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Ergänzender Quellentext über die Kreuznacher Feierlichkeiten anlässlich der Vermählung Kaiser Napoleon I. im Jahre 1810

von Jörg Julius Reisek

Am 25. März 1810 erließ Napoleon, Kaiser der Franken, König von Italien, Schutzherr des rheinischen Bundes, Vermittler des Schweizerbundes etc. etc. etc. ein Décret impérial. Es enthielt Verfügungen der Huld und Milde bey Gelegenheit der Heurath Seiner Majestät[Anm. 1]. Neben Amnestien und Begnadigungen von Deserteuren wurden Kriegsveteranen in besonderer Weise bedacht. Es sollte eine Verheurathung von sechs tausend Kriegsmännern organisiert werden:

Sechs tausend im Ruhestand befindliche Kriegsleute, die wenigstens einen Feldzug mitgemacht, sollen den 22sten kommenden Aprill mit Mädchen ihrer Gemeinden verheurathet werden, denen ein Brautschatz von zwölf hundert Francs für Paris, und von sechs hundert Francs im übrigen des Reichs bewilliget ist.

Daraufhin wurden in unserer Region Veteranen in Alzey, Bingen, Oppenheim, Sobernheim, St. Goar und Zell bestimmt. Die Kreuznacher Kommission wählte den Roxheimer Johann Zimmermann aus, der Narben zu Zeugen seiner Tapferkeit aufwies. Er vermählte sich während der Festlichkeiten mit Elisabetha Rottmann. Als Brautschatz wurden 600 Franken ausgezahlt.

Kreuznacher Wochenblatt, Nr. 20

Samstag, am 19. Mai 1810[Anm. 2]

Verbindung seiner Majestät des Kaisers und Königs mit der Erzherzogin Maria Louise

Dieses für die Geschichte eben so merkwürdige als für die Ruhe der Völker glückliche Ereignis wurde den 29. April gefeiert. Abends vorher kündigte das Abbrennen der Stadtböller von dem Schloßberge, und das vereinigte Geläute der Kantonal- und Konsistorial- Kirchen die Feier des künftigen Tages an. Morgens bei anbrechendem Tage wurde solches wiederholt. Um neun Uhr versammelten sich sämtliche Autoritäten, und öffentliche Beamte auf dem Gemeindehaus.

Der Herr Maire von Mandel hielt eine Rede, worin er den Tag der Verbindung Sr. Maj. des Kaisers mit der Erzherzogin Marie Louise als eine Epoche in der Geschichte zur Gründung des Kontinentalfriedens bezeichnete, und unter Bezug auf das Dekret vom 25. Merz jüngsthin der besonderen Auszeichnung erwähnte, welches hier 6000 tapfern Kriegern zu Theil wird, deren eheliche Verbindung für sie und ihre Nachkommen die Feyer des Tages erinnert, wo

der Gröste der Feldherrn der Jahrbücher sich vermählte.

Diese Rede wurde mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Er schritt demnach zur Ziviltrauung des Johann Zimmermann von Roxheim mit der Elisabetha Rottmann, der im Jahre 1806 den Kriegsfahnen folgte, und als Sprecher der Feldzügen in Spanien von den Jahren 1808, und 1809 auftrit, und Narben zu Zeugen seiner Tapferkeit aufweißt. Sogleich erfolgte das Abfeuern der Stadtböller auf dem Schloßberge, und eine Militär Musik von Seiten der Zöglinge der Sekondaireschule[Anm. 3].

Sämtliche Autoritäten, und Beamte begaben sich nun, zur katholischen Kirche. Den Zug eröffneten die Schüler der Sekondaireschule in ihrer Uniform, ausgezeichnet durch Ordnung, und Anstand, in ihrer Mitte eine aus den Zöglingen zusammengesetzte Musik. Sie zogen hier die Aufmerksamkeit des Publikums so an sich, wie jene der Vorgesetzten des Departements bei den öffentlichen Prüfungen in der Schule zur allgemeinen Bewunderung, zum lauten Beweiß, wie hier Jünglinge ihre Zeit in und ausser der Schule zu ihrer Bildung zu benutzen wissen. Ihnen folgte der Maire, und die Adjunkten, das Friedensgericht, die Verwaltung der Einregistrierung, und den Domänen, die Verwaltung der Douauen [Zölle], und der vereinigten Gebühren, die Vorgesetzten der kaiserlichen Salinen, sämtliche Mitglieder des Munizipalraths, mehrere Notablen der hiesigen Stadt unter immerwährendem Glockengeläute der Kirchen der verschiedenen Kulte.

