Zerstörung und Aufbau in Mainz 1945-1948
von Helmut Mathy
1.Zerstörung und Aufbau
1.1.Der 27. Februar 1945
Als das Dritte Reich gleichsam zur Hölle fuhr, da gingen in den meisten Großstädten Deutschlands durch anglo-amerikanische Bombenabwürfe zwischen 1942 und 1945 die Lichter aus; selbst heute, nach fünfzig Jahren, sind im Stadtbild von Mainz noch etliche Narben und Wunden der Bombenangriffe zu konstatieren, mit denen die Stadt im wörtlichen Sinne "gebrandmarkt" worden ist.[Anm. 1] Doch insgesamt ist ja, wie im Jahr des Europäischen Denkmalschutzes 1975 überspitzt festgestellt wurde, in der Nachkriegszeit mehr an erhaltenswerter Bausubstanz zerstört worden als durch den Luftkrieg, weil im Rausch des Wiederaufbaus zunächst die schnelle Beschaffung von Wohnraum gefragt war und andererseits Baupolitik und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg mit großflächigen und maßstab-ungerechten Lösungen in den Innenstädten durchaus negative Akzente setzten.[Anm. 2]
Es ist hier nicht der Ort, auf den Luftkrieg im Raum Mainz seit dem 12./13. August 1942 bis zur Invasion der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 näher einzugehen, auch nicht auf die Ereignisse zwischen Spätherbst 1944 bis zur Ardennenoffensive Anfang 1945, mit der ja, wie Albert Speer in seinen Memoiren schrieb, der Krieg zu Ende gewesen sei. "Was folgte" - so der Memoirenschreiber weiter – "war nur noch die von einem wirren und ohnmächtigen Widerstand verzögerte Besetzung des Landes".[Anm. 3] Als also das Bewusstsein eines unaufhaltsamen Endes alles andere überschattete, kam es noch zur bisher größten Zerstörung einer Vielzahl von Städten, die nun nicht mehr nach strategischen Zielen ausgewählt wurden, sondern unter ein von Arthur Harris ausgeführtes Flächenbombardement fielen. Während die amerikanische Luftwaffe Treffer auf Wohngebiete lange als Fehlwürfe ansah, die infolge von technischem und menschlichem Versagen unvermeidbar waren, hat die britische Luftwaffe, wie Dieter Busch in seiner Arbeit über den Luftkrieg im Raum Mainz während des Zweiten Weltkrieges (1988) feststellte, "die Wohngebiete mit kalter Berechnung" bombardiert, so dass er schon den Angriff auf Mainz in der Nacht zum 2. Februar 1945 als eindeutig gegen die Zivilbevölkerung gerichtet sowie als Terrorangriff "und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet hat.
Außerhalb des Bereiches jeder militärischen Logik liegend und jeden taktisch-operativen Hintergrund vermissen lassend, war auch der Angriff am 27. Februar, der in wenigen Minuten zwölfhundert Menschenleben auslöschte und einen Großteil der Mainzer Innenstadt in Schutt und Asche verwandelte, ein Ergebnis der teilweise rational nicht zu erklärenden Entscheidungen des britischen Chefs des Bomberkommandos, der zwischen Herbst 1944 und Frühjahr 1945 von Winston Churchill weitgehend freie Hand und Rückendeckung erhalten hatte. Die politische Führung Großbritanniens und auch seine militärischen Vorgesetzten sahen tatenlos zu, obgleich seine Bomberkommandos eigentlich in krassem Gegensatz zu den geltenden Richtlinien standen und nach der Vernichtung der sächsischen Metropole Dresden in der Nacht auf den 14. Februar in den alliierten und neutralen Staaten eine heftige Diskussion über den militärischen Sinn und die moralische Rechtfertigung der Flächenangriffe ausgebrochen war.[Anm. 4]
Wenn diese Thesen neuerdings noch zugespitzt worden sind,[Anm. 5] so scheint doch sicher zu sein, dass es heute in Bezug auf den 27. Februar 1945 nicht um Anklage oder Aufrechnung gehen kann, sondern in erster Linie um Trauer und Versöhnung. So militärisch sinnlos die Angriffe von Harris gewesen sein mögen: ihn zum Sündenbock zu stempeln ist - um mit Guido Knopp sprechen – "unfair. Denn begonnen hatten mit dem Bombenterror Deutsche, und vor Dresden standen Warschau, Rotterdam und Coventry. Man hatte Wind gesät und Sturm geerntet. Die Verbrannten in den Kellern der zerstörten Stadt - sie waren Opfer. Doch gewiß nicht nur von Harris, sondern auch von Hitler. Ohne dessen Machtergreifung keine Todesnacht von Dresden“ - und kein 27. Februar 1945 in Mainz. „Trauer um die Opfer darf nicht heißen, das Verbrechen Dresden gegen andere Verbrechen aufzurechnen. Es gibt kein Gleichgewicht von Schuld, Schmerz und Tod. Doch was es gibt, das ist ein Recht auf Trauer, auch für uns - die Deutschen. Solche Trauer darf nicht trennen, sondern muss verbinden" . . .[Anm. 6]
Die Durchhalteparolen, die in der Mainzer Presse nach dem großen Bombenangriff vom 27. Februar erschienen, vermochten nicht mehr ihren propagandistischen Zweck zu erfüllen, mit dem sie die Bevölkerung zum Glauben an den Endsieg animieren wollten, weil allmählich der Unbedarfteste einsehen musste, dass der von den Nazis vom Zaun gebrochene und entfesselte Krieg verloren war und sich, nachdem die deutschen Angriffe zunächst die Nachbarn heimgesucht hatten, nunmehr das Ende gegen Deutschland selber wenden würde. Im Mainzer Anzeiger hieß es dennoch am folgenden Tag, dem 28. Februar, in "pressegelenkter" Manier: „"Gestern nachmittag haben abermals die Terrorflieger der Angloamerikaner über unsere geliebte Heimatstadt Tod und Verderben, Leid und Zerstörung gebracht. Aufs neue hat Mainz schwere Stunden durchleben müssen unter dem Bombenhagel sadistischer Feinde und umdroht durch das Feuer der abgeworfenen Phosphorkanister. Frauen und Kinder sind dem hinterhältigen Mordanschlag zum Opfer gefallen; Greise und Kranke liegen verschüttet unter den Trümmern, unersetzliche Kulturwerte sind auch diesmal ein Raub der von ruchloser Verbrecherhand entfesselten Elemente geworden. Wie es in der Vergangenheit war, so hat auch am gestrigen Dienstag die so schwer geprüfte Bevölkerung von Mainz ihre tapfere Haltung und gerade Gesinnung bewiesen. Die Hände und der Wille der Jungen und Alten standen im gemeinsamen Kampf gegen die Wut der Flammen. Die Organisationen der Partei und des Staates haben alles aufgeboten, um der Not Herr zu werden. Zahllose Einzelbeispiele haben es wiederum bewiesen, dass kein Terror uns niederzubeugen vermag und kein noch so hartes Schicksal unsere Zuversicht bezwingt."
