Friedrich Karl Joseph von Erthal
Mainzer Erzbischof mit einer Amtszeit 1774-1802, geb. 1719, gest. 1802.
Friedrich Karl Joseph von Erthal war der vorletzte in der langen Reihe der Mainzer Kurfürsten. Er regierte zunächst im Sinne des konservativen Domkapitels, nahm aber schon bald eine aufgeklärt-absolutistische Haltung ein. Zahlreiche Reformen wurden in seiner Regierungszeit durchgeführt, sein Hof war Treffpunkt aufgeklärter Intellektueller. Er kümmerte sich besonders um die Mainzer Universität, welche er nachhaltig förderte. Selbst nach dem Ende der Mainzer Republik kam er nur noch selten in seine Residenz. Nach dem Verlust der linksrheinischen Besitzungen des Kurstaates Ende 1797 zog er sich endgültig nach Aschaffenburg zurück. Dort starb er am 25. Juli 1802.
Mit seiner Wahl siegte im Domkapitel die konservative Gruppierung, die noch vor der Wahl des neuen Erzbischofs dafür sorgte, dass die Kirchen-, Kultur- und Schulreformen Emmerich Josephs zurückgenommen, dessen leitende Beamten entlassen und die traditonell guten Beziehungen zu den Habsburgern in Wien wieder aufgenommen wurden. Erthal musste versprechen, den "wahren katholischen Glauben" als Erzbischof zu fördern. Er hielt sich in den ersten Jahren auch streng an die ihm vorgegebene restaurative Politik.
Unter dem Einfluss jüngerer Geistlicher öffnete er sich schließlich den Gedanken der Aufklärung und des Episkopalismus. Der Erthaler gehörte neben den Kurfürsten von Trier und Köln zu den Urhebern der "Emser Punktation", in der die jurisdiktionelle Unabhängigkeit der Bischöfe vom Papst proklamiert wurde. Die neue "Mainzer Aufklärung" äußerte sich auch in der Aufhebung von Klöstern und der damit verbundenen Reform der Universität ( Schaffung eines Universitätsfonds) und der Schulen.
Die Professionalisierung der Landesverwaltung und die damit verbundene Bürokratisierung, ein Kennzeichen des frühmodernen Staates, beschleunigte und verdichtete sich unter Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal in einer bisher unbekannten Weise. Wenn man als Indikator die veröffentlichten "Policeyordnungen" heranzieht, kommt man auf eine Anzahl von 1071 Verordnungen - bezogen auf die Regierungszeit sind dies etwa 120 pro Jahr. Damit wurde die unter seinem Vorgänger schon beachtliche Anzahl von 404 "Policeyordnungen" deutlich übertroffen.
Die Verordnungen, die sich mit Reformen des Medizinal- und Wohlfahrtswesens befassten, machen 15% der Policeyordnungen überhaupt aus. Besonders hervorzuheben sind die Gesetze, die Erthal zugunsten der Juden verkündigt hatte. Als erster deutscher Fürst übertrug er die Judengesetze, die Kaiser Joseph II. für die habsburgischen Länder erlassen hatte, auf sein Territorium und leitete damit die Judenemanzipation in den deutschen Territorialstaaten ein. So wurden den Juden neue Erwerbsmöglichkeiten eröffnet, sie konnten nun ein Handwerk ausüben und liegende Güter erwerben. Jüdische Kinder unterlagen der Schulpflicht. In bürgerlichen Rechtsangelegenheiten galt nun auch für Juden bei internen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen das Mainzer Landrecht; die Jurisdiktion der Rabbiner wurde erheblich eingeschränkt. Durch die "bürgerliche Verbesserung" der Verhältnisse der Juden sollten diese zu gleichberechtigten und "nützlichen Mitgliedern" der Gesellschaft entwickelt werden.
Erthal vollzog auch in der Außenpolitik eine Kehrtwendung. So löste er die enge Verbindung mit dem Kaiser und dem Haus Habsburg zugunsten eines Bündnisses mit der anderen deutschen Großmacht Brandenburg-Preußen und trat 1785 dem Deutschen Fürstenbund bei, der die von den Habsburgern angestrebte Veränderung der bestehenden Reichsordnung ablehnte.
Das Domkapitel, das in seiner Mehrheit die Innen- und Außenpolitik des Erzbischofs und Kurfürsten nicht teilte, stellte schließlich diesem 1787 - er war mittlerweile 67 Jahre alt und kränklich - einen Koadjutor zur Seite, von dem es erwartete, dass er wieder eine habsburgfreundlichere Außenpolitik betreibe und in der Innenpolitik weniger forciert aufklärerische Reformen vorantreibe. Aber auch Erthal näherte sich wieder dem Wiener Hof.
Mittlerweile war die Französische Revolution ausgebrochen. Sie machte sich in Mainz zunächst an der großen Zahl von aristokratischen Emigranten und verschiedenen Handwerker- und Studentenunruhen bemerkbar. Friedrich Karl Joseph von Erthal hatte mit Wahl und Krönung Leopolds II. 1790 und derjenigen Franz II. 1792 noch einmal Gelegenheit, als Reicherzkanzler und Kurfürst in Frankfurt die Wahl auszurichten und als Erzbischof den Gewählten zu krönen. Im Juli 1792 fand anlässlich des Fürstenkongresses in Mainz das letzte rauschende höfische Fest in der Favorite statt. Drei Monate später, am 21. Oktober, besetzten französische Revolutionstruppen die Stadt. Kurfürst, Hofstaat und Domkapitel flüchteten in die rechtsrheinischen Residenzen Aschaffenburg, Erfurt und Heiligenstadt. In die im Juli 1793 von preußischen Truppen zurückeroberte und zerschossene Stadt Mainz kam Erthal nur noch zu kurzen Aufenthalten. Mit der Abtretung des linken Rheinufers im Frieden von Basel 1795 und Lunéville 1801 wurde Mainz als Mayence eine französische Provinzstadt. Erthal, der am 25. Juli 1802 in Aschaffenburg im Alter von 83 Jahren verstarb, musste das Ende des Kurstaates nicht mehr miterleben.