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Gottesurteil
Juristische Konfliktlösung ohne Schuldbeweis. Mit Hilfe des Gottesurteils glaubte man auch ohne Schuldbeweise herausfinden zu können, wer die Wahrheit sprach bzw. log. Es beruhte auf der Überzeugung, daß die göttliche Gerechtigkeit den Schuldigen kennzeichnen und dem Unschuldigen beistehen würde. Mittel dazu waren der einfache Losentscheid, ein gerichtlicher Zweikampf zwischen Kläger und Beklagtem (später auch durch bezahlte Kämpfer) oder die Feuerprobe (der Prüfling musste über glühende Kohlen oder Eisenstücke gehen, blieb er unversehrt, war er schuldlos). Besonders "gerecht" war das Verfahren der Wasserprobe. Der Beschuldigte wurde gefesselt ins Wasser geworfen. Behielt ihn das "reine Wasser", d.h. ging er unter, so war er unschuldig, kam er wieder hoch, war er schuldig. Im "Bahrgericht" wurde der mutmaßliche Mörder an die Bahre des Erschlagenen geführt. Begannen dessen Wunden zu bluten, war er schuldig. Nicht weniger seltsam mutet das Verfahren des "Kesselfangs" an: der Beschuldigte musste aus einem Kessel siedenden Wassers einen Ring oder dergleichen fischen ohne seine Hand zu verletzen.
Jeder Ritter hatte das Recht, Verleumdungen und schwere Beschuldigungen durch Anrufung des Gottesgerichtes zurückzuweisen. In feierlicher Form wurden dann vor Zeugen die Bedingungen des Kampfes festgelegt. Kranke und kampfuntüchtige Ritter konnten ebenso wie adlige Frauen einen Vertreter bestimmen. Am Kampftag, meist ein Dienstag, besuchte man am frühen Morgen die Messe und stellte sich bei Anbruch des Tages zum Kampf. Bei schweren Verbrechen war der Scheiterhaufen schon errichtet. Auch angeklagte Frauen mußten damit rechnen, sofort hingerichtet zu werden, wenn ihr Kämpfer unterlag. Vor dem Kampf schworen beide Kämpfer auf ein Kreuz oder eine Reliquie, daß ihre Aussage der Richtigkeit entsprach. Zuerst sprengten die Reiter mit eingelegter Lanze aufeinander zu. Brachte dieser Tjost keinen Sieger hervor, setzte man den Kampf zu Fuß mit dem Schwert so lange fort, bis einer von beiden kampfunfähig war. Wurde die Klägerpartei besiegt, galt die Unschuld der anderen als erwiesen. Den Kläger traf nun die gleiche Strafe, die dem Beschuldigten im Falle seiner Niederlage gedroht hatte. Wer sich als Ritter in den Zweikampf einmischte und einer Partei half, riskierte, Hand oder Fuß zu verlieren. Nichtadeligen Störenfrieden drohte sogar der Tod. Erschien eine der Parteien nicht zum Kampf, wartete man bis 3 Uhr am Nachmittag auf ihr Erscheinen. Dann bekam der Anwesende vom Richter das Recht zugesprochen und der Streit war entschieden, ohne dass Blut floss. Die Gottesurteile wurden seit etwa 1200 von der Kirche kritisiert, da sie als "Versuchung Gottes" interpretiert wurden.
In allen Fällen, wo ein Gericht kein Urteil finden wollte oder konnte bzw. ein Verurteilter keine Anstalten machte, dem Urteilsspruch Folge zu leisten, blieb dem Kläger nichts anderes übrig, als zur Selbsthilfe zu greifen. Wer sein Recht nicht selbst suchte, verspielte und verlor es, da es keine "staatliche" Instanz und keine öffentliche Gewalt (Polizei) gab, welche die Vollstreckung eines Urteils übernahm.
Erst in der frühen Neuzeit wurden mit dem Ausbau des Strafrechtes und der Vollendung der Landesherrschaft die Verfolgung, Anklage und Bestrafung der Täter zur Aufgabe "frühstaatlicher" Organe gemacht.
Der Weg der Selbsthilfe im Bereich der Rechtsordnung war die wesentliche Grundlage des mittelalterlichen Fehdewesens.
(Text: Stefan Grathoff)