Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen und bei Rhein
Kindheit und Jugend
Ernst Ludwig Albert Carl Wilhelm wurde am 25. November 1868 im Neuen Palais am Wilhelminenplatz in Darmstadt als viertes Kind und erster Sohn des damaligen Prinzen und späteren Großherzogs Ludwig IV. und seiner Gemahlin Alice geboren. Die Taufe Ernst Ludwigs fand am 28. Dezember 1868 statt; einer seiner Taufpaten war der spätere Kaiser Wilhelm I. Seine Kinderjahre verbrachte der Prinz mit seinen Schwestern Victoria *1863, Elisabeth *1864, Irene *1866, Alix *1872 und Marie *1874 in Darmstadt. Da seine Mutter Alice eine Tochter der britischen Königin Victoria war, besuchte er auch den dortigen Königshof häufig. Einen Schatten auf die ansonsten glückliche und unbeschwerte Kindheit Ernst Ludwigs warf der Unfalltod seines zweieinhalbjährigen Bruders Friedrich im Jahre 1873. Außerdem verlor er 1878 – ein Jahr nach dem Regierungsantritt seines Vaters als Ludwig IV. - seine Mutter und die jüngste Schwester Marie an der Diphtherie. Die Großmutter Victoria in England übernahm daraufhin einen Teil der mütterlichen Erziehungsaufgaben; weitere, insbesondere für seine schulische Ausbildung verantwortliche, Erzieher waren Dr. Hans von Dadelsen und ab März 1879 Moritz Muther. 1885 wurde Ernst Ludwig konfirmiert.
Ausbildung
Am 9. Juni 1884 erhielt Ernst Ludwig die Uniform des 1. Großherzoglich Hessischen Infanterie-(Leibgarde)-Regiments Nr. 115, am 16.8.1888 besteht er das Offiziersexamen in Berlin und am 27.1. 1900 wird er zum General der Infanterie ernannt – um an dieser Stelle nur einige seiner militärischen Ränge zu erwähnen. Die militärische Laufbahn mit Beförderungen und Ernennungen spielte im Leben Ernst Ludwigs eine eher untergeordnete Bedeutung.
Von Mai 1889 bis Sommer 1890 studierte er an der Universität Leipzig Rechtswissenschaften, da zur Ausbildung eines künftigen Regenten auch einige Semester Studium an einer Universität gehörten. Der Studienbegleiter Gustav Römheld wurde in den späteren Jahren zu einem der engsten und vertrautesten Mitarbeiter von Ernst Ludwig und war u.a. in den Jahren 1904 bis 1921 der Direktor des Darmstädter Landesmuseums. Zum Wintersemester 1890/91 wechselte er zur hessischen Landesuniversität in Gießen, wo er im Frühjahr 1891 sein Studium erfolgreich beendete.
Politisches Wirken
Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters durch einen Schlaganfall ging der Großherzog-Titel am 13. März 1892 auf Ernst Ludwig über und dieser musste im Alter von 23 Jahren die Regentschaft antreten. Die ersten Monate seiner Regierungszeit waren von Huldigungen und Antrittsbesuchen durch den Großherzog wie auch bei ihm bestimmt.
Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 hatten die Landesfürsten erhebliche Rechte an die Reichsregierung abgeben müssen: So war für die große Politik fortan das Auswärtige Amt zuständig. Ernst Ludwig richtete sein Hauptaugenmerk nun auf Hessen und dessen Stellung innerhalb Deutschlands. Darmstadt wurde in dieser Zeit zu einem beliebten Treffpunkt für die Fürstlichkeiten Europas.
