Mainz auf dem Weg zur kurfürstlichen Residenzstadt im Spiegel der Mainzer Stadtaufnahmen
von Cornelia Buschbaum
Zeitliche Einordnung und Arbeitsvorhaben
Die[Anm. 1] Zeitspanne, in der Mainz den Status einer kurfürstlichen Residenzstadt innehatte, wird allgemein zwischen 1462 und 1792 angesetzt. Die beiden Eckdaten bestimmen sich durch den Verlust der Stadtfreiheit nach der Eroberung durch Adolf II. von Nassau 1462 einerseits und die Einnahme durch das französische Revolutionsheer 1792 andererseits. Diese bildete den Auftakt zur Besetzung durch die Franzosen 1797 und die Verlegung der Residenz des Kurfürsten nach Aschaffenburg.
Die Mainzer Stadtaufnahmen von 1568, 1594, 1644, 1657, 1687, 1747 und 1785/86 sind Momentaufnahmen auf dem Weg der Stadt zur kurfürstlichen Residenz und können diese Entwicklung verdeutlichen. Zwischen 1568 und 1785 wurde die Stadt siebenmal aufgenommen, was bedeutet, dass eine Kommission bestehend aus Gewaltboten, Kammerräten, Stadträten und Werkleuten die Stadt Viertel um Viertel abschritt und schriftlich festhielt, welche Gebäude und Freiflächen sie vorfand, wem diese gehörten, in welchem Zustand sie sich befanden usw.[Anm. 2] Die Stadtbegehung, die auch von einer Stadtaufnahme zur nächsten leicht abweichend erfolgen konnte, diente der Steuererhebung. Entsprechend dem Grundstückswert mussten Abgaben entrichtet werden, so dass Kurfürst und Hofkammer ein Interesse an einer aktuellen Bestandsaufnahme hatten. Wenn wir die Stadtaufnahmen heute unter eigentumsrechtlichen oder stadttopographischen Gesichtspunkten betrachten, dürfen wir keinesfalls deren genuine fiskalische Funktion vergessen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Von den während der Stadtrundgänge gemachten Aufzeichnungen wurden von einem Schreiber Reinschriften verfertigt, die heute im Stadtarchiv lagern, allerdings schon recht verblasst und daher nur schwer leserlich.
Die Stadtaufnahmen bieten eine Fülle von Datenmaterial, das bislang nur teilweise und unter bestimmten Fragestellungen als Quelle herangezogen wurde. Bis heute findet sich keine Untersuchung, die die Stadtaufnahmen zusammenfassend in allen Aspekten betrachtet. Vor allem die heutzutage mögliche EDV-gestützte Auswertung bietet sich aufgrund der Informationsmenge an. Dies soll nun diese Arbeit leisten. Quellengrundlage waren die von Heinrich Schrohe editierten Bände,<ANM> Heinrich Schrohe (Hrsg.): Die Mainzer Stadtaufnahmen von 1568 und 1594 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz, 6), Mainz 1929; ders. (Hrsg.): Die Mainzer Stadtaufnahmen von 1657 und 1687 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz, 7), Mainz 1930; ders. (Hrsg.): Die Mainzer Stadtaufnahmen von 1747 und 1785/86 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz, 8), Mainz 1931.</ANM> die stichprobenartig anhand der Originale überprüft wurden. In einem ersten Schritt wurden alle in den Stadtaufnahmen verfügbaren Daten in Form einer Datenbank in einen Rechner eingegeben. Es wurden folgende Kategorien gebildet: Nummer des Eintrags (entsprechend der Schrohe-Vorlage), eventuell Parallelnummer des gleichen Eintrags in anderen Stadtaufnahmen, Besitzer, Beruf des Besitzers, Mieter/Bewohner/Nutzer, dessen Beruf, Zinsabgabe nach Empfänger und Betrag (falls angegeben), Hauswert (falls angegeben), Art des beschriebenen Besitzes (Haus, Hof, Garten, Stall, Brunnen, sonstige), Zustand sowie der Status (geistlich, weltlich, frei, unfrei etc.). Unter einer letzten Kategorie ‚Bemerkungen‘ wurde alles Übrige subsumiert, so beispielsweise Häusernamen oder andere zusätzliche Angaben. Grundsätzlich wurde jedes erwähnte Haus auch als solches eingegeben, unabhängig davon, ob es als ruiniert, unbewohnbar oder ähnlich deklariert war. Weiterhin wurden zwecks einfacherer Bearbeitung auch alle Kirchen, Klöster, Stifte, Kapellen, weltliche Verwaltungsbauten etc. als Häuser erfasst.
Diese Datenbasis wurde anschließend nach allen sinnvoll erscheinenden Kriterien ausgewertet. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Stadtaufnahmen konnten diese variieren, was von Fall zu Fall aufgezeigt werden wird. Die Ergebnisse wurden, soweit möglich, mit denen der anderen Stadtaufnahmen verglichen, so dass Entwicklungen deutlich wurden. Da die Beschreibungen in den Stadtaufnahmen (Häuslein, Haus, Haus mit Begriff, Hof etc.) nur Hinweise zu Haus- bzw. Grundstücksgröße gaben, die durch die Computererfassung noch vereinfacht werden mussten, lieferten die statistischen Ergebnisse ein nur unvollkommenes Bild. Beispielsweise wurde für das Bürgertum eine Häuseranzahl ermittelt, die die von Adel und Geistlichkeit bei weitem übertraf. Dieses Übergewicht, so war zu erwarten, würde sich bei der Betrachtung der flächenmäßigen Besitzanteile relativieren.
Folglich war als zweiter Schritt eine Einordnung der erfassten Gebäude und Freiflächen in einen historischen Stadtplan vonnöten. Hier konnte auf die Arbeit von Ludwig Falck zurückgegriffen werden, der unter Verwendung des Schwedenplans<ANM> Stadtarchiv Mainz (im Folgenden StAMz), I D 3.</ANM> und anderer Quellen einen Plan von Mainz um 1620<ANM> Der Plan ist beigegeben Anton Philipp Brück: Mainz vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des 30jährigen Krieges 1462 bis 1648 (Geschichte der Stadt Mainz, 5). Düsseldorf 1972.</ANM> erstellte, wobei es ihm gelang, die meisten Gebäude der Stadtaufnahme von 1594 zu identifizieren und in den amtlichen Kataster-Stadtplan von 1871<ANM> StAMz Ex 1 La 1b.</ANM> einzuzeichnen. Somit haben wir eine ungefähre Vorstellung, welche Grundstücksgröße sich hinter der jeweiligen Nummer der Stadtaufnahme verbirgt.
Um die Grundstücke flächenmäßig zu erfassen, wurde zuerst der Falck-Plan auf A0-Format vergrößert, um die Bearbeitung zu erleichtern. Danach wurden die in den Stadtaufnahmen von 1568 und 1594 erfassten Grundstücke je nach Besitzer (Adel, Geistlichkeit, Kurfürst, Bürgertum) farblich markiert. Über den so bearbeiteten Plan wurde ein Raster gelegt, die Grundstücksflächen wurden ausgezählt und dann maßstabsgetreu errechnet. Die Addition erbrachte dann die von jeder gesellschaftlichen Gruppe beanspruchte Fläche. Ebenso sollte mit den weiteren Stadtaufnahmen verfahren werden, wobei sich das große Problem stellte, dass es für das 17. und 18. Jahrhundert keine katastermäßig genauen Pläne der Mainzer Innenstadt gibt. Also blieb nur die Möglichkeit, aus Plänen des 19. Jahrhunderts, wie z. B. dem Plan von Lehnhardt aus dem Jahre 1844,<ANM> Original im StAMz, Druckausgabe 1994, Zabernverlag Mainz.</ANM> auf die Topographie des 17. Jahrhundert zurückzuschließen, was zu erheblichen Ungenauigkeiten führen musste. Vor allem den Zustand nach den Zerstörungen des 30jährigen Krieges, durch die sich ganze Quartiere veränderten, zu rekonstruieren, gestaltete sich sehr schwierig. Aus diesem Grund wurden lediglich die geistlichen, kurfürstlichen und adeligen Flächen ausgemessen, die noch am leichtesten zu identifizieren waren, und der bürgerliche Anteil wurde entsprechend errechnet. Die daraus entstandenen fünf Karten zu den einzelnen Stadtaufnahmen sind am Ende dieses Beitrags angefügt.
