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Aus der Pionierzeit des Kreuznacher Telefons

von Jörg Julius Reisek

Als am 12. November 1890 die Kreuznacher ,,Stadt-Fernsprecheinrichtung" in Betrieb genommen wurde, war ein kurzer Zeitraum von der Idee bis zur Verwirklichung verstrichen. Dank eines allgemeinen Interesses konnte das neuartige Projekt schnell realisiert werden. Die Geschichte des Kreuznacher Telefons begann am 3. Juli 1889. Der Öffentliche Anzeiger meldete: ,,Herr Hermann Gräff hierselbst ist von der Handelskammer zu Coblenz beauftragt worden, Erhebungen darüber anzustellen, ob sich hier genügend Betheiligung fände um eine Fernsprechverbindung mit Frankfurt und Mainz ins Leben zu rufen". Interessenten sollten sich am 4.7. um ,, l/2 6 Uhr" im Gartenlokal Tivoli treffen. Über den Verlauf der Zusammenkunft berichtete das Blatt am 5.7.: ,,Die gestern Abend im Tivoli abgehaltene Versammlung für Fernsprecheinrichtung war sehr gut besucht. Das Bedürfnis einer Telefonverbindung wurde allseitig anerkannt, und dringend gewünscht. Um eine solche zu ermöglichen, sei es zuerst nöthig, hier am Platz eine Fernsprecheinrichtung zu schaffen. Bei einer Anfrage erklärte sich sofort eine Anzahl der Anwesenden zu Betheiligung bereit. Es wurde ein Ausschuß (mit den Herren L. Stern, Dir. Brückmann, Heinr. Schneider u. H. Gräff) gewählt, der in der Angelegenheit thätig sein soll, um zuerst die Einrichtung für unsere Stadt anzustreben. Die zweite Anfrage, wegen etwaiger Betheiligung mit Auswärts, ergab eine sehr erfreuliche Anzahl von Interessenten, welche Anschluß mit Frankfurt-Mainz, besonders aber mit unserer Nachbarstadt Bingen wünschen. Die Handelskammer der letzteren soll sogleich aufgefordert werden, von ihrer Seite aus die Sache zu betreiben. Bei dem großen Interesse, das sich bei allen Anwesenden für diese wichtige Neuerung kund gab, ist wohl ein erfreuliches Weitergehen zu hoffen."

Am 12. August übersandte C. J. Brückmann den Beteiligten ein Rundschreiben, in dem der Wunsch geäußert wurde, ,,die Orte Münster am Stein und Bingerbrück ohne Erhöhung der Jahresgebühr in den Fernsprechbezirk einzuschließen". Durch ,,überall gemachte Erfahrungen" war man der Hoffnung, ,,daß die Fernsprechverbindungen sich bald zu einem der beliebtesten Verkehrsmittel gestalten würden".

Die Bedienungsanleitung einer ,,Telefonzentrale für 5 Nebenstationen, aus der Telegraphen- und Blitzableiter-Fabrik Mix & Genest A.G. Berlin" lag dem Rundschreiben bei:

,,Der Betrieb einer Centrale regelt sich wie folgt: Wird von einer Nebenstation angerufen, fällt die dazugehörige Klappe der Centrale und, wenn der Stöpsel des Ausschalters 58 gesteckt ist, ertönt der Wecker der Station. Ruft z. B. Station 5 an, fällt die Klappe 5 der Centrale; der Beamte verbindet seinen Apparat durch Einstecken des Stöpsels 75c in die Klinke V, mit Station 5. Erfährt er nun, dass Station 5 mit Station 2 sprechen will, so steckt er einen Stöpsel der Verbindungsschnur 75e in die Klinke V den andern in Klinke Il. Wenn jetzt Station 5 wieder anruft, so fällt Klappe 5 resp. 2 und ertönt der Wecker der Station 2. Die gefallene Klappe ist sogleich wieder zu heben, damit durch Druck der Taster der Stationen 5 und 2 (Schlusszeichen) das abermalige Fallen der Klappe bewirkt wird und so die Centrale Mitteilung vom Schluss der Unterredung erhält und die Verbindung sogleich wieder trennt. Durch Anhalten des eigenen Stöpsels 75c an eine der beiden verbundenen Klinken V und 11 kann der Centralbeamte die Unterredung mithören und auch mit den beiden Stationen 5 und 2 sprechen."