Das starke Anwachsen der Bevölkerung und die Industrialisierung mit ihren Folgen und Problemen forderten Initiativen und auf Zukunft angelegte Maßnahmen wie sie in dieser Fülle in einer so kurzen Zeitspanne bisher kaum einem Staatsoberhaupt und seiner Regierung abverlangt wurden. Zielstrebig und bewusst und – falls erforderlich – mit der vollen Autorität seiner Stellung hat Ernst Ludwig die Möglichkeiten ausgeschöpft, die eine konstitutionelle Monarchie dem Regenten bot. Durch die gewinnende Art seiner starken Persönlichkeit konnte er sowohl die verantwortlichen Minister als auch die Vertreter der beiden Kammern der Landstände für seine Gedanken und Maßnahmen überzeugen.
Künstlerisches Wirken
Vielseitig begabt und interessiert, wurde Ernst Ludwig auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zum dauerhaften Anreger; so förderte er das Landesmuseum in Darmstadt und das Staatsbad in Nauheim und wird besonders durch sein Mäzenatentum für zahlreiche junge Künstler bekannt.
Er selbst betätigte sich als Autor von Dramen, Gedichten und schrieb mehrere Theaterstücke, die u.a. im Hoftheater in Darmstadt und im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg aufgeführt wurden. Des Weiteren trat er als Komponist einer Reihe kleinerer musikalischer Werke zu Tage und setzte sich theoretisch mit Architektur und Gartenbaukunst auseinander.
Ehe und Nachkommen
Nach der Bekanntgabe der Verlobung am 9. Januar, heiratete Ernst Ludwig am 19. April 1894 seine Cousine Victoria Melita von Sachsen-Coburg und Gotha im Kreise des europäischen Hochadels in Coburg. Zu den Gästen dieser Fürstenhochzeit zählten u.a. ihre gemeinsame Großmutter Königin Victoria, ihr gemeinsamer Cousin, der deutsche Kaiser Wilhelm II., sowie Ernst Ludwigs zukünftiger Schwager und spätere Zar Nikolaus II. von Russland. Die Verbindung kam allerdings nicht aus Zuneigung der beiden Ehepartner zustande, sondern wurde aufgrund des dynastischen Drucks ihrer Familien geschlossen. Das Neue Palais am Wilhelminenplatz wurde die Wohnung der Großherzoglichen Familie in der Residenzstadt Darmstadt. Die Ehe stand jedoch unter keinem guten Stern: Ein Sohn wurde 1900 tot geboren und die gemeinsame Tochter Elisabeth (*1895) starb 1903 an Typhus. Am 21. Dezember 1901 wurde die Ehe durch ein Urteil des Großherzoglichen Oberlandesgerichts geschieden.
Wenige Jahre nach seiner Scheidung verlobte sich Ernst Ludwig am 21. November 1904 erneut und heiratete am 2. Februar 1905 Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich. Die Darmstädter Bürger schenkten dem Paar zur Vermählung den Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe. Eleonore war stets sehr beliebt bei der hessischen Bevölkerung, da die in ihrer Jugend erlernten Tugenden sie zu einer verantwortungsvollen Landesmutter machten. Am 8. November 1906 wurde der Sohn Georg Donatus geboren und am 20. November 1908 kam Ludwig zur Welt.
Tod und Nachwirken
Ernst Ludwig stirbt am 9. Oktober 1937 in Schloss Wolfsgarten bei Langen.
Am 12. November 1918 verlor Ernst Ludwig während der Novemberrevolution das Amt und den Titel des Großherzogs; einen offiziellen Thronverzicht verweigert er jedoch. In den 26 Jahren seiner Regierung hatte er das hessische Land nachhaltig geprägt und Grundlagen geschaffen, die vor allem in seiner ehemaligen Residenzstadt Darmstadt auf kulturellem und karitativem Gebiet noch heute wirksam sind:
1899 war die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe gegründet worden, 1907 das Porzellanmuseum in Darmstadt, 1918 das Jagdmuseum in Kranichstein und 1924 das Darmstädter Schlossmuseum; seine Ehefrau Eleonore stiftete 1908 die Großherzogliche Zentrale für Mütter- und Säuglingsfürsorge in Hessen.