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Wählerisch beim Essen: Wem’s nicht schmeckt, der ist klott, schlauchig oder schnäkelig!

von Simone Busley

Jeder hat bestimmte Vorlieben beim Essen: Was für die Eine eine Delikatesse ist, kann für den Anderen ungenießbar sein. Und dann gibt es auch noch Menschen, denen fast gar nichts schmecken mag. Genau für diese Eigenschaft gibt es im Standarddeutschen keine bestimmte Bezeichnung, die regionalen Umgangssprachen und Dialekte aber kennen verschiedene Adjektive mit der Bedeutung ‘wählerisch beim Essen’.

Datenerhebung und -auswertung

In unserer Online-Umfrage wurde nach einer Bezeichnung für eine Person gefragt, die wählerisch beim Essen ist. Auf der Karte sind 317 Antworten abgebildet, die sich auf 206 Orte verteilen. Bei der Auswertung wurden zusammengehörige Varianten eines Typs zusammengefasst, z. B. schnägelisch, schnäkelig und schneegelisch zu schnäkelig, wobei nicht nach Dialekt, regionaler Umgangssprache und Standarddeutsch unterschieden wurde.

Karte ‘wählerisch beim Essen’[Bild: Simone Busley, IGL]

Ergebnisse

Wie der Atlas zur deutschen Alltagssprache (Elspaß/Möller 2003ff.) bemerkt, gibt es im deutschen Sprachraum für eine beim Essen wählerische Person eine Vielzahl an Bezeichnungen. Wir fokussieren uns hier auf Rheinland-Pfalz und das Saarland.

Im Westerwald und in der Osteifel nennt man die wählerische Person schlauchig (dialektal auch schlouchig bzw. undiphthongiert schluchig). Dabei handelt es sich um ein Adjektiv zum Verb schlauchen (Rheinisches Wörterbuch Bd. 7, Sp. 1260) in der Bedeutung ‘etwas Besseres allein, ohne die gebräuchliche Zukost essen (z. B. das Fleisch ohne Beilagen)’ oder ‘etwas Gutes essen, das Beste oben wegessen, naschen’ (vgl. mittelhochdeutsch slûchen ‘schlingen, schlucken’, s. Mittelhochdeutsches Handwörterbuch Bd. 2, Sp. 898). In einigen Dialekten kennt man auch das dazugehörige Nomen Schlauch (z. B. auch Schlouch, Schluch), das sowohl Naschhaftigkeit, das Naschwerk oder die naschhafte Person[Anm. 1] bezeichnen kann (Rheinisches Wörterbuch Bd. 7, Sp. 1261).

Im Gebiet Mosel-Saar kennt man klott, glott (vgl. glutt im Rheinischen Wörterbuch Bd. 2, Sp. 1290). Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine Entlehnung aus dem Französischen (vgl. frz. glouton ‘verfressen’).

Südlich der Hunsrück-Schranke sind insbesondere die beiden verwandten Varianten schnäkig (auch z. B. schneegisch, schnägisch) und schnäkelig (auch z. B. schnegelich, schnäkelig) verbreitet. Dazu gehört das Verb schnäken, das neben ‘wählerisch beim Essen sein’ auch ‘(heimlich) naschen’ bedeutet. Laut Pfälzischem Wörterbuch (Bd. 5, Sp. 1219) liegt hier das mittelhochdeutsche Verb snöuke(n) ‘heimlich gehen (um zu naschen)’ zugrunde (vgl. Mittelhochdeutsches Handwörterbuch Bd. 2, Sp. 1043 und Mittelhochdeutsches Wörterbuch Bd. 3, Sp. 452a). Die Variante schnäkelig hört man vor allem in Rheinhessen und im Rheingau.

Für die Wetterau belegt unsere Umfrage die Variante schnäubig (vgl. Südhessisches Wörterbuch Bd. 5, Sp. 590), die sich insofern aus dem Verb schnauben ‘laut durch die Nase atmen’ ableiten lässt, als das Essen kritisch und mit abwertendem Schnauben begutachtet wird oder die Mahlzeit argwöhnisch beschnüffelt wird (vgl. schnäubig in Pfeifer et al. 1993, auch Elspaß/Möller 2003ff.).

Auf unserer Karte vereinzelt vorkommendes mäkelig zeigt sich im Atlas zur deutschen Alltagssprache (Elspaß/Möller 2003ff.) überwiegend im ostniederdeutschen Raum verbreitet, ist jedoch auch häufiger im Rhein-Main-Gebiet belegt. Mäkelig geht auf das Verb mäkeln zurück, einer niederdeutschen, umgelauteten Variante von makeln ‘Maklergeschäfte betreiben, vermitteln’, die in der Bedeutung ‘tadeln, etw. auszusetzen haben, nörgeln’ ins Standarddeutsche übernommen wurde (vgl. mäkeln in Pfeifer et al. 1993). Damit bezieht sich mäkelig nicht nur auf eine beim Essen wählerische Person.

Auch das gestreut vorkommende pienzig, das im Atlas zur deutschen Alltagssprache nicht belegt ist, bedeutet eher allgemein ‘empfindlich, wehleidig’ (vgl. auch das Verb piensen ‘mit hohem, gleichbleibendem Ton weinerlich klagen’, zu beidem s. Pfälzisches Wörterbuch Bd. 1, Sp. 896).

Nachweise

Verfasserin: Simone Busley

Literatur:

Erstellt am: 11.02.2021

Anmerkungen:

  1. Die Bedeutung ‘Fresser’ ist bereits für das mittelhochdeutsche slûch, sluoch belegt (vgl. Mittelhochdeutsches Handwörterbuch Bd. 2, Sp. 989). Es liegt nahe, dass es sich dabei um eine Metonymie handelt, da neben der heute im Standarddeutschen üblichen Bedeutung ‘Schlauch, Röhre’ auch ‘Schlund, Kehle’ angegeben ist. Im Deutschen Wörterbuch (Bd. 15, Sp. 505) wird außerdem eine etymologische Verwandtschaft von Schlauch mit Schluck angenommen. Zurück