Die Herkunft des Wortes Weihnachten
Weihnachten ist das christliche Fest der Geburt Jesu Christi und stellt neben Ostern eines der wichtigsten Feste des Kirchenjahres dar. Obwohl jedes Jahr zahlreiche Menschen Weihnachten im Kreis der Familie feiern, wird der Bezeichnung des Festes oft kaum Beachtung geschenkt. Doch woher stammt der Begriff?
Weihnachten geht auf die mittelhochdeutsche Wendung wîhe naht bzw. (ze den) wîhen nahten zurück, die erstmals im 12. Jahrhundert belegt ist. Einer der frühesten Belege findet sich um 1170 in der Predigtsammlung Speculum ecclesiae:
„diu gnâde diu anegengete sih an dirre naht: diu heiʒet si diu wîhe naht“
(Übers.: „Die Gnade kam zu uns in dieser Nacht: daher heißt sie die heilige Nacht“) Speculum ecclesiae 23 Kelle [Anm. 1]
Ein weiterer Beleg findet sich in einem Langgedicht des bayerischen Dichters Spervogel, das um das Jahr 1190 datiert wird. In seinen Versen heißt es:
Er ist gewaltic unde starc / der ze wîhen naht geborn wart. / daz ist der heilige Krist.
(Übers.: „Er ist gewaltig und stark / der zur heiligen Nacht geboren ward. / Das ist der heilige Christ“) Spervogel 28, 13 – 15 [Anm. 2]
Das mittelhochdeutsche Adjektiv wîch bedeutet „heilig“ und leitet sich von dem althochdeutschen Wort wîh ab. Im Frühneuhochdeutschen (14. bis 17. Jahrhundert) entwickelte sich wîch durch eine sog. Diphthongierung, bei der sich das lange î zu ei wandelte, zum Wort weich. Dieses Wort ist in der Bedeutung „heilig“ heute nicht mehr gebräuchlich, jedoch ist uns noch das verwandte Verb weihen bekannt, das „durch Weihe heiligen, zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmen“ bedeutet. Das Substantiv naht hingegen, das die Zeit zwischen Abend- und Morgendämmerung beschreibt, kennen wir ohne Bedeutungs- und Ausspracheveränderung auch heute noch als Nacht.
Die meisten mittelalterlichen Belege der Wendung (ze den) wîhen nahten stehen im Dativ Plural, was bis heute im Wort Weihnachten konserviert ist. Im Mittelhochdeutschen wurde die Mehrzahl von naht noch nicht mit dem Umlaut ä gebildet, wie es heute der Fall ist (heute: die Nächte). Die Endung -en zeigt den Dativ Plural an. Ab dem 14. Jahrhundert ist zunehmend die zusammengeschriebene Form wîhenachten belegt. Ein solches Kompositum entsteht oft aus Wörtern, die gehäuft zusammen auftreten und einen gemeinsamen Kontext beschreiben. Der ursprüngliche Dativ Plural wîhen nahten wird als heutiges Weihnachten und damit im Nominativ verwendet und ist teilweise sogar in den Singular übergegangen (das Weihnachten). Daneben findet man seit dem 18. Jahrhundert auch vermehrt die Singularform Weihnacht, die vereinzelt bereits seit dem 14. Jahrhundert belegt ist. [Anm. 3]Die Wendung wîhen nahten lässt sich also mit „die heiligen Nächte“ übersetzen. Dieser Plural gibt gleichzeitig einen Hinweis darauf, dass das Weihnachtsfest über mehrere Tage gefeiert wird (heute 24., 25. und 26. Dezember).
In diesem Sinne wünscht Ihnen das IGL-Team gesegnete „heilige Nächte“ und Frohe Weihnachten.
Verfasser: Jonathan Burgert
Literatur:
- Artikel „Weihnacht, f., Weihnachten m. f. n.“. In: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung. URL: www.woerterbuchnetz.de/DWB (aufgerufen am 25.10.2021).
- Artikel „Weihnachten“. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. URL: www.dwds.de/wb/Weihnachten (aufgerufen am 25.10.2021)
- Lachmann, Karl / Haupt, Moriz (Hrsg.): Des Minnesangs Frühling. Leipzig 31882.
- Mertens, Volker: Artikel „Speculum ecclesiae“. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 9. Berlin 1995, Sp. 49 – 52.
- Tervooren, Helmut: Artikel „Spervogel“. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 9. Berlin 1995, Sp. 81 – 87.
Anmerkungen:
- Zitiert nach: Artikel „Weihnacht“ In: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung Zurück
- Lachmann/Haupt (Hrsg.): Des Minnesangs Frühling (1882), S. 28. Zurück
- Eine sprachliche Besonderheit hingegen prägte Theodor Storm, der in seinem 1862 entstandenen Gedicht Knecht Ruprecht Weihnachten als unpersönliches Verb verwendete. In den Anfangs- und Schlussversen des Gedichtes heißt es daher: „Von drauß‘ vom Walde komm ich her; / ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr.“ – Knecht Ruprecht (1862), Theodor Storm Zurück