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Peter Koser

Peter Koser

Geb. 1834, gest. 1891.

Peter Koser wurde am 14. Dezember 1834 in Lampertheim geboren. Nach Abschluss der Schule und des Theologiestudiums empfing er am 12. August 1859 die Priesterweihe. In Gau-Bickelheim und Darmstadt verbrachte er seine Kaplansjahre. 1866 wurde er zum Pfarrverwalter in Wald-Michelbach, kurz darauf zum Pfarrer in Ober-Ingelheim bestellt. Bischof von Ketteler übertrug Peter Koser zum 1. Oktober 1869 die Leitung der Pfarrei Gau-Algesheim.
Nationale, liberale und demokratische Bestrebungen waren durch die restaurativen Maßnah-men der Obrigkeit und durch das Scheitern der Revolution von 1848/49 weitgehend erstickt worden. Die siegreichen Fürsten und ein politisch paralysiertes Bürgertum hatten die Ideen "Nation" und "Demokratie" erfolgreich zueinander in einen Gegensatz gebracht. Infolge der ökonomischen und sozialen Krisen, die mit der fortschreitenden Industrialisierung einhergin-gen, verbreiteten sich in der Arbeiterschaft sozialistische Ideen. Bismarck und die Liberalen forcierten nach der Niederlage Österreichs und seiner süddeutschen Verbündeten im Deut-schen Krieg von 1866 und der Errichtung eines preußisch-protestantisch dominierten Kaiser-reichs gegen die Katholische Kirche den "Kulturkampf", aus dem der "politische Katholizismus" aber mit einem vielfältigen Vereinswesen und der Deutschen Zentrumspartei gestärkt hervorging.
Peter Koser kam in ein vorwiegend landwirtschaftlich und handwerklich geprägtes Gau-Algesheim mit einer fast ausschließlich katholischen Bevölkerung. Seit der Schenkung des Binger Landes an den Mainzer Erzbischof im Jahre 983 gehörte Gau-Algesheim ununterbrochen zum Erzstift Mainz. Die Reformation unter Johannes Bernardi gen. Algesheimer (zwischen 1520 und 1524) war nur eine Episode geblieben. Als Pfarrer sah sich Koser mit drei Problemen konfrontiert: der Erhaltung und Entwicklung des katholischen Lebens in der Gemeinde, der Erweiterung der Pfarrkirche und der sozialen Sicherung der Bevölkerung.

Katholische Einrichtungen und Vereine

Ingelheim Saalkirche[Bild: Dahlhoff, Georg]

Durch den Aufschwung von allgemein zugänglichen Presseerzeugnissen wurden die politischen und konfessionellen Kontroversen zunehmend publizistisch ausgetragen. Als Gegenpart zum 1860 gegründeten freisinnigen Ingelheimer "Rheinhessischen Beobachter" gründete Koser noch als Pfarrer von Ober-Ingelheim gemeinsam mit seinen Mitbrüdern im Dekanat den "Rheinhessischen Presseverein", um ein an katholischen Grundsätzen ausgerichtetes Presseorgan für Rheinhessen zu schaffen. Als der Mainzer Karl Reidel im selben Jahr in Gau-Algesheim eine Druckerei errichtete (im heutigen "Café Klötzchen"), fand Peter Koser einen kompetenten Partner. So konnte am 15. September 1869 das Probeblatt der neuen Zeitung "Rheinischer Volksbote" präsentiert werden. Die Zeitung erschien zweimal wöchentlich, weitgehend von den Geistlichen der Pfarrei Gau-Algesheim redigiert. Die meisten Leitartikel der ersten Jahre trugen deutlich die Handschrift Peter Kosers und beschäftigen sich überwie-gend mit Problemen der Stellung der Kirche in der Welt und der Lebensgestaltung aus der Sicht des christlichen Glaubens und der katholischen Soziallehre. Aktuelle politische Ereig-nisse wurden aus der Perspektive des Christentums beleuchtet. Während des Kulturkampfes ging der "Rheinische Volksbote" keiner weltanschaulichen Auseinandersetzung mit dem In-gelheimer Blatt aus dem Wege. Dem von Pfarrer Koser initiierten Anliegen blieb der "Rheinische Volksbote" bis zu seinem Ende im Jahre 1923 treu.