Bei meiner Arbeit ging ich von der These aus, dass, indem sich Mainz zur kurfürstlichen Residenzstadt herausbildete, Adel und Geistlichkeit einen immer größeren Anteil an der Gesamtgrundstücksfläche der Stadt gewannen, während das zahlenmäßig wachsende Bürgertum immer mehr eingeengt wurde. Zur angenommenen Zusammendrängung der bürgerlichen Häuser auf immer kleinerer Fläche kam die steigende Belastung der Bürger durch Steuern und Abgaben. Wenn, wie vermutet, die Anzahl der adeligen und geistlichen Häuser immer mehr zunahm, sank das Steueraufkommen, das sich auf den Hausbesitz bezog, denn Adel und Geistlichkeit waren befreit und weigerten sich oftmals, falls sie im Besitz eines bürgerlichen Hauses waren, die entsprechenden Abgaben zu zahlen. Da weiterhin Grundvermögen, das einmal in geistlicher Hand (‚toter Hand‘) war, so gut wie nie mehr verkauft, sondern in Erbpacht an Bürgerliche weitergegeben wurde, war dieser Grundbesitz steuerlich für das Gemeinwesen verloren. Folglich wuchs die Abgabenbelastung des Bürgertums. Zwar haben die Kurfürsten immer wieder Maßnahmen ergriffen, den Erwerb von Grundvermögen durch geistliche Institutionen zu verhindern. Die wiederholte Neuauflage solcher Amortisationsgesetze[Anm. 3] weist aber schon auf deren Unwirksamkeit hin und stützt die Annahme, die diese Arbeit belegen will: die stetige Zunahme des geistlichen und adeligen Vermögens innerhalb der Stadt während ihrer Entwicklung zur kurfürstlichen Residenz. Schon für zwei Reisende im Jahr 1660, die Jesuiten Daniel Papebroch und Gotfried Henschenius, war die Dominanz geistlichen und adeligen Hauseigentums augenfällig: Die Stadt Mainz gleicht nicht der Mecheln, da sie nur zum Teil bewohnt ist. Mehr als die Hälfte oder zwei Drittel von ihr nehmen Heiligtümer und die Häuser des Bischofs und der Stiftsherren ein. ... Viele Häuser von alter Bauart sind recht großartig. Es sind die Wohnungen und Winteraufenthalte der Adeligen dieser Diözese.[Anm. 4]
Die Analyse der Mainzer Stadtaufnahmen am Beispiel der
Der Herausgeber der Stadtaufnahmen Heinrich Schrohe hat der Druckausgabe einige Bemerkungen zu seiner Vorgehensweise vorangestellt, auf die ich verweise.[Anm. 5]
Die Angaben in Klammern, die ein späterer Schreiber dem Original hinzugefügt hat, wurden nicht berücksichtigt, um ein einheitliches Zeitbild zu erhalten.
Die Stadtaufnahme von 1568 beschreibt das Stadtgebiet innerhalb der mittelalterlichen Befestigung. Zusätzlich wurde der Vorort Vilzbach aufgenommen. Weiterhin umfaßt sie Aufstellungen zu den Abmessungen der Stadtmauer und den Feldgütern des Burgbannes. Die Stadtaufnahme weist 2285 Nummern auf, ausschließlich des Vorortes Vilzbach,[Anm. 6] davon 1678 Häuser.
Hans Fritzen[Anm. 7] ermittelte eine Gesamthäuserzahl von 1618 einschließlich der Vilzbacher Häuser. Leider legte er seine Zählmethode nicht offen. Möglicherweise resultiert der niedrigere Wert aus der Tatsache, dass Kirchen, Klöster, Kapellen etc. (32) nicht eingerechnet wurden und dass bei der Bewertung eines Hauses andere Maßstäbe gesetzt wurden. Ich habe auch Backhäuser oder Werkhäuser mitgezählt, wenn der Eindruck bestand, dass diese auch als Wohnhaus[Anm. 8] genutzt wurden. Allerdings sind die Angaben in den Stadtaufnahmen nicht immer eindeutig, wie auch Fritzen[Anm. 9] feststellte, so dass unterschiedliche Ergebnisse unvermeidlich sind.
Zu neun Häusern wurde ‚alt‘, ‚verfallen‘ oder ‚abgebrannt‘ vermerkt, fünf Häuser wurden als neu erbaut oder im Bau beschrieben. Zwölfmal wurde ein steinerner Bauteil erwähnt (Treppe, Stockwerk), was auf Holz als überwiegenden Baustoff schließen lässt. Steinerne Bauteile haben den Hauswert gesteigert (siehe auch Auswertung Stadtaufnahme 1687) und bei der Hausidentifizierung geholfen.
1568 herrschte (noch) kein Gedränge in der Stadt. Abgesehen von den vielen unbebauten Flächen und Grünzonen (Kästrich, Bleichen, Teile des Stephansberges) standen auch viele Häuser leer, nämlich absolut 236 Häuser, das sind 14,1% des gesamten Hausbestandes. Hinzu kamen 13 Häuser (0,8%), die nicht als Wohnhaus, sondern als Kelterhaus, Stall oder Werkstatt genutzt wurden. Diese Fakten lassen auf eine Bevölkerungsdezimierung schließen, deren Ursache möglicherweise in den vorausgegangenen Kriegswirren liegt.
Es wurden für diese wie für die folgenden Stadtaufnahmen die Eigentümer(-gruppen) Kurfürst, Adel, Geistlichkeit und Bürgertum unterschieden. Der Kurfürst wurde in dieser Stadtaufnahme als M. gster her (‚mein gnädigster Herr‘) angesprochen. Adelige Eigentümer zu ermitteln, war nicht ganz einfach, denn der Ehrentitel ‚Herr‘ wurde auch Geistlichen bürgerlichen Standes[Anm. 10] oder Gelehrten beigelegt, während von durchaus auch den Herkunftsort eines Bürgerlichen[Anm. 11] bezeichnen konnte. Allerdings gaben die Verwendung einiger Adjektive wie wolgeborn, edel,[Anm. 12] die Kennzeichnung als Junker[Anm. 13] oder die Zugehörigkeit zum hochadeligen Domkapitel Hinweise auf die Zugehörigkeit zu diesem Stand. Jedenfalls war ständische Einordnung allein aus den Stadtaufnahmen nicht mit letzter Sicherheit möglich, so dass Sekundärliteratur herangezogen werden musste.[Anm. 14]
Zu den geistlichen Eigentümern rechne ich die Pfarreien, Stifte, Kommenden und Klöster innerhalb und außerhalb der Stadt. Hier fällt die Identifikation leicht, da die geistlichen Institutionen meist eindeutig genannt wurden. Auch für Häuser mit der Bezeichnung Erbhaus oder erblich verliehen war auf einen geistlichen Eigentümer zu schließen.
Wichtig war die Unterscheidung, ob ein Haus einer geistlichen Institution gehörte und von einem Geistlichen genutzt wurde, oder ob das Haus dem Geistlichen persönlich gehörte. Diese Differenzierung war jedoch aus der Quelle sehr gut möglich. Handelte es sich um persönlichen Hausbesitz, so war weiterhin zu unterscheiden, ob der Besitzer adeligen Standes und das Haus folglich dieser Eigentümergruppe zuzuordnen war, oder ob es sich um ein unfreies Haus handelte, infolgedessen der Besitzer unter ‚übrige Eigentümer‘ zu erfassen war.
Alle Häuser, die weder als kurfürstlicher noch als adeliger oder geistlicher Besitz identifiziert werden konnten, wurden unter ‚übrige Eigentümer‘ erfasst. Hierunter fielen alle bürgerlichen Häuser und alle unfreien Häuser im Besitz anderer Eigentümer, wie zum Beispiel niederer Geistlicher. Auch öffentliche Gebäude wie das Kaufhaus oder die Spitäler wurden unter dieser Kategorie erfasst. Eigentum jüdischer Bürger wurde ebenfalls in diesem Zusammenhang untersucht.
Tabelle 1: Verteilung des Hausbesitzes nach der Stadtaufnahme von 1568
Eigentümer | Anzahl der Häuser | Anteil am Hausbesitz |
Geistliche Eigentümer | 377 | 22,5 |
Kurfürst | 32 | 1,9 |
Adelige Eigentümer | 37 | 2,2 |
Übrige Eigentümer | 1198 | 71,4 |
ohne Angaben/unbekannt | 34 | 2,0 |
Summe | 1678 | 100,0 |
Prozentual wie absolut waren die meisten Häuser im Besitz der vierten, überwiegend bürgerlichen Eigentümergruppe.
Der Hausbesitz des Kurfürsten setzte sich zusammen aus dem Burghof (Nr. 43, S. 5),[Anm. 15] der Martinsburg (Nr. 1335, S.140), dem Lederhaus (Nr. 1063, S. 108), der Burse zum Schenkenberg (Nr. 1174, S. 120), den Häusern zum Wartenberg (Nr. 1178, S. 121), zum Saudanz (Nr. 1324, S. 138) und zum Riesen (Nr. 1400, S. 149), dem alten Zeughaus (Nr. 1820, S. 194),[Anm. 16] dem Haus zum Hering (Nr. 244, S. 25), der Münze (Nr. 960, S. 97), dem Rathaus (Nr. 908, S.91) und diversen Zinshäusern.
