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Johannes Bernardi, gen. Algesheimer

Martin Luther

Reformatorischer Prediger, gelebt um 1500 - 1551.

"Was wäre, wenn ...?" - Was wäre, wenn Pfarrer Johannes Bernardi, der Priester des Bistums Mainz war, mit seinen reformatorischen Predigten 1520-1524 in Gau-Algesheim erfolgreich gewesen wäre? Hätte es dann fast vier Jahrhunderte gedauert, bis sich in Gau-Algesheim eine evangelische Gemeinde bildete (1906) oder bis diese Gemeinde eine eigene Kirche (1927) und einen eigenen Pfarrer (1971) bekam und zu einer selbständigen Kirchengemeinde (1972) wurde?
Wer war dieser Johannes Bernardi? Wir wissen nicht viel von ihm, nicht einmal, wann genau er als Pfarrer in Gau-Algesheim wirkte. Es muss nach 1520 gewesen sein, als Johannes Bernardi ins kurmainzische Algesheim kam. Nach seinem Geburtsort Hohenstein bei Bad Schwalbach wurde er auch Hochstein genannt. Zuvor war er in Mainz an Liebfrauen und St. Quintin tätig. Dass wir von ihm authentische Aussagen besitzen, verdanken wir dem Umstand, dass der Erzbischof von Mainz, Kurfürst Albrecht von Brandenburg, es für politisch angebracht hielt, reformatorische Prediger ins Gefängnis zu stecken. Johannes Bernardi war einer von ihnen. Dabei war Erzbischof Albrecht gegenüber einem „erasmisch gesinnten, lutherfreundlichen Humanismus und evangelischen Regungen in seiner Mainzer Umgebung“ [Anm. 1] zunächst tolerant: Wolfgang Capito übernahm 1520 die Mainzer Dompfarrei und stieg später zum Rat und Kanzler des Kurfürsten auf; sein Schüler Caspar Hedio, der ihm im Amt als Dompfarrer folgte, kritisierte in seinen Predigten die kirchlichen Zustände und wurde zu einem der geistigen Führer der Rheingauer Empörung im Jahre 1525. Seit dem Herbst 1523 jedoch schlug Albrecht einen lutherfeindlichen Kurs ein. Sahen einige Fürsten nach dem Wormser Reichstag von 1521 Vorteile darin, Luther trotz Acht und Bann gegen Kaiser und Kirche zu unterstützen, so bestand jetzt die Gefahr, dass die sozialen Bewegungen der Bauern und Handwerker, die seit fast 200 Jahren immer wieder aufflammten, sich aus der neuen Lehre ideologisch und argumentativ speisen würden. Deshalb setzte der Kurfürst neben dem Pfarrer von St. Ignaz in Mainz und dem Pfarrer von Bingen auch Johannes Bernardi in Mainz gefangen. Capito und Hedio verließen Mainz und übernahmen evangelische Pfarrstellen in Straßburg, ohne die Kontakte nach Mainz und in den Rheingau abreißen zu lassen.
So wurde Johannes Bernardi 1523 auf der Mühlpforte, der untersten Stadtpforte am Rhein mit einem Haftlokal, im Turm festgesetzt, aber am 25. April 1525 wieder befreit, als die Mainzer die Markusprozession, an der sie bewaffnet teilzunehmen pflegten, zum Aufstand gegen die Obrigkeit nutzten. In einer Verteidigungsschrift erwähnte Bernardi, dass er „aber nit umb der lutherischen sect, auch sunst umb keiner bosheit willen in haft gelegen, sondern umb verfolgung willen des wortes Gottes“ [Anm. 2]

Ulrich Zwingli

Bernardi begab sich nach Frankfurt und wirkte dort an der Seite von Dionysus Melander, einem ehemaligen Dominikaner aus Ulm, als Prediger; er orientierte sich immer stärker an dem radikaleren Ulrich Zwingli als an Martin Luther. Ein katholischen Chronist des 16. Jh. kommentierte deren Tätigkeit so: „Sie han alle beide den Papst, die Priesterschaft höchlich angetastet, das hochwürdige Sacrament, alle Ceremonien der Kirche und sonderlich die Messe ganz veracht.“ Der Rath stand auch, nachdem die Revolution des Jahres 1525 längst unterdrückt worden, geraume Zeit hindurch dem wüsten und aufrührerischem Treiben der auf den gemeinen Haufen sich stützenden Prediger ohnmächtig gegenüber. Als der Erzbischof von Mainz deren Austreibung verlangte, antwortete der Rath: „Wir bitten unterthäniglich, Ew. Gnaden wollen mit uns gnädig Mitleiden tragen, denn die Prediger so zu verjagen können wir ohne Fahr und Fährlichkeit dießmal mit fangen nicht wol zuwege bringen. Wir haben bisher allen Unrath so viel als möglich ohne Vergießung einiges Blutes gestillt und halten gänzlich dafür, die aufgestellten Prediger werden nicht weichen.“ [Anm. 3] Johannes Bernardi heiratete am 16. Mai 1526 Katharina Kraut. Beider Sohn Bernhard Bernardi (1528 - ca. 1586/91) wirkte lange Zeit als „ein wissenschaftlich gebildeter, wohlunterrichteter und organisatorisch befähigter Theologe“ und Reformator in der Grafschaft Nassau-Dillenburg. Luther selbst intervenierte 1533 in Frankfurt mit einem Warnungsschreiben „Ein brieff an die zu Franckfort am Meyn“ gegen das bilderstürmerische Zwinglianertum der Frankfurter Prädikanten. Bernardi, der „Algesheimer“ genannte unruhige Kopf, der „kühn, schroff und populär“ [Anm. 4] zu predigen wusste, blieb bis 1537 in Frankfurt. Er folgte einem Ruf nach Ulm, da sich der Frankfurter Rat seit Herbst 1536 verstärkt um lutherische Prädikanten bemühte. Im Jahre 1544 wechselte Johannes Bernardi nach Herborn, wo er in der Interimszeit abgesetzt wurde und 1551 starb.

Nachweise

Verfasser: Karl Scheld und Norbert Diehl

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff

Aktualisierte Fassung 2003

Anmerkungen:

  1. Zitiert nach Wolf-Heino Struck. Zurück
  2. Fritz Herrmann, Die evangelische Bewegung zu Mainz im Reformationszeitalter, Mainz, 1907, S. 160. Zurück
  3. W. Königstein nach: Johannes Janssen: Geschichte des deutschen Volkes. Zweiter Band, S. 556, 14. Auflage, 1886. Zurück
  4. Anton Ph. Brück, 1955, S. 54. Zurück