Johann Jakob Hauer
Ein Maler der Revolution und Restauration, geb. 1751, gest. 1829.
Johann Jakob Hauer wurde am 10. März 1751 in der Pfarrkirche St. Cosmas und St. Damian zu Gau-Algesheim von Johann Clemens, der von 1699-1760 die Pfarrei betreute, getauft. Der Neugeborene war der Sohn des Schneidermeisters Georg Philipp Hauer und der Susanne geborene Specht. Als seinen Paten verzeichnet das Kirchenbuch Johann Jakob Hennfetter.
Der Vater stammte aus Bleidenstadt im Taunus. Dort war er am 14. Juni 1750 mit der Tochter des Gau-Algesheimer Schneiders Wilhelm Specht getraut worden. Auch der Großvater väterlicherseits war ein Schneider, der aus Langenschwalbach im Taunus stammte und wie sein Zunftgenosse aus Gau-Algesheim Wilhelm mit Vornamen hieß. Beide waren jedoch 1750 bereits verstorben.
Nach Johann Jakob bekam das Paar drei weitere Kinder, Johann Philipp (1753), Jakob Wilhelm (1756) und Maria Anna (1759), die in Gau-Algesheim geboren sind. Das jüngste Kind starb 1759, nur sechs Monate alt. Danach wird die Familie in den Gau-Algesheimer Pfarrbüchern nicht mehr erwähnt. Es ist anzunehmen, dass der arme Schneidermeister Georg Philipp Hauer mit seiner Frau und den drei kleinen Söhnen um 1760 von Gau-Algesheim wegzog.
Die Spechts waren bewegliche Leute, und es dürfte der Mutter Susanne, die bereits in jungen Jahren ihre Eltern verloren hatte, nicht schwer gefallen sein, Gau-Algesheim zu verlassen. 1687 gab es zwar bereits drei Familien Specht in Gau-Algesheim, aber es waren Hofleute auf dem Laurenziberg und in Sporkenheim, die wenig Land und nur kleine Häuschen in Gau-Algesheim besaßen. In einem solchen Häuschen auf dem Kegelplatz wurde Johann Jakob Hauer geboren.
Johann Jakob Hauers Lehrer in Gau-Algesheim ist der tüchtige Schulrektor Johann Bernhard Vogel, der vielleicht das besondere Talent Hauers entdeckt. Erste Lehrjahre durchläuft Hauer schließlich bei dem kurpfälzischen Hofmaler Johann Philipp Hoffmeister in Mannheim.
Im Mai 1769 lässt sich Hauer unter der laufenden Nummer 23 in die königliche Künstlerakademie zu Paris eintragen. Als Bürgen benennt er seinen Onkel, den Graveur und Kupferstecher Johann Jakob Hauer, der in Paris wohnt. Als Ort seiner Herkunft gibt Hauer Augsburg an. Entweder waren die Eltern nach Augsburg gezogen oder er hatte nach Mannheim in Augsburg gearbeitet. Hauers Angaben sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln, da er sein Alter mit 21 Jahren angibt, obwohl er erst 18 ist. Vielleicht war das Eintrittsalter in die Akademie auf 21 Jahre festgelegt, und Augsburg war in Paris bekannter als Algesheim.
In der Akademie wird Hauer Schüler des Jacques Louis David (1748-1825), der nach 1789 die Selbstdarstellungen der Revolution organisiert und als Hofmaler Napoleons das Kaiserreich verherrlicht. Im Jahre 1777 ist Hauers Name letztmals unter den insgesamt 428 Schülern Davids zu finden. Als sich unter den Schülern Davids eine Gruppe bildet, die sich "die Unbedingten" nennt, bittet der Meister die Sektierer dringend, sein Atelier zu verlassen, weil sie Störungen des Unterrichts hervorriefen. Hauer hat sich möglicherweise mit dieser Gruppe von der Schule Davids getrennt.