Die mit * bezeichneten Eigentümer hatten ihren Stammsitz mehr oder weniger weit außerhalb der Stadtmauern: das Albansstift auf dem Albansberg nahe bei der Stadt gelegen, die Klöster Mariental und Eberbach im Rheingau, das Stift St. Bartholomae in Frankfurt. Die Pfarrei Udenmünster ist vorerst vom Stift St. Peter zu unterscheiden. Nach Abriss des Stiftes St. Peter und Übergabe der Pfarrkirche Udenmünster an die Stiftsherren verwischen allerdings die Unterschiede.
Die Grafik zeigt deutlich die Vorrangstellung des Domstifts. Mit 92 Häusern verfügte die Mainzer Hauptkirche über einen gut 70% größeren Hausbesitz als die nächstplazierte Pfarrei und Stift St. Stephan. Alle Mainzer Pfarreien sind in der Spitzengruppe vertreten; die vermögendsten Klöster waren Altmünster-, Prediger- und Augustinerkloster. Das Kloster Eberbach verfügte als wichtigster auswärtiger Besitzer über immerhin sieben Häuser im Stadtgebiet.
37 Häuser befanden sich in adeligem Besitz.[Anm. 17]
Tabelle 2: Häuser in adligem Besitz
Benennung des Hauses in der Stadtaufnahme | Besitzerfamilie |
Haus zum Schlüssel (Nr. 5, S. 1) | von Odernheim |
Westerburger Hof (Nr. 17, S. 2) | von Nassau |
Tempelhof (Nr. 112, S. 12) | von Lichtenau |
Haus zum Eberheim (Nr. 135a, S. 14) | von Lichtenau |
Leininger Hof (Nr. 331, S. 33) | von Walbrun |
Kappelhof (Nr. 339, S. 34) | von Hattstein |
Sponheimer Hof (Nr. 407-410, S. 41) | Machenheimer zu Wiesbaden |
Kölnischer Hof (Nr. 719, S. 71) | von Isenburg |
Stockheimer Hof (Nr. 1146, S. 116) | von Stockheim |
Isenburger Hof (Nr. 1194, S. 123) | von Isenburg |
Haus zum großen Bierbaum (Nr. 1195, S. 123) | von Isenburg |
Haus zum Roßbaum (Nr. 1206, S. 125) | von Ried zu Erbach |
Reiffenberger Hof (Nr. 1291, S. 135) | von Reiffenberg |
Brendelhof (Nr. 1397, S. 149) | Brendel von Homburg |
Haus zum Spott (Nr. 1394, S. 148) | Brendel von Homburg |
Ingelheimer Hof (Nr. 1396, S. 149) | Marsilius zu Ingelheim |
Haus zum Affen (Nr. 1401, S. 150) | von Bicken |
Brunser Hof (Nr. 1460, S. 158) | Rheingraf |
Dienheimer Hof (Nr. 1465, S. 159) | von Dienheim |
Töngeshof (Nr. 1579, S. 173) | von Heinau |
Haus zum Starcken (Nr. 1594, S. 175) | von Bicken |
Schwalbacher Hof (Nr. 1918, S. 205) | von Selbolth |
Als größerer Komplex sei hier der Scharpffensteiner Hof mit dreien steinen stockwerken genannt, der 1568 im Besitz der Familie von Scharfenstein war.[Anm. 18] Dieser Familie gehörte gleichfalls die Burg Scharfenstein, die die Residenz Eltville sicherte. In der Stadtaufnahme von 1594 wurde für den Scharfensteiner Hof kein Eigentümer genannt. 1644 gehörte er einem Herrn Buseck[Anm. 19] und wurde von einem Kärcher sowie Flüchtlingen bewohnt. 1657 wiederum fehlte die Besitzerangabe, 1676 wurde er an eine Frankfurter Marktschifferfamilie verkauft und erschien folglich 1687 als bürgerliches Eigentum in Händen der Witwe von Hans Jacob Schmarr.[Anm. 20] Fälle wie dieser, bei dem Besitz aus adeligen in bürgerliche Hände übergeht, fanden sich in nur geringer Zahl in den Stadtaufnahmen.
Die übrigen Hauseigentümer[Anm. 21] wurden im Hinblick auf ihre Berufe betrachtet. Von diesen 1198 Häusern wurden in 473 Fällen die Berufe der Eigentümer nicht genannt. Da fast die Hälfte der Berufsangaben fehlen, ist die Auflistung nach Berufen wenig ergiebig und wird hier nicht dargestellt.
Betrachtet man die Eigentumskonzentration innerhalb der Gruppe der übrigen Hausbesitzer, so ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle 3: Eigentumskonzentration innerhalb der Gruppe der übrigen Hausbesitzer
Anzahl Bürger mit | ||
2 Häusern | 90 | |
3 Häusern | 23 | |
4 Häusern | 20 | |
5 Häusern | 9 | |
6 Häusern | 6 | |
10 Häusern | 1 | |
Summe | 149 |
Fast 150 dieser Eigentümer verfügen also über zwei und mehr Häuser; der Spitzenreiter (Koed, Conrad) sogar über 10. Soweit uns die Berufe bekannt sind, lässt sich eine breite Streuung über die verschiedenen Handwerke feststellen.
Interessant sind die Angaben, die einen Statuswechsel von bürgerlich nach frei bezeichnen, wie z. B. früher weltlich oder weltlich gewesen. Von den 12 so benannten Häusern waren nun sieben in geistlicher Hand, in drei Fällen gehörten die Besitzer dem höheren Bürgertum (Sekretär, Rentmeister, Prokurator) an, in einem der drei Fälle wurde das Haus von Geistlichen genutzt, nämlich das Haus zum Hammerstein, das die Jesuiten underhanden hatten.[Anm. 22]
Untersucht man die Hausbesitzverhältnisse bezogen auf die einzelnen Pfarreien, ergibt sich in folgendes Ergebnis:
Tabelle 4: Hausbesitzverteilung in absoluten Zahlen
Pfarrei | gesamt | geistlich | adelig | kurfürstl. | übrige | o. Angabe |
St. Ignaz | 451 | 78 | 14 | 2 | 345 | 12 |
St. Emmeran | 442 | 61 | 12 | 5 | 353 | 11 |
St. Quintin | 233 | 5 | 2 | 10 | 213 | 3 |
St. Stephan | 164 | 71 | 1 | 1 | 91 | 0 |
Dom | 160 | 96 | 0 | 11 | 52 | 1 |
St. Christoph | 152 | 17 | 7 | 1 | 122 | 5 |
St. Peter/Udenm. | 76 | 49 | 1 | 2 | 22 | 2 |
Die bei weitem häuserreichsten Pfarreien waren St. Ignaz und St. Emmeran; beide auch mit der höchsten Anzahl an bürgerlichen Häusern. Auch St. Quintin und St. Christoph wiesen im Verhältnis zum Gesamthausbestand zahlreiche bürgerliche Häuser auf.
Tabelle 5: Hausbesitzverteilung in Prozenten
Pfarrei | gesamt | geistlich | adelig | kurfürstl. | übrige | o. Angabe |
Dom | 100 | 60,0 | 0,0 | 6,9 | 32,5 | 0,6 |
St. Emmeran | 100 | 13,8 | 2,7 | 1,1 | 79,9 | 2,5 |
St. Christoph | 100 | 11,2 | 4,6 | 0,7 | 80,2 | 3,3 |
St. Ignaz | 100 | 17,3 | 3,1 | 0,4 | 76,5 | 2,7 |
St. Peter/Udenm. | 100 | 64,5 | 1,3 | 2,6 | 29,0 | 2,6 |
St. Quintin | 100 | 2,1 | 0,9 | 4,3 | 91,4 | 1,3 |
St. Stephan | 100 | 43,3 | 0,6 | 0,6 | 55,5 | 0,0 |
Noch deutlicher wird die unterschiedliche Sozialstruktur der verschiedenen Pfarreien, wenn man die prozentuale Verteilung des Hausbesitzes betrachtet. St. Ignaz und St. Emmeran zeigen annähernd gleiche Besitzverhältnisse mit großem bürgerlichem Anteil. St. Quintin war fast ausschließlich bürgerlich geprägt, die freien Häuser machten nur ca. 7% aus. Eine ähnliche Struktur zeigt die Pfarrei St. Christoph, allerdings standen hier den 80,2% unfreien Häusern mit 16,5% mehr als doppelt so viel freie Häuser gegenüber. Die Pfarrei St. Peter/Udenmünster und die Dompfarrei wiesen den höchsten Prozentsatz geistlicher Häuser auf; die Dompfarrei gleichzeitig den niedrigsten Prozentsatz unfreier Häuser. Im Territorium der Dompfarrei befanden sich außer dem Dom selbst die Liebfrauenkirche, die Johanniskirche, das Stift St. Moritz und das Barfüsserkloster nebst einem Großteil von deren Hausbesitz. Auch der umfangreiche Hausbesitz des Predigerklosters fiel bis auf zwei Ausnahmen, die in der Pfarrei St. Emmeran lagen, in den Bereich der Dompfarrei. In die Pfarrei St. Peter/Udenmünster, die den höchsten Anteil an geistlichen Häusern in der Stadt aufwies, fiel vor allem der große Hausbestand des Stiftes St. Peter. Auch das Reichklarenkloster mit einigem Hauseigentum zählte zu dieser Pfarrei. Zwar gab es auch in der Pfarrei St. Stephan mit gut 40% auch einen hohen Anteil geistlicher Häuser, jedoch war die Pfarrei nicht so dominant geistlich geprägt wie die vorgenannten, da sie gleichzeitig über 55% unfreie Häuser aufwies. Der adelige Hausbesitz konzentrierte sich in den Pfarreien St. Ignaz, St. Emmeran und St. Christoph. Etwas irreführend sind die Daten zum Besitz des Kurfürsten, der natürlich im wesentlichen bei der Martinsburg, und nicht in der Dom- und Quintinspfarrei liegt, wie der hohe Prozentsatz seines Hausbesitzes dort suggeriert.[Anm. 23]
Für die Gesamtfläche[Anm. 24] der Stadt wurden die Berechnungen von Christina Gaede[Anm. 25] zugrunde gelegt, die sich auf Hans Fritzen[Anm. 26] stützte. Dieser hatte die Stadtfläche für das Jahr 1657 mit 1.108.000 qm innerhalb der Stadtmauern taxiert. Christina Gaede setzte die landseitige Stadtmauer als Umgrenzung an und errechnete 1.220.000 qm Fläche. An unbebauten Flächen zog Fritzen 333.000 qm ab und kam so zu einer bebauten Fläche von 778.000 qm. Das Nachmessen der großen Freiflächen der Stadt bestätigte die Ergebnisse von Fritzen.