Und dann die Androhung der Rache, obgleich doch die Bomben der deutschen Wehrmacht auf Coventry, Rotterdam und Warschau zu Beginn des Zweiten Weltkrieges den Anfang des Luftkrieges gemacht hatten: "Das Maß ist nachgerade voll! Nur eine Sehnsucht beherrscht uns noch: die nach der Abrechnung mit diesen Gangstern der Luft. Ungeduldig und getrieben von einem unauslöschlichen Haß harren wir der Stunde der endgültigen Vergeltung. Wir wissen, dass sie im Schoße einer nahen Zukunft liegt und dass mit ihr erst unsere Herzen wieder ruhiger schlagen werden. Der Führer hat es uns gesagt, dass in diesem Jahre die geschichtliche Wende in diesem so namenlos opferreichen Ringen eintritt. Wir wissen, dass bis zu diesem erlösenden Tage noch manches von uns hinzugeben sein wird an Leid und Blut, Sorge und Mühe, Kampfleistung und Arbeitskraft. Wir werden es geben in dem stolzen Bewußtsein, dass das Recht mit unseren Fahnen marschiert und unausweichlich der Augenblick kommt, der, alle Opfer segnend, unser Freiheitsringen mit dem Siege krönt."
Doch an die Lektüre einer geknebelten und propagandistisch immer noch auf den Endsieg eingestellten, zentral vom Reichspropagandaministerium gelenkten Presse dachten an diesem Tag in Mainz nur wenige. Und auch wir Nachgeborenen können - als Historiker, Soziologen, Bauforscher - nichts anderes als die Resultate dieses Tages festhalten, doch die Katastrophe selber ist wohl mit wissenschaftlichen Methoden nicht erfaßbar - hier treten die Zeitzeugenberichte in ihr Recht, die in diesen Wochen und Monaten, bisweilen immer noch überwältigt von ihrer Betroffenheit, ansatzweise und unrhetorisch-schnörkellos der Angst und dem Leid jenes 27. Februar vor fünfzig Jahren stammelnden Ausdruck verleihen. Und als jene Bilder des zerstörten Mainz ansehen, die etwa der städtische Denkmalpfleger Dr. Fritz Arens im Frühjahr 1945 anfertigte, um den Verlust der Bausubstanz zu dokumentieren, nachdem gerade am selben Tag aus dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu Berlin folgendes, von einem Ministerialdirigenten Hiecke unterzeichnetes Schreiben nach Mainz abgegangen war: "Es wird hierdurch bescheinigt, dass Herr Dr. Fritz Arens, Mainz, Kapuzinerstraße 36, in meinem Auftrage in Mainz und im Gebiet des Mittelrheins fotografische Aufnahmen von geschichtlich und künstlerisch wertvollen Objekten macht, und dass diese Aufnahmen, wie auch das Entwickeln und Kopieren, im Hinblick auf die ständige Zerstörung von Kulturwerten durch Luftangriffe im dringendsten und kriegswichtigen Interesse des Kunstschutzes liegen!"[Anm. 7] An Zeitzeugenberichten, die in großer Zahl in einem Begleitband zu der im bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum montierten Ausstellung "Mainz - 27. Februar 1945" Anfang 1995 erschienen sind,[Anm. 8] sei nur aus dem Tagebuch des damaligen geistlichen Studienrats am Mainzer Gymnasium Adam Gottron, später Musikwissenschaftler und Ehrenbürger der Stadt, zitiert, der unter dem 27. Februar eingetragen hat: "Über Mittag Luftwarnung, Alarm, Luftwarnung, Alarm, Luftwarnung. Man glaubte, für den Tag erlöst zu sein. Da, gegen 4 Uhr, erneut Sirenengeheul. Während noch die Leute in die Domtürme springen, fallen schon die ersten Bomben. Man fühlte, es wird ernst. Die Erde bebte, der Turm schwankte, Einschläge dröhnten in nächster Nähe, das Brummen der Flieger war deutlich zu hören. Ich stieg im Turm etwas empor, um Ausblick zu gewinnen, aber etwas wie ein dichter grau-brauner Nebel verdeckte die Sicht nach allen Seiten. Ununterbrochen dröhnten die Explosionen. Ringsum begannen Brände aufzulodern. Auch in unserem Speicher brannte eine Brandbombe. Man ist so abgestumpft, dass man gar nicht mehr erschüttert ist. Wir starren dem Nichts ins Angesicht. Jeden Augenblick kann alles aus sein. Ausgelöscht ist jeder Gedanke, selbst das Gebet der Frauen hat aufgehört. Und an anderer Stelle: Hier und da hörte man Stimmen: 'Diese verdammten Amerikaner.' Untereinander sagten die Leute: ‘Diese verdammten Nazis!"[Anm. 9]
1.2.Amerikaner in Mainz
Als die Amerikaner am 22. März 1945 in Mainz einzogen, fanden sie keine Stadtverwaltung mehr vor, weil diese, angeführt von Oberbürgermeister Heinrich Ritter[Anm. 10], der seit 1942 amtierte, bereits die Flucht nach Rüsselsheim angetreten hatte. Ritter selbst war am 20. März noch einmal zu einer Dienstleiterbesprechung erschienen und hatte dabei Durchhalteparolen ausgegeben, worüber er mit dem anwesenden Regierungsrat Dr. Rudolph Walther in eine Auseinandersetzung geraten war und diesem vorgehalten hatte, dass er wohl am Endsieg zweifle. Bei der nächsten Besprechung am 24. März nahm bereits ein Vertreter der Amerikaner, der Offizier Oppenheim, teil. Der Weinhändler Hans Georg Kuhn teilte der erstaunten Versammlung mit, er sei vor zwei Tagen von einem US-Oberst zum Oberbürgermeister ernannt worden, wolle jedoch nicht amtieren, worauf Oppenheim ihn anwies, dies doch zu tun. Gerade hatte Kuhn die ersten Verfügungen, z. B. wegen der Bergung von Leichen und der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, erlassen, da tauchte am Kästrich ein Anschlag der Militärregierung auf, der von einem Bürgermeister Heinrich Schunk unterzeichnet war. Dieser wohnte in der Drususstraße 16, und dieses Haus war von den Amerikanern zum Sitz der Militärregierung erklärt worden. Schunk muss auf den dort residierenden Leutnant Seaferd einen vertrauenserweckenden Eindruck gemacht haben und wurde von diesem schnurstracks zum Bürgermeister gemacht.[Anm. 11] Um dieses Missgeschick mit mehreren Oberhäuptern der Stadt zu beheben, verständigten sich die Dienststellenleiter nunmehr darauf, den Regierungsrat der Stadtverwaltung, Dr. Rudolph Walter, zum OB vorzuschlagen, der dann in der Tat am Abend des 25. März von den Amerikanern offiziell ernannt wurde. Es war fast ein Glücksgriff, denn Walther, der ein ausgezeichneter Verwaltungsfachmann war, gelang es, bis Anfang Mai die Stadtverwaltung im Rahmen der Umstände wieder voll funktionsfähig zu machen. Dazu gehörten als seine Helfer der Polizeipräsident Jakob Steffan, später Regierungspräsident von Rheinhessen und Innenminister von Rheinland-Pfalz, sowie der bisherige Chef des Tiefbauamtes Dr. Carl Dassen, der nunmehr die Leitung der Bauverwaltung übernahm.