Als am 1. September 1871 die Großherzogliche Oberstudiendirektion in Darmstadt überraschend und ohne Vorverhandlungen einem in Ingelheim amtierenden Lehrer aus Westfalen die Erlaubnis erteilte, in Gau-Algesheim ein evangelisches Privat-Institut zur Vorbereitung auf den Besuch von Realschulen und Gymnasien zu eröffnen, reagierte Koser schnell: Am 23. Oktober 1871 begann im heutigen Haus Kronenberger in der Neugasse eine katholische höhe-re Lehranstalt unter der Leitung von Peter Koser ihre Arbeit mit insgesamt neun Lehrern. In-nerhalb von knapp acht Wochen hatte Pfarrer Koser für diese Schule ein Haus durch die Kir-chengemeinde gekauft, rund 13.000 Mark an günstigen Darlehen für Mobiliar, Lehrmittel und anfängliche Lehrerbesoldung beschafft, fünf geeignete Lehrkräfte gewonnen und eingestellt, einen zusätzlichen Kaplan beantragt und erhalten sowie bei der Großherzoglichen Behörde die erforderliche Genehmigung erwirkt. Trotz des monatlichen Schulgeldes von 30 Mark konnte innerhalb dieser kurzen Zeit ein dreiklassiges Schulsystem aufgebaut werden. Zehn Jahre später war das evangelische Institut längst Vergangenheit. Kosers Schule aber zählte 87 Schüler, davon 41 Auswärtige. 73 waren Katholiken, acht Protestanten, sechs Juden. Als aber immer mehr Schüler ohne die Zwischenstufe einer Präparandie auf die Höhere Schule wechselten, stellte das Institut 1894 seinen Unterrichtsbetrieb ein.

Während der Vorbereitungen zur Einrichtung der Schule gründete Pfarrer Koser im Sinne des seit 1844 bestehenden "Borromäusvereins" einen "Katholischen geselligen Verein". Dieser hatte sich vorrangig der Bildungsarbeit verschrieben und gleich mit der Gründung ein Vortragsprogramm mit Themen aus Gesellschaft und Kultur, Wirtschaft und Politik vorgestellt. Ebenso gehörte von Anfang an ein Lesezirkel mit einer Vereinsbücherei dazu. Auch hier beschränkte sich der Buchbestand nicht nur auf religiöse Literatur. Belletristik gehörte ebenso dazu wie landwirtschaftliche und technische Fachliteratur. Von Anfang an gehörten kleine Theateraufführungen zum Programm. Angesichts der Vielfalt der katholischen Erwachsenenbildung konnte sich der Zweigverein der bürgerlich-liberalen "Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung" in Gau-Algesheim nicht etablieren.

Kosers Absicht, auch eine "Kleinkinderbewahranstalt" zu errichten, überforderte die finanziell durch die Einrichtung des Schulinstituts und die geplante Kirchenerweiterung strapazier-te Pfarrgemeinde. Er gründete deshalb eine Aktiengesellschaft, brachte eigenes Vermögen ein und konnte nach sechsjähriger Anlaufzeit im Sommer 1880 den Bau in der Grabenstraße beginnen. Am 7. Juli 1881 wurde die "Kleinkinder-Bewahranstalt" mit Räumen für die Kinder-betreuung, Wohnraum für die betreuenden Schwestern von der Göttlichen Vorsehung, einem schattigen Spielplatz und einem Garten eingeweiht. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde die Nutzung des Gebäudes durch eine Nähschule für Mädchen erweitert. Als der Kindergarten nach 80 Jahren 1961 in ein neues Gebäude umzog, wurde das alte Haus umgebaut und erwei-tert und steht seitdem der Pfarrei als "Pfarrer-Koser-Haus" an der Ecke von Grabenstraße und Koserstraße zur Verfügung.
1888 rief Koser einen Kirchenmusikverein ins Leben. Trotz des Kirchenbaus ermöglichte es Koser, aus Mitteln der Pfarrei und aus Spenden 15 Musikinstrumente anzuschaffen. Gleichzeitig begeisterte er Gemeindemitglieder, nicht nur die Gottesdienste mitzugestalten, sondern auch für Aktivitäten der weltlichen Gemeinde oder benachbarter Pfarreien zur Verfügung zu stehen.

