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Die Feierlichkeiten des 25-jährigen Sedanjubiläums 1895 in Kreuznach - Eine Spurensuche im „General-Anzeiger“

von Jörg Julius Reisek

Dieser Beitrag behandelt nicht die Entstehung, Entwicklung und politische Bedeutung des Sedanfestes. Ich verweise hierbei auf Wikipedia und die Dissertation von Fritz Schellack: Nationalfeiertage in Deutschland 1871 – 1945. Frankfurt/M.: Lang, 1988. (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, 415) ISBN 3-631-42524-4 (in der HWZB vorhanden). Er stellt vielmehr das Ergebnis einer Spurensuche dar, die ich im „General-Anzeiger für Stadt und Land. Kreuznacher Tageblatt und amtliches Kreisblatt“ Juli – Dezember 1895 (Expl. der HWZB) durchführte. Die Blätter beinhalten eine besonders ausführliche Berichterstattung, in denen Wert auf die Wiedergabe patriotischer Reden gelegt wurde. Sie belegen einen Bedeutungswandel des Sedantages zu Gunsten der Reichsgründung und des Kaiserhauses. Gleichfalls zeugen sie von der Bismarckverehrung (Anfang April 1895 Beschluss der Ehrenbürgerschaft), die mit der Errichtung des Bismarckbrunnens auf dem Kreuznacher Kornmarkt einen Höhepunkt erreichte. Die Sedanfeier war ein Podium für kaisertreue Bürger und militärische Kreise. Nachrichten über regionale Widerstände waren nicht zu finden.


Eine Vorgeschichte

Der Sedantag wurde alljährlich am 2. September gefeiert und galt der Erinnerung an den Sieg im Deutsch-Französischen Kriege 1870/71. Eine erste größere Sedanfeier ist in Kreuznach 1875 nachweisbar, weitere folgten im kleineren Rahmen. Besonders die Krieger- und Gesangvereine waren an den alljährlichen Feierlichkeiten beteiligt. Als 1895 das 25jährige Sedanjubiläum nahte, veröffentlichte die Kölner Zeitung einen anonym verfassten Artikel, in dem über das angeblich unpatriotische Verhalten der Kreuznacher Stadtväter gewettert wurde. Als Grund für die Zurückhaltung in der Stadt wurde u. a. die Rücksicht auf französische Badegäste genannt. Dieser Angriff war im Rahmen der polemischen Auseinandersetzungen während des Kulturkampfes angesiedelt. Postwendend erschienen im gleichen Blatt zwei Gegendarstellungen.

Ein Ungenannter schrieb:

Wenn irgendwo patriotisches Bewußtsein und Fühlen lebendig ist, so in unserer Stadt und deren Verwaltung. Maßgebend für die Zurückhaltung sind wohlerzogene wirtschaftliche Gesichtspunkte. In das letzte Drittel dieses Monats fällt der große Kreuznacher Jahrmarkt, der nicht weniger als fünf Tage währt. Was dem Kölner sein Carneval, das ist dem Kreuznacher sein Jahrmarkt, für ihn ein wahres Freudenfest. Hierzu kommt die Tatsache, daß wir seit Juni nahezu eine ununterbrochene Reihe von Festlichkeiten hinter uns haben, so daß es wirklich nur Rücksicht auf den Geldbeutel und die Arbeitsthätigkeit der Bürger nehmen heißt.“

Auch Bürgermeister Felix Scheibner ergriff das Wort und formulierte die folgende scharfe Antwort:

„Wo ist denn der geschätzte Herr Artikelschreiber gewesen, als, um nur vom laufenden Jahre zu reden, am Vorabend von Kaisersgeburtstag die vereinigten Kriegervereine mit den hiesigen Gesangsvereinen nach einem Festzug durch die Stadt im Curhaussaale ... einen Commers abhielten? Hat er im Monde geweilt, als die Stadt bei der Bismarckfeier am Niederwalddenkmal durch eine so große Anzahl von Bürgern, wie keine andere Stadt am Rhein sie gestellt hat, vertreten war, ... als abends das große Bismarckbankett stattfand? Wie nehmen sich diesen Tatsachen gegenüber die Beschuldigungen elender Franzosenfurcht aus? ... In den letzten Jahren ist die Sedanfeier ausgefallen aus Gründen ... die er gelten lassen muß, wenn er sie auch nicht billigt. Das ist der weltbekannte Kreuznacher Jahrmarkt. ... Eine etwaige Abschaffung dieses Marktes ... würde auf den größten Widerstand stoßen. Das Kreuznach trotz dieser Verhältnisse in diesem Jahre ein Sedanfest feiert, ist so selbstverständlich, daß es der pathetischen Mahnung des Artikels nicht bedurfte.“ (Quelle: Stadtarchiv Bad Kreuznach: Bürgermeistereiakten, Nr. 726. Öffentliche Feste...1895-1898.)

Die Feierlichkeiten des 25. Sedanjubiläums wurden am 1. und 2. September begangen. Der Jahrmarkt aber fand bereits zwei Wochen vorher statt.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die folgenden Anmerkungen in der Berichterstattung über den Kreuznacher Jahrmarkt:

„(Jahrmarkt) So wäre er denn in Begleitung prächtigster Witterung wieder gekommen, der altbeliebte Kreuznacher Jahrmarkt, in launiger Ausgelassenheit, er, der trotz seiner 86 Jahre noch keine griesgrämige Falte im lachenden Antlitz hat, kein Zeichen des Verfallens an sich trägt, sich vielmehr mit jedem Jahre verjüngt aus dem Zeitenstrome zu erheben scheint. Ein echter Preuße mag bekanntlich keinen Franzmann leiden, aber das finden wir doch nett von Napoleon, daß er uns den Kreuznacher Jahrmarkt beschert hat, wie die Chronik meldet. Wer aber denkt heute noch an die französische Herkunft der Institution; kein Mensch! Deutsch-volkstümlicher kann wohl nichts sein, als unser alljährliches Marktfest. Wie sie da sitzen, die alten kneipfrohen Deutschen, in den Zelten und mit dem „Remischen“ verliebte Zwiesprache halten; wie die deutschen Kehlen krampfhaft ihre Herrlichkeiten ausrufen; wie der deutsche Bursche sein deutsches Mädel im Kreise dreht – kurz wie alles urdeutsche Gemütlichkeit und speziell rheinische Fidelität atmet. O, Napoleon hättest du das geahnt!

