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Joseph Ludwig Colmar

Mainzer Diözesanbischof mit einer Amtszeit 1802-1818, geb. 1760, gest. 1818.

Für die Katholiken des Donnersbergdépartements schuf Napoleon durch sein Konkordat mit Papst Pius VII. vom 25. Juli 1801 die Voraussetzungen zur Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse. Mainz wurde zum Suffraganbistum des Erzbistums Mecheln. Bischof von Mainz wurde der Straßburger Pfarrrer Joseph Ludwig Colmar. Colmars Verhandlungsgeschick ist es zu verdanken, dass die Dome von Mainz und Speyer im Zuge der Säkularisation von 1803 nicht abgerissen wurden.
Der Straßburger Bürgersohn, am 22.6.1760 dort geboren, war nach dem Ende des Kurstaates der erste Diözesanbischof des nach den Revolutionswirren in napoleonischer Zeit neu gegründeten Bistums Mainz, das mit den Grenzen des französischen Départements Donnersberg übereinstimmte. Colmar lebte in seiner Person den neuen Typ des Seelsorgebischofs vor. Er erneuerte das religiöse und karitative Leben in seinem Bistum und gab dem aus verschiedenartigen territorialen und kirchlichen Teilen zusammengesetzten Bistum feste organisatorische Strukturen.
Als 1803 im Reichsdeputationshauptschluss eine Neuordnung Deutschlands durch Gebietstausch, Säkularisierung und Mediatisierung festgelegt wurde, war auch das Ende der geistlichen Fürstentümer besiegelt. Damit endete die Geschichte des Mainzer Erzstiftes und Kurstaates. Die Stadt Mainz, die von der französischen Revolutionsarmee am 30. Dezember 1797 eingenommen wurde, erhielt eine neue Bestimmung: Sie wurde Hauptort des Départements Donnersberg (Mont Tonnère). In ihr residierte nun als Repräsentant der Regierung in Paris ein Präfekt.
Die Bevölkerung des Départements war konfessionell sehr gemischt: 182.194 Katholiken, 106.904 Lutheraner, 130.872 Reformierte, 12.427 Juden, 2.531 Mennoniten und 942 Angehörige anderer christlichen Gemeinschaften. Damit machten die Katholiken 42% der Bevölkerung aus. Unter der Revolutionsregierung war eine freie Religionsausübung nur eingeschränkt möglich. Dies änderte sich unter der Regierung von Napoleon Bonaparte, der mit Papst Pius VII. im Jahr 1801 ein Konkordat abgeschlossen hatte, das sich auch auf die linksrheinischen Gebiete des ehemaligen Erzbistums Mainz auswirkte. Im April wurde ein neues Bistum Mainz errichtet, dessen Grenzen denen des Départements Donnersberg entsprachen.
Dieses neue Bistum wurde als untergeordnetes Bistum (Suffraganbistum) der Erzdiözese Mechelen (Belgien) unterstellt. Das Konkordat sah vor, dass die französische Regierung den Bischof ernennen konnte. Der französische Kultusminister entschied sich für den 1760 in Straßburg geborenen elsässischen Bürgersohn Joseph Ludwig Colmar. Dieser wurde daraufhin von Napoleon ernannt und vom Papst in seinem Amt bestätigt. Am 24. August 1802 erhielt er in Paris die Bischofsweihe, im September reiste er nach Mainz und wurde dort von Kapitelvikar Johann Valentin Schuhmann, den Erzbischof Friedrich Karl Joseph von Erthal 1798 mit der kirchlichen Verwaltung des linksrheinischen Restbistums beauftragt hatte, in der Peterskirche inthronisiert.
