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Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser

Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser

Oberpräsident der Rheinprovinz, preußischer Landwirtschaftsminister, Vorsitzender der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz und Gutsbesitzer in Lieser an der Mosel, geb. am 29. September 1856 in Horstmar, gest. am 6. Juli 1922 in Berlin.

Schorlemer-Lieser, mit ganzem Namen Clemens August Michael Hubertus Antonius Aloysius Maria Freiherr von Schorlemer, war der zweite Sohn des Politikers und Gründers des "Westfälischen Bauernvereins" Burghard von Schorlemer-Alst (1825-1895) und wurde am 29. Sptember 1856 auf dem elterlichen Sitz Haus Alst bei Horstmar geboren. Seine Familie entstammte dem katholischen Uradel Westfalens und zählte zu seinen bedeutendsten Vertretern. Burghard von Schorlemer-Alst war ein einflussreicher Vertreter des politischen Katholizismus und führender Repräsentant des konservativ-agrarischen Flügels der Zentrumspartei, im Kulturkampf zählte er zu den profiliertesten Gegnern des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898). Als Sproß dieser einflussreichen Adelsfamilie wurde Clemens zuerst zu Hause unterrichtet, später besuchte er das Gymnasium Dionysianum in Rheine, wo er 1874 erfolgreich die Reifeprüfung ablegte. Anschließend widmete er sich bis 1878 dem Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen und Würzburg und wurde am 8. März 1878 in Göttingen promoviert. Nach einem einjährigen Militärdienst nahm er seine bereits 1878 begonnene, aber dann unterbrochene Tätigkeit als Gerichtsreferendar wieder auf.

1880 heiratete von Schorlemer die einzige Tochter des wohlhabenden Trierer Industriellen Eduard Puricelli (1826-1893), Maria Helena Henrietta Brigitta Puricelli (1855-1936). Ersterer war unter anderem der Gründer der Gaswerke von Trier und Krefeld. Nachdem von Schorlemer 1884 die Große juristische Staatsprüfung bestanden hatte, wurde er zuerst zum Gerichtsassessor. 1886 wechselte er als Regierungsassessor in die Verwaltung. Dem folgte 1888 die Ernennung zum Landrat des Kreises Neuss. Hier erwies er sich als fähiger Politiker, der es schaffte, gute Verbindungen zu gesellschaftlich einflussreichen Gruppen zu knüpfen. So wurde er 1893 Schützenkönig des Schützenvereins Neuss. Es fiel aber auch auf, dass er sich in seiner politischen Ausrichtung von seinem Vater unterschied: Er war kein Anhänger des politischen Katholizismus, sondern treuer Unterstützer des Hauses Hohenzollern war, obwohl er auch als gläubiger Katholik angesehen wurde. Als 1893 der Vater seiner Ehefrau starb, erbte Schorlemer neben einem beträchtlichen Vermögen auch die Weingüter und Betriebe der Familie Puricelli an der Mosel sowie das 1884 bis 1887 erbaute Schloss zu Lieser, welches er mit seiner Familie bezog und von 1895 bis 1906 einen Erweiterungsbau hinzufügte. Nach dieser Besitzung nannte er sich fortan Schorlemer-Lieser.

1897 zog der inzwischen zu den reichsten Männern des Rheinlandes zählende Schorlemer-Lieser nach Breslau, wo er zum Oberpräsidialrat, also Stellvertreter des Oberpräsidenten der Provinz Schlesien, ernannt wurde. 1899 ließ er sich beurlauben, um sich der Verwaltung des umfangreichen Familienbesitzes und seinem Amt als Vorsitzender der neugegründeten Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz zu widmen. Er pflegte inzwischen den Umgang mit Persönlichkeiten aus den höchsten Zirkeln der Macht. Sogar zu Kaiser Wilhelm II. hatte er eine enge Verbindung; dieser war mehrmals auf Schloss Lieser zu Gast. So wurde er auch auf dessen Weisung hin 1901 in das preußische Herrenhaus aufgenommen und 1905 als erster Katholik zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt. Diese Entscheidung hatte wahrscheinlich auch mit seiner preußenfreundlichen Haltung und seiner Nähe zum Nationalkatholizismus, sowie mit seiner Ablehnung der christlich-sozialen Tendenzen in der Zentrumspartei zutun. Seine Ernennung zum Leiter der deutschen Delegation anlässlich des 50-jährigen Priesterjubiläums Papst Pius X. 1908 war aus diesen Gründen im katholischen Lager keine unumstrittene Entscheidung.

Im Jahr 1910 wurde Clemens von Schorlemer-Lieser zum preußischen Landwirtschafts- und Forstminister ernannt, weswegen er nach Berlin zog. Zuvor jedoch fiel er durch einen Antrag zur Wahlrechtsreform 1910 auf, den er noch in seiner Position als Mitglied des Herrenhauses gestellt hatte. Dieser hatte eine Stärkung der Interessenvertreter von Handel und Wirtschaft zum Ziel und erweckte den Widerstand von Zentrum und SPD. Das Gesetzesvorhaben scheiteterte und die Tatsache, dass Teile des Bundes der Landwirte zur Opposition gegen letzteres gehört hatten, machte seine Ernennung zum Landwirtschaftsminister wenig später zu einer vorerst heiklen Angelegenheit. In den folgenden Jahren erregte er durch seine Arbeit, die auf einen Interessenausgleich zwischen Landwirtschaft und Industrie abzielte, mehrfach das Missfallen agrarischer Kräfte. Im Ersten Weltkrieg war Schorlemer-Lieser an der Organisation der Kriegsernährungswirtschaft beteiligt, konnte hier jedoch wenig erreichen. Im Zuge der sogenannten Julikrise 1917 trat er von seinem Ministerposten zurück.

Schorlemer-Lieser wurde 1918 erneut zum Vorsitzenden der Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz gewählt, 1919 wurde er auch Vorsitzender des Deutschen Landwirtschaftsrates. Zwischen 1920 und 1921 wirkte er an der Festsetzung der Deutschen Viehlieferungen im Rahmen des Versailler Vertrages und bei der Anerkennung von Besatzungsschäden in Belgien mit. 1920 wurde er außerdem zum Kreisdeputierten des Kreises Bernkastel gewählt. Am 6. Juli 1922 verstarb Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser während eines Aufenthaltes in Berlin infolge einer Krankheit. Er wurde am 11. Juli 1922 in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof in Lieser beerdigt.

Nachweise

Verfasser: Linus Steyer

Verwendete Literatur:

Erstellt am: 02.08.2019