Walther erließ am 28. März eine Bekanntmachung von zehn Punkten, die zunächst alle Bauhandwerksmeister aufforderte, sich zum sofortigen Einsatz bei der Bürgermeisterei zu melden - also am Pulverturm, wo sie seit Ende 1944 untergebracht war. Erfaßt wurden auch alle vereidigten Volkssturmpflichtigen, Parteigenossen sowie Angehörige der SA und SS, und bei der Polizei durften sich "unbescholtene" Personen bewerben. Jedermann hatte jedoch sämtliche Waffen, Hakenkreuzfahnen und militärisches Gerät abzugeben, und um die Transportmittel zu erfassen, verfügte der OB, dass Fahrräder wie Autos nur mit einer Sondergenehmigung der Stadtverwaltung benutzt werden durften.
Es waren enorme städtebauliche und künstlerische Werte, die Mainz am Ende des Zweiten Weltkrieges verloren hatte, obgleich die Stadt ähnlich wie Darmstadt oder Frankfurt relativ lange von Zerstörungen großen Ausmaßes verschont geblieben war und die ersten Kriegsjahre kaum bemerkenswerte Bombenschäden gebracht hatten. Erst ab August 1942 hatte der Luftkrieg die ersten breiteren Schneisen in die Innenstadt geschlagen. Die Explosionsgewalten aus den Flammen des 27. Februar 1945 hatten das historische Gefüge dann derart zerrissen, dass die Frage gestellt wurde, ob überhaupt noch einmal von einem goldenen Mainz die Rede sein könne oder ob dieser Begriff nicht unter den Schutt- und Trümmermassen für immer begraben sei. In der Tat: Ein nur flüchtiger Rundgang durch die Stadt der Ruinen schien zunächst dem Pessimismus Recht zu geben. Alle traditionellen Brennpunkte urbanen Lebens schienen erloschen oder für Jahrzehnte brachgelegt. Die Wohnviertel in der Neustadt seit der Kreyßigschen Erweiterung waren ebenso zerstört wie ein Großteil der historischen Altstadt und City. Die letzten großen Geschäftshäuser, die meisten öffentlichen Gebäude, wie Rathaus und Theater, waren verschwunden oder ausgebrannt. Nur im Süden und am Fuß des Stephansberges waren einige Teile der Stadt verschont geblieben, in denen sich in den Jahren nach 1945 ein bestimmender Teil des Geschäftslebens abspielen sollte.
1.3.Bilanz der Zerstörung
Eine ungefähre Bilanz der Schäden ergab, dass außer dem Dom nur eine einzige der alten Großkirchen verschont geblieben war: die barocke Augustinerkirche. Alle anderen Gotteshäuser waren schwer getroffen: St. Christoph und St. Stephan so weitgehend, dass ihre Wiederherstellung damals mehr als fraglich erschien. Bei der Peterskirche, die erst in den letzten Jahren im neugemachten Glanz erscheint, gingen, abgesehen von dem eleganten Rokoko-Turmpaar, die intensiv-bezaubernden malerischen Deckengewölbe und plastischen Ausstattungen verloren.[Anm. 12] An derartigen herrlichen Stukkaturen war Mainz besonders reich - erinnert sei nur an das Deutschhaus.[Anm. 13] Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vermittelten nur noch Augustinerkirche und teilweise St. Ignaz eine gewisse Vorstellung von diesen verlorenen Schätzen. Im Kurfürstlichen Schloss, im Osteiner Hof oder Gouvernement sowie in anderen ehemaligen Adelspalästen und Bürgerhäusern, die das Gesicht der Stadt seit der Barockzeit prägten, waren alle Spitzenleistungen des damaligen Kunsthandwerks zerstört. Das Altertumsmuseum und das Weltmuseum der Druckkunst waren obdachlos geworden. Viele der malerischsten Winkel waren ruiniert - etwa das Mauritzen-Plätzchen, die Löhrgasse am Eisenturm, überhaupt das pittoreske Gewirr der alten Gäßchen und ehemaligen Adels- und Patrizierhöfe zwischen Brand, Markt und St. Quintin, wo fast an jeder Ecke und an jedem Haus eine gotische oder barocke Heiligenfigur angebracht gewesen war und ein Stückchen Mittelalter symbolisiert hatte. Und an der Rheinfront hatte das Stadtbild mit der Stadthalle sowie den drei Rheinbrücken wesentliche Akzente verloren. Der Kunsthistoriker Heinz Leitermann meinte dennoch im Neuen Mainzer Anzeiger Nr. 15 vom 26. Februar 1946: "Der Optimist wird bei dem Rundgang durch das derzeitige Mainz nicht immer vor dem Pessimisten das Feld räumen müssen". Bei genauerem Hinsehen sei doch noch so manches im Bereich der Altstadt - und wenn auch nur als Fassade - erhalten geblieben, das man im Lauf der Zeit wieder zum stilistischen Ausgangspunkt der Umgebung machen könne. Um die Neustadt und das Gartenfeld brauche man sich dagegen weniger Gedanken zu machen, weil die dort projektierte Aufbauarbeit sie wahrscheinlich schöner und einheitlicher als zuvor wiedererstehen lassen würde.
"Es war ein herrlicher Vorfrühlingstag. Wie ein Alpdruck fiel es von vielen Menschen. Trotz der fremden Besetzung fühlten sie sich seit langen Jahren zum ersten Male wieder frei. (...) Man war dem Leben wieder zurückgegeben." So schilderte der Neue Mainzer Anzeiger am 22. März 1946 den ersten Jahrestag der Einnahme von Mainz durch die amerikanischen Truppen der 90. Division. Diese waren auf ihrem Vormarsch über Hechtsheim davor gewarnt worden, dass die gegnerischen Nazis in der Stadt am Mittelrhein Haus um Haus und Block um Block verteidigen würden; aber sie fanden keinen nennenswerten Widerstand, auch nicht, als sie ihre Vorbereitungen zur Überquerung des Rheins trafen. Diese Überquerung sollte sich entgegen nationalsozialistischen Verlautbarungen und propagandistischer Großsprechereien nicht als großes Hindernis erweisen. In den Morgenstunden des 28. März wurden nach kleineren Gefechten Amöneburg und Kastel durch Sturmboote eingenommen und jene Pontonbrücke errichtet, die die linksrheinischen Stadtteile wieder mit ihren rechtsrheinischen verbinden sollte. Mit der Einweihung von zwei weiteren Behelfsbrücken über den Strom durch General Patton Anfang April konnte ein Großteil des US-Nachschubs in das rechtsrheinische Kampfgebiet geführt werden. Und am Jahresende 1945/46 erhielt die Stadt eine in den Berichten der Zeitzeugen verklärte Straßenbrücke im Anschluss an die Kaiserstraße sowie eine zweite Eisenbahnbrücke mit einem Gleis, die sogenannte Marshall-Bridge.
