsere Heimat besetzt. Aber noch schlimmer liegt die Not auf uns, weil das Jahr 1921 ein Mißjahr war. Es hatte bis in die Hälfte des Sommers nicht geregnet. Darum ernteten wir von allen Gewachsen nur die Hälfte. (und die nicht immer.) Die erste Heuernte war nur so groß, wie die sonstigen zweiten Ernten. Da kein Rauhfutter da ist, muß das Vieh abgeschafft werden. Ebenso sind die Runkelrüben und die Kartoffeln äußerst spärlich gewachsen. Die Kasse hat darum mehrere (12) Waggon Rüben u. Kartoffeln kommen lassen, desgl. Stroh, Heu u. Streumittel. Besonders schlimm war auch die Wassernot. An einigen Tagen wurde auch bei uns das Wasser rationiert, eine Anordnung, die dadurch besonders notwendig wurde, daß die Bewohner Hofweilers Tag für Tag ihr Wasser an unserm Brunnen schöpfen mußten und in später, kühler Abendstunde ihr Vieh an den hiesigen Brunnen zur Tränke trieben.
Durch diese Wassersnot, (die in andern Orten noch wesentlich schlimmer war - unser armer Kollege in Hofweiler kann mehr berichten), erkannten unsre Dörfler mehr, als durch große Reden, wie zweckmäßig eine Wasserleitung sei. Eine lebhafte Agitation setzte dafür ein, die durch die Schule lebhaft angefacht wurde.
Rückblick auf das Jahr 1922 (bes. in landwirtschaftlicher Hinsicht).
Nachdem 1921 ungewöhnlich trocken war, setzte schon früh ein starker Frost ein. Viel Feldarbeit blieb liegen. Der Winter war ungewöhnlich kalt. Der starke Frost richtete manchen Schaden an der jungen Saat an. Bis in den April zeigte sich der Winter in seiner schlimmen Gewalt. Während des Wachstums zeigten sich mancherlei Störungen. Es trat immer deutlicher in die Erscheinung, daß es dem Boden an Erdfeuchtigkeit fehlte. Kunstdünger stand wenig zur Verfügung. Mitte Juni, Juli setzte nun der Regen & damit auch das Wachstum ein. Trotzdem bietet sich das interessante Bild, daß die Frucht teilweise reif, halbreif und teils noch grün ist. August, September, Oktober setzt Regen ein. Nun bleiben die Kartoffel- & Rübenernten zurück. Der Leutemangel bringt große Mißstände. Die gutbezahlten Rankenstellen im nahen Luxemburger Ländchen locken die Gesinde & manches Mädchen, mancher Knecht entwicht vor der Hauptarbeit nach dort. Jetzt tritt, durch den anhaltenden Regen, Kartoffelfäule ein. Am Kirmestage, wenn früher die Hauptarbeit geschafft war, sind die meisten Kartoffeln noch nicht eingekellert. Dazu tritt noch Schnee u. Frost, so daß ein großer Teil erfriert. Wir sehen also trüben Blickes ins kommende Jahr. 1924 begann mit schwerem Schneefall, der Weg war dermaßen verweht, dass die Gemeindeeingesessenen aufgeboten werden mußten, um eine Fahrstraße zu schaufeln.
Die Lage des Landmanns war in diesem Jahre so schlecht, daß das Jahr 1924 noch lange als Mißjahr genannt werden wird. Es war ein Regenjahr 1. Ordnung. Wenn es auch gelang, die Grasernte an einigen sonnigen Tagen zu bergen, so war die Frucht doch ausnahmslos verdorben. Kornkasten fingen an zu grünen, die Körner hatten fingerlange Keime. Zwischen den Kartoffelreihen stand das Wasser, das Kraut war schwarz, die meisten faulten. Ratloser stand noch selten der Eifelbauer da. Nie sah man so bekümmerte Gesichter. Gebete, Andachten wurden gehalten - immer u. immer regnete es. In letzter Minute sprang der Staat ein. Eine Kommission aus Berlin bereiste auch unsere Gemarkung u. die Herren aus den Ministerien sahen u. scheckten das schwarze stinkige Brot, das man ihnen vorsetzte. Sie konnten es nicht glauben, daß ein solches der menschlichen Ernährung dienen sollte. Erst als sie an verschiedenen Orten das gleiche „Brot“ sahen, erkannten sie die traurige Lage des Landmanns.