Viele Mainzer, soweit sie sich noch mit der Kirche verbunden fühlten, waren mit ihrem neuen Bischof zunächst nicht einverstanden, da sie in ihm einen Günstling Napoleons vermuteten. Sie machten dem im Gegensatz zu seinen Vorgängern bescheiden auftretenden hergelaufenen "Bettelbub" am Anfang das Leben schwer. Vom Glanz des "Goldenen Mainz" war nach dem Bombardement der preußischen Artillerie im Jahr 1793 zu dieser Zeit noch kaum etwas zu sehen. Besonders schwer beschädigt war der Dom. Es gelang Colmar, den Dom, der mittlerweile französisches Staatseigentum geworden und zum Abbruch vorgesehen war, wieder in den Besitz der Kirche zurückzuführen und soweit wieder herzustellen, dass die Feier der Gottesdienste möglich war. Im Jahr 1809 erhielt der Dom ein neues Geläut und eine weithin sichtbare Domuhr.
Der Wahlspruch des ersten Mainzer Diözesanbischofs lautete: Caritas Christi urget nos (Die Liebe Christi drängt uns). Colmar gehörte zu den Priestern, die während der Revolution den Eid auf die Verfassung verweigerten und untertauchen oder emigrieren mussten. Er flüchtete zunächst auf die rechte Rheinseite, kehrte dann aber angesichts des geistlichen Notstandes wieder in seine Heimatstadt Straßburg zurück und wirkte im Geheimen unter Lebensgefahr als Seelsorger. Dort war er nach Wiederzulassung des öffentlichen Kultes Domprediger und ein großer Förderer der in der Krankenpflege tätigen Barmherzigen Schwestern. Seelsorge und Nächstenliebe bestimmten auch sein Wirken als Bischof. Dazu gehörte die Gründung eines Priesterseminars im ehemaligen Augustinerkloster, die regelmäßige Durchführung von Firmungs- und Visitationsreisen, die Wiederaufnahme traditioneller Formen der Volksfrömmigkeit (z. B. die Wiederbelebung des Großen Gebetes und der Fronleichnamsprozession), die Erneuerung oder Neugründung von religiösen Bruderschaften, die Förderung katholischer Bildungseinrichtungen (u.a. Wiederzulassung der Englischen Fräulein).
Als nach dem Russlandfeldzug und der Völkerschlacht bei Leipzig die geschlagene französische Armee zurückflutete, richtete Bischof Colmar im Dom ein Lazarett für die von Seuchen entkräfteten Soldaten ein. Das neue Bistum Mainz verfügte bei Amtsantritt seines ersten Bischofs noch über keine festen Strukturen, da es keine gewachsene Einheit war. Es umfasste Teile der ehemaligen Bistümer Mainz, Worms, Speyer und Metz. Colmar ernannte zwei Generalvikare, die in Mainz und Worms residierten und richtete in Mainz, Worms, Speyer und Zweibrücken bischöfliche Kommissariate (Provikariate) ein. Diese waren wiederum in Dekanate und diese in Pfarreien unterteilt. Das Bistum umfasste 38 Kantonalpfarreien und 209 Hilfspfarreien (Sucursalpfarreien). Bischof Colmar war um ein gutes Zusammenleben der Konfessionen bemüht. Das Ende der napoleonischen Ära bedeutete auch das Ende des neuen Bistums Mainz in den von Frankreich gezogenen Grenzen. Im Wiener Kongress wurde auch die Neuordnung des Départements Donnersberg -und damit auch des Bistums Mainz- vorgenommen. Zwei Drittel des Départements fielen mit 146 Pfarreien als "Rheinkreis" (später "Rheinpfalz" genannt) an das Königreich Bayern . Das nördliche Restgebiet zwischen Bingen und Worms wurde als Provinz "Rheinhessen" dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt zugesprochen. König Max I. Joseph von Bayern bot Colmar das restaurierte Bistum Speyer an. Dieser lehnte ab; er verzichtete am 1.1.1818 auf alle Rechte an seinem nun bayerisch gewordenen Anteil am Bistum Speyer. Er starb am 15. Dezember 1818, noch bevor die neue Umschreibung seines Bistums vollzogen werden konnte.