Doch kommen wir zu unserem Bericht. Wie üblich wurde der Markt am Samstag Abend mit dem traditionellen „Weinproben“, von dem das weibliche Geschlecht aus triftigen Gründen bekanntlich so viel wie möglich fern gehalten wird, ...eröffnet. ...“ (G.-A., 19.08.1895)

Sedan im „General-Anzeiger“

Am 9. Juli erschien der erste Teil der Serie „Vor 25 Jahren! Zur Erinnerung an den großen Krieg“, die in loser Reihenfolge bis zum November veröffentlicht wurde. Ab Mitte Juli stimmten kleine vaterländische Artikel auf das Jubiläum ein. Dazu gehörten „Das deutsche Heer 1870 und heute“, „Ein französisches Kriegslied von 1871“, „Feldzugstatistik“, „Der jüngste Soldat“ und „Wieviel Schüsse sind im Kriege 1870/71 abgefeuert worden?“.

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Am 17. August meldete der G.- A.:

„Auf Einladung des Bürgermeisters versammelten sich gestern Abend die Vorsitzenden der hiesigen patriotische Vereine und mehrere Stadtverord-nete unter dem Vorsitze des Herrn Stosberg im Stadthaussaale, um über eine gemeinsame Sedanfeier zu beraten. Alle Anwesenen waren der Meinung, daß das 25jährige Jubelfest der Bedeutung des Tages entsprechend begangen werden sollte.“ Ein weiterer kleiner Bericht über die Beschlüsse der Sedanfest-Kommission folgte am 23.8.

Am 2.8. wurde auf einen Sonderzug nach Metz aufmerksam gemacht, in dem Interessierte von 24. 8. bis 26. 8. zum Besuche der Schlachtfelder reisen konnten.

Am 27. 8. berichtete das Blatt: „An 27 bedürftige Veteranen-Witwen wurden gestern durch Kameraden der Verstorbenen je 15 Mark als Geschenk der Stadt ausbezahlt, was bei den also Beschenkten große Freude hervorgerufen hat. Aus dem heute veröffentlichten Fest-Programm ersehen wir mit Vergnügen, daß auch Damen an dem Festessen teilnehmen können. … Der Antrag einiger Zelt- und Budenbesitzer auf dem Jahrmarkte, ihren Betieb auch gelegentlich der Sedanfeier nächsten Sonntag offen halten zu dürfen, hat das Bürgermeister-Amt ablehnend beschieden“.

Fest-Programm für die Sedan-Feier in Kreuznach am Sonntag, den 1. September 1895

a. Morgens 6 ½ bis 7 ½ Festgeläute und Böllerschießen

b. Besuch des Kriegerdenkmals und der Kriegergräber auf dem Friedhofe

Abmarsch morgens punkt 7 Uhr vom Stadthausplatze aus in folgender Reihenfolge:

1. Vertreter der Stadt (Bürgermeister, Beigeordnete, Stadtverordnete)

2. Aktive und inaktive Offiziere

3. Vertreter der zu den genannten Vereinen mit ihren Fahnen

4. Alle Veteranen, soweit sie nicht in den Deputationen zu 3 enthalten sind.

Auf dem Friedhofe Choral eines Horn-Quartetts, Gesang, Ansprache, Niederlegen der Kränze, Gesang und Choral.

c. Festgottesdienst in den Kirchen beider Konfessionen und in der Synagoge (seitens der israelitischen Gemeinde wird eine Feier auf dem israelitischen Friedhofe zu Ehren der dort ruhenden jüdischen Krieger veranstaltet.)

d. Festzug durch die Straßen der Stadt. Antreten punkt 4 ½ nachmittags auf dem Holzmarkt und Aufmarsch in folgender (zu Nr. 6 bis 16 durchs Los festgesetzter) Reihenfolge:

1. Musik

2. Eine Abteilung Feuerwehr

3. Bürgermeister, Beigeordnete und Stadtverordnete

4. Aktive und inaktive Offiziere

5. Wehr- und Kriegerverein und im Anschluß daran alle einem Kriegerverein nicht angehörigen Veteranen.

6. Männerturnverein

7. Liederkranz

8. Glashüttengesangverein

9. Militärverein

10. Turnverein

11. Velocipedisten-Klub und Radfahrer-Verein

12. Wehrverein

13. Liedertafel

14. Ruderverein

15. Gesangverein Lyra

16. Schützenverein

17. Eine Abteilung Feuerwehr

18. Alter Kriegerverein (in Wagen)

Der Zug wird sich durch folgende Straßen bewegen:Holmarkt, Hochstraße, Stadthausplatz, Poststraße, Eiermarkt, Mannheimerstraße, Roßstraße, Louisenstraße, Elisabethstraße, Salinenstraße, Mannheimerstraße, Kreuzstraße, Wilhelmstraße, Mühlenstraße und endigen auf der Pfingswiese.

e. Festessen und Festbankett. Im Laun´schen Zelte sind besondere Plätze reserviert für die Veteranen als Ehrengäste, die Offiziere und Vertreter der Stadt, die an dem Festzug teilnehmenden Vereine, sowie alle diejenigen Herren und Damen, die sich vorher in die zur Teilnahme am Festessen offengelegten Listen eingezeichnet haben. Programme für die Feier im Festzelte werden dort verteilt werden.

Wir bitten unsere Mitbürger durch zahlreiche Teilnahme am Festessen bezw. Festbankett, sowie reiche Beflaggung und Ausschmückung der Häuser das Fest verherrlichen zu helfen.

Kreuznach, den 27. August 1895

Der Fest-Ausschuß.

Synagogen-Gemeinde Anläßlich der 25 jährigen Wiederkehr der Sedan-Feier findet Sonntag, den 1. September 95, morgens 9 ½ Uhr in der Synagoge Dankgottesdienst mit Festpredigt und ferner nach beendigtem christlichen Festgottesdienst unter Beteiligung des alten Krieger-, des Wehr- und Krieger- und der Militär-Vereine mit ihren Fahnen, auf unserem Friedhofe zu Ehren der daselbst beerdigten Krieger eine Gedenkfeier mit Niederlegung der Kränze auf die betr. Gräber statt.

Um zahlreiche Beteiligung wird gebeten.

Der Vorstand

Einige Werbeanzeigen:

Zur Sedanfeier empfehle: Magnesiumfackeln grün und rot, 6 und 12 Minuten brennend, Bengal. Flammen in verschiedenen Farben. G. F.Kauffmann.

Zur Sedanfeier empfehle: Wachsfackeln (nicht rauchend) Gg. Wohlleben, Nahebrücke.

Kleine Jahrmarktsbrücke wird auch für das Sedanfest der gefl. Benutzung des Publikums empfohlen. Hochachtend Carl Schäfer.

(Beilage) Unsere heutige Beilage, eine Einladung zum Bezug von Professor Kürschners neuestem ebenso zeitgemäßen wie staunenswerten billigen Werk „Der große Krieg 1870/71 in Zeitberichten“ (reich illustriert und gebunden M. 3.50, Alleinvertrieb für hiesige Gegend durch die Expedition des General-Anzeigers) empfehlen wir der besonderen Beachtung unserer Leser.