Als äußerer Erfolg dieser Reise kann eine wesentliche Steuerermäßigung genannt werden. Desgleichen gewährte die Regierung den Landleuten durch die Institute Ernte- u. Saatkredite zu 6 %, rückzahlbar am 1.10. oder 1.12.1925 (das übrige Geld kostete 30 %; es sank bis 31.12.25 auf 18 %).
(1925) Die Heuernte fiel sehr gut aus, sowohl in bezug auf Menge als auch auf Güte. Bei heißem Sonnebrand gingen die Arbeiten rasch vonstatten. Auch die Körnerernte ist zufriedenstellend ausgefallen. Klima. Der diesjährige Winter hielt bereits früh seinen Einzug. Gewaltige Schneemassen lagerten auf Flur und Straßen. Um den Verkehr nicht zum Erliegen kommen zu lassen wurden die Gemeindemitglieder aufgeboten, um den Schnee auf den Anmarschstraßen zu entfernen. (Gewaltiger Schneefall am 5., 6. Dezember. Als Tauwetter eintrat, um Weihnachten, großes Hochwasser am 30., 31.12 u.1.1.26. Obst u. Getreideernte.
Der Landmann kann mit der diesjährigen Ernte zufrieden sein. Hackfrüchte u. Körner sind gleich gut geraten. Obst reichlich, besonders Viezobst. Preise: Kartoffeln: Ztr. 2,50 - 3,50 M. Viezobst: Ztr. anfangs 2,50 M stieg bis 6,20 M
Tafelobst: 8 M bis 12 M.
Das Frühjahr 1926 war sehr naß. Bis zur Sommerwende war noch kein Heu gemacht. Die Heuferien begannen erst Anfang Juli. Das verflossene Jahr (1927) brachte der Landwirtschaft eine Mittelernte, das zweite Futter verregnete vollständig. Kartoffel- und Körnerfrucht- Strohernte befriedigend. Obstertrag sehr gut. Leider war der Preis, da aus allen Teilen Deutschlands eine gute Ernte gemeldet war, nicht hoch genug, um die drückende Schuldenlast des Landmanns mindern zu helfen.
Es wurden, je 50 kg, gezahlt: Weizen 13 Mark, Tafelobst 9 Mark, Kartoffel 4-6 Mark, Mostobst 3-4 Mark. Später ging der Preis auf 1,50 M. herunter.
Mit der Ernte dieses Jahres (Sommer u. Herbst 1928) sind die Landleute zufrieden, besonders, da das Einscheuern derselben infolge des lange anhaltenden trockenen Wetters schnell u. gut vonstatten ging.
Der Winter 1931/32 war ziemlich mild, ein Glück für manche Familie, welche infolge der wirtschaftlichen Not sich nur schwer Heizmaterial beschaffen konnte.
Der Sommer und der Herbst 1932 füllten dem Bauer Scheune und Faß. Eine äußerst günstige Witterung ließ ihn seine sämtlichen Feldfrüchte gut unter Dach bringen. Preiswerte Bezahlung derselben dürfte darum manchem Landwirt etwas aus der schlechten wirtschaftlichen Lage helfen. Man sieht unter der Landbevölkerung wieder zufriedene Menschen. Notwendige Anschaffungen, die wegen der Geldknappheit schon lange Zeit immer wieder verschoben werden mußten, können jetzt gemacht werden.
Der Winter ist zunächst äußerst mild. Weihnachten ist vorüber, und vergeblich hat man auf Eis und Schnee gewartet.
(1933) Mitte Januar hielt der Winter endlich seinen verspäteten Einzug. Er wollte das Versäumte nachholen und kam gleich mit einem äußerst starken Frost. Eine solch grimmige Kälte hatte man jahrelang nicht mehr erlebt.
