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Die Fehde Ottos von Hammerstein

C. G. Schütz: Die Rheingegenden von Mainz bis Cöln in vier und zwanzig Ansichten, Frankfurt am Main 1822

von Thomas Revering

Ein Ereignis, das am Mittelrhein großes Aufsehen erregte, war der Eheprozess Ottos und Irmingards von Hammerstein. Als im Jahre 1027 der erste Salierkaiser Konrad II. (1024-1039) die Prozessakten schloss, beendete er eines der spektakulärsten Eheverfahren der deutschen Geschichte. Neben Otto und Irmingard von Hammerstein waren weiterhin ein Papst, zwei Kaiser und drei Erzbischöfe unmittelbar in den spektakulären Fall verwickelt.
Anlass für dieses Eheverfahren war der Nichtigkeitsprozess des Kaisers, des Erzbischofs und der Angehörigen des höheren Klerus, den diese gegen eine Ehe führten, die ihrer Meinung nach aufgrund einer Blutsverwandtschaft aufgelöst werden müsse. Tatsächlich waren machtpolitische Auseinandersetzungen zwischen weltlichen und geistlichen Autoritäten und die Zerschlagung eines aufstrebenden Grafengeschlechts der wahre Grund für dieses Ereignis. Verteidiger der Liebenden waren ein rivalisierender Erzbischof - und der Papst!
Der eine der beiden Liebenden, Burggraf Otto von Hammerstein, wurde im Jahre 997 als Sohn des Grafen Heribert von Wetterau geboren. Otto erreichte zum einen durch die Hochzeit mit Irmingard und zum anderen durch den Tod seines Bruders die Verfügungsgewalt über einen immensen Grundbesitz. Nach der Heirat mit Irmingard zog Otto mit dieser auf die Burg Hammerstein, die über Bad Hönningen lag.
Die oben erwähnten machtpolitischen Auseinandersetzungen begannen im Jahre 1018: Aufgrund dessen, dass Otto und Irmingard sich mehrmals geweigert hatten, kirchengerichtlichen Ladungen Folge zu leisten, bestrafte eine Reichssynode unter dem Vorsitz Kaiser Heinrichs II. (1002-1024) das Paar mit der Exkommunikation. Auch der wiederholten Aufforderung, ihre Ehe zu lösen, waren Otto und Irmingard nicht nachgekommen, weshalb die Synode die endgültige Entscheidung über den stattfindenden Rechtsstreit dem Fürstentag verwies, der kurz nach der Synode stattfinden sollte. Erst auf diesem Fürstentag, da Otto der drohenden Reichsacht und der Konfiszierung seiner Güter entgehen wollte, löste er die bestehende Ehe mit Irmingard öffentlich auf.
So berichtet auch ein zeitgenössischer Chronist: „Als Bittflehender verlor er seine, ihm unrechtmäßig angetraute Gattin auf Grund dreier Eide.“ Der Vorwurf der unrechtmäßigen Verwandtschaftsehe zwischen Otto und Irmingard ist nicht eindeutig zu belegen, denn zur damaligen Zeit gab es drei verschiedene Zählarten, die den Verwandtschaftsgrad zwischen zwei Eheleuten bestimmen ließen. Zudem wurden solche Vorschriften nur mündlich überliefert, wiesen regionale Differenzen auf und waren zu verschiedenen Zeiten entstanden.
Bei diesem Rechtsstreit kann als Tatsache nur belegt werden, dass die Urgroßmutter Irmingards und die Ur-Urgroßmutter Ottos Schwestern waren. Deshalb ist eine Verwandtschaftsehe Ottos und Irmingards nicht eindeutig zu beweisen und bietet genug Spielraum für Interpretationen.
Der Konflikt fand im Zuständigkeitsbereich des frommen und kaisertreuen Mainzer Erzbischofs Erkanbald statt, der in dieser Sache von Bischof Burchard von Worms unterstützt wurde. Bischof Burchard von Worms galt ebenfalls als strenger Sittenwächter der Kirche und nach Meinung der beiden waren Ehen bis zur sechsten Stufe verboten, so eben auch die von Otto und Irmingard.
In diesem Sinne hatte auch der genannte Fürstentag entschieden, auf dem Otto, wie bereits angeführt, aus taktischen Gründen einer Trennung zugestimmt hatte. Trotzdem aber lebten er und Irmingard wie zuvor als „Eheleute“ zusammen.
Erkenbald erfuhr dies und drohte Otto erneut, weshalb dieser zum Angriff überging. Er sammelte seine Mannen um sich und fiel brandschatzend in das Mainzer Gebiet ein. Der Versuch, Erkenbald gefangen zu nehmen, scheiterte jedoch, da dieser sich in Sicherheit bringen konnte. Ein Chronist äußerte sich hierzu empört: "Rasend in blinder Liebe erhob Otto die Hand gegen den Erzbischof, den Diener Gottes."
Was jedoch bei Erkenbald scheiterte, gelang Otto bei einigen Leuten aus dem bischöflichen Gefolge. Er nahm sie gefangen und "behandelte sie aufs schmählichste, und zwar um so härter, je mehr es ihn schmerzte, dass der ihm entgangen war, nach dessen Blut er gegen Recht und Gesetz gedürstet hatte". Die letzte Stelle des Chronisten ist wahrscheinlich als Übertreibung anzusehen, denn Otto war nicht dergleichen primitiv und rachesüchtig, als dass er Erkenbald hätte ermorden wollen. Eine versuchte Geiselnahme scheint hier eher der Fall gewesen zu sein. Dies jedoch hatte ebenso schwerwiegende Folgen.