Kirchenbau

St. Remigius zu Ingelheim[Bild: Dahlhoff, Georg]

Bereits bei einer Visitation 1784 war die Gau-Algesheimer Pfarrkirche als zu klein bezeichnet worden. Im Visitationsbericht des Jahres 1833 hieß es, dass "die Kirche nie die Besuchenden alle aufnehmen kann, sondern Hunderte vor den Thüren stehen". Eine zusätzliche Kaplansstelle und die Erhöhung der Zahl von Sonntagsgottesdiensten brachte ebenso wenig eine Lösung wie der Einbau einer Emporenbühne. 1868 bezeichnete der Pfarrverwalter Anton Kuhn einen unbedingt erforderlichen Umbau der Kirche als aus finanziellen Gründen unmöglich.
Etwa ein Vierteljahr nach seinem Amtsantritt in Gau-Algesheim, zu Neujahr 1870, forderte Pfarrer Koser die Gemeinde auf, "recht bald die alte Kirche durch eine neue, würdigere, den Verhältnissen mehr entsprechende" zu ersetzen. Ein Kirchenbauausschuss und ein "Kreuzer-verein", dem fast alle Einwohner beitraten, wurden gegründet. Auf Anregung von Pfarrer Koser wurden nun im Herbst wurden bei den Winzern Mostkollekten gehalten, der gespendete Most aber nicht wie damals allgemein üblich direkt weiterverkauft, sondern zu Wein ausgebaut und mit einem höheren Gewinn veräußert. Gespendete Gegenstände (u.a. Keltern, Traubenmühlen, Patentpflüge, Kleiderschränke, Wein, Handwerkerzeugnisse, Handarbeiten) wurden verlost. 1872 wurden innerhalb eines halben Jahres 17.000 Lose zu je 12 Kreuzern verkauft. Alle eingehenden Gelder legte Koser zu günstigen Zinsbedingungen und in Wertpapieren an. Zum Jahresbeginn 1887 standen insgesamt 91.000 Mark zu Verfügung. Die vom Frankfurter Architekten Max Meckel errechneten Arbeitskosten beliefen sich auf rund 116.000 Mark. Nach dem ersten Spatenstich und der Grundsteinlegung 1887 wurden im Au-gust 1889 das neue Geläut aus fünf Glocken und das neue Gotteshaus geweiht. Heute ist die katholische Pfarrkirche St. Cosmas und St. Damian mit ihrem 64 m hohen Turm ein Schmuckstück der Stadt. Der Turmunterbau kann auf eine mehr als eintausendjährige Ge-schichte zurückblicken. Rund 600 Jahre alt ist der nach Osten gerichtete asymmetrische Marienchor, der in seinem Grundriss an das geneigte Haupt des Gekreuzigten erinnert, mit einem darunterliegenden auf frühchristlich-heidnischen Brauch zurückgehenden Tunneldurchgang.

Antworten auf die "Soziale Frage"