Am 20. Juli wurde gegen Abend unser Ort von einem äußerst starken Gewitter heimgesucht. Etwa 2 Std. folgten Blitz und Donner fast unmittelbar aufeinander. Ein wolkenbruchartiger Regen, vermischt mit eigroßen Hagelkörnern, stürzte zur Erde. Verschiedene Einwohner, die beim Ausbruch des Unwetters im Stalle oder in der Scheune waren, konnten nicht mehr in das Haus zurück. Die Wasserdurchflüsse konnten die große Wassermasse nicht mehr fassen, und ein reißender, rauschender Bach ergoß sich durch die Dorfstraße. Er führte Steine, Baumäste, ja selbst Ackergeräte mit sich fort. Im Augenblick waren in vielen Häusern die Keller und die Ställe mit Wasser gefüllt. Metertiefe Löcher gähnten nachher die erschrockenen und besorgten Einwohner an. Damit die Straßen wieder befahrbar werden konnten, mußten später alle arbeitsfähigen Männer der Gemeinde mehrer Tage Ausbesserungsarbeiten verrichten. Die Keller mußten mit der Feuerwehrspritze ausgepumpt werden. Weit schlimmer aber war der Schaden, der auf dem Felde angerichtet war. An einzelnen Stellen lagen am Morgen nach dem Unwetter noch dicke Hagelkörner. Die Getreideähren waren zum größten Teil fast ganz leer. Der größte Teil der Körner war ausgeschlagen und lag auf dem Boden. Die Blätter der Runkelrüben sahen fast wie ein Sieb aus. Ganz überraschend kam das Unwetter. Die ältesten Leute des Dorfes wollen noch nie ein solches Wetter erlebt haben.
(1936) Eine günstige Frühjahrswitterung ließ den Bauer auf eine gute Ernte hoffen. Anfang Juli setzt jedoch Regenwetter ein. Fast kein Tag vergeht ohne Niederschläge. In der ersten Augusthälfte wird trotz des immer noch herrschenden feuchten Wetters soviel wie möglich die Getreideernte vollzogen.
Ende August tritt gutes Wetter ein. Der Bauer kann jetzt seine oft unterbrochene Getreide- und Futterernte noch gut einbringen. Sie ist trotz des Regens gut ausgefallen. Auch die Späternte ist gut. Sämtliche Früchte stehen in einem äußerst günstigen Preise. Über 20,00 RM. wird für Tafelobst bezahlt. Viezbirnen kosten 6,00 RM.
Das Schuldkonto des einzelnen Landwirtes schrumpft weiter zusammen und ist bei vielen schon vollständig verschwunden. Vierjährige nationalsozialistische Aufbauarbeit hat dem Landwirt wieder die Freude an seinem schweren Berufe zurückgebracht.
Mit Regen schließt das Jahr 1936, und mit Regen beginnt das Jahr 1937. Ohne Frost und Schnee, mit Regen geht der Winter vorbei. Beim Frühjahrsbeginn sind die Regenfälle des Jahres 1937 bereits so reichlich, daß fast die Hälfte der durchschnittlichen Jahresmenge gemessen werden kann. Wiederholt muß der Landwirt seine Feldbestellungsarbeit unterbrechen. Er wartet sehnsüchtig auf trockenes Wetter, damit er seine Aussaat beenden kann. Wiesen und Viehweiden zeigen aber einen kräftigen Wuchs. Sie versprechen gute Futtererträge.
Der Regen, der das Jahr 1937 einleitete, hielt bis Ende Mai an. Während er die Voraussetzung für eine äußerst günstige und frühzeitige Heuernte war, hat er die Obsternte sehr ungünstig beeinflußt. Obst wird in der hiesigen Gegend nur wenig geerntet werden. Fast alle anderen Früchte versprechen aber eine gute Ernte.
Recht viele Sommertage bringt das Jahr 1937. Der Durchschnitt wird weit überschritten. Einzelne zeichnen sich durch besonders hohe Temperaturen aus. Am 8.8. wurden in Trier 35,3 Grad im Schatten gemessen. Gleiche Temperaturen zeigte das Thermometer seit 1921 nicht mehr. Ein Sonnentag reiht sich fast ununterbrochen an den andern. Der Bauer kann in Ruhe sein Getreide ernten. Auf allen Lebensgebieten der Natur zeigt sich eine besonders frühe Entwicklung. Die Reifezeit der einzelnen Pflanzen liegt etwa 14 Tage früher als im Durchschnitt. Ein sonniger und schöner Herbst läßt den Bauer in Ruhe seine Ernte beenden. In unserer Gegend ist sie auf allen Gebieten gut. Andere Gegenden erhofften bessere Erträge. Es ist ein besonderes Zeichen der diesjährigen Ernte, daß bei allen Früchten die Erträge zwischen den einzelnen Landschaften des Reiches sehr unterschiedlich sind. Trotzdem können wir allgemein mit der Ernte 1937 zufrieden sein. Es ist ein Verdienst der Erzeugungsschlacht. Richtige Sortenwahl, Düngung, Bodenbearbeitung u.s.w. haben verhindert, daß der Acker eine Minderernte gegeben hat. Besonders gut ist die diesjährige Futterernte. Unser Vieh braucht im kommenden Winter nicht zu hungern. Für uns bedeutet das, daß die Versorgung an Fleisch, Milch und anderen tierischen Erzeugnissen gesichert ist. Eine gute Kartoffelernte schafft auch einen Ausgleich zwischen der weniger guten Getreideernte. Unsere Lebensmittelversorgung ist völlig gesichert. Trotzdem bleibt es unsere Pflicht, immer das zu bevorzugen, das gerade wirklich da ist. Wir bewahren dadurch die Ernte vor Verlusten und erleichtern die Versorgung.
