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0.Berthold von Henneberg (1441/42–1504)

1484 wurde Berthold von Henneberg einstimmig zum Erzbischof von Mainz gewählt. Als Kurfürst und Reichserzkanzler gehörte er zu den ranghöchsten Fürsten des Reiches; und das zu einer Zeit, als im Heiligen Römischen Reich die Machtfrage zwischen dem Kaiser und den Reichsständen[Anm. 1] offen diskutiert wurde.

0.1.Kurfürst Berthold von Henneberg und der Reichstag zu Worms 1495

Auf dem Wappen sind das Mainzer Rad sowie die Henne und die Säule des Stammwappens der Grafen von Henneberg abgebildet.[Bild: Gemeinfrei]

Als der römisch-deutsche König Maximilian I. im November 1494 den Wormser Reichstag für den Februar 1495 ausschrieb, standen außenpolitische Probleme im Vordergrund. Für einen Krieg gegen das Osmanische Reich und die Abwehr von Karl VIII. von Frankreich, der in Italien eingefallen war, brauchte er die Unterstützung der Reichsstände.[Anm. 2] Zum Reichstag 1495 traf Berthold von Henneberg als Wortführer der Reichsstände am 26. März zur selben Zeit in Worms ein wie König Maximilian. Dem Verhandlungsgeschick des Mainzer Kurfürsten gelang es immer wieder, die Interessen jeweils innerhalb der Kurfürsten, der Reichsfürsten und der Freien und Reichsstädte zu bündeln und dann zwischen ihnen eine tragfähige Ausgangsposition für die Verhandlungen mit dem König zu finden. Anfangs weigerten sich die Reichsstände erfolgreich, über die von Maximilian geforderte „eilende Hilfe“ zu verhandeln. Erst als sich Ende Juni Karl VIII. aus Italien zurückzog, war Maximilian vom außenpolitischen Druck befreit und wandte sich der innenpolitischen Auseinandersetzung zu. Nun erklärte er sich bereit, zuerst Verhandlungen über notwendige Reformen im Reich zu führen, um anschließend über die Unterstützung bei den Feldzügen und über Reichssteuern zu sprechen. Der König sprach zwar von Erpressung, lenkte aber gegenüber den gestärkten Reichsständen ein. Die wichtigsten Ergebnisse des Reichstages zu Worms waren die Reformgesetze zum ‚Landfrieden‘, zum ‚Kammergericht‘ und zum ‚Gemeinen Pfennig‘. Beim Landfrieden handelte es sich um das endgültige und unbefristete Verbot des mittelalterlichen Fehderechts.[Anm. 3] An die Stelle von Fehden, Gewalt und Krieg sollte das 1495 gegründete Kammergericht geregelte Streitverfahren setzen.[Anm. 4] Der Gemeine Pfennig, den jeder Untertan ab 15 Jahren zu entrichten hatte, war je nach Status und Vermögen als Kopf-, Einkommen- oder Vermögensteuer gestaltet; er diente der Finanzierung der vom König zu führenden Kriege.[Anm. 5] Einer der Streitpunkte zwischen Fürsten und König war außerdem die Frage des ‚Reichsregiments‘. Nach den Vorstellungen der Stände und Bertholds von Henneberg sollte die Reichsregierung nach einer freiwilligen Entmachtung des Königs und des Kaisertums auf einen Rat übertragen werden. Damit wäre die Monarchie durch eine Oligarchie der Kurfürsten ersetzt worden. Der Gegenvorschlag Maximilians, einen Hofrat zu bilden, der bei Abwesenheit des Königs die Vertretung übernehmen sollte, lag nicht im Interesse der reformwilligen Adligen. Eine einheitliche Auffassung der Reichsstände zum ‚Reichsregiment[Anm. 6], gab es von Anfang an nicht, da einige fürchteten, Privilegien zu verlieren. Daher zog Berthold von Henneberg diese Forderung, die er für den zentralen Punkt der Reformpläne hielt, zurück. Die von den Reichsständen versprochenen 100.000 Gulden für die Kriegsführung des Königs wurden ausgezahlt. Der konsequenten, aber auch kompromissbereiten Verhandlungsführung des Mainzer Kurfürsten Berthold von Henneberg sind am Ende des Mittelalters weitreichende Weichenstellungen bei der Weiterentwicklung unseres Staatswesens zu verdanken. Landfriede und Kammergericht sind eine wichtige Grundlage des heutigen Rechts-staats. Begriff und Institution des Reichstags haben den Adel gelehrt, sich zu versammeln, um gemeinsam politische Ziele zu verfolgen. Und der König nahm den Reichstag als einflussreiche politische Institution wahr.