Es war klar, dass sich die Militärregierung zur Durchsetzung ihrer Befehle und Anordnungen wie zur Sicherung des Überlebens der relativ kleinen Bevölkerung in der zerstörten Stadt der Reste deutscher Stellen bedienen musste, die freilich in ihrem Personal als antifaschistisch ausgewiesen sein sollten. Es passierte freilich das schon geschilderte Kuriosum, dass Mainz innerhalb von vier Tagen nicht weniger als drei Oberbürgermeister erhielt, weil die US-Stäbe organisatorisch nicht einheitlich handelten.
1.4.OB Rudolph Walther
Die kurze Ansprache, die Rudolph Walther am 27. März an die Leiter der städtischen Dienststellen richtete, beleuchtet die außerordentlich schwierige Situation: Wenn er sich dazu entschlossen habe, hier (d. h. in der Stadtverwaltung) einzudringen, so aus dem Grund, weil er als alter Mainzer habe einsehen müssen, dass, wenn nicht bald eine Führung auftrete, Zustände eintreten könnten, "die auf die Dauer untragbar (seien) und die die Bevölkerung und uns alle in Mainz ins größte Elend (stürzten)“. Er könne nur amtieren, wenn alle Beamten, Angestellten und Arbeiter sich wieder voll in der Verwaltung einsetzten. Die erste Aufgabe bestehe darin, „das Ernährungswesen wieder auf die Beine zu stellen."[Anm. 14]
Die Reglementierungen der Besatzung aus einem Haus am Fischtor-Ecke Uferstraße begannen, wie in anderen Städten und Landregionen auch, den Alltag der Mainzer zu prägen, die trotz der katastrophalen Entwicklung der letzten Wochen und Monate aus dem verbliebenen Chaos heraus ganz allmählich Lebenswillen zeigten und unter dem neuen Schirm einer lange verlorenen Freiheit wieder Zukunftsperspektiven entwickelten, wenn auch vorerst nur für den nächsten Tag und den nächsten Sack Kartoffeln. Der Aufbau und die Reorganisation der Polizei gingen nur stockend voran, weil viele ehemalige Parteimitglieder ausschieden und viele Nichtnazis sich noch in Gefangenschaft befanden. So griff Jakob Steffan, der ehemalige Reichstagsabgeordnete der SPD, auf solche Beamte zurück, die im Dritten Reich wegen ihrer religiösen oder politischen Einstellung entlassen worden waren. Die ersten Monate, ja bis Ende 1945 gab es Sperrstunden und Ausgehverbote für die Bevölkerung; z. B. setzte der amerikanische Stadtkommandant Major Cl. Martens am 9. Juni die Sperrzeit für deutsche Zivilpersonen von 21.30 bis 5 Uhr in der Frühe fest. In den seit dem 27. April erscheinenden Mainzer Nachrichten, die bis zur ersten Ausgabe des Neuen Mainzer Anzeigers am 26. Oktober das einzige Informationsorgan für die Bevölkerung darstellten, gab es immer wieder Warnungen von amerikanischen und deutschen Stellen vor Übertretung der Sperrzeiten im Raum von Groß-Mainz und des Landkreises. Im Falle der "Zuwiderhandlung" werde von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Polizeipräsident Steffan am 2. Mai 1945: "Zugleich warne ich die Bevölkerung, von dem Unfug abzulassen, sich an den von der Besatzungsarmee bewohnten Gebäulichkeiten und Plätzen anzusammeln. Auch in diesem Falle werden gegen Zuwiderhandelnde schärfste Maßnahmen ergriffen."
Ganz allmählich erhielt die Stadtverwaltung mit sechs Dezernaten unter Dr. Walther im Mai und Juni eine konzisere Struktur. Walther selbst führte das Verwaltungs- und Finanzdezernat; Baudezernent war Dr. Carl Dassen, zuständig für Hochbau und Tiefbau, für das Garten- und Friedhofsamt, die Stadtwerke sowie die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden und das Hafenamt. Kulturdezernent wurde Regierungsrat Michel Oppenheim, der den Untergang seiner Mainzer jüdischen Gemeinde im Holocaust erleben musste, ja, von der Gestapo gezwungen worden war, die Deportationen durch Vorlage von Listen der jüdischen Bürger einzuleiten, und der dennoch unmittelbar nach der Befreiung vom Joch des Nationalsozialismus an eine neue Ära der Versöhnung und Toleranz glaubte.[Anm. 15] Er hatte vor allem die renommierten Museen in Mainz zu betreuen, ihren Wiederaufbau einzuleiten und war zuständig für Schulamt, Theater und Orchester, Peter-Cornelius-Konservatorium sowie die Denkmalpflege.
Als Fürsorgedezernent fungierte der Oberrechtsrat Dr. Quinibert Schwahn, das juristische Dezernat betreute der spätere rheinland-pfälzische Justizminister Rechtsanwalt Wilhelm Westenberger und das Polizeidezernat der ehemalige Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel, der den nunmehrigen Regierungspräsidenten von Rheinhessen, Jakob Steffan, ablöste.
