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„Kreuznach als Monaco[Anm. 1]“, die Geschichte des Pferderennsports in der Stadt

von Karin Engel

Die ersten Pferderennen in Deutschland entwickelten sich in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, und zwar dort, wo das entsprechende Publikum vor Ort war, welches über Zeit, Interesse und Kenntnisse, vor allem aber über das notwendige Kapital verfügte. Dies fand man in den damaligen Modekurorten Heiligendamm (Ostseebad) und Bad Doberan. Als nächstes entstand ab 1858 die international bekannteste Rennbahn vor den Toren des mondänen Bades Baden Baden, in Iffezheim. Der Pferdesport entwickelte sich zu einer Art Auszeichnung für den luxuriösen Charakter eines Heilbades.

Auch das Bad Kreuznach verfügte über eine solche „Auszeichnung“, den „Nahetal-Renn-Verein“.

Dieser Rennsportverein wurde 1885 ins Leben gerufen und sollte ein „Verein zur Hebung der Landes-Pferdezucht und des Herrenreitens“ sein. Er wurde 1885 beim Amtsgericht Bad Kreuznach als eingetragener Verein, d. h. als staatlich genehmigte Lotterie registriert.

In der Folge fanden jedes Jahr im Sommer zwei Pferderennen auf der Pfingstwiese statt, die vom Nahetal - Rennverein veranstaltet wurden.[Anm. 2] Seit 1886 gab es amtlichen Wettbetrieb auf der Pfingstwiese, d. h. vor Zeugen und einem Notar wurden an der Rennbahn Lose gezogen. Politiker und Offizielle der Stadt waren von der Möglichkeit der Pferdewetten nicht begeistert. Kreuznach war durch die Entscheidungen des Wiener Kongresses an die Provinz Rheinpreußen gefallen und dort verfolgte man generell eine sehr restriktive Politik gegenüber Spielcasinos und anderen Geldlotterien. So sollte auch in Kreuznach der Charakter des Heilbades im Vordergrund stehen, nie der des Spaßbades. In den folgenden Jahren kam es daher immer wieder zu Diskussionen zum Thema Pferdewetten, bis am 22.06.1900 das „königliche Hauptsteueramt“ mit Sitz in Köln die „Genehmigung zur Verlosung von Wertgegenständen“ in der Rheinprovinz und in Teilen von Westfalen und Hessen-Nassau offiziell erteilte.[Anm. 3] So konnten in den Jahren von der Gründung 1885 bis 1914 mit offizieller Erlaubnis Pferderennen und Lotterien stattfinden. Auch wenn die Verantwortlichen der Stadt Wetten und Lotterie sehr ablehnend gegenüber standen, entwickelte sich die Pfingstwiese in Kreuznach zu einem der besten und vornehmsten mittleren Rennplätze in Deutschland. Laut Adressbuch aus dem Jahr 1902 war zu dieser Zeit der Kreuznacher Weingutbesitzer Louis Engelmann der Vorsitzende des Nahetal-Rennvereins. Der Rennsport entwickelte sich zum Aushängeschild für die Kur –und Badestadt vor 1914. Aber auch bei der einheimischen Bevölkerung waren die stattfindenden Rennen sehr populär. So fanden jedes Jahr im Sommer auf der Pfingstwiese zwei Pferderennen, die je zwei Tage andauerten, statt. Jedes Mal vor dem Kreuznacher Jahrmarkt im August.

Der Verein hatte bis dahin nie irgendwelche Subventionen erhalten, sondern war immer auf eigene finanzielle Mittel (daher auch Lotterien) angewiesen. Auch aus finanziellen Gründen wurden fast ausschließlich inländische Vollblutpferde verwendet.

Die ersten Jahre des Ersten Weltkrieges schienen an dem Kreuznacher Pferdesport zunächst glimpflich vorbei zu gehen, 1916 genehmigte die Stadt noch den Bau eines Pferdestalls für die Unterbringung von bis zu 150 Pferden. Allerdings wurde die Stadt ab 1917 von den Entwicklungen des Krieges auch überrannt und der Pferdesport kam völlig zum erliegen. Das Rekordhochwasser vom Januar 1918 zerstörte das Gelände der Pfingstwiese, damit auch die Rennbahnen und Ställe, die völlig überflutet wurden und die Aufnahme der Rennen nach Kriegsende war völlig unmöglich.

In den folgenden drei Jahren wurden nur Lotterien abgehalten, durch welche der Verein zum dringend benötigten Geld für den Wiederaufbau kam. Auch wenn dadurch die Schäden des Hochwassers relativ schnell beseitigt werden konnten, folgte 1920 das nächste schlimme Hochwasser und machte alle Fortschritte zu Nichte. Die Rennbahn und Teile der Tribüne waren zerstört und der Verein war völlig verschuldet.

Daher gab es Rennen erst wieder ab 1921, nachdem für die Wiederherstellung der Bahn 200 000 Mark aufgebracht werden mussten, allerdings nur noch hin und wieder. In den zwanziger und dreißiger Jahren kamen zu den Pferderennen auch ein paar Kutschenrennen hinzu. Zudem fanden sogenannte Offiziers- und Herrenreiten statt. Aber an regelmäßige Rennen wie in den Zeiten vor 1914 war nicht mehr zu denken.

Der Zweite Weltkrieg bedeutete natürlich wieder das Aus für den Pferdesport in der Stadt, anschließend erklärten französische Besatzer das Gelände zum Sperrgebiet, Teile der Einrichtung waren gestohlen worden.

Ein erneuter Aufbau begann ab 1950 und 1951 fanden auf der Pfingstwiese zwei Pferderennen im Sommer statt. Und im gleichen Jahr fand das „Erste Reit- und Springturnier des Kreuznacher Reit- und Fahrvereins…“ auf einem Turnierplatz neben dem Kurhaus statt.[Anm. 4]

Allerdings folgte nach nur wenigen Jahren das endgültige Aus für den Pferderennsport in Bad Kreuznach.

Nachweise

Verfasserin: Karin Engel

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Verwendete Literatur:

  • siehe Anmerkungen

Dieser Artikel erschien im Naheland-Kalender 2011

Erstellt: 05.01.2011

Anmerkungen:

  1. Bad Kreuznacher Heimatblätter, 12/2005, S. 3 (S. 47 des Jahrgangs) Zurück
  2. Kurprospekt 1894 Zurück
  3. Bad Kreuznacher Heimatblätter, 12/2005, S. 3 Zurück
  4. Naheland-Kalender 2008, S. 208 Zurück