Das Hospital zu Geisenheim
Der Zeitschrift „Kulturbilder aus der Geschichte des Rheingaues" von F.W.E. Roth, Archivar a.D., erschienen 1895 in Rüdesheim am Rhein, Druck und Verlag von Fischer & Metz, entnehmen wir den Beitrag „Das Hospital zu Geisenheim".
Veröffentlicht in den Rheingauischen Heimatblättern
01 / 1986
Geisenheim besaß nachweislich 1505 ein Hospital, welches aber jedenfalls in frühere Zeiten zurückreicht. Dasselbe lag Ecke der Neugasse und Landstraße an dem noch vorhandenen Brunnen. Nach Sitte früherer Zeiten war es für Pilger, Reisende, Kranke und Alternde zugleich bestimmt und bildete für Geisenheim eine wichtige Anstalt in einer Zeit, in der es keine entsprechenden Gasthäuser und Herbergen für Reisende und Pilger, keine Irrenhäuser zur Aufnahme geistig Erkrankter, keine Idiotenanstalten und nur vereinzelte Ärzte, die Städte ausgenommen, gab. Gesunde, welche durchreisten, erhielten gegen Bezahlung Lagerstätte und Essen und Trinken oder bereiteten sich ihre mitgebrachten Speisen am Feuer des Hauses selbst. Alternde wurden verpflegt, Manche umsonst, Andere in Aussicht auf ihr Erbe, das dem Hospital nach ihrem Tode zufiel. Irre und Blödsinnige nahm das Hospital auf und schützte auf diese Weise die Mitmenschen vor ihren Ausschreitungen, Kranke fanden Behandlung und Arzneimittel. Jedenfalls entsprach das Geisenheimer Hospital in älteren Zeiten dieser allgemein üblichen Einrichtung, wenn auch hierüber jeder urkundliche Anhaltepunkt fehlt.
Die Zeit der Stiftung des Geisenheimer Hospitals ist, wie bemerkt, unbekannt. Im Jahre 1505 auf Montag vor Sanct Thomastag, des heiligen Apostels, erklärten Schultheiß und Schöffen des Gerichts zu Geisenheim, daß Bentzelhengin ihr Mitbürger und Grede dessen Gattin sich verpflichteten, jährlich auf Weihnachten den Vormündern und Riegern des Spitals zum heiligen Geist zu Geisenheim, welche jetzt sind oder künftig von einem ehrsamen Rath verordnet werden, einen Gulden Weißpfennig, 24 davon auf den Gulden gerechnet, von ihrem Haus und Hof unten Philipp Hen, oben Bentzelhen Peter zu reichen und das Haus frei von Bede, Dienst, Atzung, Schätzung und anderer Beschwerung zu halten. Schultheiß und Gericht zu Geisenheim besiegelten diese Versicherung. (Originalurkunde im Rathhausarchive zu Geisenheim.)
Im Jahre 1538 erklärten Schultheiß und Schöffen des Gerichts zu Geisenheim, daß Claiß Scherer und Elisabeth Eheleute sich verpflichteten, auf Pfingsten den Spitalpflegern zu Geisenheim 11/2 Gulden Rente Mainzer Währung zu reichen und verpfändeten dafür ihr Feld auf dem Breidert, auf dem Colsberg, neben den Gunkern von Üben gelegen. Auch hier siegelten Schultheiß und Schöffen des Geisenheimer Gerichts. 1546 Montags nach Dreikönigstag, den elften Januar, beurkundeten Michel Schlarp, Schultheiß, Johannes Eisfo-gell, Hans Bauer, Donges Clump, Donges Leidecker, Belte Rants, Jacob von Steden und Hartman von Neuendorff als Schöffen des Gerichts zu Geisenheim, daß Jacob Noll und Margarethe Eheleute dem Rath zu Geisenheim, als Verweser des Hospitals zum heiligen Geist zu Geisenheim, 12 Weißpfennig Rente und zwar dem Spitalpfleger, welchen jährlich Edle und Rath ernennen, zu Weihnachten zahlen wollen, nachdem sie von dem Hospital zehn Gulden Kapital entliehen.