Auf Wunsch von Dr. Walther wurde seitens der Militärregierung ein Stadtausschuss erlaubt, der dem OB beratend zur Seite stehen sollte, zumal von neuen Parteien noch nicht die Rede sein konnte. Diesem am 24. Juni 1945 genehmigten Gremium gehörten zehn Vertreter der verschiedenen politischen Richtungen, der Kirchen, der Arbeiterschaft, der Unternehmer, der Landwirtschaft und der Freien Berufe an - und zwar:
1. Kaufmann Lorenz Diehl, das frühere Stadtratsmitglied des Zentrums und der spätere Begründer einer Christlich-Demokratischen Partei im Herbst 1945;
2. Alfred Freitag, Lagerarbeiter und früheres sozialdemokratisches Stadtratsmitglied;
3. das frühere demokratische Stadtratsmitglied Albert Himmler, Beruf: Reisender;
4. das frühere Stadtratsmitglied Fritz Ohlhof (nunmehr KPD);
5. Pfarrer Wilhelm Diebener für die evangelische Kirche;
6. Domkapitular Johannes Schwalbach für die katholische Kirche;
7. Paul Herrmann als Vertreter der Arbeiterschaft;
8. Philipp L. Schmitt als Vertreter der Industrie- und Handelskammer;
9. Landwirt Josef Ludwig für die Landwirtschaft und
10. Apotheker Dr. Spieß für die Freien Berufe.
Nachdem auch ähnliche Gremien in den Stadtteilen Kastel und Kostheim gebildet waren, die hier den Namen Volksausschuss und Bürgerrat trugen, kam in der Amtsperiode von Dr. Walther der linksrheinische Stadtausschuss am 27. Juni und 27. Juli zusammen, um sich über Probleme der Ernährung und die Wohnungslage, aber auch über Fragen der Enttrümmerung informieren zu lassen.[Anm. 16]
1.5.Politische Säuberung unter OB Kraus
In Mainz griff die Stadtverwaltung - wie anderswo auch - bei der Neubesetzung freier Stellen bewusst auf politisch unbelastete Personen zurück, d. h. vor allem auf dezidierte Antifaschisten, die wegen ihrer politischen Haltung und Überzeugung im Dritten Reich verfolgt worden waren, wie im Fall von Karl Petzel, einem unter den Nazis eingekerkerten Sozialdemokraten, der im Januar 1946 zum Leiter des Wirtschaftsamtes ernannt wurde. Doch kam es auch zu Fehlurteilen, wenn Erkenntnisse der örtlichen Ausschüsse höheren Orts in Neustadt abgeändert und durch gegenteilige Entscheidungen ersetzt wurden, wogegen sich Oberbürgermeister Emil Kraus im Herbst 1946 publizistisch wehrte. Nachdem aufgrund von Reformdebatten in der Beratenden Landesversammlung am 21. April 1947 eine Landesverordnung zur politischen Säuberung in Rheinland-Pfalz ergangen war, konnten trotz wiederholter kleiner Änderungen diese Verfahren erst zu Beginn der fünfziger Jahre ihren Abschluss finden.[Anm. 17] Die meisten Aktivisten und Funktionäre des Nazismus hatten sich bei Kriegsende freilich in die Gebiete rechts des Rheins und nach Süddeutschland zurückgezogen. Fritz Fuchs, von 1937 bis 1945 Kreisleiter von Mainz, wurde von der Spruchkammer im Darmstädter Internierungslager in die Gruppe der Hauptschuldigen eingestuft und erhielt zehn Jahre Arbeitslager, nachdem in der Verhandlung am 6. November 1947 neben zahlreichen anderen Mainzer Bürgern auch Oberbürgermeister Kraus gegen einen der übelsten Nazis ausgesagt hatte. Das Verfahren gegen den Ortsgruppenleiter von Weisenau, Ludwig Keller, der zugleich das Wirtschaftsamt in Mainz verwaltet hatte, ging in Wertheim am Main mit der Eingruppierung als Belasteter aus, und Keller wurde mit 120 Tagen Sonderarbeiten für die Allgemeinheit innerhalb von zwei Jahren sowie der Einziehung von einem Drittel seines Vermögens bestraft.
Die Städtische Betreuungsstelle für die Opfer des Nationalsozialismus in Mainz, die unter der Leitung des kommunistischen Redakteurs Fritz Ohlhof in der Weißliliengasse 2 eingerichtet worden war, gewährte den politisch und rassisch Verfolgten des NS-Regimes erste materielle Hilfen und bevorzugte sie bei der Zuteilung von Wohnungen und Arbeitsplätzen. Auch für die noch nicht zurückgekehrten KZ-Häftlinge setzte sie sich nach intensiven Nachforschungen über deren Schicksal ein. Am 8. August 1945 kümmerte sich die Betreuungsstelle um 601 Fälle, darunter 220 politisch, 117 rassisch und neun religiös Verfolgte. Am 3. September 1946 waren noch 206 Opfer des Faschismus im Raum von Groß-Mainz zu betreuen.[Anm. 18]
Als nach einer Vereinbarung vom 2. Mai die Amerikaner am 9. Juli 1945 Mainz und Rheinhessen für die Franzosen räumten, wurde von diesen - gemäß dem System der Militärregierung nach dem Ersten Weltkrieg - eine hierarchisch gestufte Verwaltung der Besatzung aufgezogen, mit Generalverwalter Laffon an der Spitze, der seinerseits dem Oberkommandierenden der französischen Truppen in Deutschland, General Pierre Koenig, unterstellt war. Wichtig noch für Mainz war die Person des Stadtkommandanten und Kreisdelegierten Louis-Theodore Kleinmann bis Ende 1946, der sich besonders durch sein Engagement bei der Herrichtung der Flak-Kaserne an der Saarstraße zugunsten der Johannes Gutenberg-Universität auszeichnete - ein Thema, das aus Raumgründen und weil ich es zur Zeit anderwärts bearbeite, hier ausgeblendet sei.[Anm. 19]
1.6.Enttrümmerung und freiwilliger Bevölkerungseinsatz
Die Probleme bei der Trümmerbeseitigung, die zunächst nur schleppend anlief, waren möglicherweise der Grund für die Entlassung von Oberbürgermeister Walther, die am 16. August 1945 von französischer Seite ausgesprochen wurde. Die Militärverwaltung setzte bereits am folgenden Tag den aus Baden stammenden Dr. Emil Kraus ein, der bereits von 1929 bis 1933, als die Nazis den unliebsamen ehemaligen Sozialdemokraten ohne Pensionsansprüche fristlos entließen, in Mainz als Beigeordneter tätig gewesen und bei der OB-Wahl 1932 gegen Dr. Ehrhard ganz knapp unterlegen war.[Anm. 20] Die Trümmerbeseitigung, d. h. zunächst die Räumung der Straßen und Bergung der Toten, war eine Angelegenheit, bei der die Mitwirkung aller Bevölkerungsgruppen gefordert war. Polizeipräsident Steffan meinte in einem Aufruf vom 8. Juni 1945, wer jetzt noch nicht begreife, dass nur die Mitarbeit von allen die Notlage beseitigen könne, „in der Hunderttausende unserer Mitmenschen noch immer leben (müßten)“, der versündige sich am Gemeinwohl. Zur Meldung beim Arbeitsamt wurden Arbeitgeber verpflichtet, die entsprechend helfen konnten, sowie alle männlichen Arbeitnehmer vom 15. bis 65. und weibliche Kräfte vom 18. bis 50. Lebensjahr, soweit ihnen nicht die Sorge des Haushalts und die Beaufsichtigung von Kindern oblag. Doch die Aufrufe fanden nicht den nötigen Widerhall, so dass zunächst lediglich die dienstverpflichteten ehemaligen Parteigenossen und die Arbeiter des Tiefbauamtes für die Enttrümmerung zur Verfügung standen.
