Westerwald

Raiffeisens Wirken in Flammersfeld (1848-1852)

Die vier Kinder von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und seiner ersten Frau Emilie. Von links nach rechts: Bertha, Rudolf, Amalie, Caroline.[Bild: Unbekannt [gemeinfrei]]
Aktuelle Aufnahme der ehemaligen Bürgermeisterei in Flammersfeld. Heute ist hier das Raiffeisenhaus Flammersfeld beheimatet. [Bild: IGL-Bildarchiv]

Im April 1848 nahm Raiffeisen seine Tätigkeit im ebenfalls ländlich geprägten Flammersfeld auf. Kurze Zeit später kam hier seine zweite Tochter Caroline zur Welt.

In Flammersfeld befasste sich Raiffeisen u. a. mit der Einführung einer neuen Gemeindeordnung, der Aufforstung, der Fortsetzung der Rheinstraße und dem Bau der sogenannten Zweiten Raiffeisenstraße von Flammersfeld über
Asbach nach Honnef. Straßenbau und Forstarbeit schufen Arbeitsplätze, da Raiffeisen sie nicht mehr in Fronarbeit
erledigen ließ, wie von der preußischen Regierung vorgesehen. Armenzahlungen an Arbeitsfähige aus der Gemeindekasse knüpfte er an die Bedingung einer Tätigkeit, wie es in protestantischen Gegenden bereits lange üblich war.

Gusseiserne Tafel an der Wiedbrücke
„Bruchermühle“ zum Gedenken an ihre Erbauung im Jahr 1852.
[Bild: Deutsches Raiffeisenmuseum/ Sarah Traub]
Im März 1984 erhielt die von Raiffeisen ausgebaute Straße die Bezeichnung „Historische Raiffeisenstraße“. Seit 2014 weist dieses Schild überall an ihrem Verlauf darauf hin. [Bild: Deutsche Friedrich- Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft]

Am 1. Dezember 1849 gründete Raiffeisen zusammen mit 60 wohlhabenden Bürgern den „Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirthe“. Dieser sollte keinen akuten Mangel beheben, sondern grundlegende Probleme. Im Gegensatz zur Initiative in Weyerbusch beschloss der Verein Statuten, die u. a. die gemeinsame Haftung („Solidarhaftung“) seiner Mitglieder vorsahen.

Der Verein sollte den „Viehwucher“, d. h. den zu teuren Verkauf von Rindern auf Kredit, unterbinden. Dazu erwarb er zunächst selbst Vieh, ging aber bald zur Vergabe von fünfjährigen Darlehen an Bauern über zu einem gängigen Darlehenszins von 5 %. Dabei fiel es Raiffeisen anfangs schwer, einen Geldgeber für den Verein zu finden - trotz dessen illustrer Gründungsmitglieder.

Bald konnten weitere Bürger dem Verein beitreten, und zur Kredit- kam eine Sparkasse. Innerhalb von fünf Jahren vergab der „Hülfsverein“ 507 Darlehen in Höhe von insgesamt 11.735 Talern. Viele Erfahrungen, die Raiffeisen in Flammersfeld machte, flossen in seine 1866 gedruckten Vorstellungen über die Darlehnskassen ein – so die Kassenverwaltung durch einen bezahlten „Rechner“, während Vorstand und Verwaltungsrat ohne Vergütung tätig sein sollten.

Am 24. August 1852 wurde Raiffeisen auf seine Bewerbung hin die Bürgermeisterei Heddesdorf bei Neuwied übertragen. Zu Beginn seiner Amtszeit in Flammersfeld hatte die Bürgermeisterei-Versammlung Raiffeisen noch
abgelehnt, da sie sich keinen Bürgermeister vorschreiben lassen wollte. Am Ende wollten die Gemeinde und der
Landrat ihn nicht mehr gehen lassen und verpflichteten ihn zu wöchentlichen Inspektionsreisen zur Rheinstraße. Der „Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirthe“ beendete kurze Zeit nach Raiffeisens Weggang seine Tätigkeit. Dies war für ihn eine wichtige Lehre für zukünftige Darlehnskassen.