Anna Seghers
Schriftstellerin, geb. 1900, gest.1983.
Anna Seghers wird am 19.11.1900 in Mainz als Tochter des angesehenen jüdischen Kunst- und Antiquitätenhändlers Isidor Reiling und seiner Frau Hedwig geboren. Sie studiert Kunstgeschichte, Geschichte, Sinologie und Philologie in Köln und Heidelberg und promoviert 1924 über Jude und Judentum im Werke Rembrandts. 1925 heiratet sie den ungarischen Gesellschaftswissenschaftler László Radványi. Aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor: 1926 wird der Sohn Peter; 1928 die Tocher Ruth geboren. 1927 veröffentlicht sie die Erzählung Grubetsch. 1928 erhält sie hierfür und für die Erzählung Aufstand der Fischer von St. Barbara den renomierten Kleist-Preis. Im selben Jahr tritt Anna Seghers in die KPD ein, 1929 in den Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Es folgen die Erzählungen Die Ziegler und Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft (1930) und der Episodenroman Die Gefährten (1932). Die nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 einsetzende Verfolgung von linken Oppositionellen und Intellektuellen sowie deutschen Juden, zwingt die als Jüdin, Kommunistin und links engagierte Schriftstellerin mehrfach bedrohte Anna Seghers zum Exil. Nach kurzer Gestapo-Haft gelingt ihr die Flucht über die Schweiz nach Paris. Hier schreibt und veröffentlicht Sie die Romane Der Kopflohn (1933), Der Weg durch den Februar (1935) und Die Rettung (1937); daneben entstehen die Erzählungen Die schönsten Sagen vom Räuber Woynok, Sagen von Artemis (1938) und Reisen ins Elfte Reich (1939). Zwischen 1937 und 1939 arbeitet sie am Roman Das siebte Kreuz, dessen Manuskript auf abenteuerlichen Wegen trotz des Einmarsches der deutschen Truppen in Paris (1940) gerettet werden kann.
Anna Seghers flieht zunächst von Paris nach Marseille, dann 1941 über Spanien weiter nach Mexiko. 1942 veröffentlicht sie den Roman Das siebte Kreuz und erlangt hiermit Weltruhm. 1943 verliert sie durch einen schweren Verkehrsunfall zeitweise ihr Gedächtnis; ihre Mutter wird im KZ Piaski bei Lublin/Polen ermordet. Amnesie und die Trauer um die Mutter verarbeitet sie in der Erzählung Der Ausflug der toten Mädchen (1946). 1944 erscheint ihr Roman Transit. 1947 kehrt Anna Seghers nach Deutschland zurück und entscheidet sich, nach anfänglichen Überlegungen in Mainz oder am Bodensee zu wohnen und nach ersten Wohnungen in Westberlin schließlich für den dauerhaften Aufenthalt in Berlin (DDR). Im Juli 1947 erhält sie für ihren Roman Das siebte Kreuz den Büchner-Preis. 1949 erscheinen ihr Gesellschaftsroman Die Toten bleiben jung und die Erzählung Die Hochzeit von Haiti. 1952-1978 ist sie Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbands der DDR. Sie wird mit Preisen geehrt, öffentlich gefeiert und politisch zur Legitimation des DDR-Regimes benutzt, bald zur geachteten und zugleich ungemein populären "Staatsschriftstellerin", deren Bücher hohe Auflagen erleben. Sie bekennt sich aus Überzeugung und gelegentlich (wie beim Mauerbau 1961) in prekären Situationen öffentlich zur DDR und kritisiert Missstände und unübersehbaren Fehlentwicklungen des DDR-Sozialismus nur in internen Zirkeln. Bedrängten Schriftstellerkollegen versucht sie unauffällig zu helfen, ohne mit der DDR brechen zu müssen.
Sie engagiert sich in der Weltfriedensbewegung dieser Jahre und bleibt trotz aller Rückschläge ihren gesellschaftlichen Utopien treu. 1967 gestaltet sie mit der Erzählung Das wirkliche Blau ihre Erlebnisse im mexikanischen Exil. 1971 erscheint Die Überfahrt. 1981 wird sie nach langen Auseinandersetzungen Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt Mainz. 1983 stirbt Anna Seghers in Ost-Berlin.