Zu den bevorstehenden patriotischen Gedenktagen empfohlen: 25 Deutsche Festlieder zur Feier patriotischer Feste. Kreuznach Buchdruckerei R. Voigtländer. 100 Stück Liederhefte enthaltend 25 der beliebtesten patriotischen Lieder nur 4 Mark. Zu beziehen durch jede Buchhandlung.

Der erste Festtag: Sonntag 1. September 1885

Unsere Sedanfeier

Kreuznach, 2. September

Das war ein Tag gestern! Wir haben im stillen gehofft, daß die oder der Zweifler an dem Patriotismus unserer Bürgerschaft gestern in unserer Mitte weilen möchte; wenn Patriotismus eine Flamme ist, die brennt und zündet, so wird er sie wohl auch in seinem eigenen Herzen brennen gefühlt und sich gestanden haben: „ja, das ist Patriotismus! Die Germania da droben auf dem Niederwald braucht nicht um die Lebenden zu trauern.“ Der Festausschuß in großen Plänen, die Bürgerschaft in Ausschmückung der Straßen und Häuser, jeder Einzelne auf seine Weise – alle haben sie dazu beigetragen, den denkwürdigen Tag, den Tag deutscher Waffen-ehre, das Silberfest der Deutschen Reichs-Gründung würdig zu begehen. Jedes Haus ohne Ausnahme trug festlichen Schmuck und sei es auch nur ein Banner, das am Firste stolz im Winde sich blähte. Doch die meisten hatten sich weit reicher herausgeputzt, wenigstens in allen Straßen, welche der Festzug durchzog. Da rauschte und grüßte es in waldiger Blätter-zier, Inschriften und Embleme pariotischen Charakters erinnerten an die Bedeutung des Tages, Bilder und Büsten gereichten dem Festbilde zu erhöhter Zierde. Insbesondere die Mannheimerstraße war auf das wirkungsvollste ausgeschmückt, und die Triumphbogen, die sich über die Straße spannten, waren von malerisch-festlicher Wirkung. In voller Pracht lachte die Sonne über dem lieblichen Städtebilde und übergoß das feierliche Gewand, in welches sich unsere alte liebe Stadt gehüllt hatte, mit warmem, leuchtendem Golde. Wie Daseins- und Festesfreude strömte es erhebend in unsere Herzen.

Böllerschüsse donnerten schon in der ersten Morgenfrühe vom Schloßberg zu Thal und in harmonischer Fülle stimmten die Kirchenglocken ihren weihevollen Festgesang an. Die Festlichkeiten des Tages begannen mit dem Abmarsch der Krieger zum Friedhofe, um an den Gräbern der dort bestatteten Kameraden in pietätvollem Gedenken zu verweilen.

Die Feier auf dem Friedhof.

In weihevoller Stimmung versammelten sich um 7 Uhr morgens auf dem Stadthausplatze die Vertreter der Stadt, das Offiziercorps, die noch lebenden Kämpfer von 1870/71, die Veteranen von 1849 und 1866, sowie Vertreter von etwa 15 hiesigen Vereinen, um in früher Morgen-stunde den auf dem Feld der Ehre gefallenen und zu Füßen der ihre Gräber segnenden Germania ruhenden Kameraden und Helden den ersten Tribut des Dankes darzubringen. In stillem Zuge ging es durch die bereits festlich geschmückten Straßen der Stadt nach dem Ort des Friedens, wo ein Posaunenchor die Ankommenden empfing und zum Kriegerdenkmal geleitete. Es war eine imposante Versammlung, die, sich um das Denkmal und die enthüllten Fahnen gruppierend, den getragenen Gesängen des „Liederkranz“, den Vorträgen des Musikvereins und der von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Anspache des Herrn Beigeordneten Stosberg lauschte. Nach einem kurzen Rückblick auf die Ereignisse und Erfolge des Jahres 1870, die ihren Höhepunkt erreichten in dem unvergleichlichen Tage von Sedan, erinnerte Redner daran, daß auch aus unserer Stadt 9 wackere Krieger in Feindesland zur ewigen Ruhe gebettet werden mußten, während 89 teils verwundete, teils erkrankte Soldaten angesichts der Heimat in hiesigen Lazaretten einen frühen Tod fanden. Ihnen alle habe die dankbare Stadt dies Denkmal gesetzt, ein weiteres Denkmal sei ihnen aber in dem Herzen der Bürgerschaft, die ihrer aller stets mit unauslöschlicher Dankbarkeit gedenken werde, errichtet. „Zum Zeichen dessen wollen wir jetzt unsere Kränze niederlegen auf ihren Gräbern und, das Beispiel der Gefallenen nachahmend, treue Liebe bis zum Grabe schwören dem jetzt so starken und einigen deutschen Vaterlande. Es soll unser Wahlspruch, unsere Losung bleiben allezeit, überall

„Deutschland, Deutschland, über alles

Ueber alles in der Welt“

Der Reihe nach wurden nun die zumteil prachtvollen Kränze der einzelnen Vereine und Korporationen niedergelegt, die Gräber der teuren Toten mit einem üppigen Blumen- und Eichenflor bedeckend. Mit einem letzten Chorgesang und Musikstück war die in ihrer prunklosen Schlichtheit doppelt erhebende Feier gegen 8 Uhr beendet.

Um 9 ½ fand für die Angehörigen beider christlichen Konfessionen sowie für die Israeliten

Festgottesdienst

in den verschiedenen Kirchen statt. In der überfüllten Pauluskirche, woselbst für die beiden älteren Kriegervereine mit ihren Fahnen ein besonderer Platz vorbehalten war, hielt Herr Pfarrer Neidhart an der Hand des 103. Psalms „Lobe den Herren“ eine herrliche Festpredigt, während der Kirchenchor und das Pflug´sche Hornquartett das ihrige zur Verschönerung des Gottesdienstes beitrugen. Zum Schluß wurde ein feierliches „Tedeum“ unter dem Geläute sämtlicher Glocken angestimmt. Die kirchliche Feier hinterließ bei allen Teilnehmern einen tiefen und erhebenden Eindruck. Nach Beendigung des Gottesdienstes fand unter Beteiligung zahlreicher Vereine eine

Gedenkfeier

für die auf dem israelitischen Friedhofe ruhenden Krieger statt, deren Gräber ebenfalls mit Eichenlaub und Kränzen geschmückt wurden. Herr Rabbiner Dr. Tawrogi richtete hierbei bewegende Worte an die versammelten Kriegervereine, die ohne Ausnahme zur Teilname an der ernsten Feier erschienen waren. Auch sonst aus der Bürgerschaft war die Beteiligung eine große.

