Als Erna Maria Folz-Philipp vor über 20 Jahren begann, die Lebensgeschichte ihrer Mutter Berta aufzuschreiben, hegte sie keinen Gedanken daran, dass daraus irgendwann einmal ein Buch für die Öffentlichkeit entstehen würde. So erschien das Buch im Jahr 2000 (Berta wäre zur Jahrtausendwende hundert Jahre alt geworden) auch nur im Eigenverlag als Kleinstauflage für die Familie und Freunde.
Doch die zahlreichen positiven Rückmeldungen und insbesondere die große Nachfrage veranlasste die Autorin zu der Entscheidung, das Buch zu veröffentlichen. Herausgekommen ist ein spannendes Dokument saarländischer Heimatgeschichte.
Erzählt wird die außergewöhnliche, mitunter auch tragische Lebensgeschichte einer Frau, deren Leben am letzten Tag des 19. Jahrhunderts in der Parr beginnt und sich viele Jahre auf dem damals größten Gut der Region, dem Drehbrunner Hof zwischen Medelsheim und Niedergailbach, abspielt. Mit achtzehn Jahren zunächst als Magd von ihrem Vater auf den Hof vermittelt, heiratet die junge Berta bereits ein Jahr später den 15 Jahre älteren Gutsbesitzer Georg Folz, genannt der Folz Schorsch. Und das, obwohl sie eigentlich einen anderen Mann liebt, den jungen Notargehilfen Peter, dessen Makel es jedoch ist evangelisch und damit für Bertas katholische Familie nicht akzeptabel zu sein.
Eindrucksvoll beschreibt die Autorin in den Folgejahren das Leben auf dem abgelegenen Hof, erzählt von den arbeitsreichen Sommern, in denen bis zu 15 Tagelöhner beschäftigt und verpflegt werden mussten und den kargen, einsamen Wintern. Die Einsamkeit ist es auch, die zunehmend die Sehnsucht der jungen Gutsherrin nach einem anderen Leben schürt. Schon früh wird ihr klar, dass sie nicht ihr komplettes Leben auf dem Hof verbringen will. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes gelingt es Berta tatsächlich, dass Schorsch den Hof aufgibt, um mit ihr in Hanweiler ein neues Leben zu beginnen. Für Schorsch eine fatale Entscheidung, die der einstige Großgrundbesitzer und Landwirt mit Leib und Seele nie überwinden wird.
Wie im Prolog des Buches nachzulesen ist, erzählt Berta erst kurz vor ihrem Tod, an einem Nachmittag bei der Familie der Autorin, in einer Art Lebensbeichte von ihrem Alltag auf dem Hof, den Umständen, warum sie das Gut unbedingt verlassen wollte und dem schlechten Gewissen, das sie seither plagte.
Im 2. Teil des Buches wechselt die Autorin mit Beginn des 2. Weltkrieges in die autobiographische Form. Dabei schildert sie sehr eindringlich die Jahre des 2. Weltkrieges aus der Sicht eines jungen Mädchens. Jahre, die geprägt waren von Angst, Sorge, Flucht und Hunger. Und doch gibt es auch hier rührige Passagen, etwa wenn beschrieben wird, wie das Mädchen Erna bei der Evakuierung ihren kleinen Hund heimlich auf Kosten des eigentlichen Reisegepäcks in die Tasche schmuggelt.
Alles in allem ist der Autorin ein Buch gelungen, das nicht nur die Generation in ihren Bann zieht, die die Kriegszeiten noch selber miterlebt hat, sondern jeden, der sich für Heimatgeschichte und ihre Menschen interessiert.