Im Sommer 1789, als sich der "Dritte Stand zur Nationalversammlung" und zur "Verfassungsgebenden Versammlung" erklärt, als Arbeiter in Montmartre streiken und in Paris eine Bürgermiliz gebildet wird, dient Johann Jakob Hauer als Kommandant im 2. Bataillon der Nationalgarde. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Hauer ein engagierter Revolutionär ist. 1792 wird er als Kapitän der Nationalgarde Kommandant des Bataillons der Section des Cordeliers. Der Club des Cordeliers, benannt nach dem Convent des Cordeliers (Konvent der Mönche, die eine Kordel um die Kutte tragen) in der Rue de l'École-de-Médecine auf dem linken Seine-Ufer, zählt mit Georges Danton und Jean-Paul Marat zu den radikalen Clubs unter den Revolutionären. Hauer vertritt später als Beamter die Section Théâtre-Français, die nach einer Neueinteilung der Stadt in 48 Sektionen gebildet wird. In derselben Sektion gegenüber dem Club wohnt Marat, als er am 13. Juli 1793 von der jungen normannischen Adligen Charlotte Corday ermordet wird. Die Mörderin wird in das benachbarte Gefängnis Conciergerie, das Vorzimmer zur Guillotine gebracht. Da Hauer als Kommandant für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen hat, kann er die prominenten Gefangenen besuchen und - wie im Fall der Charlotte Corday geschehen - auch malen.
Die Begegnung zwischen Charlotte Corday und Hauer beschreibt Jules Michelet (1798-1874) in seiner großen Geschichte der Französischen Revolution (1847-1853): "Sie hatte während der Verhandlung einen Maler bemerkt, der ihre Züge festzuhalten suchte und sie mit lebhaftem Interesse betrachtete. Sie hatte sich ihm zugewandt. Nach der Urteilsverkündung ließ sie ihn rufen und schenkte ihm die letzten Augenblicke, die ihr vor der Hinrichtung blieben. Der Maler, Hauer, war Vizekommandant des Bataillons der Cordeliers. Diesem Titel vielleicht verdankte er die Vergünstigung, dass man ihn ohne einen anderen Zeugen als einen Gendarmen bei ihr ließ. Sie plauderte völlig ruhig mit ihm über belanglose Dinge, doch auch über das Ereignis des Tages und über den Frieden, den sie in sich fühlte. Sie bat Hauer, eine kleine Kopie von dem Bild zu machen und diese ihrer Familie zu schicken."
"Wenn ich einem kostbaren Dokument Glauben schenken soll, das von der Familie des Malers aufbewahrt wird, so hat sie sich eigens für ihre Verurteilung eine Haube anfertigen lassen. Das erklärt, warum sie in ihrer so kurzen Gefangenschaft sechsunddreißig Francs ausgab."
"Nach anderthalb Stunden klopfte man leise an eine kleine Tür, die hinter ihr war. Man öffnete, und der Henker trat ein. Charlotte wandte sich um und sah die Schere und das rote Hemd, das er trug. Sie konnte sich einer leichten Erregung nicht erwehren und sagte unwirsch: "Was! Schon?!" Doch sogleich fasste sie sich wieder und wandte sich an Hauer mit den Worten: 'Mein Herr, ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit danken soll; ich kann Ihnen nur dies hier anbieten; behalte Sie es als Andenken von mir.' Gleichzeitig ergriff sie die Schere und schnitt eine Locke von ihren langen, aschblonden Haaren ab, die unter der Haube hervorquollen, und reichte sie dem Maler. Die Gendarmen und der Henker waren bewegt."
Von seinem Zeitgenossen Leonhard Defrance wird Hauer als kleiner Herr mit großem Engagement für die revolutionäre Sache beschrieben. Obwohl er die Möglichkeit hat, berühmte Persönlichkeiten zu malen oder historische Szenen wie den "Tod des Marat" oder "Das Souper der königlichen Familie im Gefängnis" im Bild festzuhalten, kann er daraus kaum Gewinn schlagen. Immerhin rettet er sich und sein Leben über die Zeiten von Revolution und Gegenrevolution hinweg, malt Porträts und Szenen aus dem Leben der höheren Stände, und wird 1820 schließlich in Blois an der Loire ansässig.
Johann Jakob Hauer war mit Marie Jules Depart verheiratet. Sie hatten eine Tochter und einen Sohn Jules, der später Präsident des "Tribunal civil" in Arcis sur Aube wurde. Als Marie Hauer am 3. Juni 1829 dem Standesbeamten in Blois den Tod ihres Mannes anzeigt, gibt sie als dessen Geburtsort "Aljesheim" an. Offensichtlich hat Hauer zu seiner Frau von seiner Heimatstadt im Algesheimer Dialekt gesprochen.