Frei-Laubersheim in Rheinhessen

Johann Georg Balthasar Matty

Im 19. Jh. entwickelte sich trotz ständiger Rückschläge in Deutschland allmählich das parlamentarische System. Ausgelöst von der Französischen Revolution ging es um Bürgerrechte in Form von Freiheits- und Gleichheitsrechten in Verbindung mit einem Staats- und Regierungssystem, das diese Rechte schützen konnte. Dazu gehörte vor allem auch ein demokratisches Wahlsystem. Männer wie Balthasar Matty kämpften für diese Ziele und mussten dafür einen hohen Preis zahlen. Auch wenn viele dieser Ziele erst 1919 in der Weimarer Verfassung tatsächlich Realität wurden, ist es das Verdienst Mattys und anderer Männer und Frauen, dass wir diese Rechte heute als selbstverständlich wahrnehmen können.


Balthasar Matty wurde am 22. Mai 1804 in Alzey geboren. Seine Mutter Anna Barbara starb als er 12 Jahre alt war. Von 1826 bis 1829 arbeitete Matty als Vikar in Alzey und übernahm dann 1829 die evangelische Pfarrstelle in Frei-Laubersheim. Kurz darauf heiratete er am 19. Januar 1830 die um ein Jahr jüngere Pfarrerstochter Charlotte Paul. Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder hervor, von denen allerdings 2 im Kleinkindalter starben. Matty war der erste, der mit seiner großen Familie das im Jahr 1836 erbaute ev. Pfarrhaus bewohnte.

Matty nahm am Hambacher Fest teil, engagierte sich in der bürgerlichen Revolution 1848/1849 und wurde 1850 wegen seines Kampfes für Freiheit und Demokratie vor dem Assisengericht (Geschworenengericht)  in Mainz angeklagt und danach in einem Disziplinarverfahren aus dem Kirchendienst entfernt. Der 1907 in Fürfeld geborene ev. Theologe Prof. Heinrich Steitz schreibt über das Disziplinarverfahren gegen Matty in seiner "Geschichte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau": "Die Gründe für seine Entlassung lagen allein in seiner politischen Gesinnung. Zu einem Disziplinarverfahren konnte nur ein Vergehen in Bezug auf den Dienst, seinen Wandel oder sein Familienleben in Frage kommen. Ein solches Vergehen lag nicht vor, wurde auch nicht angezeigt. Im Gegenteil: Pfarrer Matty stand in hohem Ansehen und war beliebt. Auf den Jahresversammlungen des Gustav-Adolf-Vereins seines Bezirks war er jedesmal fast einstimmig zum Vorsitzenden gewählt worden." Im Urteil des Oberkonsistoriums bescheinigte man Matty, dass er „eine Reihe von Jahren hindurch zur Zufriedenheit der ihm vorgesetzten Behörde gewirkt“ hätte und eine Wiedereinstellung möglich sei, wenn Matty „in Zukunft“ auf seinen Kampf für Freiheit und Demokratie verzichten würde. Aber gegen seine Überzeugung zu handeln - dazu war Matty nicht bereit!

Sitzungssaal des Assisengerichts zu Mainz 1850

Bei seiner Frei-Laubersheimer Kirchengemeinde war Matty offenbar ein sehr angesehener Pfarrer. Während seiner Suspendierung aufgrund des Strafverfahrens schrieb Pfarrer Walloth, der Dekanatsverweser, im Mai 1850 an die Großherzogliche Superintendantur zu Mainz, dass die Eltern der Konfirmanden eine Erklärung zugunsten Mattys mit 18 Namensunterschriften eingereicht hätten. Darin bekundeten die Eltern „dass sie sowohl mit dem Unterricht, als der Konfirmation ihrer Kinder warten wollten, bis ihr Pfarrer Herr Matty, zurückgekehrt sei.“

Auch der Bericht des Hess. Landtages aus dem Jahre 1868 bestätigt seine herausragende Arbeit als Pfarrer in Frei-Laubersheim, in dem es heißt, dass Matty als ev. Pfarrer zu Frei-Laubersheim „in dieser Stellung hinsichtlich seines sittlichen Verhaltens und seiner Amtsführung bis zum Jahr 1850 niemals Anlaß zu Beschwerden und Tadel gegeben, wohl aber mehrmals von seinen vorgesetzten Behörden ausdrücklich lobende Anerkennung seiner pünktlichen und ersprießlichen Amtsführung erhalten hat, daß jedoch, schon im Anfang des Jahres 1849 beschwerende Anzeige – (von wem? darüber enthalten die mitgetheilten Actenstücke nichts ) – gegen ihn dahin erhoben worden, daß er sich in höchst ungehöriger Weise an den politischen Agitationen des Jahres 1848 und später bis zum Mai 1849 beteiligt … habe“.

Gegen Ende seiner Frei-Laubersheimer Zeit wurde Matty als Abgeordneter in den Großherzoglich-Hessischen Landtag gewählt, dem er in den Landtagsperioden von 1849 bis 1856 und von 1872 bis 1881 angehörte. Ludwig Bamberger, ein Zeitgenosse Mattys, der einer der prominentesten Mainzer Demokraten und später ein Freund des Reichskanzlers Otto von Bismarcks war, urteilte in seinen Memoiren über Pfarrer Matty, dass dieser „einer der bedeutendsten Liberalen des Landes gewesen sei“!

Johann Georg Balthasar Matty starb am 7. Januar 1883 im Alter von 78 Jahren in seinem Haus in Alzey, das in der Bahnhofstraße „Auf dem Judengraben“, heute Antoniterstraße, lag.

Zur Erinnerung an Pfarrer Matty wurde an der Außenmauer des ehemaligen evangelischen Pfarrhauses von Frei-Laubersheim. in dem Balthasar Matty mit seiner Familie gewohnt hatte, im Jahr 2021  eine Gedenktafel angebracht.

 

Dipl.-Hdl. Wolfgang Zeiler 2016

 

Eine umfangreichere Darstellung findet sich in den Alzeyer Geschichtsblättern:

Zeiler, Wolfgang: Johann Georg Balthasar Matty - evangelischer Pfarrer in Frei-Laubersheim von 1829 - 1851. Eine fragmentarische Annäherung , insbesondere an seine Frei-Laubersheimer Zeit; in: Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 40, 2013; S.93 -114

Anhang:

Die konfessionellen Gliederungen der Gemeinde Frei-Laubersheim im Jahr 1818

Aus dem Jahre 1818 liegt eine umfangreiche Erhebung über die Zugehörigkeit der einzelnen Gemeindemitglieder zu den religiösen Gliederungen vor. Von den 631 in Frei-Laubersheim wohnenden Bürgern gehörten 407 zu den Reformierten (200 männlich/ 207 weiblich), 181 zu den Katholiken (81 m/100w), 33 zu den Luheranern (10 m/23 w) und 10 waren jüdischen Glaubens (3m/7w).