 

Der Festzug und die Feier im Festzelt

Ihren Höhepunkt erreichte die Feier naturgemäß, als bald nach 6 Uhr der mächtige Festzug im Laun´schen Festzelte auf der Pfingstwiese ankam und nun das Bankett begann. Der Zug selbst formierte sich nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr auf dem Holzmarkt in der unseren Lesern bereits durch die Bekantmachungen des Festausschusses bekannt gewordenen Weise. Es war für das Publikum, das in allen Straßen, aus allen Häusern der eindrucksvollen patriotischen Kundgebung zuschaute, ein prächtiger Anblick als der schier unermeßliche, durch zumteil farbenreichen Kostüme der verschiedenen Vereine interessant belebte Zug in schöner Glie-derung und mit wehenden Bannern, das Musikcorps an der Spitze, den Rundmarsch durch die Stadt antrat. Von mancher schöner Hand flogen den Zugteilnehmern duftige Blumenspenden zu, wie denn überhaupt die festliche Stimmung unter den Marschierenden sowohl wie unter den Zuschauenden herrschte. Das Laun´sche Festzelt hatte zur Ehre des Tages einen dessen Bedeutung entsprechenden Schmuck angelegt und machte mit seinen ungezählten weißge-deckten Tafeln, seiner Schilder und Guirlanden-Dekoration den besten Eindruck. Wohl an 3000 Personen, darunter die Offiziere des Bezirkskommandos mit Herrn Bezirkskommandeur Major von Stockhausen an der Spitze, das Reserve- und Landwehroffiziercorps, die Vertreter der Behörden, sämtliche Krieger in ihren militärischen Abzeichen und viele Bürger, zumteil mit ihren Damen, hatten in dem gewaltigen Zelte Platz gefunden. Sehr bald stellte sich denn auch, vorbereitet durch den weihevollen Verlauf des Tages, die rechte Feststimmng ein, während Schuberts Festmarschklänge, intoniert vom Kreuznacher Musikverein, der auch in gediegener Weise die gesamten instrumentalen Genüsse des Abends unter lebhafen Beifall bot, in rauschenden Akkorden durch den Raum tönten. Es folgte ein außerordentlich schöner Vortrag der Liedertafel, der Psalm: „Den König, den Gesalbten, segnen wir“. Inzwischen hatte das fröhliche Tafeln seinen Anfang genommen. Den ersten Toast sprach Herr Major von Stockhausen mit markiger, weithin vernehmlicher Stimme auf Se. Majestät den Kaiser. Der zündende Trinkspruch hatte folgenden Wortlaut:

„Wenn wir heute ohne Selbstüberhebung, aber im vollsten Bewußtsein unserer nationalen Kraft die Erinnerung an die großen Tage des ruhmreichen deutsch-französischen Krieges feiern, wenn wir uns heute, stark durch eine feste zielbewußte und fürsorgliche Regierung, stark durch die hingebende Opferfreudigkeit des deutschen Volkes der Segnungen eines festen gesicherten Friedens erfreuen können, so richten sich unsere Gedanken im Gefühle der innigsten Dankbarkeit in erster Linie auf unser geliebtes angestammtes Herrscherhaus der Hohenzollern. Mit stolzem Bewußtsein gedenken wir des großen Heldenkönigs Wilhelm I., der unter dem Donner der Geschütze von Sedan das mächtige Gebäude des Deutschen Reiches schuf, festgekittet durch das Blut seiner edelsten Söhne, der dem zerissenen deutschen Vaterlande, welches bis dahin kaum mehr als ein geographischer Begriff war, die Stellung wiedergab, welche es in seiner glänzendsten Zeit unter den Ottonen und Hohen-staufen eingenommen hatte; der dem deutschen Manne das edle Bewußtsein wiedergab, mit stolzer Kraft im fernsten Auslande sagen zu können: „Ich bin ein Deutscher!“.

Wir erinnern uns mit stiller Wehmut seines herrlichen Sohnes, des Lieblings des deutschen Volkes, des in vollster Manneskraft durch eine heimtückische Krankheit so früh dahin-gerafften vielgeliebten Kaisers Friedrich III., und mit freudigem Stolze und treuer deutscher Liebe blicken wir auf zu unserm jugendlichen Kaiser Wilhelm. Mit fester Hand ergriff er in dem Trauerjahre 1888, welches dem deutschen Volke zwei Kaiser entrissen hat, die Zügel der Regierung und, getreu den Ueberlieferungen seiner Vorfahren, hat er das Gewonnene erhalten und erweitert, nicht im Kampf um kriegerische Lorbeeren, sondern in der unermüdlichen Fürsorge für das Wohlergehen seines geliebten Volkes. Festgeschlossen in sich, achtungsgebietend nach Außen, steht das Deutsche Reich unter unserm geliebten Kaiser da, Handel, Gewerbe und Verkehr blühen, in väterlicher Fürsorge und im Geiste seines hochseligen Großvaters sucht Kaiser Wilhelm für und für die noch von dem großen Kriege herrührenden Leiden seiner Untertanen zu lindern, und als treuer Schirmherr des Deutschen Reiches und des Friedens hat er die Wehrkraft seines Volkes so gehoben, daß wir stark genug sind, den Frieden Europas nicht nur zu erhalten, sondern denselben nötigenfalls auch zu erzwingen. Wohl schützen „Roß und die Reisige die steile Höh´, auf der unsere Fürsten stehn“, aber nicht allein darauf ist das Deutsche Reich aufgebaut; hinter dieser lebendigen Mauer und eins mit ihr steht „Liebe des Vaterlands und Liebe des freien Manns“, und was einst der alte Rauschebart, Württembergs geliebter Herr, von sich sagen konnte, das können wir heute nach hunderten von Jahren noch mit besserem Rechte von unserem Kaiser behaupten, daß er „sein Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in´n Schoß!“ Meine Herren! Diese Liebe zum Kaiser, die in der unserem Volke angeborenen Treue wurzelt, wollen wir uns bewahren immerdar und ausklingen lassen in den Ruf, der jedes deutschen Mannes Brust höher schwellen läßt: Seine Majestät der Kaiser Wilhelm II., unser allergnädigster Kaiser und Herr, den Gott uns noch lange erhalten möge, lebe hoch, hoch, hoch!“

Voll Begeisterung stimmte die vieltausendköpfige Versammlung in das Hoch ein und sang stehend die Nationalhymne. Unser zweiter einheimischer Gesangverein, die Lyra, bestieg nun die Galerie und trug den „Sang von Aegier“ in vollendeter Weise vor. Dem Vortrage folgte das gemeinsame Lied: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben“ und bildete eine wirkungsvolle Ueberleitung zu der eigentlichen Festrede des Herrn Gymnasialdirektor Lutsch. Der Herr Redner führte in seinem dreiviertelstündigen Vortrag, den wir leider nur in gedrängtem Auszuge wiederzugeben vermögen, etwa folgendes in ebenso tiefdurchdachten, als schwungvollen Worten aus:

Der heutige Sedantag sei ein Jubeltag der Erinnerung an den großen Krieg im Jahre 1870/71. Er, Redner, sei berufen, als Mittelpunkt des Festes eine Schilderug des Kriegs zu geben und auf dessen Bedeutung hinzuweisen, eine aufgabe, deren Schwierigkeiten ihm bewußt seien. Anknüpfend an das Lied „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“, welches damals von Mund zu Mund erscholl, entrollte der Redner ein knappes, aber ungemein klares Bild des Krieges, von Schlacht zu Schlacht die Ruhmesthaten der deutschen Waffen mit beredten Worten beleuch-tend und die Brüderlichkeit, welche Nord und Süd verband, hervorhebend. Als er erwähnte, daß als einzige im Norddeutschen Reichstag Bebel und Liebknecht sich bei der Bewilligung der Kriegsanleihe der Abstimmung enthielten, erschollen entrüstete Pfuirufe. Mit besonderer Bewunderung verweilte Redner bei den Heldenthaten von Gravalotte, welche König Wilhelm damals nicht mit Unrecht als „Wunder der Tapferkeit“ bezeichnet hatte. Nach der glänzenden Schlacht bei Sedan habe man in Deutschland allgemein den Frieden nahe geglaubt, allein Frankeichs Friedensvorschläge, die lediglich einen Ersatz der Kriegskosten bewilligen wollten, wurde deutscherseits nicht angenommen. Bismarck verlangte die Festungen Metz, Straßburg und Belfort als Garantie gegen neue französische Eroberungsgelüste. (Bravo, bravo!) Darauf habe die französische Regierung den Krieg bis aufs Messer erklärt… Endlich sei es jedoch zum Frieden gekommen und zwar zu einem Frieden unter Deutschland genehmen Bedingungen. Der Gewinn des Krieges sei nicht bloß die Wiedererlangung der Reichslande gewesen, sondern auch die Errichtung des Kaiserreichs, dieses weltgeschicht-liche Werk. So haben, führte Redner weiter aus, deutsche Soldaten nicht nur die napoleo-nische Macht, die das Vaterland so lange im Unglück und Schmach gebracht, überwunden, nicht nur die verlorenen Länder zurückerobert, sondern auch das erringen helfen, was unsere Väter in den erhebenden Freiheitskriegen vergeblich erstrebten, wofür die Edelsten in Begeisterung schwärmten, was die Sänger der Freiheit neu ersehnten. Jetzt sei endlich der deutschen Kleinstaaterei ein Ende gemacht worden. Deutschland stehe jetzt endlich wieder als einige Nation in dem ihm gebührenden Centrum der Reiche Europas. Es regele wieder seine Angelegenheiten selbst und blicke nicht mehr links noch rechts, sondern die Nation spreche im Gefühle ihrer Kraft mit dem Fürsten Bismarck: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt!“ (Anhaltende Bravos!) Begeisterten Dank zollte der Redner Allen, die an den Erfolgen von 1870/71 mitgewirkt, insbesondere dem Fürsten Bismarck, dem „echt deutschen Manne vom Scheitel bis zur Sohle“, der dem Reiche eine Verfassung gegeben, die fast alle Parteien befriedigte. Aber mit dem Danke sei es nicht genug: mit dem Erbe, das uns zugefallen, hätten wir auch die Pflicht übernommen, es zu erhalten. Hierzu bedürfe es des Vertrauens auf Gott und die Weisheit der Staatsleitung und des Nationalgefühls – zwei Faktoren, welche auch die großen Kriegserfolge am letzten Ende herbeigeführt. Der Redner schloß mit folgenden beherzigenswerten Worten: Was die Deutschen vor 25 Jahren mit so hoher Begeisterung und mit Siegeszuversicht erfüllte, das war das Bewußtsein einer unermeßlichen Kraft, einer lebendigen, unzerstörbaren Gemeinschaft des gesamten geistigen und wirtschaftlichen Lebens, das stolze Gefühl der politischen und sozialen Mündigkeit. Dieses Nationalgefühl muß uns erhalten bleiben, wenn die Errungenschaft jener Tage nicht wieder in Schutt und Asche zusammenfallen soll. Versperren wir darum den Weg der Rückkehr jenem Weltbürgertum, das Jahrzehnte lang wie Mehltau auf dem deutschen Volke, namentlich die Gebildeten unter ihm, gelegen hat, jener Lehre, die den Menschen über die Schranken staatlicher Gebilde hinausheben und die Vaterlandsliebe durch die allgemeine Menschenliebe ersetzen will. Es ist gewiß ein schöner Traum, sich eine Welt vorzustellen, in der ewiger, allgemeiner Friede herrscht und alle Kräfte der Kultur dienstbar sind; aber in weiter Ferne liegt die Zeit, in der er zur Wirklichkeit werden kann, und ihm zur Unzeit nachzuhängen, ist sehr gefährlich; das beweist die Geschiche unseres Landes zu Anfang dieses Jahrhunderts. Und dann bannen wir auch den andern, zerstörenden Feind des National-gefühls: die Selbstsucht, den krassen Individualismus, dem das Wort „Nationalbewusstsein“ eine Erfindung unpraktischer Thoren oder überspannter Gelehrter ist, der begeistert ausruft: „Ubi bene, ibi patria“ und sich überall wohl fühlt, wo er das einzige Ziel seines Strebens, den materiellen Genuß, leicht erreicht. Ohne die auf Gott und Vaterland gerichteten idealen Kräfte können wir die Errungenschafen eines glorreichen Krieges nicht erhalten. Hegen und pflegen wir denn die Kräfte und geloben wir heute mit dem Dichter:

Der alten Barden Vaterland,

Dem Vaterland der Treue,

Dir, niemals ausgesung´nes Land,

Dir weih´n wir uns aufs neue.

Dieses unser Verland, das auf den Schlachtfeldern Frankeichs mit Blut und Eisen zusammengekittete und zusammengeschmiedete deutsche Kaiserreich, es lebe hoch!