Denn Ottos Angriff auf den Erzbischof war gleichzeitig ein Agieren gegen die Autorität des Reiches und somit völlig inakzeptabel. Trotz großer Empörung über Ottos Tat versuchte Kaiser Heinrich nochmals, Otto friedlich von einer Trennung von Irmingard zu überzeugen. Dieses Vorhaben missglückte jedoch erneut, was von keinem starken Einfluss des Königs auf den Adel zeugt. Die Autorität des Kaisers als das weltliche Schwert der Kirche stand auf dem Spiel, Heinrich II. war gezwungen zu handeln. Im September 1020 belagerte er mit seinem Heer die Burg Hammerstein; dieser Belagerung konnte sich Otto nur drei Monate erwehren und übergab die Burg im Dezember 1020 samt ihrer Güter und der Festung Hammerstein. Sein Leben, das Leben seiner Frau und seiner Leute konnte er retten. Heinrichs Sieg hatte dieser vorerst kein Interesse mehr an einer Trennung von Otto und Irmingard, so dass die Eheleute die folgenden drei Jahre zusammenleben konnten. Erst im Juni 1023 empörte sich der Bayer Aribo, Nachfolger Erkanbalds auf dem Bischofsstuhl, über das Zusammenleben eines kirchengerichtlich getrennten Paares in seinem Bistum, weil dieser Zustand seiner Lebensphilosophie widersprach, die der Chronist mit „Labor et tyrannis“ umschreibt. Er lud die Eheleute vor.
Die beiden leisteten dieser Vorladung Folge und wiederum sagte sich Otto öffentlich von seiner Gattin los. Grund hierfür war die Hoffnung, auf diese Weise seinen Besitz und seine Burg wieder zu erlangen. Irmingard hingegen erklärte sich mit der Forderung der Synode nach Trennung allerdings nicht einverstanden und kündigte die Appellation an den Papst als die höchste kirchliche Instanz an.
Für Aribo und seinen Sittenwächter Burchard war das natürlich ein harter Schlag. Als Konsequenz dessen folgte die Einberufung einer weiteren Synode für den Herbst 1023. Irmingard wurde auf dieser Synode die Bitte um Dispens beim Papst verboten, da allen Exkommunizierten und sich im Bußstand Befindenden dies nur auf Erlaubnis des Bischofs gewährt wurde. Die Bestimmung scheint eine persönliche Attacke gegen Papst Benedikt VIII. (1012-1024) gewesen zu sein, denn von ihm wusste man, dass er sehr bestechlich war und bei Appellationen nicht immer die größte Sorgfalt walten ließ.
Benedikt VIII. setzte ein deutliches Signal für alle Beteiligten und handelte den Erwartungen völlig entgegengesetzt: Irmingard erhielt den von ihr gewünschten Dispens und Aribo wurde die Ausübung seines Bischofsamtes aufgrund eigenmächtigen Vorgehens verboten.
Der Kölner Erzbischof Piligrim, der gekonnt die Rivalität zwischen Mainz und Köln auszunutzen wusste und sich zur gleichen Zeit wie Irmingard in Rom aufhielt, wurde von Benedikt VIII. im Gegenzug zu dem Verbot Aribos geehrt. Sowohl Piligrims Vorgänger als auch er selbst hatten nicht an der Belagerung der Burg Hammerstein teilgenommen und sich von einem Eingreifen in diese Angelegenheit distanziert (Piligrims Vorgänger hatte angeblich Fieber).
Nach dem Tod Benedikt VIII. und Heinrich II. im Jahr 1024 konnten Otto und Irmingard wiederum drei Jahre lang ungestört ihr Eheleben fortsetzten, als Aribo 1027 abermals auf der Reichssynode in Frankfurt/Main versuchte, die Angelegenheiten nach seiner Lebensphilosophie zu entscheiden. Er unterstützte Kaiser Konrad II. bei seiner Wahl, um jetzt auf dessen Hilfe bezüglich der Hammersteinschen Angelegenheit zu hoffen. Doch Konrad sollte sich als Glücksfall für Otto und Irmingard erweisen: Zum einen gehörte Otto dem konradinischen Geschlecht an und stand somit in der Gunst Konrad II. und zum anderen lebte der Kaiser selbst in einer vergleichbaren Verwandtenehe, weshalb ein Trennungsurteil für Otto und Irmingard völlig ausgeschlossen war. Aus diesem Grund hatte sich Aribo geweigert, die Kaiserin Gisela zu krönen – er wusste somit von der Verwandtenehe zwischen Konrad II. und seiner Gattin. Die Krönung der Kaisergattin übernahm deshalb der Kölner Erzrivale Aribos, Piligrim.
Konrad II. nahm den Fall der Eheleute Hammerstein nicht mehr auf, sondern beschloss für sie ein friedliches Zusammenleben mit ihren Besitzungen und Gütern. So konnten Otto und Irmingard 1031 wieder in ihre Burg einziehen und lebten dort bis zu ihrem Tod.