Das Geisenheimer Hospital war nach und nach durch Vermächtnisse in Besitz von Capitalien und Ländereien gelangt, wovon es die ersteren auf Zinsen lieh, letztere entweder selbst bewirtschaftete oder verpachtete. Montag nach Martini 1566 verschrieben vor Schultheiß und Schöffen des Geisenheimer Gerichts Deobalt Hetzer, Loher (Gerber) und Elsa Eheleute zu Geisenheim dem Hospital 1 Gulden 6 Weißpfennig Zinsen für ihnen vorgestrecktes Capital.
Im Jahre 1593 vermachte Matthes Fauck, Bürger, Rath und Gerichtsschöffe zu Geisenheim, dem Hospital 1000 Gulden und wies die Zinsen auf den Flecken Wörrstatt in der Pfalz an. Die Gemeinde Wörrstatt mußte deshalb jährlich 30 Malter Korn liefern. Es war dieses die Fauck'sche Stiftung.
Das Hospital zu Geisenheim war, wie die meisten derartigen Anstalten am Rhein, dem heil. Geist geweiht und hiernach benannt. Vorstand desselben war der Rath zu Geisenheim, der alljährlich einen Spitalmeister ernannte und bezahlte. Die Güter verwaltete ein Spitalhofmann. 1647 am 2. März ward Hans Peter Wohnhart zu einem solchen Spitalhofmann ernannt und ihm unter Abnahme des Handgelöbnisses die nachstehende Hospitalordnung zu halten auferlegt. Der Spitalhofmann soll im Hospital selbst wohnen, dessen Schaden abhalten, auf das Feuer Acht haben, auf Dach, Fach und Gebäude sein Augenmerk verwenden und Schadhaftes dem Spitalmeister bei Zeiten anzeigen. Den zum Hospital gehörigen Garten soll er richtig bebauen, die Weinstöcke pflegen und nicht ausgehen lassen, auch mit den nöthigen Stöcken und Latten versehen. Arme, Gesunde wie Kranke, welche um Herberge bitten, soll er ausfragen, ihre Namen, Vaterland, Stand und nähern Verhältnisse erkundigen und bei vorhandener Verdächtigkeit solches dem Schultheißen oder dem Spitalmeister alsbald melden. Er durfte ohne Erlaubnis der Obrigkeit oder des Spitalmeisters Niemanden über zwei bis drei Tage längstens beherbergen. Die armen Kranken sollte er nach besten Kräften pflegen und ihnen von mildherzigen Leuten dargebrachte Geschenke geben. Kann einer solcher Kranken nicht weiter reisen, so soll der Spitalhofmann dafür sorgen, daß er zu Wasser oder zu Land weggefahren werde. Will ein Kranker beichten und das Abendmahl empfangen, so soll der Spitalhofmann solches dem Ortspfarrer anzeigen. Stirbt Jemand im Spital, so ist der Spitalhofmann verpflichtet, dieses der Spitalnachbarschaft anzuzeigen, um den Todten mit Wissen des Pfarrers zu beerdigen, wofür die Nachbarschaft vom Spitalhofmann nach altem Herkommen ihr Gebühr erhält. Das Holz, welches in das Spital vom Spitalmeister gefahren wird, soll er für die Noth sparen und nicht für sich verwenden. Der Spitalhofmann war als solcher von der Taghut oder der Nachtwache befreit und hatte darin die Wahl. Will er nicht mehr länger Spitalhofmann bleiben, so steht ihm wie auch dem Rath vierteljährige Kündigung zu.