0.2.Erzbischof Berthold von Henneberg als Stadtherr von Mainz

Berthold von Henneberg trug erheblich dazu bei, dass sich das durch die Stiftsfehde (1462) immer noch geschwächte Erzstift wieder wirtschaftlich und territorial erholen konnte. Als Stadtherr förderte Berthold in zahllosen Verordnungen die Wirtschaft[Anm. 7], so z. B. in Verordnungen für das Kaufhaus inklusive der Regelung des ‚Pfundzolls‘[Anm. 8], für das ‚Ungeld‘[Anm. 9]von Früchten, Mehl, Salz und Kohlen, oder das ‚Wegegeld‘ für Wagen und Karren. Außerdem führte er genaue Bestimmungen zum Eid für die ‚Unterkäufer‘ (Makler) ein, für die Geldwaage, die Bestallung der Werkleute, die Kranengefälle (Gebühr für die Nutzung des städtischen Krans am Rheinufer), die Schatzung (Einzug der direkten Steuern) oder den Straßenverkehr. Berthold erreichte, dass der pfälzische Kurfürst Philipp von der Pfalz 1486 das Mainzer Stapelrecht vertraglich anerkannte. Da die Geistlichkeit über den meisten Grundbesitz in Mainz verfügte, verbot er, dass ohne seine Zustimmung weiterer Grundbesitz an die „tote Hand“[Anm. 10] gelangte; dieses Verbot hatte letztlich nur geringen Erfolg.[Anm. 11] Wie detailliert er in seinen Verordnungen die Pflichten der Bürger regelte, zeigt sich an der ‚Aufruhr- und Feuerordnung‘[Anm. 12], die das Wehrwesen und die Brandbekämpfung regelte. Um zu verhindern, dass sich Bürger gegen den Stadtherren zusammenrotteten, durften sie sich ohne den Auftrag des Vizedomamtes nicht mit Waffen versammeln. Bei einem zu befürchtenden Angriff auf die Stadt mussten sich die Bürger, sobald sie die Sturmglocke hörten, in voller Rüstung am Graben, auf dem Dietmarkt (dem heutigen Schillerplatz), vor St. Antonius oder am Kaufhaus einfinden. Wegen der Brandgefahr aufgrund der zahlreichen Fachwerkhäuser in der Stadt waren die Pflichten der Einwohner genau festgelegt. Die Schornsteine mussten regelmäßig gefegt werden. Jede Bruderschaft (Zunft) musste wenigstens acht Ledereimer zur Verfügung stellen. So hatten beispielsweise Schornsteinfeger und Dachdecker ihre Leitern an den Brandort zu bringen. Alle Bürger, die Mitglieder des Augustiner-, Franziskaner-, Dominikaner- und Karmeliterordens sowie Juden und die in Mainz le-benden Dirnen waren verpflichtet, das Löschwasser herbeizutragen. Die Kärcher (Fuhrleute) mussten jederzeit ein mit Wasser gefülltes Fass von wenigstens einem halben Fuder (ca. 500 Liter) bereithalten und sofort zur Brandstelle fahren. Die Bader mussten sich um Verletzte kümmern. – Auch Belohnungen und Strafen waren klar geregelt: Wer als erster an der Brandstelle eintraf, wurde mit acht Albus[Anm. 13] belohnt; der zweite erhielt sechs, alle anderen zwei Albus. Der Letzte musste 6 Albus bezahlen – und wer gar nicht kam zahlte einen Gulden (= 30 Albus). 1489 ließ Berthold den Südwestturm der St. Quintinskirche mit einer Türmerwohung errichten. Der Türmer war gehalten, Feuer in der Stadt sofort zu melden. Am Turm der St. Quintinskirche befindet sich das Wappen von Berthold von Henneberg. Der Stadtherr sorgte, indem er die Bürger zum Schutz des Gemeinwesens mitverant-wortlich machte, für Ruhe und Ordnung in der Stadt. Nach kurzer, schwerer Krankheit starb Berthold am 21. Dezember 1504. Das Grabmal von Berthold von Henneberg im Mainzer Dom zeigt diesen bedeutenden Kurfürsten und Erzbischof in einer Größe von über fünf Metern. Dieses Grabmal schuf der in Mainz tätige Bildhauer Hans Backoffen (um 1470 – 1509) noch im Stil der Hochgotik.