Die packende Rede, schon vielfach durch Beifall unterbrochen, entfesselte am Schluß einen Jubel ohne Gleichen, und voll echter Begeisterung wurde dem teuren Vaterlande in dem gemeinsamen Gesange: „Deutschland, Deutschland über Alles“ ein Akt freudiger Huldigung bereitet. So recht zu dem erhabenen Moment paßte der Vortrag des schönen Hymnus „Mein Deutschland hoch, mein Vaterland“, den der Gesangverein Liederkranz mit brillantem Schwung zum besten gab. Herr Beigeordneter Winckler gedachte im Anschlusse hieran in seiner deutsch-kernigen, gemütvollen Weise unserer braven Armee, der er etwa folgende Gedanken widmete: An Tapferkeit und Heldenmut habe es unseren Voreltern niemals gefehlt, doch haben deutsche Staaten leider nur zu oft ihre gewaltige Kraft in gegenseitiger Befehdung verzettelt. Den Profit heimste lediglich unser westlicher Nachbar ein. Redner führte dies an Hand der bekannten geschichtlichen Ereignisse, insbesondere vom Jahre 1866, wo Napoleon wieder Einmischungsgelüste zeigte, aus und hob dem gegenüber hervor, daß sich das einig zusammenhaltende Deutschland als unüberwindlich erwiesen habe. Der Herr Redner schloß: „Die glorreichen Thaten unserer Heldensöhne zu preisen, dazu bin ich nicht beredt genug und will auf die Worte Uhlands an das deutsche Vaterland hinweisen, wo er sagt: Nach solchen Opfern, heilig großen, was nützen diese Lieder dir? So klein klingt auch unser schönstes Preisen den geschehenen Heldenthaten gegenüber. Der beste Dank wird sein, wenn wir heute geloben: „Wir wollen gleich Euch unser Vaterland lieben und stets sein ein einig Volk von Brüdern.“ Unsere deutsche Armee steht kampfgeübt und gerüstet da, den Frieden zu erhalten, sollte aber uns der Krieg nochmals beschieden sein, dann wird es durch das ganze Land und die ganze Armee lauten: „Auf für Kaiser und Reich!“ So lassen sie uns, geehrte Festgenossen, unsere Gläser füllen und der tapfern Armee von 1870 gedenken, lassen Sie uns der deutschen Armee wie sie heute ist, stets dieselben Erfolge wünschen, wie sie jene gehabt hat, wenn es gilt, fürs Vaterland in den Kampf zu ziehen. Rufen wir aus: unsere herrliche deutsche Armee, das deutsche Volk in Waffen, mit ihren fachkundigen Führern lebe hoch!“

Wer hätte nicht aus freudig gehobener Brust in das Hoch auf das Volk in Waffen einge-stimmt! Sofort erhob sich Herr Major v. Stockhausen und sprach dem Vorredner Dank für das der Armee gezollte Lob aus. Das Heer werde stets und unter allen Umständen seine Schul-digkeit in vollstem Maße thun, mag die Gefahr noch so groß sein und drohen, von welcher Seite sie wolle. Was dieSoldaten geleistet häten und leisten, empfänden sie selbst nur als ihre „verdammte Pflicht und Schuldigkeit“, aber das Gefühl sich eins zu wissen mit allen Ständen, dem ganzen Volke in der unerschütterlichen, aufopfernden Liebe zu Kaiser und Vaterland, das sei es, was das Heer stolz mache und ihm stets neue Kaft zu seinen Leistungen gebe. Die Stadt Kreuznach habe sich, seit im Jahre 1815 der hochselige König Friedrich Wilhelm III. diese Perle des Nahethales seiner Krone einfügte, stets hervorgethan durch aufopfernde Vater-landsliebe und Unterthanentreue; mit Freuden habe sie ihre kernigen Söhne hingegeben, wenn der König rief, und stolz konnte sie sein auf das, was diese in schwerer Zeit auf den Schlacht-feldern geleistet haben, stolz konnte sie sein auf den patriotischen Sinn ihrer Bürger, der sich in den 80 Jahren der preußischen Zugehörigkeit bei jeder Gelegenheit auf das Glänzendste bewährt hatte. Welche Stadt habe ihren mit Gott für König und Vaterland gefallenen Söhnen ein so herrliches, rührend schönes Denkmal gesetzt, wie es die dankbare Stadt Kreuznach auf ihrem Friedhofe errichtet habe! Dieses Denkmal, zu dessen Füßen wir heute Morgen in erhebender Feier das Andenken der Gefallenen durch Niederlegen von Kränzen gefeiert haben, sei der schönste Ehrenbeweis der echten Vaterlandsliebe der Kreuznacher Bürger. Die Stadt Kreuznach lebe hoch!

Nach einem gediegenen Vortrage des Glashütten-Gesangvereins erhob sich Herr Oberlehrer Lang zu einem Trinkspruch auf die Frauen und ihre Majestät die Kaiserin an ihrer Spitze. Er begann seine Ausführungen mit dem Hinweis auf die wamherzige Opferbereitschaft, welche die deutschen Frauen unter Führung der hochherzigen Kaiserin Augusta, im großen Kriegs-jahre durch Pflege der Verwundeten etc. bewiesen und betonte, daß unsere jetzige Kaiserin fromm und still im Wohlthun, den Spuren ihrer kaiserlichen Vorfahrin folge. Sie sei der leuchtende Stern des deutschen Kaiserthrones, eine wahre Landesmutter, unaufhörlich bemüht, die sozialen Mißstände, die heut noch, soweit sie die Frauen betreffen, vorlägen, zu beseitigen und deren Ideal es sei, eine Frau vor sich zu sehen, die ihren Gatten in jeder Beziehung ergänze.

Das war ein Hochrufen auf unsere geliebte Landesmutter und ein fröhliches Gläserklingen! Unmittelbar daran schloß Herr Landtagsabgeordneter J. B. Engelsmann seine Rede auf den Fürsten Bismarck, den einzigen noch lebenden Paladin des Heldenkaisers Wilhelm I. Der Redner verwies darauf, was Deutschland einst gewesen und was es jetzt sei durch Bismarcks zielbewußte, geniale Staatskunst: „Deutschland kann nur einig werden durch Blut und Eisen.“ Bismarck erstrebte in allen seinen Thaten ein einiges deutsches Reich unter Führung Preußens. Diesem Ziele diente zunächst die unter Bismarck begonnene Reorganisation der Armee, der es zu danken gewesen sei, daß 1866 Preußen nicht zum Vasallenstaate Oesterreichs geworden sei. Anfans gegen die Pläne Bismarcks, habe die Volksvertretung ihm später, nachdem der Krieg glücklich durchgeführt gewesen, aus eigenem Antriebe Indemnität für seine Regierung ohne Budgetbewilligung erteilt. Weiterhin ging Redner auf die Ereignisse von 1870/71 über und schilderte dabei seine Verdienste um die Wiederaufrichtung des Reiches. Er habe jedoch nicht mehr vom Feinde genommen, als für den Zweck, des Reiches Grenzen zu sichern, notwendig war; er habe Deutschland nur stark machen wollen, um den Völkern den Frieden diktieren zu können. (Bravo!) Wie sei denn später die ganze gesegnete Regierung Kaiser Wilhelms unter dem Beistande Bismarcks bis 1889 fortgeschritten! Wer erinere sich nicht der Zeit der Vermehrung oder Instandhaltung der Armee, um den Frieden zu sichern? Wer nicht der denkwürdigen Rede, die Fürst Bismarck zur Begründung der Heeres-vorlage gehalten und das große Wort gezeitigt habe: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt.“ Unter der Aera Bismarck seien wir zu einem nationalen Staat geworden. Früher habe man die Deutschen bespöttelt, Bismarcks Thaten nötigten aber aller Welt Achtung ab. Was war vor dem Kriege unser Land in Bezug auf den Nationalwohlstand? Ein armes Land! Jetzt sei es aber zu einem reichen Land geworden, und zwar durch die weise Staatskunst Bismarcks. Wenn er nicht gewesen wäre, würden wir in vieler Beziehung nicht so gesichert dastehen. Und wie habe der deutsche Reichstag diesen Mann, dem die Nation so viel zu verdanken habe, behandelt, als er ihm den Geburtstagsgruß verweigerte? Der Reichs-tag habe hierdurch eine Schmach auf sich geladen, die untilgbar sei und an die er Redner, bis an sein Ende mit Entrüstung denken müsse. Wie anders der Kaiser! Als am 26. Januar 1894 die Kunde nach Berlin und durch Deutschland geflogen sei: „Bismarck söhnt sich mit dem Kaiser aus“ – da sei es gewsen, als ob mit einem Male die Welt aus den Angeln ginge und alles jubelte voll dankerfüllter Begeisterung auf, daß der jugendliche Sproß des Hohenzollern-hauses den greisen Paladin wieder an die kaiserliche Brust ziehe. Redner schloß: Was Fürst Bismarck auch gethan, alls geschah aus purer Liebe zu seinem Vaterland. Fürst Bismarck hoch, hoch, hoch!

