Alfred Fahr
Sohn eines aus dem Senegal stammenden französischen Besatzungssoldaten und einer deutschen Mutter und KZ-Überlebender, geb 1920, gest. 2005
Alfred Emil Dominik Fahr wurde am 12. April 1920 im rheinhessischen Nieder-Olm bei Mainz geboren. Seine Mutter wurde bereits mit 23 Jahren Witwe. Sie hatte drei Kinder von ihrem verstorbenen Mann zu versorgen. Schnell bemerkte Alfred, dass er anders aussah, als seine Geschwister und auch die anderen Kinder in der Schule. Einzig sein bester Freund Heinz, der grade einmal drei Tage jünger war, hatte die gleiche dunkle Hautfarbe wie er.
Die beiden wurden abfällig als sogenannte „Rheinland-Bastarde“ bezeichnet. Zu dieser oftmals stigmatisierten Gruppe zählten einige hundert Kinder, hauptsächlich im französischen Besatzungsgebiet. Nach dem verlorenen „Großen Krieg“ war das Rheinland von Frankreich besetzt. Die „Grande Nation“ hatte zu diesem Zeitpunkt noch viele Kolonien in West- und Nordafrika sowie Asien und setzte auch Soldaten aus diesen Regionen im Besatzungsgebiet ein. So war es nicht verwunderlich, dass mit der Besatzungsmacht viele dunkelhäutige Franzosen in Alfreds Heimat kamen. Sein Vater hieß Mamadone und stammte aus Dakar, der Hauptstadt des Senegal.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden solche, nicht „arisch“ aussehenden Kinder verfolgt und zwangssterilisiert, damit die bereits während der 1920er Jahre unter dem Schlagwort „Schwarze Schmach“ propagandistisch gebrandmarkten Beziehungen keine Nachkommen mehr haben konnten. Diesem Schicksal konnte auch Alfred nicht entgehen. Im Mai 1937 wurde er nach Darmstadt gebracht, wo der Eingriff gegen seinen Willen erfolgte.
Am 8. November 1938 befahl ihm ein Scharführer der SA, mit ihm und seiner Gruppe ins benachbarte Ebersheim zu fahren. Wahrscheinlich aus Angst vor Repressalien widersetzte er sich dem Befehl nicht. Als sie ankamen, brannte dort bereits die Synagoge. Die Gruppe plünderte einige jüdische Häuser. Nach Ende des NS-Regimes, am 7. Februar 1948 wurde Alfred Fahr aus diesem Grund vom Oberstaatsanwalt beim Landgericht Mainz angeklagt. Da er seine Unschuld beteuerte und auch keine Beweise für seine Beteiligung vorlagen, beantragte die Staatsanwaltschaft seine Freisprechung.
Im Mai 1943 wurde Alfred Fahr vom Bürgermeister und dem Ortsgruppenleiter seiner Heimatgemeinde bei der Gestapo angezeigt. Der Grund hierfür war, dass seine Anwesenheit im Dorf angeblich eine Bedrohung der Bewohner und der politischen Einigkeit darstelle. Am 14. Mai 1943 wurde er gemeinsam mit seinem Freund verhaftet. Die beiden wurden eine Woche später ins KZ Dachau eingeliefert. Heinz bekam als Gefangenennummer eine Nummer höher als Alfred (47979 + 47980). Alfred arbeitete im Außenlager Bäumenheim, wo das Unternehmen Messerschmitt Teile für die V 2 fertigen ließ.
Am 24. April 1945 wurde das KZ Dachau von den Amerikanern befreit. Möglicherweise half er dem Wachpersonal bei der Flucht und wurde deshalb von der SS als Freiwilliger requiriert. Schließlich war er von Beruf Kraftfahrer. Nach fünf Tagen desertierte er schließlich und stellte sich den Amerikanern. Diese entließen ihn am 5. Juli 1945.
Darüber hinaus ist von Alfred nur noch bekannt, dass er 1954 in Wiesbaden geheiratet hat. Eine eigene Familie konnte er aus dem anfangs erwähnten Grund nicht gründen. Am 8. November 2005 ist er in Faro, Portugal verstorben.
Heribert Schadt, 30.08.2021