Tabelle 6: Freiflächen innerhalb der Stadtmauern
Freiflächen | Größe | |
Kästrich | ca. 100.000 qm | in Pfarrei St. Emmeran gelegen |
Bleichen | ca. 120,00 qm | davon 70.000 qm in St. Peter und 50.000 qm in St. Emmeran |
beim Altmünsterkloster | ca. 50.000 qm | in Pfarrei St. Emmeran |
beim Gautor | ca. 30.000 qm | in Pfarrei St. Stephan |
gegenüber der Zitadelle | ca. 20.000 qm | in Pfarrei St. Stephan |
im Bereich der Stadtmauer | ca. 10.000 qm | in Pfarrei St. Ignaz |
Gesamt | ca. 330.000 qm |
Ausgehend von einer Gesamtfläche von 122 ha innerhalb der landseitigen Stadtmauern ermöglichte diese Aufgliederung die Ermittlung der bebauten Flächen pro Pfarrei. Als Gesamtflächen pro Pfarrei hat Christina Gaede folgende Werte ermittelt.
Tabelle 7: Gesamtflächen pro Pfarrei nach Christina Gaede
Pfarrei | Fläche |
St. Emmeran | 550.000 qm |
St. Ignaz | 170.000 qm |
St. Peter/Udenmünster | 140.000 qm |
St. Stephan | 110.000 qm |
Dom | 90.000 qm |
St. Quintin | 80.000 qm |
St. Christoph | 80.000 qm |
Gesamt | 1.220.000 qm |
Um die bebaute Fläche pro Pfarrei zu errechnen, wurden zusätzlich zu den oben aufgeführten großen Freiflächen für die Pfarreien St. Christoph, St. Ignaz, St. Quintin und St. Peter/Udenmünster weitere 10% Freifläche entlang der Stadtmauern und am Rheinufer angenommen. Die Dompfarrei als ‚Binnenpfarrei‘ und die Pfarrei St. Emmeran, deren umfangreiche Freifläche ohnehin entlang der Stadtmauer lokalisiert waren, blieben ohne diese Abzüge. Somit ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle 8: Überblick über freie und bebaute Flächen in Mainz 16. - 18. Jahrhundert
Pfarrei | Gesamtfläche in qm | Freifläche in qm | bebaute Fläche in qm |
St. Emmeran | 550.000 | 220.000 | 330.000 |
St. Ignaz | 170.000 | 27.000 | 143.000 |
St. Peter/Uden. | 140.000 | 60.000 | 80.000 |
St. Stephan | 110.000 | 50.000 | 60.000 |
Dom | 90.000 | 0 | 90.000 |
St. Christoph | 80.000 | 8.000 | 72.000 |
St. Quintin | 80.000 | 8.000 | 72.000 |
Zwar bezogen sich Fritzen und Gaede auf das 17. Jahrhundert, jedoch können die Gesamtstadtfläche aufgrund der Umwallung sowie die großen Freiflächen als relativ unverändert angesehen werden, was eine Zugrundelegung der o. a. Werte auch für die frühen Stadtaufnahmen rechtfertigt.
Ohnehin muss man bei der Bestimmung von Flächengrößen mit erheblichen Unwägbarkeiten leben; so gab Falck[Anm. 27] in seinem Plan vor allem für die kleineren Grundstücke nur deren Lage entlang der Straße an, ihre Ausdehnung nach hinten und die dortige Abgrenzung zum Nachbargrundstück ließ er aufgrund der fehlenden Quellen offen. Folglich kann die Flächenbestimmung nicht mehr als eine grobe Schätzung sein. Dennoch wird im folgenden durch Bezug der Häuserzahl zur Pfarreifläche eine Aussage über die Bebauungsdichte der einzelnen Pfarreien versucht.
Tabelle 9: Bebauungsdichte der einzelnen Pfarreien
Pfarrei | Häuserzahl | Bebaute Pfarreifläche in ha | Anzahl Häuser/ha |
St. Ignaz | 451 | 14,3 | 32 |
St. Emmeran | 442 | 33,0 | 13 |
St. Quintin | 233 | 7,2 | 32 |
St. Stephan | 164 | 6,0 | 27 |
Dom | 160 | 9,0 | 18 |
St. Christoph | 152 | 7,2 | 21 |
St. Peter/Udenmünster | 76 | 8,0 | 10 |
Gesamt | 1.678 | 84,7 | 20 (Schnitt) |
Die dichteste Bebauung wiesen die Pfarreien St. Ignaz und St. Quintin auf, wobei man sich verdeutlichen sollte, dass wir es bei einem Durchschnitt von 22 Häusern pro Hektar mit einer für moderne Innenstadtverhältnisse noch immer sehr lockeren Bebauung zu tun haben. Die Pfarrei St. Emmeran zeigte trotz großer Häuserzahl eine geringe Bebauungsdichte; es gab hier außer den umfangreichen unbebauten Gebieten von Kästrich und Bleichen offenbar große Grundstücke mit erheblichen Freiflächen.
Auch das Bild, das sich nach Zuordnung der Grundstücksflächen zu den Eigentümern Kurfürst, Adel, Geistlichkeit und Bürgertum[Anm. 28] entsprechend der Stadtaufnahme von 1568 ergibt, muss unter den oben genannten Vorbehalten betrachtet werden:
Eigentümer | Fläche in qm | Anteil in % |
Kurfürst | 17.010 | 2,0% |
Adel | 21.910 | 2,6% |
Geistlichkeit | 232.680 | 27,5% |
Übrige, i.w. Bürgerliche | 575.400 | 67,9% |
Gesamt bebaute Fläche | 847.000 | 100% |
Ungefähr zwei Drittel der bebauten Fläche waren in bürgerlicher Hand, knapp ein Drittel gehörte geistlichen Eigentümern; Adel und Kurfürst sind als Grundbesitzer recht unbedeutend. Vergleicht man das Diagramm zum Flächenbesitz mit dem zum Hausbesitz, so kann man die erwartete Relativierung der Eigentumsverhältnisse beobachten. Das Bürgertum hatte in Bezug auf den Flächenbesitz einen weniger großen Vorsprung vor der Geistlichkeit als beim Hausbesitz. Die Geistlichkeit wiederum stellte sich im Bezug auf die Flächenverteilung deutlich besser als im Hinblick auf die Hausbesitzverteilung. Dies wird anhand folgender Tabelle noch deutlicher:
Tabelle 10: Flächenbesitz und Hausbesitz nach Eigentümergruppen
Besitzer | Fläche | Anzahl Häuser | Fläche/Hausgrundstück |
Kurfürst | 17.010 qm | 32 | 532 qm |
Adel | 21.910 qm | 37 | 592 qm |
Geistlichkeit | 232.680 qm | 377 | 617 qm |
Übrige Besitzer | 575.400 qm | 1.232 | 467 qm |
Gesamt | 847.000 qm | 1.678 | 505 qm (Schnitt) |
Die geistlichen Eigentümer hatten nicht nur die bedeutenden Flächen im Stadtgebiet inne, sie besaßen auch die weitläufigsten Gebäude, wobei natürlich vor allem die Kirchen, Klöster und Stifte ins Gewicht fallen. Bei im Verhältnis zum Flächenbesitz großer Häuserzahl sind den Bürgern die kleinsten Häuser eigen.