Die Schuttbeseitigung war nun in der Tat in Mainz wie in anderen vergleichbaren Städten nach der Katastrophe des Bombenkrieges eines der drängendsten Probleme. Dazu reichten die städtischen Kräfte und Ämter also keineswegs aus; so kam es zu jenem freiwilligen Bevölkerungseinsatz, über dessen Ergebnisse vom 8. Oktober 1945 bis 31. März 1946 ein gedruckter Bericht vorliegt.[Anm. 21] Die Größe der Trümmermasse belief sich nach ersten genaueren Schätzungen durch Architekten und Ingenieure auf etwa 1,5 Millionen Kubikmeter, zu der für die links- und rechtsrheinischen Vororte noch etwa 500.000 Kubikmeter hinzukamen. Dies bedeutete, dass über dem gesamten Grundriß der engeren Altstadt im Geviert von Großer Bleiche, Schillerstraße, Ludwigsstraße und Rheinstraße eine Schuttmasse mit einer durchschnittlichen Höhe von einem Meter lag, während sich die Vergleichszahl in der restlichen Altstadt auf 0,5 und in der Neustadt auf 0,65 Meter belief.
Immerhin wurden bereits im Frühsommer 1945 1100 Kubikmeter Schutt abgefahren und weitere 15.000 Kubikmeter in Grundstücken und auf Bürgersteigen eingebaut, allerdings ohne eine organisatorische Systematik. Danach wurden von einem eigenen Arbeitsausschuss für den freiwilligen Bevölkerungseinsatz, dessen Sprecher Dipl.-Ing. Fritzen vom Tiefbauamt der Stadt war, eine Fragebogenaktion bei den Grundstückseigentümern gestartet, deren Anwesen zerstört worden waren. Sie hatte jedoch das Ergebnis, dass in allen Stadtgebieten die Aufbauwünsche gleich dringend waren. Doch der Transport, der Mangel an technischen Hilfsmitteln, die notwendigen Gleisanlagen und die Errichtung der Kippstellen steckten voller Probleme, die nur allmählich gelöst werden konnten. Ein Aufruf des Regierungspräsidenten vom 24. September 1945 für den freiwilligen Bevölkerungseinsatz hatte folgenden Wortlaut: Einwohner von Mainz! "Der Wiederaufbau der Stadt Mainz beginnt. Die organisatorischen Vorbereitungen zu dieser großen Gemeinschaftsarbeit sind abgeschlossen. Der Herr Oberbürgermeister von Mainz wird Euch schon in den nächsten Tagen zur gemeinsamen freiwilligen Aufbauarbeit aufrufen. Alle männlichen Personen vom 14. bis 60. Lebensjahr werden sich hieran beteiligen. Jetzt habt Ihr alle die Möglichkeit zu helfen. Jetzt könnt Ihr unter Beweis stellen, dass Ihr die Not der Zeit erkannt habt und entschlossen seid, ihr zu begegnen. Mit mutlosem Abwarten räumt man keine Straßen, baut man keine Häuser. Andere Städte in Deutschland haben mit bestem Erfolg die Arbeit bereits aufgenommen. Neue Städte sind im Entstehen, und was dort erreicht wurde, muss auch hier mit bestem Erfolg möglich sein. Ich vertraue auf die Heimatliebe und den oft bewährten Opfersinn der Mainzer Bevölkerung. Achtet auf die Bekanntmachung des Herrn Oberbürgermeisters. Stellt Euch zur Verfügung und baut unser Mainz wieder schön auf, auf dass es wieder mit Recht heißen kann: 'UNSER GOLDENES MAINZ'."### In seinem hier angekündigten Aufruf vom 28. September präzisierte der Oberbürgermeister, dass der Einsatz am 8. Oktober beginnen werde. "Eingesetzt wird jeder einmal im Monat, und zwar an einem Wochentag. Von den ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und deren Gliederungen erwarte ich besondere Einsatzfreudigkeit." Nach der Regulierung der Meldeformalitäten spricht Dr. Kraus die Erwartung aus, "dass alle in Erkenntnis der schweren Notlage unserer zerstörten Stadt Mainz diesem Aufruf Folge leisten, und dass die Meldungen zum Arbeitseinsatz so zahlreich sein mögen, dass irgendwelche Zwangsmaßnahmen nicht mehr notwendig werden" (S. 12). Ende Oktober lagen die Meldungen in der Tat bereits bei 9000, und zwischen Januar und März 1946 steigerte sich ihre Zahl von etwa 10.000 auf 12.000; allerdings trat ungefähr ein Drittel davon letztendlich doch nicht an. Bei der Aufschlüsselung der Berufe ergab sich ein Prozentsatz von 57 für Handwerker, die Angestellten waren mit 20, die Beamten mit 10, die Schüler mit 7, Freie Berufe und Landwirtschaft mit je 3 Prozent bei den Meldungen vertreten. Der Altersaufbau spiegelte den durch den Krieg bedingten Ausfall derjenigen Jahrgänge wider, die eigentlich die Träger der Arbeiten hätten sein sollen. Was den Tagesablauf betrifft, so wurde für jeden Monat ein "Fahrplan" aufgestellt, der nach Möglichkeit die Wünsche der Teilnehmer am freiwilligen Arbeitseinsatz berücksichtigte. In Mainz-Stadt kamen die Einsatzstellen Brand und Goetheplatz in Frage, um die Freiwilligen-Arbeit möglichst in Wohnnähe ausführen zu können. In der Regel gab es zur Mittagspause, die anderthalb Stunden dauerte, eine warme Suppe, bei deren Verteilung vor allem die Auswärtigen berücksichtigt werden sollten und von der etwa 60 Prozent der Angetretenen Gebrauch machten.
Bei der Bewertung wird vermerkt, dass die zugewiesenen Arbeiten durchweg mit "Verständnis und gutem Willen" ausgeführt worden seien, wenn es auch, wie auf jeder Baustelle, hie und da "einmal zu lauter gesprochenen Worten gekommen sei. Das ist ebenso verständlich wie es natürlich ist, dass nicht immer Schippen und Loren in Bewegung sein können. Nur der, der selbst Hand anlegte, kann die Arbeit einschätzen und wird es den Helfern aller Berufe nicht gleich nachtragen, wenn sie zwischendurch ein kleine Pause einlegen, um einen Überblick über ihre bisherige Leistung zu bekommen." Die versicherungsmäßige Regelung von Unfällen mit umfassender Krankenbehandlung ohne jede Einschränkung und der Gewährung von Renten nach dem Grad der Erwerbsschädigung wurde zugesagt. Nach einem besonderen Lob für die Fahrzeugbesitzer wird auf die Schonung von Kunstdenkmälern verwiesen, die im historischen Mainz eine selbstverständliche Pflicht sei, wobei nicht selten die Räumungsarbeiten überhaupt erst die Voraussetzung für die Erhaltung einiger Bauwerke geschaffen hätten.