Ungewöhnlich trockenes und mildes Wetter herrscht mit wenigen Ausnahmetagen bis weit in den Dezember hinein. Die üblichen Herbststürme und regenreichen Tage bleiben in diesem Jahre aus. Sie lassen die in den schönsten Farben strahlenden Blätter länger als sonst an den Bäumen und Sträuchern hängen. Junge Triebe, die sonst nur die Frühlingssonne hervorbringt, werden beobachtet. An Südhängen sieht man noch Anfang November Mücken, die sonst schon im September verschwunden sind, lustig spielen. Schmetterlinge werden in der Mittagssonne vereinzelt beobachtet. Erst in der letzten Dezemberhälfte meldet sich der ersehnte Winter. Er kommt dann aber mit aller Kraft, mit starkem Frost und Schnee. Bis ins neue Jahr hält der durch, um dann wieder bald Abschied zu nehmen. Die eintretende Schneeschmelze bringt den Bächen und Flüssen ihren alten Wasserstand wieder. Der Boden erhält seine lange entbehrte Flüssigkeit. (1938) Noch einmal zeigt der Winter im 2ten Februardrittel seine Macht. Starker Frost mit Schneefall tritt ein. Dann aber folgen warme und sonnige Tage.
Zufrieden geht im diesjährigen Sommer der Bauer über seine Felder. Ein äußerst günstiger Stand der Feldfrüchte verspricht eine reiche Ernte. Was der Sommer versprochen, das hat der Herbst gehalten. Ausnahmslos brachten alle Pflanzen überdurchschnittliche Erträge. Nur Äpfel und Birnen wiesen stellenweise einen schlechten Behang auf. Ihre Blüte hatte infolge verschiedener Frostnächte im Frühjahr etwas gelitten. Der Nationalsozialismus hat für die Erzeugnisse der Landwirtschaft Festpreise geschaffen. Deshalb braucht der Bauer nicht wie früher zu fürchten, daß bei einer guten Ernte die Preise ins Bodenlose fallen. Der Lohn seiner Arbeit ist ihm sicher. Dank unserem Führer ist die Zeit, in der Juden und Börsengauner von seiner Arbeit und seinem Schweiß profitierten, ein für allemal vorbei.
(1939) Der Winter setzte mit ausserordentlicher Strenge ein. Seit Jahrzehnten war eine derartige Kälte nicht mehr zu verzeichnen gewesen. (Das Thermometer fiel zeitweise auf minus 28-30 Grad C.) Mit grimmiger Kälte und hohem Schnee schied das so ereignisreiche Jahr 1939.
(1940) Die Heuferien dauerten vom 10.6.-24.6. Die Heuernte war reichlich und gut.
Vom 5.8.-19.8. Kornferien. Die Ährensammlung der Schulkinder erbrachte 1 Zentner Weizen. Ein äusserst günstiger Stand der Feldfrüchte bracht einen reichen Herbst. Der Spätherbst war mild u. feucht, so daß die Herbstbestellung gut vonstatten ging u. noch vor Einbruch des Frostes beendet wurde. Erst in den letzten Dezembertagen meldete sich der Winter. Er kam dann aber mit aller Kraft, mit Frost u. Schneefällen, wie sie hier seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt worden waren. Die Schneeverwehungen nahmen zeitweise einen derartigen Umfang an, daß das Dorf tagelang von jeglichem Verkehr abgeschnitten war. Die erst Ende März einsetzende Schneeschmelze hatte naturgemäß eine verspätete Frühjahrsbestellung zur Folge.
(1941) Die Heuferien dauerten vom 24.6. - 5.7. Trotz des sehr spät einsetzenden Frühjahrs gab es im großen u. ganzen eine gute Heuernte.
Der Stand des Getreides u. der übrigen Feldfrüchte ist trotz des teilweise sehr kühlen u. feuchten Wetters zufriedenstellend.