Der krisenhafte Übergang von einer bäuerlich-handwerklichen geprägten und in ihren kulturellen und religiösen Ausdruckformen überschaubaren zu einer von Kapital und Lohnarbeit, Handel und Industrie, Verelendung und sozialen Verwerfungen gekennzeichneten Gesellschaft provozierte die "Soziale Frage", auf die Kirchen und weltanschauliche Bewegungen unterschiedliche Antworten zu geben versuchten. Peter Koser nahm die Herausforderungen auf vielfältige Weise an:
Zur besseren Versorgung der Kriegsverletzten rief Koser am 17. Juli 1870 ein "Hilfs-Comité" für ins Leben, das auf das ganze Verbreitungsgebiet des "Rheinischen Volksboten" ausgeweitet wurde. Für dessen Zweigverein Gau-Algesheim zeichnete er selbst verantwortlich.
Zur solidarischen Absicherung gegen Krankheiten rief Pfarrer Koser die Bürger zur Gründung eines "Krankenvereins" auf. In einem am 17. März 1872 ausgestellten Mitgliedsbuch bestimmt Paragraph 1 der Statuten: "Zweck des Vereins ist es, einen Fond zu bilden, aus welchem jedes Mitglied, wenn es erkrankt oder arbeitsunfähig wird, die Kosten ärztlicher Behandlung und der Apotheke, sowie eine wöchentliche Rente erhalten soll."
Ein Jahr später erfolgte die Gründung eines "Sterbevereins", der bei einem Monatsbeitrag von zwei Kreuzern im Todesfall den Hinterbliebenen eine Beihilfe zu den Bestattungskosten in Höhe von 25 Gulden zahlte. Da bald alle Mitglieder des Krankenvereins dem neuen Verein beitraten, erfolgte 1875 die Fusion beider Vereine. Der Verein überlebte die Einführung der staatlichen Sozialversicherung im Jahre 1884 und löste sich erst während des 1. Weltkrieges auf.
1878 initiierte Koser die Gründung eines "Credit- und Sparvereins Gau-Algesheim". Dieser sollte die Mitglieder zum Sparen anregen und ihnen im Notfall billige und bequeme Darlehen gewähren. Mehr als die Hälfte des Reingewinnes sollte jährlich gemeinnützigen, kirchlichen und sozialen Zwecken in Gau-Algesheim zugeführt werden. Später ging der "Credit- und Sparverein Gau-Algesheim" in die "Gau-Algesheimer Volksbank" über.
Im Frühjahr 1882 riefen Bürgermeister Kleisinger und Pfarrer Koser gemeinsam Gründung eines "Armenvereins" auf. Arme erhielten bisher eine geringe Unterstützung aus dem Hospitalfond, die aber kaum ausreichte. Sie waren ebenso wie die damaligen "Wanderburschen", Handwerker auf der Walz, auf die Mildtätigkeit der Wohlhabenden angewiesen. Bereits im Gründungsjahr zählte der Verein über 200 Mitglieder, die zwischen einer und 40 Mark jährlich einzahlten. Ein kleines Metallschild an der Haustür oder dem Hoftor wies die Mitgliedschaft aus und signalisierte so, dass Bettelei erfolglos sei. Eine Unterstützung ortsansässiger Armer erfolgte je nach persönlichem Bedarf. Durchwandernde erhielten aus den Mitteln des Vereins durch die Stadtverwaltung eine Unterstützung von 10 oder 20 Pfennig.
Als in der zweiten Novemberhälfte des Jahres 1882 durch sintflutartige Regenfälle weite Flächen in Rheinhessen überflutet wurden und viele Menschen ihre Habe verloren, regte Koser an, ein "Local-Comité" in Gau-Algesheim zu gründen, da die Stadt und das Welzbachtal von dem Unglück verschont geblieben war. Das Comité sammelte Geld, Kleidung und Wäsche und leitete sie den Betroffenen umgehend zu.
Die Flutkatastrophe hatte einen weiteren Schwachpunkt in der Lebenssicherung der landwirtschaftlich orientierten Bevölkerung verdeutlicht. Wieder ergriff Koser die Initiative und berief zum 18. Februar 1883 eine Versammlung "behufs Gründung eines Bauernvereins" ein, zu der auch zahlreiche Interessenten aus den umliegenden Orten kamen. Es wurde die Konstituie-rung von Bauernvereinen in den einzelnen Orten beschlossen, die sich dann zu einem größeren regionalen Verband zusammenschließen sollten. Im Januar 1884 erfolgte die Gründung des "Bauernvereins Gau-Algesheim", verbunden mit einem "Consumverein". Der Verein vermittelte seinen Mitgliedern bäuerliche Bedarfsgüter, vorwiegend Futtermittel, Saatgut und Gerätschaften, von guter Qualität und zu günstigen Preisen, beriet sie und schützte sie vor den klimatischen und konjunkturellen Wechselfällen. In den Folgejahren vermittelte der Verein auch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Als "Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft eGmbH" wurde der Verein über Jahrzehnte hinweg weitergeführt.
Insbesondere um die Weihnachtszeit wurde Kindern aus mittellosen Familien ihre Lage und ihr minderer Status bewusst; Weihnachtsgeschenke blieben ihnen versagt. Pfarrer Koser gründete 1884 einen "Sammelverein", der in Geschäften und Gaststätten mehr als 20 Sammelbüchsen aufstellte und zusätzlich die abgeschnittenen Spitzen von Zigarren, verbrauchte Stahlfedern und die Bleiplomben von Futtermittel- und Saatgutsäcken sammelte. Mit dem Erlös wurden Kleidungsstücke für bedürftige Kinder gekauft und in Absprache mit dem Schulvorstand zu Weihnachten von den Lehrern den Kindern übergeben. Dabei waren die Kriterien nicht allein die Bedürftigkeit, sondern auch der Leistungswille und das Verhalten der Kinder.
Das religiöse und soziale Engagement sowie die Belastung durch den Kirchenbau zehrten an den Kräften und der Gesundheit des Pfarrers. Dies bewog den Bischof, Pfarrer Koser nach Darmstadt zu versetzen. Am 15. September 1889 verließ der allgemein beliebte und hoch ge-achtete Pfarrer Gau-Algesheim. An seinen neuen Wirkungsort verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rasch. Im Juni 1891 befreite ihn das Bischöfliche Ordinariat vom täglichen Breviergebet. Aber schon am 13. September 1891 verstarb Peter Koser. Sein Leichnam wurde nach Gau-Algesheim überführt. Der Bestattung in "seiner" Kirche wohnte nicht nur eine unübersehbare Menschenmenge, sondern auch Bischof Haffner bei, eine damals sehr ungewöhnliche Geste der Hochachtung für einen verstorbenen Pfarrer.

Nachweise

Verfasser: Karl-Heinz Helm und Norbert Diehl