Nach der Inbetriebnahme des Netzes am 12.November 1890 wurden Gebühren fällig. So kostete 1891 der Betrieb im Bürgermeisteramt (bei 25 % Ermäßigung für die Endstelle Stadthaus, ein weiterer Apparat und besonderer Wecker) pro Quartal 33.75 Mark. In den Adreßbüchern der Stadt sind 36 Anschlüsse im Jahr 1891, 55 Anschlüsse 1894 und 77 Anschlüsse 1897 verzeichnet. Am 21. August 1891 verfügte Bürgermeister Scheibner: „Bei Unglücksfällen oder sonstigen, die schleunige Inanspruchnahme der Polizeibehörde rechtfertigenden Vorkommnissen können zur Benachrichtigung des Polizei-Bureaus sämmtliche Fernsprecheinrichtungen in der Stadt vom Publikum benutzt werden“.

1897 wurde der erste öffentliche Fernsprecher im Kurhaus eingerichtet, der sich in einer Koje gegenüber des Lesezimmers befand.

Die Binger Fernsprecheinrichtung soll 1892 (21 Teilnehmer) und die in Alzey 1899 (25 Teilnehmer) in Betrieb genommen worden sein.


,,Im Gegensatz zu den Wandgehäusen erlauben die Tischgehäuse unmittelbar vom Arbeitsplatz aus zu sprechen. Sie sind mit einem an passender Stelle der Wand befestigten Klemmbrett durch eine Leitungsschnur verbunden, aber selbst beweglich und stehen auf oder neben dem Schreibtisch bequem zur Hand. Man braucht seine Arbeit oder Unterhaltung kaum zu unterbrechen und kann mit wenig Zeitverlust und in Musse und Behaglichkeit telephonieren. Die körperliche Ruhe erleichtert es vielen auch, die Gedanken so zusammen zu nehmen, wie es die Kürze eines telephonischen Gespräches verlangt. Man wird ferner mit der Annahme nicht fehl gehen, dass bei der Benutzung von Tischgehäusen weniger Ungeduld zur Erlangung des richtigen Anschlusses verraten wird, als es sonst wohl besonders besetzten oder besonders verstockten Nummern gegenüber vorkommen mag. Hier (Fig. 329) steht das Tischgehäuse der Post, zu einer aesthetisch so befriedigenden Form durchgebildet, vor Ihnen. Der schwarz lakierte Blechkasten mit dem Reichsadler ist nach meiner Empfindung geradezu ein Schmuck geworden und den Spielereien vorzuziehen, bei denen der Fernsprecher mit einem kunstgewerblichen Gegenstand, wie einem Photographierahmen oder ähnlichem in Verbindung gebracht ist und dem Besucher verhüllt werden soll. Diese widersprechen den beiden aesthetischen Gesetzen, die im Grunde mit einander verwandt sind: Schon weil sich mit der höchsten Zweckmässigkeit von selbst Schönheit verbindet, darf keine Maschine mit ihr fremden Verzierungen künstlich beladen werden. Die bei Gebrauchsgegenständen üblichen Verzierungen sollen den Verwendungszweck nicht nur verhüllen, sondern ihn möglichst hervortreten lassen."

Aus: Heilbrun, Richard: Elementare Vorlesungen über Telegraphie und Telephonie. Berlin: Georg Siemens, 1906. ( HWZB, Nr. 2471 )

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine bearbeitete Fassung aus dem Nahelandkalender von 1999.

Weitere Literatur zur regionalen Postgeschichte befindet sich in der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek des Landkreises Bad Kreuznach.

Erstellt: 06.04.2010