Geschichte von Rüdesheim (Nahe)
Römische Straßen berührten das Gebiet der Verbandsgemeinde. In der Rüdesheimer Pommernstraße sind – wie in mindestens 13 weiteren Orten der Verbandsgemeinde – Reste einer villa rustica überliefert. [Anm. 1] Der ursprüngliche Name des am Ellerbach westlich von Bad Kreuznach gelegenen, ehemals fränkischen Ortes Rüdesheim ist umstritten. [Anm. 2] Vermutlich geht er auf Personennamen zurück. In einer Urkunde der besitzenden Grafen von Sponheim wird Rüdesheim 1100 als Schenkung an das Kloster Sponheim erwähnt. 1202 wird ein Ritter Arnold von Weinsheim bei weiteren Schenkungen in Rüdesheim genannt.
1277 fiel Rüdesheim nach der Teilung der Grafschaft Sponheim-Kreuznach an den Grafen Heinrich von Sponheim-Bolanden-Dannenfels auf Burg Böckelheim. [Anm. 3] In der Ortschronik wird eine Nachricht durch Otto von Bolanden von 1317 als „erste sichere Nachricht über das Dorf“, was darin „Rüdeßheim“ genannt wird, bezeichnet. [Anm. 4] Die Besitzverhältnisse wechselten mehrfach, bis Rüdesheim 1334 in einem Konflikt zwischen den Grafen von Sponheim und Erzbischof Balduin von Trier verwüstet wurde.
Nach dem Aussterben der Grafen von Sponheim fiel Rüdesheim 1437 zum Oberamt Kreuznach. Zwei Gerichtssiegel sind von Rüdesheim aus den Jahren 1569 und 1731 nachgewiesen. Als weitere wechselnde Besitzverhältnisse lassen sich ermitteln:
- 1576-1582: Rüdesheim gehört einer Nebenlinie der Wittelsbacher Pfalz-Lauterecken
- 1611-1674 der Nebenlinie Pfalz-Simmern
- ab 1707/08 wieder zum Kurpfälzer Oberamt Bad Kreuznach. Insgesamt 360 Jahre gehörte Rüdesheim zur Kurpfalz.
Im 18. Jahrhundert waren die Freiherren von Dalberg Besitzer eines Hofguts und der Krebsmühle. [Anm. 5] Die Einführung der Reformation wird in Rüdesheim ab 1556 angenommen. Bis ins 18. Jahrhundert wurde die Rüdesheimer Kirche simultan genutzt. [Anm. 6] 1913 gehörten die evangelischen Bewohner nach Weinsheim, die katholischen nach Roxheim. [Anm. 7] Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) und danach folgende Kriege wie beispielsweise der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688-1697) hinterließen schwere Verwüstungen in der Region um Rüdesheim und im gesamten Naheraum. [Anm. 8]
Ab 1792 besetzten die Franzosen im Zuge der Revolution von 1789 das linke Rheinufer und somit auch Mainz, große Teile der Pfalz und das Nahetal. [Anm. 9] Ab 1797 gehörten die Orte der Verbandsgemeinde Rüdesheim im Zuge einer französischen Verwaltungsreform in das Arrondissement Simmern im Rhein-Mosel-Departement. [Anm. 10] Rüdesheim wurde der Mairie (Bürgermeisterei) Mandel zugeordnet. [Anm. 11] Nach dem Wiener Kongress (1814-1815) wurde der Naheraum wieder preußisch. Das Arrondissement Simmern wurde in die neuen Landkreise Simmern, Bad Kreuznach und St. Goar aufgeteilt. Rüdesheim gehörte ab 1816 wiederum zur Bürgermeisterei Mandel. [Anm. 12]
Wirtschaftlich ging es allen Orten im Naheraum aufgrund der Kriegswirren und der Besetzungszeit jedoch anhaltend sehr schlecht. [Anm. 13] Aus dem Jahr 1847 ist bekannt, dass der Gemeinderat die Bürger für den Kauf von Grundnahrungsmitteln unterstützen musste. [Anm. 14] Eine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten stellte sich durch die seit 1896 bestehende Kleinbahnverbindung nach Bad Kreuznach ein. [Anm. 15] Die sich in Bad Kreuznach entwickelnde Industrie sorgte ohnehin ab 1897 für eine Zuwanderung der landwirtschaftlichen Arbeiter aus den umliegenden Orten, da die Löhne in der Industrie wesentlich höher waren. [Anm. 16] 1914 wurden in Rüdesheim bei einer Zählung 45 Betriebe ermittelt. [Anm. 17]
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs sind begeisterte patriotische Rufe als Äußerung der Bürger:innen in Rüdesheim überliefert. [Anm. 18] 1915 wurden 60 russische Kriegsgefangene in Rüdesheim und Hüffelsheim untergebracht. [Anm. 19]Im Jahr 1916 gab es im gesamten Amt Rüdesheim 366 russische Kriegsgefangene für Arbeiten in der Landwirtschaft. [Anm. 20] Mit den zunehmenden militärischen Misserfolgen wandelte sich auch in Rüdesheim die Stimmung gegen Kriegsende ins Negative. [Anm. 21] Aus der Zwischenkriegszeit ist von Rüdesheim bekannt, dass es 1927 bei Manövern von französischen und englischen Streitkräften zu Einquartierungen kam. [Anm. 22] Die wirtschaftliche Lage war im Ort und der Region weiterhin schlecht. Es blieb die Abwanderung zur Industriearbeit nach Bad Kreuznach, ab 1933 fuhren einige sogar immer für die ganze Woche zum Arbeiten in die Opelwerke nach Rüsselsheim. [Anm. 23]
Für die Zeit des Nationalsozialismus ist die Quellenlage in der Region schwierig. Zeitgenössische Berichte fehlen häufig und Schulchroniken wurden oft nur unzureichend geführt. [Anm. 24] Zum Teil wurden Unterlagen auch im Nachhinein vernichtet. [Anm. 25] Bekannt ist von Rüdesheim, dass es dort 1935 eine Kriegerkameradschaft gab. Diese Kameradschaften entstanden in vielen Orten aus ehemaligen Kriegervereinen des Ersten Weltkriegs neu.