Ohne, wie es heißt, "ihnen Lorbeerkränze zu winden", wurden die ehemalige Parteigenossen dort herangeholt, wo es galt, die Schäden aus ihrer Zeit zu beheben. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch wurden die PGs und die Angehörigen der Gliederungen der NS-Organisationen zu mehr oder minder regelmäßigen Sondereinsätzen bei der Enttrümmerung herangezogen. Neben einem sechswöchigen Pflichteinsatz - außerhalb dieses Berichtsrahmens - wurden mit ihnen an Samstagnachmittagen und Sonntagvormittagen von der Polizei und den Ortsverwaltungen gesteuerte Sondereinsätze durchgeführt, bei denen neben Straßenräumungen insbesondere Feldbereinigungen, wie das Verfüllen von Bombentrichtern oder das Entfernen von Panzersperren und Flakstellungen, die wichtigsten Aufgaben darstellten. So wurden seit April in Bretzenheim 1200 Tagewerke, in Gonsenheim 1400, in Mombach 2300 und in Weisenau 1200 abgeleistet, während es in Mainz-Stadt erst ab September zu geschlossenen Einsätzen mit 1300 Tagewerken gekommen sei, denen man noch etwa 600 bei Räumungsarbeiten zwischen April und September zurechnen muss.
Der Beginn des freiwilligen Bevölkerungseinsatzes habe den Parteigenossen nochmals eine Chance gegeben. "Der Hinweis im Aufruf des Oberbürgermeisters, dass seitens der Parteigenossen besondere Einsatzbereitschaft erwartet würde, ist zu einem guten Teil verstanden worden. Denen aber, die nicht guten Willens, ist seit Anfang März 1946 Gelegenheit gegeben worden, jeden Samstag zu einem besonderen Pg-Pflichteinsatz anzutreten" - auf Grundlage einer Anordnung des Regierungspräsidenten vom 17. Oktober 1945, wo allerdings die Altersgrenze für Pg-Meldungen auf 65 Jahre heraufgesetzt war. Der Arbeitsausschuss seinerseits betont in seinem Bericht, dass er gerade in diesem Punkt auf strenge Durchführung des Pflichteinsatzes drängen werde.
Wenn man nach den Ergebnissen und Leistungen des freiwilligen Bevölkerungseinsatzes fragt, so hat er trotz verschiedener Probleme, eine solche Mannschaft zusammenzuhalten, seine Zwecke durchaus erfüllt. Pro Tag wurden nicht weniger als 190 Kubikmeter mit Loren oder Fahrzeugen abgefahren, und die Erdarbeiten mit der Schaufel bis einschließlich März 1946, d. h. Planieren, Einebnen von Splittergräben, Beifuhr von Schuttmassen, beliefen sich zusätzlich auf 10.000 Kubikmeter in der genannten Zeit, so dass die gesamten Erdbewegungen auf 36.000 Kubikmeter stiegen, wobei die Heranschaffung und Verlegung der Gleise, die Bedienung der Kippen und die Heranschaffung der Steine für die Putzmaschine noch nicht einmal in Anschlag gebracht waren. Pro Kopf und Tag ergab sich also eine Leistung von 1,0 Kubikmeter nur für die Abfuhr und 1,4 Kubikmeter für die Erdbewegung. Somit hatte der freiwillige Bevölkerungseinsatz im ersten halben Jahr immerhin etwa ein Zehntel der geschätzten Gesamtschuttmenge, die bei den Fliegerangriffen vom August 1942 bis Anfang 1943 und von da bis zum verhängnisvollen 27. Februar 1945 entstanden war, beseitigt, wobei allerdings der Drang und Zwang der ersten Räumungsarbeiten eine geordnete Gewinnung der wieder verwertbaren Materialien in den Hintergrund treten ließ. Den Anforderungen an Steinen, die im Frühjahr 1946 die stattliche Zahl von etwa 900.000 erreichte, konnte nur in Maßen entsprochen werden. Doch bestand für Mainz nicht der unbedingte Zwang, den Schutt gleichsam durch Gestaltwandel in der Stadt zu lassen, da Kippstellen in genügendem Umfang sehr günstig in der Nähe angesiedelt waren; und die Mainzer Ziegeleien konnten, wenn sie von Kohlenmangel verschont blieben, jährlich zwischen 18 und 24 Millionen Steine erzeugen. Auch war man bei der ersten Bilanz gewiss, dass eine leistungsfähige Zementfabrik die nötigen Bindemittel liefern und Sand und Kies in entsprechender Menge aus dem Rhein zu holen seien.
Doch volle Zufriedenheit stellte sich beim Arbeitsausschuss mit seinen Mitgliedern Fritzen vom Tiefbauamt, Odenthal vom Arbeitsamt und Steil von der Polizeidirektion gewiss nicht ein. Solange auch nur noch Reste von Schutt in Straßen und Grundstücken lagen, konnte es keine Ruhe geben, sondern nur die Aufforderung: "Wir wollen die staubigen Trümmermassen wegschaffen, damit wir wieder frei atmen können, damit aus unserer Kraft ein neues Mainz entstehe."[Anm. 22]
1.7.Oppenheims Gedanken zum Wiederaufbau
Schon kurz nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, jedenfalls noch im Mai 1945, machte sich der städtische Kulturdezernent Michel Oppenheim, wie aus seinem Nachlaß hervorgeht, "Gedanken zum neuen Aufbau der Stadt Mainz".[Anm. 23] Seine erste Sorge galt der Verhinderung jeder Geländespekulation beim Wiederaufbau. Er war jedoch der Überzeugung, dass in vielen Stadtteilen eine Neuverteilung des Grundbesitzes stattfinden müsse. Oppenheim forderte zum dritten einen allgemeinen Bebauungsplan für die Stadt, ihre eingemeindeten Vororte sowie die benachbarten Gemeinden, zumal die beiden einzigen Waldstücke in der nächsten Umgebung, Lenneberg- und Ober-Olmer Wald, unbedingt in das Interessengebiet der Stadt ohne Rücksicht auf die augenblicklichen Eigentumsverhältnisse gehörten. Oppenheims Meinung nach sollte eine ins einzelne gehende Wiederherstellung resp. Kopie der Stadt, wie sie bis August 1942 bestanden hatte, nicht mehr versucht werden. Denn: "Es wäre geschmacklos, alle die engen Straßen mit den für die Straßenbreite zu hohen Häusern in alter Weise wieder aufbauen zu wollen; und es widerspräche unserem Gefühl für gesundes Wohnen, in allen Bezirken der Altstadt eine zu hohe Bevölkerungsdichte wieder zuzulassen". Die in jeder Festungsstadt vorhandene, durch die Umwallung entstandene und bedingte Raumnot müsse der Vergangenheit angehören. Notwendige Straßenverbreiterungen und Platzerweiterungen sowie etwa nötige Straßendurchbrüche seien jetzt durchzuführen, "wenn eines der wenigen noch stehenden Häuser einem solchen Eingriff zum Opfer fallen müßte". Oppenheim empfiehlt ferner, beim Neuaufbau auf Durchblicke zu achten und demgemäß eventuelle Baubeschränkungen aufzuerlegen. Blickpunkte sollten beachtet und neue geschaffen werden. Nicht jede Straße sei allerdings zu verbreitern, und nicht jeder Straßendurchbruch zu genehmigen. Die Forderung nach ortsüblichem Material beim Neuaufbau ist ein weiterer allgemeiner Punkt des Oppenheim-Papiers, z. B. in der Altstadt roter Sandstein mit hellem Flächenbelag, während die Verwendung von weißem Sandstein stets zu ortsfremden Bauten geführt habe, die sich in das Stadtbild nicht hätten einfügen können (etwa der Neubau von Scheuer & Plaut in der Schusterstraße). Allerdings sollten, wie Oppenheim in einem besonderen Teil vermerkt, gewisse Baukomplexe auch in der neuen Stadt ihren alten Charakter beibehalten: Dom, St. Stephan, Karmeliterkloster bis Krempelmarkt. Ebenso sollte die mächtige Wirkung von St. Quintin erhalten werden („durch leichte nicht-lineargrade Ausrichtung der Straßen ist diese Kirche als point de vue hervorzuheben“.) Zwischen diesem Gebiet, dem Höfchen, Markt, Liebfrauenplatz, der Fischtorstraße und Rheinstraße sollte der Charakter der alten Stadt mit ihren winkeligen, engen Gassen nach Möglichkeit erhalten bleiben – "unter Benutzung von Motiven der Mainzer Altstadt (z. B. Figurenschmuck an Straßenecken und Hauswänden, schiefgestellten Eckeinfahrten, usw.) und Verwendung von an anderen Stellen geborgenen Gebäudeteilen."
