Rheingauer Heimatforschung

Helga Simon

Eltville - die älteste Stadt im Rheingau

 

Eltville hat 1332 von Kaiser Ludwig dem Baier die Stadtrechte erhalten und ist damit die erste und bis ins 19. Jahrhundert auch die einzige Stadt im Rheingau gewesen. Im 14. und 15. Jahrhundert war Eltville Residenz der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten. In dieser Zeit lebten zahlreiche einflussreiche Adelsfamilien in unserer Stadt, darunter auch Vorfahren und Verwandte Gutenbergs. Der Erfinder der Druckkunst mit beweglichen Lettern erhielt hier die einzige Ehrung seines Lebens. Die Urkunde wurde in der Eltviller Burg ausgestellt. Zu Gutenbergs Lebzeiten und vermutlich auch mit seiner Hilfe entstand ein lateinisches Wörterbuch, dadurch zählt Eltville zu den sogenannten Wiegendruckstätten.


Obwohl bei einem Brand der Burg im 14. Jahrhundert und bei einem Kirchturmbrand 1682 wertvolle Urkunden verlorengingen, ist die Blütezeit im Mittelalter gut dokumentiert. Anlässlich der Übernahme der kurfürstlichen Burg im Jahre 1936 durch die Stadt Eltville widmete der Nassauische Altertumsverein den 56. Band seiner Nassauischen Annalen der Stadt Eltville. Er beinhaltet eine wertvolle Dokumentation von Dr. A. Milani über die Baugeschichte der Eltviller Burg. Ein 1969 erschienenes zweibändiges Werk von Dr. Werner Kratz. „Eltville - Baudenkmale und Geschichte", und das 1983 herausgegebene Buch „Eltville am Rhein - 650 Jahre Stadt- Geschichte, Kultur, Landschaft" sowie verschiedene ortsgeschichtliche Abhandlungen über Erbach, Hattenheim, Martinsthal und Rauenthal vermitteln eine relativ lückenlose Darstellung der Stadtgeschichte. Für das 19. und 20. Jahrhundert ist allerdings noch einiges aufzuarbeiten. Hier finden Heimatforscher ein weites Betätigungsfeld.

Vor fünfzehn Jahren noch schauten die Eltviller neidvoll nach Niederwalluf, wo es mehrere Archivare gab, die in einem gemeindeeigenen Archivraum zusammenkommen, alte Urkunden studieren und ortsgeschichtliche Forschungen betreiben konnten. In Eltville war das in dieser Form nicht möglich. Es gab zwar einige Mitbürger, die sich intensiv für die Ortsgeschichte interessierten, es war aber stets mit großen Umständen verbunden, wenn man im Keller des Rathauses alte Unterlagen einsehen wollte. Herrn Hoffmann, der als Bürgermeister von Walluf nach Eltville wechselte, haben wir zu verdanken, dass 1996 im Stadtturm in der Rheingauer Straße ein Archiv und Arbeitsräume für Archivare eingerichtet wurden, die den Namen „Zentrum für Eltviller Stadtgeschichte" erhielten. Jeden Montag von 16-18 Uhr ist das Archiv im Turm für interessierte Besucher geöffnet, und über mangelnden Besuch können sich die Archivare bisher nicht beklagen, was nicht zuletzt auch auf den Standort des Archivs im Turm des ehemaligen Sülztores zurückzuführen ist. Der Turm wurde im 19. Jahrhundert neugotisch aufgestockt. Vom Besucherraum im oberen Stockwerk genießt man einen herrlichen Ausblick. Zahlreiche Eltviller Bürger sowie fast alle im Rheingau tätigen Heimatforscher haben unserem Archiv bereits einen Besuch abgestattet. Dabei ist es gar nicht so gut bestückt. Drei Rathaus-Umzüge hat es überleben müssen, sogar die Aktivitäten des Sohnes des ersten Eltviller Bürgermeisters, der 1854 alte Aufzeichnungen als Wurstpapier an die Metzger verkauft hat, darunter auch das sogenannte Oberamtsbuch mit Eintragungen aus dem 16. Jahrhundert. Interessierte Bürger konnten es - Gott sei Dank - zurückkaufen. Es diente F.W.E. Roth als Grundlage für sein Buch zu den Geschichtsquellen des Niederrheingaus und in jüngster Zeit Dr. Peter Jeschke als Quelle für seine Studien zur Rheingauer Rechtsgeschichte des 16. Jahrhunderts. Stockbücher, Ratsprotokolle und Rechnungsbücher ab Ende des 18. Jahrhunderts sowie der „Rheingauer Bürgerfreund" vom Jahre 1866 an bis 1935 sind noch vorhanden.