Am 24. Mai 1653 wurde nach dem Rücktritt des bisherigen Spitalhofmanns Hans Peter Wohnhart der Arnold Westhoven, aus Deutz bei Cöln gebürtig, Spitalhofmann. Er bekam das Inventar überliefert, stellte zwar gegen den üblichen Gebrauch keine Bürgschaft, hinterlegte aber seinen Taufschein nebst seinem Kriegsabschiedsbrief, womit der Rath zu Geisenheim für dieses Mal zufrieden war.
Die Gemeinde Wörrstatt zahlte ihre Zinsen nachlässig. Bereits am 9. November 1625 hatte der Rath zu Geisenheim dieselbe um Zahlung ersuchen müssen, um die Hausarmen zu befriedigen. Ein Ergebnis ist nicht näher bekannt. Im Jahre 1672 war Wörrstatt wiederum rückständig. Diese Mal wandte sich der Geisenheimer Rath an den Landesherrn der Wörrstatter, den Rheingrafen. Am 8. Mai 1672 schrieb der Rheingraf zurück, er habe den Bürgermeister zu Wörrstatt angewiesen, dem Hospital zu Geisenheim den Rückstand an Gefallen zu liefern. Auch hier ist das Resultat unbekannt, jedenfalls genügte aber der Befehl des Rheingrafen.
Durch die veränderten Zeitverhältnisse, das Entstehen von eigentlichen Gasthäusern und Herbergen, hatte auch das Geisenheimer Hospital, wie die meisten am Rhein, seine Bedeutung verloren und war im vorigen Jahrhundert zum Armen- und Pfründnerhaus geworden. Vier Zimmer des Hospitals waren für arme Pfründner, ein fünftes für durchreisende Arme bestimmt. Arme Durchreisende erhielten Nachtquartier und Essen, auch nötigenfalls etwas Proviant mit auf den Weg. Der Geisenheimer Pfarrer Neeb, ein warmer Freund der Nothleidenden, hatte das Gebäude erneuern lassen. Die Renten bestanden in dreißig Malter Korn zu Wörrstatt, der Fauck'schen Stiftung und etlichen Ländereien. Als die französische Revolution ausbrach und die Neufranken sich der Gebiete am Rhein bemächtigten, und alle geistlichen Stiftungen auf der linken Rheinseite aufhoben, betraf dieses auch die Zinsen zu Wörrstatt. Damit hatte das Hospital zu Geisenheim seine Haupteinkünfte verloren, andere Bezüge waren bereits im dreißigjährigen Kriege zu Grunde gegangen oder durch die Kriegsschulden aufgebraucht. So hatte denn die Stunde der Auflösung für das Hospital geschlagen. Vor dem dreißigjährigen Kriege hatte das Hospital 37 Gulden 6 Kreuzer ständige, 61 Gulden 41 Kreuzer ablösbare Zinsen, nebstdem 230 Gulden von 4600 Gulden Capitalien Rente außer der Fauck'schen Stiftung. Mühselig und nur mit äußerster Sparsamkeit erhielt sich das Hospital zu Geisenheim, einst eins der reichsten am Rhein, bis 1810, in welchem Jahre die Rechnungen aufhören. Die liegenden Güter und das Haus selbst wurden zur Aufbesserung der Lehrergehälter zu Geisenheim, theilweise für sonstige Zwecke der Gemeinde verwendet. Eine Kurmainzer Verordnung vom 17ten Januar 1772 hatte die Aufhebung der Hospitäler im Rheingau und Beschäftigung ihrer Insassen mit Flachs-, Hanfoder Werg-Spinnen angeordnet, wofür denselben ein Tagelohn gezahlt werden solle, es ist aber unbekannt, ob diese Anordnung zu Geisenheim zur Ausführung kam. Bemerkt sei noch, daß die Straße, an welcher das Hospital lag, früher nicht Neugasse, sondern Hospitalstraße, dagegen die von dem jetzigen Hospital benannte Hospitalstraße früher Mühlweg und Mühlstraße hieß.