Von 1950 bis 1964 setzte eine rege Bautätigkeit mit insgesamt 814 Wohneinheiten und sieben Schulen im Raum des Amtes Rüdesheim ein. [Anm. 28] Nach einer Verwaltungsreform entstand aus der vormaligen Verbandsgemeinde Rüdesheim im Jahr 1970 die Verbandsgemeinde Rüdesheim/Nahe, zu der auch Rüdesheim gehört. [Anm. 29] Seit dem 1. Januar 2017 gehören der Verbandsgemeinde 32 eigenständige Ortsgemeinden an. Der Verwaltungssitz ist in der namensgebenden Gemeinde Rüdesheim an der Nahe. [Anm. 30]
NACHWEISE
Verfasserin Text: Marion Nöldeke
Verwendete Literatur:
- Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler Kreis Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1987, S. 98, http://denkmallisten.gdke-rlp.de/Bad_Kreuznach.pdf (Aufruf: 10.06.2022).
- Seil, Rainer: Chronik der Ortsgemeinde Rüdesheim. Ortsgemeinde Rüdesheim 1998.
Erstellt am: 10.06.2022
Anmerkungen:
- Seil 1998, S. 47. Auf den Seiten 42 bis 47 stellt der Autor vor- und frühgeschichtliche Funde und ältere Forschungsmeinungen zu verschiedenen Orten der Verbandsgemeinde vor. Auf den S. 48-51 werden die Reste der villa rustica von Hüffelsheim (Bad Kreuznach) und Boos beschrieben. Zurück
- Seil 1998, S. 106. Zurück
- Seil 1998, S. 106. Zurück
- Seil 1998, S. 442. Zurück
- Seil 1998, S. 106. Zur Bezeichnung „Krebsmühle“ liegen keine weiteren Angaben vor. Zurück
- Seil 1998, S. 442. Zurück
- Seil 1998, S. 453. Zurück
- Seil 1998, S. 134-135. Auf den Seiten 131-136 schildert der Autor den Dreißigjährigen Krieg im Naheraum ausführlich, ab S. 136ff. folgen die Schilderungen weiterer Kriegsgeschehnisse mit Angaben der jeweils entstandenen Schäden. Zurück
- Seil 1998, S. 142. Zurück
- Seil 1998, S. 148. Zurück
- Seil 1998, S. 149. Zurück
- Seil 1998, S. 154. Zurück
- Seil 1998, S. 155, 158 ff.. Zurück
- Seil 1998, S. 162-163. Zurück
- Seil 1998, S. 175. Zurück
- Seil 1998, S. 174-175. Zurück
- Seil 1998, S. 183. Zurück
- Seil 1998, S. 180. Zurück
- Seil 1998, S. 184. Zurück
- Seil 1998, S. 185. Zurück
- Seil 1998, S. 188-189. Zurück
- Seil 1998, S. 198. Zurück
- Seil 1998, S. 204. Zurück
- Seil 1998, S. 204. Zurück
- Seil 1998, S. 205. Zurück
- Seil 1998, S. 211. Zurück
- Seil 1998, S. 215-231. Zurück
- Seil 1998, S. 232-233. Zurück
- Seil 1998, S. 247. Die Verbandsgemeinde hatte 1970 die Einwohnerzahl von 19687 Bewohnerinnen und Bewohnern. Zurück
- u.a. Seil 1998, S. 19. Zurück