Das Juden-Pogrom von 1096: Juden und Christen zwischen Koexistenz und Konfrontation
Im 11. Jahrhundert genossen die Wormser Juden (wie die Urkunden von 1074 und 1090 zeigen) besondere Privilegien (z.B. Zollfreiheit) und den besonderen Schutz des Kaisers.
Dafür war eine Gegenleistung fällig. Die Geschützten zahlten Geldbeträge an die kaiserlichen Finanzkasse. Das Verhältnis zu den christlichen Mitbürgern scheint weitgehend friedlich gewesen zu sein.
In der Realität war das Schutzversprechen des Kaisers aber noch keine Schutzgarantie, sondern hing von den örtlichen Machtverhältnissen ab.
Pogrome zu Beginn des 1. Kreuzzugs
Als im Frühjahr des Jahres 1096 die Kreuzfahrer sich von Frankreich aus auf den Weg ins Heilige Land machten, führte sie ihr Weg durch die Städte am Rhein. Der Kaiser war in dieser Zeit in Italien und konnte nicht direkt eingreifen.
In Trier, Worms und Mainz kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen jüdische Bürger, verbunden mit Plünderungen, Ermordungen und Zwangstaufen.
Über die Motive herrscht in den christlichen und hebräischen Quellen (Bsp. hebräische Quelle) weitgehend Einigkeit: 1. Rache an den Christusmördern und Durchführung der Taufe sowie 2. manchmal auch aus Habgier.
Tod oder Taufe
Das wichtigste Motiv für den Kreuzfahrer ist das der religiösen Überzeugung: Er wollte nach Jerusalem pilgern, um gegen die Feinde der Kirche zu kämpfen, und sah in seinem Kreuzzug eine Art Missionierungs- und Bekehrungsauftrag. Dass er damit im eigenen Land begann, war für manche vielleicht die logische Folge.
Allgemein gerechtfertigt wurde dieses Vorgehen gegen die Juden mit der „Rache für den Tod Jesu Christi“, der von den Juden gekreuzigt worden war.
Die Quellen berichten von Zwangstaufen, in denen Juden vor die Wahl gestellt wurden: „Tod oder Taufe!“
Viele von ihnen bekannten sich jedoch zu ihrem Glauben und wurden darauf hin von den Kreuzfahrern auf brutale Weise ermordet, oder aber begingen Selbstmord, um der Zwangstaufe zu entgehen. In Worms sollen bis zu 800 Juden das Leben verloren haben.
Außerdem gab es Mitläufer. All diejenigen, die sich vom Toben der Menge haben mitreißen lassen und an dem Blutrausch teilhatten.
Schützen konnte oder wollte der Wormser Bischof die Juden nicht. Auch die Mitbewohner, die Schutz versprochen hatten, hielten nicht ihr Wort.
Zum zweiten bleibt noch das Motiv der Habgier. Die Kreuzfahrer plünderten das Hab und Gut der Juden und bereichterten sich damit.
Sie waren oftmals überhaupt nicht daran interessiert, die Juden zu bekehren und zu taufen.
Obwohl die Kirche die Verfolgung der Juden verbot und die jüdische Religion tolerierte (Jesus war Jude), wurden sie doch als Gegner der Kirche angesehen. Kleiderordnungen und Eheverbote sollten die Christen und Juden trennen.
Jedoch mindestens genauso wichtig zu erwähnen bleibt, dass es nicht nur Verfolgung und Verrat, sondern auch versuchter Schutz gab:
Es gibt Berichte von Zwangstaufen, die nur zum Schutz der Juden stattgefunden haben.
In diesem Fall handelte es sich oft um Einwohner der Städte, die mit den Juden einen durchaus positivem Umgang pflegten, und sie zumindest zu schätzen wussten – aus welchen Gründen auch immer.
Das Pogrom 1096 in Worms
Um nun wieder auf den konkreten Fall von 1096 in (u.a.) Worms zurückzukommen – Der Bischof zu Worms erlaubte es den Verfolgten, sich in seinem Palast einzufinden und sich zu verbarrikadieren.
Eine Woche hielten sie der Masse der Kreuzfahrer stand, bevor diese schließlich stürmten.
Hier wirft sich vor allem die Frage auf, was Kaiser Heinrich IV., unter dessen Schutz die Wormser Juden ja standen, zu dieser Zeit getan hat, um seine Schützlinge zu unterstützen.
Tatsächlich war es so, dass Heinrich sich in Italien befand, als die Pogrome stattfanden, während hierzulande sein Einfluss immer geringer wurde.
Der Einfluss der schutzgewährenden Person war im Mittelalter immer ausschlaggebend für die Bedeutsam- oder einfach nur schlicht Gültigkeit eines Schutzversprechens.
Ein weiterer Faktor ist natürlich auch die Entfernung und die Zeit also, die man im 11. Jhd. brauchte, um erst Boten oder gar Soldaten von Italien bis ins Rheinland zu schicken.
Es lässt sich wohl vermuten, dass hinter dem Versagen der Hilfe Heinrichs keine Unzuverlässigkeit, sondern die Begrenztheit seiner Mittel der ausschlaggebende Punkt für sein Scheitern darstellten.
Im späteren Mittelalter nahmen die Pogrome deutlich an Häufigkeit und Verbreitung zu. Zu besagter Zeit gehört das, so erschreckend es klingen mag, sozusagen fast zum Alltag.
Im 11. und 12. Jhd. jedoch galt noch: Entgegen dem Eindruck, den die Pogrome und Kreuzzüge hinterlassen, waren die Juden im Allgemeinen willkommen, weil sie in den Städten doch vielerorts deren wirtschaftlichen Aufschwung mittrugen.
(Text: Hauptverantwortlich in der Gruppe: Alexandra Rupp)