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Verfasser: Wolgang Stumme

Redaktionelle Bearbeitung: Jasmin Gröninger, Sarah Traub

Verwendete Literatur:

  • Brück, Anton Ph., Aufbau und Ausbau der Kurfürstlichen Verwaltung, in: Brück, Anton Ph., Falck, Ludwig (Hg.), Geschichte der Stadt Mainz, Bd. V, Mainz – vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1462 – 1648, Düsseldorf 1972, S. 1 - 16.
  • Dobras, Wolfgang, Die Kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S.227 – 268.

Veröffentlicht am: 19.01.2017

 

Anmerkungen:

  1. Die Stände im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches bildeten seit 1489 drei Kollegien: das Kurfürstenkollegium, den Reichsfürstenrat und das Kollegium der Freien und Reichsstädte.  Zurück
  2. Die von Maximilian für den Reichstag eingeplanten zwei Wochen waren nicht zu halten, da die Reichsstände nicht an Feldzügen, sondern an der Reichsreform interessiert waren. Der Reichstag dauerte vom 26. März bis zum 7. August 1495. Zurück
  3. Im Reichsgebiet wurden trotz des Verbotes noch Fehden bis weit in das 16. Jahrhundert geführt, das bedeutete, dass Rechtsbrüche zwischen Geschädigtem und Schädiger direkt – ohne eine übergeordnete Instanz – geregelt wurden. Zurück
  4. Anfangs wechselte der Sitz des Kammergerichts häufig. Nach Frankfurt am Main, Worms, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Speyer und Esslingen war es ab 1527 in Speyer. Nach der Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg war es von 1689 bis zu seiner Auflösung1806 in Wetzlar ansässig. Zurück
  5. Wegen der Probleme bei der Erhebung der Steuer wurde der Gemeine Pfennig als erste Reichssteuer bereits 1505 ausgesetzt. Zurück
  6. Erst ein erneuter Vorstoß des Mainzer Kurfürsten auf dem Augsburger Reichstag von 1500 führte zur Bildung des Reichsregiments, das aus Maximilian und 20 Vertretern der Reichsstände bestand. König Maximilian ignorierte jedoch dieses Organ und löste es zwei Jahre später auf. Zurück
  7. Brück, Anton Ph., Aufbau und Ausbau der Kurfürstlichen Verwaltung, in: Brück, Anton Ph., Falck, Ludwig (Hg.), Geschichte der Stadt Mainz, Bd. V, Mainz – vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1462 – 1648, Düsseldorf 1972, S. 1 - 16 (S. 10 ff.). Zurück
  8. Der Pfundzoll war eine auf den Warenwert bezogene Abgabe, die Kaufleute für eingeführte oder ver-kaufte Waren pro Pfund zu errichten hatten. Bei Gütern wie Steine oder Kohle wurde der Zentnerzoll erhoben. Zurück
  9. Das ‚Ungeld‘ war eine seit dem 13. Jahrhundert erhobene Verbrauchssteuer. Zurück
  10. Tote Hand‘ ist die rechtliche Bezeichnung für das Eigentum meist unbeweglicher Wirtschaftsgüter durch Korporationen, wie z. B. der Kirche, die vom Erbgang ausgeschlossen und dem Privatrechtsverkehr entzogen sind. Zurück
  11. Dobras, Wolfgang, Die Kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S.227 – 268 (S. 235). Zurück
  12. Vgl. Brück, a.a.O., S. 10ff. Zurück
  13. Der ‚Albus‘ (= weiß, aufgrund des hohen Silbergehalts) war in weiten Teilen des Deutschen Reichs, vor allem jedoch innerhalb des Rheinlands, verbreitet. Zurück