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Wohnturm
Dauerhaft bewohnter Turm. Zunächst wurde die Bauform des weitgehend ungeschützten, zwei- bis dreigeschossigen Holz- und Steinhauses mit seinem meist ebenerdigen Eingang, wie sie seit Jahrhunderten in den Dörfern zu finden ist, einfach im Burgenbau übernommen. Anfang des 11. Jahrhunderts trat eine Neuerung im Turmbau ein. Die kriegerische Oberschicht baute geräumige Wohntürme von bergfriedartiger Höhe und Festigkeit, die zwei Aufgaben in einem einzigen Bauwerk vereinigen sollten: Wehren und Wohnen. Solche Bauwerke gab es in Deutschland nur selten, meist in recht einfacher Ausführung.
Einfache Wohntürme sind u.a. erhalten in Oflings bei Wangen, Reipoldskirchen/Rheinpfalz, Rittersdorf/Eifel, Kargeck/Baden, Wildeck bei Abstatt/Württemberg, Saldenburg/Bayern. In Frankreich und England sind sie dagegen häufiger zu finden und hatten meist eine größere Baumasse sowie stärkere Mauern als die deutschen Wohntürme des 11. und 12. Jahrhunderts.
Deutsche Wohntürme haben meist eine rechteckige, seit dem 12. Jahrhundert gelegentlich auch eine runde, viereckige oder vieleckige Grundfläche, deren Kantenlänge gemeinhin 15 x 15 bis 15 x 30 Meter und deren Höhe durchschnittlich 30 Meter beträgt. Runde Wohntürme gab es nur selten. Beispiele sind: Broich, Frankfurt und Gelnhausen (alle aus dem 2. Viertel des 13. Jahrhunderts).
Die frühen, wohl nach französischem Vorbild errichteten heimischen Wohntürme, fanden erst wieder gegen Ende des 12. Jahrhunderts bzw. im 13. Jahrhundert in Deutschland Nachfolger.
Der Siegburger Wohnturm wurde 1180 errichtet. Ende des 12. Jahrhunderts bauten die Herzöge von Zähringen mehrere große Wohntürme u.a. in Bern, Breisach, Burgdorf/Bern, Moudon/Freiburg und Thun. Der Baseler Bischof ließ einen Wohnturm in Kleinbasel hochziehen.
In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts schufen einige Adlige bzw. höhere staufische Ministerialen an ihren Wohnorten repräsentative Wohntürme: z.B. Albeck/Sulz-Horb (um 1240-50), Helfenberg/Heilbronn (um 1240-50), Haag/Oberbayern, Leofels/Schwäbisch Hall (um 1235-40), Rothenburg o.d.T.-Blasiuskapelle (um 1220-30) und Stauf/Hilpoltstein.
Vom Bergfried unterscheidet sich der Wohnturm vor allem dadurch, dass er ständig und nicht nur in Notzeiten bewohnt wurde. Deshalb verfügte er über eine größere Grundfläche, breitere Fenster in den Obergeschossen und zudem über eine komfortablere Ausstattung, wie etwa Aborterker und Kamine. Die Eingänge der Wohntürme befanden sich anders als beim Bergfried meist im Erdgeschoß, das in der Regel als Vorratsraum genutzt wurde. Der Zugang zu den oberen Stockwerken wurde über aus der Mauerdicke ausgesparte oder gewendelte Treppen ermöglicht. Dort gab es mehrere Räume in variabler Aufteilung, die auch eingewölbt sein konnten: heizbarer Hauptsaal, Wohn- und Sitznischen in der Mauerstärke, Kapelle und Schlafräume. Den Abschluss bildete die Wehrplatte.Siehe auch die Artikel "Patrizierturm", "Donjon" und "Geschlechtertürme".