Tabelle 11: Aufteilung der bebauten Flächen nach Pfarreien 1568 in qm
Pfarrei | bebaute Fläche qm | Adel qm | Kurfürst qm | Geistlichkeit qm | Übrige qm |
St. Emmeran | 330.000 | 9.240 | 490 | 71.820 | 248.450 |
St. Ignaz | 143.000 | 4.550 | 700 | 40.670 | 97.080 |
Dom | 90.000 | 0 | 910 | 45.430 | 43.660 |
St. Peter/Udenm. | 80.000 | 140 | 13.020 | 40.110 | 26.730 |
St. Quintin | 72.000 | 1.120 | 1.190 | 4.270 | 65.420 |
St. Christoph | 72.000 | 6.860 | 700 | 11.760 | 52.680 |
St. Stephan | 52.680 | 0 | 0 | 18.620 | 41.380 |
Summe | 847.000 | 21.910 | 17.010 | 232.680 | 575.400 |
Die größte Grundbesitzfläche des Adels lag im Gebiet der Pfarrei St. Emmeran; um knapp ein Drittel geringer war der Adelsbesitz in der Pfarrei St. Christoph. Der einzig weitere erwähnenswerte adelige Standort war die Pfarrei St. Ignaz. Der Kurfürst fiel natürlich mit seinen Hauptliegenschaften (Martinsburg) in das Gebiet der Pfarrei St. Peter/Udenmünster. Der ausgedehnteste geistliche Besitz befand sich in der Pfarrei St. Emmeran. Darauf folgten fast gleich auf, aber mit erheblichem Abstand zu St. Emmeran, die Dompfarrei, St. Ignaz und St. Peter. Im Verhältnis zur Gesamtpfarreifläche waren die geistlichen Güter in der Dompfarrei führend; sie machten hier gut 50% der Fläche aus. Die prozentuale Verteilung stellte sich wie folgt dar:
Tabelle 12: Aufteilung der bebauten Flächen nach Pfarreien 1568 in %
Pfarrei | bebaute Fläche % | Adel % | Kurfürst % | Geistlichkeit % | Übrige % |
St. Emmeran | 100 | 2,8 | 0,1 | 21,8 | 75,3 |
St. Ignaz | 100 | 3,2 | 0,5 | 28,4 | 67,9 |
Dom | 100 | 0 | 1 | 50,5 | 48,5 |
St. Peter | 100 | 0,2 | 16,3 | 50,1 | 33,4 |
St. Quintin | 100 | 1,6 | 1,6 | 5,9 | 90,9 |
St. Christoph | 100 | 9,5 | 1 | 16,3 | 73,2 |
St. Stephan | 100 | 0 | 0 | 31 | 69 |
Summe | 100 | 2,6 | 2 | 27,5 | 67,9 |
Im Gegensatz zu den absoluten Zahlen war der Adel flächenanteilig in der Pfarrei St. Christoph am stärksten vertreten. Geistliche Flächenanteile waren in den Pfarreien Dom und St. Peter am größten, während im Hinblick auf die absoluten Zahlen St. Emmeran führend als Standort geistlichen Eigentums war. Auch bei den übrigen, überwiegend bürgerlichen Eigentümern zeigte die prozentuale Auswertung ein abweichendes Bild. Sie verfügten in der Pfarrei St. Quintin über mehr als 90% der Flächenanteile, während ihr absolutes Eigentum im Vergleich zu den anderen Pfarreien nur mittelgroß war.
Die Analyseergebnisse der Stadtaufnahme von 1568 stellen den Ausgangspunkt für alle folgenden Untersuchungen dar, bilden also eine erste Bestandsaufnahme.
- Das Bürgertum verfügte über die größte Zahl von Häusern in der Stadt.
- Die bedeutendsten geistlichen Eigentümer waren das Domstift, St. Peter, St. Stephan und das Liebfrauenstift.
- Die Hausbesitzverteilung bezogen auf die Pfarreien ermöglichte einen Eindruck von der Sozialstruktur der Pfarreien. So zeigten St. Ignaz und St. Emmeran ähnliche Prozentsätze an geistlichem, adeligem und kurfürstlichem Hauseigentum mit allerdings hohem bürgerlichem Anteil. St. Quintin dagegen war fast ausschließlich bürgerlich geprägt. Das Domstift und die Pfarrei St. Peter/Udenmünster wiesen ungefähr zwei Drittel geistlichen und ein Drittel bürgerlichen Hausbesitzanteil auf. In St. Stephan waren rund 40% der Häuser in geistlichem Besitz, doch auch der bürgerliche Anteil war keinesfalls unbedeutend.
- Die Untersuchung der Bebauungsdichten ergab die höchsten Werte in den Pfarreien St. Quintin und St. Ignaz; lockerste Bebauung und damit der höchste Anteil an Freiflächen war in den Pfarreien St. Peter/Udenmünster und St. Emmeran festzustellen.
- Bei der Verteilung der Flächen ergab sich für die Geistlichkeit ein Wert von ca. 28%, das sind rund 6% mehr als ihr Anteil am Hausbesitz. Adel und Kurfürst waren in Bezug auf die Flächen zu diesem Zeitpunkt unbedeutend, die übrigen, also überwiegend bürgerlichen Eigentümer, verfügten über einen Anteil von ca. 70% der bebauten Stadtflächen.
- Die Errechnung der Grundstücksgrößen der verschiedenen Eigentümergruppen ergab, dass die Hausgrundstücke der Geistlichkeit vor denen der adeligen Eigentümer und des Kurfürsten die größten der Stadt waren.
- Adelige Grundstücke fanden sich vor allem in St. Emmeran, an zweiter Stelle – mit deutlichem Abstand – in der Pfarrei St. Christoph. Die Liegenschaften des Kurfürsten waren in der Pfarrei St. Peter/Udenmünster angesiedelt. In St. Emmeran als flächenmäßig größter Pfarrei der Stadt lag auch der umfangreichste Grundbesitz geistlicher Eigentümer, wiederum mit deutlichem Abstand gefolgt von der Dompfarrei, St. Ignaz und Udenmünster. Bezogen auf die prozentuale Verteilung war der adelige Anteil an der Gesamtpfarreifläche in St. Christoph am größten, der geistliche Anteil in der Dompfarrei und der Pfarrei St. Peter/Udenmünster und der bürgerliche Anteil in der Pfarrei St. Quintin.
Nach dem gleichen Verfahren wurden, soweit die Quellen dies zuließen, die übrigen Stadtaufnahmen untersucht. Besonders hinzuweisen ist auf die beigefügten Karten zu den fünf auswertbaren Stadtaufnahmen, die deutlich machen, welchen Flächenbesitz jede einzelne Eigentümergruppe innehatte.
Die Zusammenschau der Analyse aller Stadtaufnahmen ergab die folgenden Resultate.
Die Mainzer Stadtaufnahmen im Vergleich
Häuserzahl
Die Anzahl der Häuser im kurfürstlichen Mainz entwickelte sich wie in folgender Grafik dargestellt:
Hier wird nochmals deutlich, dass die Häuserzahl der Jahre vor dem 30jährigen Krieg erst Anfang des 18. Jahrhunderts wieder erreicht wurde.
Hausbesitzverteilung
Im folgenden werden die für alle Stadtaufnahmen ermittelten Werte zusammengefasst.
Tabelle 13: Hausbesitzverteilung nach den Stadtaufnahmen 1568-1747
Jahr | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
Gesamtzahl | 1678 | 1706 | 1351 | 1527 | 1770 |
Adel | 37 | 67 | 32 | 33 | 44 |
Geistlichkeit | 377 | 367 | 256 | 236 | 249 |
Kurfürst | 32 | 35 | 15 | 23 | 22 |
Bürgertum | 1232 | 1237 | 1048 | 1235 | 1455 |
Für die freien Häuser stellt sich die Entwicklung der Hausbesitzverteilung wie folgt dar:
Figur 4: Eigentümer der freien Häuser nach den Stadtaufnahmen 1568-1747
Für die geistlichen Institutionen zeigt sich ein bedeutender Hausbesitzverlust in der Folge des 30jährigen Krieges. Danach bleibt die Häuserzahl geistlicher Eigentümer auf dem niedrigeren Niveau relativ konstant. Ähnliches gilt für den kurfürstlichen Besitz.
Auch der Adel hatte zwischen 1594 und 1657 erhebliche Verluste zu verzeichnen, doch zeichnete sich für diese Eigentümergruppe danach ein Aufwärtstrend ab.
Die Tendenz, die für die geistlichen Hausbesitzer im allgemeinen beobachtet wurde, zeigt sich auch bei der Betrachtung einzelner geistlicher Institutionen:[Anm. 29]
Einige Besonderheiten sind zu bemerken: Die Position des Domstifts als vermögendste geistliche Institution blieb in der gesamten kurfürstlichen Zeit unangetastet. Pfarrei und Stift St. Stephan konnte die im 30jährigen Kriege erlittenen Verluste an Hausbesitz nicht wieder wettmachen; im Gegensatz zum Liebfrauenstift, das zum Ende der kurfürstlichen Zeit hin seinen Vorkriegshausbestand annähernd wieder erreichte.