Schon zweimal wurde ein Treffen der Archivare des oberen Rheingaus arrangiert, um sich gegenseitig kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Bei den Leseabenden, die die Gesellschaft zur Förderung der Rheingauer Heimatforschung organisiert, treffen sich im Winterhalbjahr hier jeweils ca. zwanzig interessierte Heimatforscher zum „Alte Schriften Lesen". Diese Abende sind gleichzeitig Lehrstunden für Rheingauer Geschichte. Auch die Gästeführer sind eifrige Nutzer des Archivs und sehr dankbar, daß sie hier eine reichhaltige Rheingaubibliothek vorfinden, die in jüngster Zeit durch die Spende eines privaten Bücherschatzes bereichert wurde. Die Gästeführer finden hier wertvolle Hilfe bei der Ausarbeitung ihrer zahlreichen Themenführungen. Darüber hinaus hat der Verein der Eltviller Gästeführer beschlossen, eine Quellensammlung anzulegen, die im Archiv deponiert werden soll. Aus den Erfahrungen ihrer 28-jährigen Tätigkeit als Gästeführerin hat Dr. Margarete Prüch als ein Beispiel für junge Heimatkunde spezielle Führungen für Kinder durch Kloster Eberbach entwickelt und in dem hübsch illustrierten Buch „Bonifaz - die Klostermaus" zu einem dauerhaften Erlebnis für Kinder gestaltet.

Die von der Stadt ernannten sechs Archivare können nun, wann immer sie wollen, im städtischen Archiv ihre Studien betreiben, die sich in heimatkundlichen Vortragen im Gelben Saal der kurfürstlichen Burg und verschiedenen Publikationen, u.a. im RHEINGAU FORUM, im Rheingauer Heimatjahrbuch und im Wiesbadener Kurier, niederschlagen. Im Rahmen ihrer Arbeit im und für das Archiv haben die Archivare unterschiedliche Aufgaben übernommen: Harald Bukor und Dr. Peters betreuen das Findbuch, registrieren Neueingänge und nehmen kleine Ausbesserungsarbeiten vor. Harald Bukor konzipierte und betreut darüber hinaus die Ausstellung „Historische Sammlung" in der kurfürstlichen Burg. Gisela Köhler und Paul Scharhag pflegen die Foto-, Dia- und Filmsammlung. Ernestine Pietrzak ist für das Zeitungsarchiv zuständig und übernimmt Akten aus dem jetzigen Rathaus, die beim Umzug in das neue aussortiert werden. Ich bemühe mich, ein „Eltviller Namenslexikon" zu erstellen, betreue Besucher und beantworte Anfragen, die an die Stadt oder auch direkt an mich gerichtet werden. Sie kommen meist von Familienforschern. Leider fehlen entsprechende Unterlagen, so dass meist nur der Verweis auf die Kirchenbücher in Limburg oder auf „Norbert Michel's Rheingau Genealogie" möglich ist.

Vieles wäre noch zu berichten. Mit diesen Ausführungen kann jedoch nur ein kleiner Überblick über die Arbeit im Eltviller Archiv vermittelt werden. Die Archivare freuen sich über interessierte Besucher; denn die Auseinandersetzung mit den von ihnen gestellten Fragen erweitert nicht zuletzt auch den eigenen Horizont.

Zu den angegebenen Öffnungszeiten können auch telefonische Auskünfte erteilt werden. Um eine effektive Zeiteinteilung zu gewährleisten, wird um Voranmeldung gebeten beim Zentrum für Eltviller Stadtgeschichte - Rheingauer Straße 56 -Telefon: 06123/902983 oder bei einem der zuständigen Archivare. Vorwahl: 06123- Bukor (2710); Köhler (62239); Dr. Peters (2718); Pietrzak (61207); Scharhag (2378); Simon (3437).

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