Bei der tiefgehenden Verehrung, welche dem Fürsten Bismark in allen Klassen der hiesigen Bevölkerung in voller Würdigung seiner Verdienste und seines echt deutschen Mannestums entgegengetragen wird, fand das von Herrn Engelmann ausgebrache Hoch natürlich den denkbar begeisterten Widerhall und immer von neuem erscholl es unter hellem Gläserklingen: Hoch, Fürst Bismarck lebe hoch!

Die jubelnde Festfreude erreichte ihren Höhepunkt, als Herr Stöck mit vernehmlicher Stimme eine vom Festcomité entworfene D e p e s c h e a n d e n K a i s e r, die in ähnlichem Wortlaut auch dem F ü r s t e n B i s m a r ck zugedacht ist, verlas und um die Genehmigung zur Absendung bat. Die Depesche, welche unter stürmischen Beifall gutgeheißen wurde, hat folgenden Wortlaut: „An Se. Majestät den deutschen Kaiser Wilhelm II. Dreitausend patriotische Bürger der Sadt Kreuznach, die in hoher Begeisterung die 25jährige Wiederkehr des Sedantages feiern, entbieten Ew. Majestät die Versicherung unverbrüchlicher Treue.“

Der Schluß der Depesche an den Fürsten Bismarck lautet: „. . . . entbieten Ew. Durchlaucht ehrerbietigen Gruß.“

Hiermit war der offizielle Teil des prächtigen Festabends beschlossen. Voll der bewegendsten Eindrücke von dem flammenden Patriotismus, der in diesen Stunden bei unserer Bürgschaft zum beredten Ausdruck kam, verließen wir bald darauf das Zelt. Die meisten Festteilnehmer verblieben noch in kameradschaftlicher Geselligkeit beisammen. Der Festwirt Herr Ph. Laun hatte alles mögliche gethan, um den Tag durch die anerkannten Schätze seines Kellers und der Küche auch materiell recht genußreich zu machen. Zieht man den an Zahl ungeheuren Besuch, den es mit Speise und Trank zu versorgen galt, in betracht, so wird man zugestehen müssen, das alle Anforderungen, welche an die Wirtschaftsleitung herantraten, in jeder Beziehung gut erfüllt worden sind.

Ganz besonders der Festausschuß, der in rastlosen Eifer bemüht gewesen, den hehren Erinnerungstag seiner Bedeutung entsprechend festlich zu gestalten, darf mit Freude und Befriedigung auf den Verlauf der Feier blicken. Dieselbe war bis ins kleinste geschickt vorbereitet und so abwechslungsreich und würdig ausgestaltet, daß der umfassende Festapparat ohne die mindeste Störung arbeitete, und das Gesamtarrangement, belebt und gehoben durch die freudig-patriotische Begeisterung, welche die Feier in jedem Zuge durchwehte, bei allen Teilnehmern einen unvergeßlichen Eindruck hinterlassen hat. Kreuznach hat auch äußerlich gezeigt, daß es eine bis in die Knochen patriotische Stadt ist und in Wahrheit keines publizistischen Anspornes bedarf, diese seine Gefühle gebührend zu bethätigen! Ein Geist, wie der des gestrigen Tages, läßt sich nicht erkünsteln, er muß vorhanden sein oder er wird überhaupt nicht sein!

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* Germaniadenkmal und Bismarckbrunnen s.:

Fink, Andrea: Auf Schritt und Tritt. Die Bildhauerfamilie Cauer. Denkmäler in Bad Kreuznach 1867-1936. 2009. (Schriftenreihe der Cauer-Gesellschaft Bad Kreuznach e. V., 2) Germaniadenkmal: S. 22-32; Bismarckbrunnen: S. 34-55) G.-A. 4.11.1895: Berichterstattung über die ausgestellten Entwürfe zum Bismarckbrunnen

(Der gestrige Sonntag), vom schönsten Wetter begünstigt, wurde vielfach zu Ausflügen und zum Besuch der verschiedenen Kirchweihen benutzt. Den Hauptanziehungspunkt bildete Bingen, Rüdesheim und das Niederwalddenkmal, wohin sich sehr viele Ausflügler wandten. Der Besuch der Kirchweihen ließ der überall stattfindenden Sedanfeiern wegen viel zu wünschen übrig. Am meisten fühlten dies die Ebernburger; auch die Kirchweihen in Planig, Hargesheim, Hüffelsheim, Mandel waren lange nicht so gesucht wie in den vergangenen Jahren.

(Sedanfeier am Nationaldenkmal) …Auch von Kreuznach waren viele Hunderte nach Rüdesheim gekommen, wohl in der Hoffnung, das Topedoboot [S. M. Torpedoboot S. 55] zu sehen. Leider wurde diese Hoffnung zum allgemeinen Bedauern getäuscht, denn das Boot war, trotz möglichster Entlastung, wegen des niedrigen Wasserstandes nicht imstande gewesen, die Fahrt rheinaufwärts bis Bingerbrück fortzusetzen, sondern bei Caub Anker zu werfen. … Die Kreuznacher Teilnehmer an der Feier kehrten abends in so großer Anzahl zurück, daß nicht weniger als 7 Wagen dem letzten Zuge angehängt werden mußten, um sämtliche Passagiere mitnehmen zu können.