Vor der kirchlichen Trauung hielte der Herr Pfarrer von Roxheim eine Rede, worin er unter andern die hohe Bestimmung erklärte, welche sowohl kirchliche, als Staatsgesetze der Ehe zueignen als die Grundlage des Familienglücks das Band gesellschaftlicher Ordnung, das Mittel eines weisen Lebenswandels. Er berührte sodann die erhabne Denkungsart des Napoleon des Großen, wie er die Krieger, die ein unglücklicher Zufall auf immer verabschiedet, um nie mehr auf einem Schlachtfelde auf zutreten, auf Lebenszeit zu würdigen wisse, und welcher große Beweis dieser Achtung durch die Verordnung hervor leuchte mit welcher er das Andenken seiner Vermählung in der Geschichte damit niederschreibe, daß auf diesen Tag 6000 seiner tapfern Krieger mit einer Ausstattung von wenigstens 600 Frank verehliget worden.

Der Herr Kantonspfarrer hielte demnach ein hohes Amt, worauf die kirchliche Trauung unter Abwechslung der von den Zöglingen der Sekondaireschule angestimmter Musik, und dem Abfeuern der Stadtböller vor sich gienge, den Beschluß machte ein feyerliches Tedeum.

Nach dem Gottesdienst wurde eine besondere Kollekte zum Vortheil der Armen gesammlet, welche demnach von den Gliedern der Wohlthätigkeitskommision unter die Dürftige vertheilt worde. Drei Waisekinder, die die Sorgen dieser Kommision durch ihre Aufführung und Fleiß nicht unbelohnet lassen, wurden neu gekleidet. Ein glänzendes Gastmahl von 105 Gedecken freiwillig unterzeichnet von sämtlichen Beamten, und mehrere Bewohnern fande statt.

Diesem wurden jene Schüler beigezogen, die durch ihre schnelle Fortschritte in der Musik so vieles beitrugen, das heutige Fest zu verherrlichen, wie auch sechs Schüler aus der großen Anzahl der jenigen, die durch fleißiges Studieren, musterhaftes Betragen den guten Ruf, den diese Schule in, und ausser dem Departement behauptet, zu bekräftigen wissen. Die Toasten auf das Wohlseyn des Kaisers und Königs, und seiner Gemahlin, auf das Wohlergehen seiner zahlreichen Nachkommenschaft dieses durchlauchtigsten Ehepaars, auf das Wohlsein der Departements-Vorgesetzten, der Lokalgewalten, der eifrigen Erzieher der hiesigen Jugend wurde unter lautem Beifall angebracht; fortgesetzt erhalte der Donner Stadtböller.

Des Nachmittags ward nach dem Vogel geschossen, und diese Lust, da bei einbrechender Nacht noch niemanden der Preiß zuerkannt ware, den folgenden Sonntag fortgesetzt. Abends ware Beleuchtung, wobei sich mehrere Häuser durch ausgewählte Inschriften, und Zeichnungen hervorthaten. Hiebei ware das auf diesen Tag eben so passende, als künstliche Gemälde

eines jungen Mahlers mit Nahmen Storck auffallend vortrefllich angebracht[Anm. 4]. Wir hatten das Glück, unvermuthet durch die Ankunft des Herrn Unterprefekten General von Closen[Anm. 5] des Abends angenehm überrascht zu werden. Er ware Augenzeuge von der frohen Stimmung der Bewohner auf diesem Tag und von der Feier, mit welcher er begangen worden.

Ein bis zum Morgen angedauerter Freiball, und mehrere öffentliche Tänze beschlossen diesen für Frankreichs Bewohner nie vergeßlichen Tag.

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Quellen und Literatur:

  • Siehe Anmerkungen

Erstellt: 08.03.2010

 

Anmerkungen:

  1. Gesetzregister des Fränkischen Reiches. Serie 4, T1.12, Paris 1810. Nr. 277 (HWZB, Sign.: Re 2.1810.259-298) Zurück
  2. Stadtarchiv Bad Kreuznach Zurück
  3. Stanislaus Schmitt war Förderer der Schulmusik. s. Koch, Heinz: Kurmusik in Kreuznach und Münster am Stein im 19. und frühen 20. Jahrhundert. 2009. (Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach, 36) S. 31-32, inkl. Digitalisat einer betr. Zeitungsnotiz auf der beigefügten CD-ROM Zurück
  4. vermutlich der Maler Georg Heinrich Storck (geb. 1793 in Kirn), Bruder des bekannten Karikaturisten Heinrich Wilhelm Storck (geb. 1808 in Kreuznach – gest. 1850 in Leipzig) Mader, Karl-Heinz: Heinrich Wilhelm Storck im „Sir John Falstaff“ und anderswo. Ein Künstler kommentiert seine Zeit. Bad Kreuznach 2004. S. 13-14 Zurück
  5. Hans Christoph Ludwig Freiherr von Closen zu Haydenburg (1755-1830) folgte 1806 Van Recum als Unterpräfekt des Bezirks Simmern. Zurück