Für die unfreien Häuser, die überwiegend in bürgerlichen Händen waren, ergibt sich folgendes Bild:
Bei den unfreien Häusern war der Vorkriegshausbestand bereits 1687 wieder erreicht; 1747 ist der Höchststand des Untersuchungszeitraums festzustellen.
0.1.2.3.3. Hausbesitz nach Pfarreien
Pfarrei St. Ignaz
Tabelle 14: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 78 | 72 | 40 | 41 | 48 |
adelig | 14 | 13 | 2 | 1 | 3 |
kurfürstlich | 2 | 1 | 4 | 4 | 2 |
sonstige | 357 | 400 | 362 | 412 | 441 |
Summe | 451 | 486 | 408 | 458 | 494 |
Figur 8: Freie Häuser
Tabelle 15: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 61 | 60 | 46 | 55 | 61 |
adelig | 12 | 26 | 17 | 18 | 25 |
kurfürstlich | 5 | 8 | 4 | 6 | 10 |
sonstige | 364 | 348 | 249 | 322 | 425 |
Summe | 442 | 442 | 316 | 401 | 521 |
Figur 9: Hausbesitzverteilung
Tabelle 16: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 5 | 7 | 8 | 6 | 7 |
adelig | 2 | 4 | 2 | 2 | 2 |
kurfürstlich | 10 | 11 | 4 | 2 | 1 |
sonstige | 216 | 214 | 204 | 215 | 247 |
Summe | 233 | 236 | 218 | 225 | 257 |
Figur 12: Freie Häuser
Pfarrei St. Stephan
Tabelle 17: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 71 | 67 | 32 | 31 | 33 |
adelig | 1 | 7 | 2 | 1 | 3 |
kurfürstlich | 1 | 1 | 0 | 1 | 1 |
sonstige | 91 | 85 | 51 | 73 | 112 |
Summe | 164 | 160 | 85 | 106 | 149 |
Figur 13: Hausbesitzverteilung
Pfarrei St. Christoph
Tabelle 18: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 17 | 19 | 11 | 13 | 15 |
adelig | 7 | 14 | 9 | 9 | 9 |
kurfürstlich | 1 | 1 | 0 | 2 | 0 |
sonstige | 127 | 119 | 102 | 103 | 111 |
Summe | 152 | 153 | 122 | 127 | 135 |
Figur 15: Hausbesitzverteilung
Dom-Pfarrei
Tabelle 19: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 96 | 97 | 79 | 74 | 68 |
adelig | 0 | 3 | 0 | 0 | 0 |
kurfürstlich | 11 | 11 | 0 | 0 | 0 |
sonstige | 53 | 48 | 53 | 62 | 58 |
Summe | 160 | 159 | 132 | 136 | 126 |
Figur 17: Hausbesitzverteilung
Pfarrei Udenmünster / St. Peter
Tabelle 20: Hausbesitzverteilung und Freie Häuser nach den Stadtaufnahmen
Eigentümer | 1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 |
geistlich | 49 | 45 | 39 | 17 | 17 |
adelig | 1 | 0 | 0 | 2 | 2 |
kurfürstlich | 2 | 2 | 3 | 8 | 8 |
sonstige | 24 | 23 | 28 | 48 | 61 |
Summe | 76 | 70 | 70 | 75 | 88 |
Figur 19: Hausbesitzverteilung
In fast allen Graphiken lässt sich der Einbruch an Hausbesitz beobachten, der durch den 30jährigen Krieg hervorgerufen wurde, und im Anschluss daran eine Stabilisierung oder mäßiger Aufwärtstrend. Parallel zur Gesamtzahl der Häuser wuchs in den Pfarreien St. Emmeran, St. Stephan und St. Peter die Zahl der unfreien Häuser sehr stark an. Dies könnte an der zunehmenden Bebauung der Bleichen und der Ränder des Kästrich liegen, die zwar nicht im gewünschten Umfang, aber doch in gewissem Maß Anziehungspunkt für bürgerliche Bauherren wurde.
Insgesamt zeigte sich die Sozialstruktur der Pfarreien sehr konstant, d. h. der Hausbesitz der einzelnen Eigentümergruppen entwickelte sich parallel. Nur in zwei Fällen kam es zu einem Plätzetausch in der Eigentümerrangfolge einer Pfarrei. So büßte der Kurfürst in der Pfarrei St. Quintin im Zuge seiner Besitzkonzentration auf das Schloß seinen zweiten Rang nach den bürgerlichen Eigentümern ein, den nach 1657 die geistlichen Eigentümer einnahmen. In der Pfarrei St. Peter/Udenmünster ging dagegen die Zahl der Häuser in geistlichem Besitz zurück, während die bürgerlichen Besitzer erheblich an Eigentum hinzu gewannen. Dies hing mit den Verlusten des Stifts St. Peter zusammen sowie mit der Bleichenbebauung, die auch einige bürgerliche ‚Häuslebauer‘ anzog.
Wollte man die Sozialstruktur der Pfarreien in der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz in einem vereinfachenden Überblick zeigen, so sähe dieser wie folgt aus:
Tabelle 21: Sozialstruktur der Pfarreien ermittelt nach den Anteilen am Gesamthausbesitz der Stadt (in %)
Adel | Geistlichkeit | Kurfürst | Bürgertum | |
Dompfarrei | 0 | 60 | 0 | 40 |
St. Christoph | 7 | 11 | 1 | 81 |
St. Emmeran | 5 | 14 | 1 | 80 |
St. Ignaz | 2 | 13 | 0 | 85 |
St. Peter | 0 | 20-60 | 0-10 | 30-80 |
St. Quintin | 1 | 3 | 2 | 94 |
St. Stephan | 2 | 39 | 1 | 58 |
Einzig für die Pfarrei St. Peter/Udenmünster lässt sich kein für die gesamte kurfürstliche Zeit gültiges Bild zeigen, da die Veränderungen (Abbruch des Stiftes St. Peter und Hausverlust, Ausweitung des kurfürstlichen Eigentums im Bereich des Schlosses) sich aufgrund der geringen Häuseranzahl sehr dramatisch ausnehmen.
3.4. Besitzverteilung nach Flächen
Für alle untersuchten Stadtaufnahmen ergibt sich folgendes Bild:
Die Grafik zeigt für die geistlichen Institutionen und die bürgerlichen Eigentümer eine sinkende Tendenz im Hinblick auf ihren Flächenbesitz. Das Eigentum des Kurfürsten an Flächen in der Stadt blieb relativ konstant. Für den Adel ist eine mäßig steigende Kurve festzustellen, zwischen 1687 und 1747 ist die Steigerung sogar augenfällig. Vergleicht man den Flächenbestand des Adels 1747 mit der Ausgangssituation 1568, so wird ein erheblicher Zuwachs deutlich.
Addiert man die Flächen im Besitz von Adel, Kurfürst und geistlichen Institutionen, so ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle 22: Fläche in qm nach Eigentümern und Jahren
1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 | |
Bürgertum | 580.160 | 534.940 | 553.840 | 545.930 | 528.920 |
Adel, Kurfürst und geistliche Institutionen | 266.840 | 312.060 | 293.160 | 301.070 | 318.080 |
Hier wird deutlich, dass der Flächenbesitz von Adel, Kurfürst und geistlichen Institutionen insgesamt gut halb so groß wie der des Bürgertums war, und das mit steigender Tendenz. Dieses Ergebnis nimmt sich noch drastischer aus, wenn man sich vor Augen führt, dass die erstgenannte Gruppe nur ca. 5% der Bevölkerung ausmachte. Der Flächenbesitz des Bürgertums hingegen nahm seit 1657 kontinuierlich ab.
Eine interessante Korrelation ergibt sich durch den Vergleich zwischen Hausbesitz und Flächenbesitz der einzelnen Eigentümergruppen.
Figur 23: Adel: Hausbesitz und Flächenbesitz 1568-1747
Figur 24: Geistlichkeit: Hausbesitz und Flächenbesitz 1568-1747
Figur 25: Kurfürst: Hausbesitz und Flächenbesitz 1568-1747
Für alle drei Eigentümergruppen ist zu beobachten, dass der Flächenbesitz den Hausbesitz bei weitem übersteigt, d. h. für wenige Gebäude wurde ein Großteil der Stadtfläche verbraucht.
Für das Bürgertum gilt das Gegenteil:
Hier ist der Hausbesitz prozentual bei weitem höher als der Flächenbesitz, sogar mit entgegengesetzter Tendenz. Die bürgerlichen Hauseigentümer hatten sich also trotz stetig wachsender Häuserzahl mit immer geringeren Flächen zu begnügen.
In der Zusammenschau aller Eigentümergruppen werden die Entwicklungen noch deutlicher:
Während der Anteil der bürgerlichen Häuser am Gesamthausbesitz tendenziell anstieg, nahm die Fläche, die das Bürgertum innerhalb der Stadt belegte, stetig ab. Demgegenüber besetzten Adel, Kurfürst und Geistlichkeit trotz fallenden Anteils am Gesamthausbesitz der Stadt zunehmend größere Flächen.