Vom 26.7. - 24.8. Kornferien. Wider Erwarten ist die Getreideernte als außerordentlich gut zu bezeichnen. (Auf 1 Morgen wurden sogar 27 Zentner Weizen geerntet. Ein Rekordertrag für die hiesige Gegend!)
Vom 23.9. bis 14.10. Herbstferien.
Ausnahmslos brachten auch in diesem Herbst alle Pflanzen reichlichen Ertrag, was angesichts des 3. Kriegsjahres besonders erfreulich ist.
Auch der 3. Kriegswinter stand den 2 vorausgegangenen in keiner Weise nach. Das Thermometer fiel an einigen Tagen sogar auf -31 Grad C. Der scharfe u. anhaltende Frost brachte auch hier viele Auswinterungsschäden.
Eine weitere Folge des strengen Winters war die, daß überall die Vorräte an Brennmaterial vorzeitig zur Neige gingen. Aus dem gleichen Grunde mußte daher auch die hiesige Schule vom 19.2. bis 9.3. Kohlenferien einlegen. Der Winter 1941/42 soll der strengste seit 130 Jahren gewesen sein.
(1942) Infolge der günstigen Witterung war die Kornernte in diesem Jahre sehr zufriedenstellend. Die Obsternte hingegen ist als eine ausgesprochene Mißernte zu bezeichnen. Äpfel gab es überhaupt keine. Die Kartoffel- u. Rübenernte erbrachte einen überdurchschnittlichen Ertrag.
Die Ernte des Jahres 1943.
- Heu: ziemlich reicher Ertrag, die Güte war ausgezeichnet.
- Getreide:
Weizen: ziemlich guter Ertrag, gute Qualität, eine gute Durchschnittsernte.
Roggen: eine gute Ernte.
Gerste: Ertrag und Qualität der Wintergerste gut.
Hafer: Qualität gut und darüber, reicher Ertrag. - Kartoffeln: knappe mittlere Ernte, mittlere Qualität.
- Hackfrüchte: gute Rübenernte, gute Qualität.
- Obst:
Äpfel: geringe Tafelobsternte, gute Qualität; eine zimelich gute Viezobsternte.
Birnen: Trankobst zieml. gute Ernte u. Qualität.
Zwetschen: reiche Ernte, gute Qualität.
0.6.Nachweise
Verfasser: Rudolf Müller
Redaktionelle Bearbeitung: Nathalie Rau
Drucknachweis: Landeskundliche Vierteljahresblätter 56, 2010, S. 96-108.
Erstellt: 10.10.2012
Anmerkungen:
- Vgl. dazu jetzt Werner Rösener, Landwirtschaft und Klimawandel in historischer Perspektive, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 5-6/2010, S. 31-38. Zurück
- Frank Unruh, Eifelmaare als Archive über Mensch und Klima, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 55, 2009, 4, S. 89-106. Zurück
- Vgl. Hermann Flohn, Das Problem der Klimaänderungen in Vergangenheit und Zukunft, Darmstadt 1985; Hubert H. Lamb, Klima und Kulturgeschichte. Der Einfluss des Wetters auf den Gang der Geschichte, Reinbek 1994; jetzt auch Wolfgang Behringer, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München 2007. Zurück
- Vgl. Alfred Heit, „Unvorgreifliche“ Gedanken zu einer Ökologiegeschichte mit Blick auf das Trierer Land, in: Kurtrierisches Jahrbuch 21, 1981, S. 321-332; für die Region Trier/Koblenz als eine Art archäologischer ‚Leuchtturm' neuerdings Frank Sirocko (Hrsg.), Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung. Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert, Darmstadt 2009. Zurück
- Vgl. auch Rudolf Müller, Hofweiler – ein Eifeldorf und seine Geschichte. Mit Beiträgen von Monika Dreßler, Walter Schmalen und Barbara Weiter-Matysiak, Trier 2009 (Orts-Chroniken des Trierer Landes, Bd. 52). Zurück
- Vgl. Barbara Weiter-Matysiak, Die Schulchroniken im Kreisarchiv Trier-Saarburg, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 45, 1999, S. 159-166; auch dies., Die Schulchroniken im Kreisarchiv Trier-Saarburg, in: Welschbilliger Hefte 1/2001, S. 25-27. Zurück
- Vgl. Rudolf Müller, Hofweiler, a.a.O., S. 113 ff. Zurück