Der zweite Festtag: Montag 2. September 1895

Kreuznach, 3. September

(Unsere Sedanfeier) fand gestern in einer festlichen Beflaggung und abendlichen Illumination der Stadt ihre Fortsetzung. Stellenweise war die Beleuchtung der Häuser ungemein wirkungsvoll, von den Hotels zeichneten sich namentlich der Pfälzer Hof und der Europäische Hof, dessen Estrade in loderndem Fackelschein flammte aus. Die liebe Jugend in ihrer Begeisterung sogte dafür, daß Leben in die Straßen kam. Hurrahrufend und singend durchquerte sie in kleineren und größeren Trupps die Stadt und leistete auch namentlich in der Entzündung verschiedener Feuerwerkskörper alles möglich. Durch die Hauptstraßen der Stadt veranstalteten die Spielleute des Wehr- und Kriegervereins, des Militär-Vereins und des Wehr-Vereins, in Begleitung einer Vielzahl von Fackeln und einer Menge jungen Volks, einen Zapfenstreich. Den Glanzpunkt des gestrigen Festtages bildete für die Teilnehmer, welche so glücklich gewesen waren, eine Eintrittskarte erobern zu können, die Festvorstellung des „Feldpredigers“ im Kurpark. Kopf an Kopf gedrängt saß die sonntäglich herausgeputzte Zuschauermenge vor der Terasse und auf derselben und lauschte den für den Tag besonders ausgewählten Vorgängen auf der Bühne mit hohem Interesse. Herr Direktor Karl hatte in Person das Arrangement der Vorstellung in die Hand genommen, womit die Bürgschaft geleistet war, daß dieselbe des festlichen Tages würdig verlaufen werde. Das sämtliche Personal des Kurtheaters und wohl an 118 Statisten waren durch die rastlose Direktion aufgeboten worden, ein wirkungsvolles Bühnenbild zu schaffen. Die Vorstellung verlief denn auch auf das glänzendste. Frl. Korzan und Frl. Korab sangen die Minna und Rosetta, Herr Heller den Hellwig mit einer Lust und Frische, die ansteckend wirkte und zu lebhaftem Beifall hinriß. Herr Fuchs als Amtmann schwamm in Komik, Herr Runsky als Piffkow war voller Laune und auch die übrigen Darsteller gaben ihr bestes. Als am Schlusse des zweiten Akts das prächtig wirkungsvolle allegorische Bild mit einer Unmenge deutscher Soldaten aus den Freiheitskriegen und der von Frau Pfund-Kühnau dargestellten erzgepanzerten Germania erschien, beleuchtet durch bengalische Flammen, während der Massenchor auf der Bühne „Heil Dir im Siegerkranz“ anstimmte, ergriff eine gewaltige Begeisterung die zahlreiche Zuschauerschaft, welche sich angesichts des patriotischen Bildes entblößten Hauptes erhob und sodann die „Wacht am Rhein“ mitsang. Es war ein herrlicher Abend, der allen Teilnehmern unvergeßlich sein wird und den veranstaltet zu haben, man der Kurdirektion besonders danken muß, zumal sie auf unsere Anregung hin sofort freundlichst bereit gewesen ist, die Vorstellung heute Abend zu wiederholen. Nach der Aufführung blieben sehr viele Teilnehmer noch bei einem Glase Wein im Kurparke, andere begaben sich ins benachbarte Parkrestaurant und in die übrigen im Badeviertel verteilten Restaurants, in denen sich bald ein fröhliches Leben entwickelte. Als wir spät abends aus anregender Gesellschaft unserem Heim zupilgerten, tönten uns aus ungezählten Wirtschaften Bruchstücke patriotischer Reden und vaterländische Gesänge ans Ohr. Es war der würdige Abschluß des 25jährigen Sedanjubel-festes!

(Patriotisches Konzert) Herr Kapellmeister Kwast, welcher anfangs beabsichtigte, am gestrigen Abend, dem üblichen Symphonie-Abend, zum Gedächtnis der großen historischen Ereignisse eine patriotische Feier zu veranstalten, hat dieses sein dankenswertes Vorhaben bis auf morgen, Mittwoch, verschieben müssen, da der heutige Tag von der Kurdirektion für die 2. Festvorstellung in Anspruch genommen ist. Wir haben jedoch Grund anzunehmen, daß vielen Patrioten die musikalische Nachfeier des Herrn Kwast für morgen Abend als solche sehr willkommen sein und durch zahlreichen Besuch ausgezeichnet werde. Das aufgestellte Programm ist äußerst wirkungsvoll.

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Bad Münster a. Stein

Montag, den 2. September, abends 8 ½ Uhr Große bengal.[ische] Beleuchtung des

Rheingrafenstein u. Kurgartens.

Billette à 50 Pfg. sind vorher zu haben in der Musikalienhandlung der Herren Gebr. Wolff, Kurhausstrasse, sowie in Münster a. St. Auf dem Bureau der Salinenverwaltung.

Das Kur-Komitee. (Anzeige vom 31.08.1895)

Fürfeld, 1. Sept. (Feuer) Der schöne noch dekorierte, von dem hiesigen Gesangverein und Synagogenchor gemeinschaftlich aufgeführte Hallenbau stand heute um Mitternacht lichterloh in Flammen. Der Eingang ein Teil des Vorderbaus und drei Bretterwände konnten durch energisches Eingreifen der Feuerwehrleute und sonstiger hilfsbereiter Männer noch gerettet werden, dagegen fielen der Tanzboden, der Haupt- und Hinterteil, sowie die große Bühne den Flammen zum Opfer. Wie es heißt, liegt Brandstiftung vor. Die Festhalle war für die heute abend stattfindende Sedanfeier bestimmt, an welcher sich sämtliche Bürger unseres Ortes, namentlich der Krieger-, Soldaten-, Gesang-, Turnverein und die Feuerwehr beteiligt hätten. Die Halle war nicht gegen Feuersgefahr versichert. (03.09.1895)

(Verunglückt) Gestern wurde ein Schwerverwundeter aus Neubamberg hierher gebracht und ins Marienwörth [Kreuznacher Krankenhaus] abgeliefert. Derselbe soll, wie man uns sagt, zur Bedienungsmannschaft eines Böllers, mit dem zur Sedanfeier Freudenschüsse abgegeben wurden, gehört haben und hierbei von dem, wie es heißt zersprungenen Geschütz schwer verletzt worden sein. Zwei andere Personen wurden verbrannt. (03.09.1895)

* Da die Berichterstattung über die Sedanfeier in unserer Stadt ungewöhnlich viel Raum beansprucht, gedenken wir auf die in unserem auswärtigen Verbreitungsbezirk begangenen Feiern in nächster Nummer in zusammenfassender Darstellung zurückzukommen. (Die Kurzberichte erschienen vom 3.9. bis zum 5.9.)

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Weitere Dokumente finden Interessierte im Bad Kreuznacher Stadtarchiv, vaterländische Literatur d. 19. Jh. (1866, 1870/71 …) in der Heimatwissenschaftlichen Zentralbiblothek des Landkreises Bad Kreuznach.

Erstellt: 21.06.2010