Bezogen auf die Hausgrundstücke bedeutet dies, dass Adel, Kurfürst und geistliche Institutionen über Bauplätze verfügten, die dreimal (1568) bis zwölfmal (1747) so groß wie die der bürgerlichen Hauseigentümer waren, wie folgende Grafik zeigt:
Tabelle 23: Größe der Hausgrundstücke in qm
1568 | 1594 | 1657 | 1687 | 1747 | |
Adel, Kurfürst und geistliche Institutionen | 1.741 | 2.670 | 5.072 | 4.707 | 4.876 |
Bürgertum | 484 | 442 | 535 | 450 | 370 |
4. Sozialstruktur und Eigentumsverhältnisse im kurfürstlichen Mainz
Obwohl die Stadttopographie im Untersuchungszeitraum erheblichen Veränderungen unterworfen war, blieb die Sozialstruktur der Pfarreien erstaunlich stabil. Vor allem die Pfarreien St. Christoph, St. Emmeran, St. Ignaz und St. Quintin sind durch eine ähnliche Bevölkerungsstruktur charakterisiert. Sie weisen einen hohen Anteil bürgerlichen Hauseigentums auf (80-90%), einen Anteil Hauseigentum im Besitz geistlicher Institutionen von 3% (St. Quintin) bis 14% (St. Emmeran) und einen Anteil adeligen Eigentums von 1% (St. Quintin) bis 7% (St. Christoph). Die Dompfarrei war überwiegend geistlich geprägt; hier gehörten 60% der Häuser geistlichen Institutionen, vor allem natürlich dem Domstift, dem Liebfrauenstift, St. Moritz und St. Johann. Der bürgerliche Anteil am Hausbesitz machte nur 40% aus, der Adel spielte in dieser Pfarrei keine Rolle als Hausbesitzer. Auch die Pfarrei St. Stephan mit den umfänglichen Liegenschaften des Stifts St. Stephan wies einen hohen Anteil an Hausbesitz geistlicher Institutionen auf, das Verhältnis zum bürgerlichen Hauseigentum war allerdings dem der Dompfarrei genau entgegengesetzt, nämlich 40:60. Einzig für die Pfarrei Udenmünster/St. Peter konnten keine Richtwerte ermittelt werden, da sich hier aufgrund der niedrigen Häuserzahl die Veränderungen sehr deutlich niederschlugen.
Der 30jährige Krieg hatte, wie oben ausgeführt, einen tiefen Einschnitt für den Hausbestand der Stadt bedeutet, der alle Eigentümergruppen betraf. Bei den freien Häusern blieben die geistlichen Institutionen dominierend; sie besaßen ungeachtet aller Einbußen mit großem Abstand die meisten freien Häuser der Stadt. Allerdings setzte sich für sie der Aderlaß des Krieges noch bis 1687 fort; erst 1747 zeigte sich wieder ein Anstieg der Häuserzahl der geistlichen Institutionen. Die Aufhebung der Klöster zugunsten des Universitätsfonds hätte sich in der Stadtaufnahme von 1785, wäre sie vollständig, mit Sicherheit als weiterer Hausbesitzverlust für geistliche Eigentümer niedergeschlagen, so dass sich der Anstieg von 1747 nur als kurze Erholung dargestellt hätte. Folglich konnte für die Kirchen und Klöster im kurfürstlichen Mainz eine stetig sinkende Häuserzahl beobachtet werden. Allerdings gaben die Stadtaufnahmen nur in den seltensten Fällen einen Hinweis auf den Verkauf geistlichen Eigentums. Genauso selten jedoch waren Ankäufe von Nachbargrundstücken für die doch in erheblichem Umfang vorgenommenen Neubauten beispielsweise der Peterskirche oder der Jesuitenkirche festzustellen. Hieraus lässt sich folgern, dass geistliche Institutionen in der überwiegenden Zahl der Fälle auf Grund und Boden bauten, der bereits in ihrem Besitz war, und zwar nach Abriß älterer Häuser. Diese These wird auch durch den relativ konstanten Flächenbesitz der geistlichen Eigentümer gestützt. Trotz erheblicher Investitionen in Neu- und Erweiterungsbauten von Kirchen, Klöstern und Kommenden blieben also Häuserzahl und Flächenbesitz geistlicher Institutionen im kurfürstlichen Mainz auf immer hohem, aber relativ unveränderten Niveau.
Die Rangfolge innerhalb der Gruppe der geistlichen Eigentümer blieb im Verlauf der Residenzzeit der Stadt Mainz praktisch unverändert. Das Domstift hat seine beherrschende Stellung niemals eingebüßt. In weitem Abstand folgten regelmäßig St. Stephan, St. Peter, das Liebfrauenstift und St. Johann.
Die adeligen Hauseigentümer hatten im 30jährigen Krieg gut die Hälfte ihrer Häuser eingebüßt. Sehr wahrscheinlich waren auch etliche Adelsfamilien geflohen oder dem Krieg zum Opfer gefallen, denn die in der Nachkriegsstadtaufnahme genannten Familien waren zu 50% erstmals in einer Stadtaufnahme erwähnt, also vermutlich neu zugezogen. Nur allmählich setzte der Aufwärtstrend im Hinblick auf die Zahl der adeligen Häuser ein. Noch 1747 war die Häuserzahl von 1594 nicht wieder erreicht.
Bei den unfreien Häusern zeigt sich ein völlig anderes Bild. Hier war bereits 1687 die Häuserzahl von 1594 wieder erreicht, 1747 bei weitem übertroffen.
Diese Aussagen erhalten jedoch erst Brisanz, wenn sie auf die Flächenentwicklung bezogen werden. Die Flächen im Besitz des Kurfürsten beliefen sich 1568 auf 16.000 qm, erreichten 1594 50.000 qm und blieben auf diesem Niveau konstant. Für die geistlichen Institutionen ist im Hinblick auf den Flächenbesitz eine leicht sinkende Tendenz zu beobachten, und zwar von 220.000 qm auf 190.000 qm. Der Adel konnte die Flächen in seinem Besitz von 20.000 qm im Jahr 1568 auf 80.000 qm im Jahr 1747 steigern. Die Flächen in bürgerlichem Eigentum reduzierten sich seit 1657 beständig – von 550.000 auf 530.000 qm. Insgesamt waren die Flächen in adeligem, kurfürstlichen und geistlichen Besitz gut halb so groß wie die in bürgerlichem, und zwar mit steigender Tendenz, während der bürgerliche Flächenanteil im Sinken begriffen war. Fritzens[Anm. 30] Einschätzung, Adel, Kurfürst und Geistlichkeit seien zusammen im Besitz von 57% des städtischen bebauten Grundbesitzes gewesen, kann ich in diesem Umfang nicht bestätigen. Nach meinen Berechnungen hat sich der Anteil dieser Eigentümergruppen am Flächenbesitz von 31% im Jahr 1568 auf 37% im Jahr 1747 gesteigert, liegt aber dennoch erheblich unter Fritzens Wert. Jedoch ist bereits anfangs bemerkt worden, dass die Flächeneinschätzung etlichen Unwägbarkeiten unterliegt, so dass schon die Annahme verschiedener Grundstücksgrößen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Dennoch ist die Vorstellung, dass ca. 5% der Bevölkerung rund 40% des Grund und Bodens einer Stadt ihr eigen nennen, schon imposant genug.
Noch drastischer stellt sich dieser Befund dar, wenn die Anteile an der Stadtfläche mit denen am Gesamthausbestand verglichen werden. Für den untersuchten Zeitraumes lässt sich durchweg festhalten, dass der Anteil von Kurfürst, Adel und Geistlichkeit an der Gesamtfläche der Stadt bei weitem höher war als der Anteil am Gesamthausbesitz der Stadt. Der Kurfürst war im Besitz von ca. 1,5% des Hausbestandes, aber von 5% des Flächenbestandes. Die geistlichen Institutionen besaßen 18% der Häuser, aber 25% der Flächen. Der Adel hatte einen Anteil von ca. 2,5% am Gesamthausbestand, konnte aber seinen Flächenanteil im Untersuchungszeitraum von 2,7 auf 9,5% steigern. Im Gegensatz dazu waren die bürgerlichen Eigentümer im Besitz von 75% der Häuser, aber nur von 65% der Flächen.
Zusätzlich zeigte sich spätestens seit 1657 die Tendenz, dass der Flächenanteil von Adel, Kurfürst und Geistlichkeit stetig stieg, während ihr Anteil am Hausbestand stetig sank. Umgekehrt nahm der bürgerliche Anteil am Hausbesitz stetig zu, während der Flächenanteil stetig sank. Diese Tendenz ließ sich auch auf die einzelnen Pfarreien niederbrechen und zeigte sich besonders deutlich in den Pfarreien mit hohem bürgerlichen Anteil (St. Christoph, St. Emmeran, St. Ignaz, St. Quintin). Eine besonders große Diskrepanz zwischen Haus- und Flächenbesitz der beiden Eigentümergruppen konnte für die Pfarrei St. Peter/Udenmünster als Standort des Schlosses beobachtet werden.
Aus diesen Daten ließen sich durchschnittliche Hausgrundstücksgrößen ermitteln. Für Adel, Kurfürst und geistliche Institutionen konnte festgestellt werden, dass die Größe der Hausgrundstücke bis 1657 von 1.700 qm auf 5.000 qm stieg und dann auf hohem Niveau stabil blieb. Das Bürgertum verfügte zu Beginn des Untersuchungszeitraums über Hausgrundstücke von ca. 500 qm, ein Wert, der zum Ende der kurfürstlichen Zeit auf 370 qm absank. Damit machte ein bürgerliches Hausgrundstück nicht einmal 10% eines freien Grundstücks aus.
Geht man nun von einer Belegung der Häuser mit durchschnittlich drei Parteien aus, das bedeutet ca. 10 bis 15 Personen, so lässt sich eine Hausgrundstücksfläche pro Bürger von ca. 40 qm errechnen. Dem seien einige Werte für geistliche Anwesen gegenübergestellt. So lebten im Weißfrauenkloster bei seiner Aufhebung 13 Nonnen auf einer Fläche von 5.600 qm, was einer Fläche von 430 qm pro Bewohner entspricht. Das Kloster St. Agnes war 1771 von 5 Klosterfrauen bewohnt und beanspruchte eine Fläche von 4200 qm, also 840 qm pro Bewohner. Das Altmünsterkloster mit seinem umfangreichen Besitz von 14.500 qm beherbergte 1770 37 Nonnen, das bedeutet eine Fläche von 390 qm pro Bewohner. Bei den Männerklöstern sah die Situation ähnlich aus. Die 22 Augustinermönche bewohnten ein Areal von 4.900 qm, wobei ca. 220 qm auf einen Bewohner kamen. Die Heiliggrab-Kommende mit ca. 14.500 qm zählte sogar zeitweise nur drei Bewohner, und das in unmittelbarer Nachbarschaft zu dichtest besiedelten Vierteln. Als grobe Schätzung kann festgehalten werden, dass ein Bürger nur etwa 10% der Fläche "verbrauchte", die eine geistliche Person innehatte. Für die adeligen Gebäude liegen uns keine Bewohnerzahlen vor. Möglicherweise stellte sich allerdings hier das Mißverhältnis zwischen Belegung und Flächenverbrauch nicht ganz so drastisch dar, wohnte doch mit Sicherheit wenigstens ein Teil der vielköpfigen Dienerschaft auf dem Gelände der Adelspalais in Mansardenzimmern oder Gesindetrakten.
So lässt sich schlussendlich festhalten, dass die Stadtaufnahmen bei entsprechender Bewertung der Daten, die sie liefern, durchaus ein gewisses "Spiegelbild" der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz zeigen können. Sie ermöglichten den Blick auf die Besitzverhältnisse in der Stadt und deren Veränderungen im Laufe der Etablierung der Residenzfunktion. Diese Entwicklung verläuft vor allem zugunsten von Adel, Geistlichkeit und Kurfürst, die trotz geringen Anteils an der Bevölkerung erhebliche Flächen innerhalb des Stadtgebietes belegen und dem Stadtbild ihren Stempel aufdrücken. Demgegenüber hatte sich der bürgerliche Teil der Bevölkerung mit seiner stetig steigenden Häuser- und folglich auch Bevölkerungszahl auf immer engerem Raum einzurichten. Das vielzitierte „Werden der barocken Stadt“ mit ihren Palais, Gärten und breiten Straßenanlagen erreichte die Bürger im Prinzip nicht. Sie wohnten überwiegend weiterhin in den engen Gassen von St. Ignaz und St. Quintin, wo dicht gedrängt immer mehr Häuser errichtet wurden.
Anmerkungen:
- Dieser Beitrag beruht im Wesentlichen auf den Ergebnissen meiner unveröffentlichten Magisterarbeit: Mainz auf dem Weg zur kurfürstlichen Residenzstadt im Spiegel der Mainzer Stadtaufnahmen, Mainz 2000 (Betreuer Prof. Dr. Walter G. Rödel). Zurück
- Ein vergleichbares Verfahren ist aus der Zeit vor 1568 nicht bekannt. Allerdings liegen uns seit 1497 Häuser- und Steuerlisten vor, die die Häuser summarisch auflisten und daher für die Erforschung der flächenorientierten Eigentumsverhältnisse weniger brauchbar sind. Zurück
- Siehe hierzu Hans Illich: Maßnahmen der Mainzer Erzbischöfe gegen den kirchlichen Gütererwerb (1472 - 1792). In: Mainzer Zeitschrift 34, 1939, S. 53-82. Zurück
- Zitiert nach Fritz Arens: Mainz im Jahre 1660. In: Mainzer Zeitschrift 39/40, 1944/45, S. 41-54, hier S. 41. Zurück
- Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), Einleitung. Zurück
- Die Beschreibung des Vorortes Vilzbach wurde ausgeklammert, um eine bessere Vergleichbarkeit der Daten mit den anderen Stadtaufnahmen zu erreichen. Zurück
- Hans Fritzen: Einwohnergröße und Besitzverhältnisse in Mainz während der Barockzeit. In: Mainzer Zeitschrift 55, 1955, S. 71-79. Zurück
- Beispiel Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 16, Nr. 158: Ein wohn- und backhaus darneben, ist Heinrich von Butzbachs eigen, bewont umb zins Matheß Schertz, becker oder Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 111, Nr 1090: Ein werkhaus sampt seinem vordern eck und wonhaus bei roten Thurn, ist Hans Ludwigs, benders, eigen, bewont er. Zurück
- Fritzen, Einwohnergröße (wie Anm. 11), S. 71. Zurück
- Beispiel Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 17, Nr. 164: ...der ehrwürdig herr Johan Braun, canonik zu unserer Liben Frauen ad gradus... . Zurück
- Beispiel Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 14, Nr. 132: ...ist Hans von Altzen [=Alzey] eigen... . Zurück
- Beispiel Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 71, Nr. 719: ...der wolgeborn, edel herr, herr Ludwig von Isenburg, Grave zu Büdingen.... . Zurück
- Beispiel Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 35, Nr. 339: ...gehört Junker Wolf von Hattsteins erben zu.... . Zurück
- Andreas Ludwig Veith: Die Mainzer Domherren vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts in Leben, Haus und Habe, Mainz 1924. Zurück
- Diese und die folgenden Angaben beziehen sich auf Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2). Zurück
- Dieses Zeughaus erscheint nur in der Stadtaufnahme, jedoch weder im Schwedenplan noch im Maskoppschen Plan und wird auch sonst urkundlich nicht erwähnt. Siehe auch Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 194, Anm. 2. Zurück
- Die Nummern und Seitenangaben beziehen sich auf Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2). Zurück
- Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 8, Nr. 66. Zurück
- Schrohe, Stadtaufnahmen 1747 (wie Anm. 2), S. 213, Nr. 14. Zurück
- Schrohe, Stadtaufnahmen 1657 (wie Anm. 2), S. 7, Nr. 56. Zurück
- Unter ‚übrige Eigentümer' wurden alle Besitzer unfreier Häuser erfasst. Es handelt sich also hierbei nicht ausschließlich um Bürgerliche, denn es fallen hierunter auch einige niedere Geistliche, deren Privatbesitz allerdings vom Eigentum geistlicher Institutionen wie Stifte, Kirchen, Klöster etc. zu unterscheiden ist. Zurück
- Schrohe, Stadtaufnahmen 1568 (wie Anm. 2), S. 124. Zurück
- Siehe nachfolgende Untersuchung der Besitzverteilung nach Flächen. Zurück
- Zur Flächenverteilung siehe auch Karte zur Stadtaufnahme von 1568 im Anhang. Zurück
- Christina Gaede: Topographische und soziale Strukturen in Mainzer Pfarreien. In: Walter G. Rödel (Hrsg.): Bevölkerungsbewegung und soziale Strukturen in Mainz zur Zeit des Pfälzischen Krieges (1680-1700) (Geschichtliche Landeskunde, 19), Mainz 1978, S. 7-46, hier S. 9. Zurück
- Fritzen, Einwohnergröße (wie Anm. 11). Zurück
- Plan von Mainz um 1620 (wie Anm. 4). Zurück
- Die wenigen Grundstücke ohne Besitzerangabe wurden dem Bürgertum zugeschlagen. Zurück
- Jeweils sechs der zwölf geistlichen Institutionen wurden in eine Graphik gesetzt, die aufgrund der Übersichtlichkeit eine unterschiedliche Achseneinteilung erhalten haben. Zurück
- Fritzen, Einwohnergröße (wie Anm.11), S. 77. Zurück