Besonders zu achten sei auf die Platzanlage Brand, den Eisernen Turm, auf Heilig Geist, den Römischen Kaiser mit dem König von England, sodann auf den Gutenbergplatz sowie auf das Höfchen, mit Einbau von Laubengängen in den beiden Eckhäusern an Schöfferstraße und Fuststraße, jedoch, mit Rücksicht auf den Dom, einer notwendigen Baubeschränkung in der Höhe. Die alten Adelspaläste und die alten Bürgerhäuser seien tunlichst zu konservieren oder unter Verwendung der ehemaligen Fassaden neu zu gestalten, wobei sie sich der Umgebung unterzuordnen hätten. Neben Eisenbahnbrücke und Hafenanlage beschäftigt Oppenheim die Verbindung zum Stadtpark, der an ungenügenden Zufahrtsstraßen zur Innenstadt kranke. Er stellt den Prüfantrag, "ob ein großer Durchbruch vom Schillerplatz vorbei an der Südseite des Gouvernements entlang der Nordseite des Willigisplatzes durch die Golden-Luft-Gasse quer über die Zitadelle mit Mündung nach der Eichelsteinstraße oder nach der Neumannstraße jetzt nicht leicht durchführbar wäre mit Rücksicht darauf, dass auf diesem Wege fast alles abgebrannt ist. (...) Statt der Überquerung der Zitadelle, die, wenn möglich, erhalten werden sollte, könnte der obere Teil der Windmühlenstraße benutzt werden." Auch um die Hotelkapazitäten, die mit denen der Nachbarstädte in jeder Weise konkurrieren müßten, ist Oppenheim besorgt: Wie früher müsse es zumindest drei große und qualitativ hochstehende Hotels, wie Rheinischer Hof, Holländischer Hof und Karpfen, geben, zumal die meisten Reisenden eine Stadt nach ihren Speisehäusern und Übernachtungsmöglichkeiten beurteilten. Über die notwendigen Plätze für Markthalle und Schwimmbad kommt Oppenheim auf das Gartenfeld zu sprechen und dann auf Mainz-Kastel, wo er sich die Bahn von der Rheinfront hinter den Ortsteil verlegt wünscht. Als Hauptverkehrsstraße durch die Stadt in senkrechter Richtung zum Rhein sei die Große Bleiche vorzusehen.
Oppenheim betont, dass Mainz im Vergleich zu anderen Städten der näheren Umgebung nur wenige Spazierwege besitze. Er nennt die Promenade am Rheinufer, den Spazierweg "Owenherum" vom Binger Schlag über Linsenberg, Römerwall, Fichteplatz, Drususwall, Rosengarten und Stadtpark, die Region zwischen Städtischem Friedhof und Krankenhaus, wo mehr Fernblicke zu schaffen seien; dann den Weg über die drei Brücken und schließlich Lenneberg- und Ober-Olmer Wald, wobei er so weit geht, die Enteignung des Privatwaldes in diesen Bereichen zu fordern. Auch mit Maßnahmen zum Hochwasserschutz, etwa Erhöhung der Petersaue und der Maaraue sowie Verbreiterung der Dämme, beschäftigen sich die Gedanken von Oppenheim sowie schließlich - ganz modern - mit der Funktion der Straßen. Hier heißt es: "Die Straße soll dem Verkehr dienen - aber nicht nur dem Autoverkehr. Auch der Fußgänger muss ein Recht haben, ohne Gefahr die Straßen, namentlich die Landstraßen, zu benutzen. Es sind daher die Landstraßen, jedenfalls in der Nähe der Stadt, außer mit Radfahrwegen auch mit Fußwegen zu versehen."
In einer am 6. September 1945 datierten Vorlage zum Bau einer Hauptverkehrsstraße durch die Stadt Mainz in senkrechter Richtung zum Rhein wird unter drei Möglichkeiten
1) Ludwigsstraße - Markt - Fischtorstraße
2) Große Bleiche
3) Kaiserstraße
die Variante Große Bleiche favorisiert. Die Begründung im einzelnen lautet: "Die Große Bleiche wurde erst im 18. Jahrhundert angelegt. Sie ist ein Straße ohne jeden Charakter. An beiden Enden ohne Blickpunkt, wirkt sie auf den Fremden nicht anders wie irgendeine Straße in irgendeinem Neustadtteil. Nach dem Rhein zu sieht man ins Leere und nach der anderen Richtung sieht man durch die Bilhildisstraße nach der unerfreulichen Wand mit dem Pissoir. Wird die Große Bleiche auf der Südseite in dem Ausmaß verbreitert, wie dies vorgesehen ist, so erhält man in der Richtung nach Osten als erfreulichen Blickpunkt die Peterskirche und in der Richtung nach Westen als Blickpunkt den auf der freien Seite der Bilhildisstraße zu errichtenden Neubau, für dessen entsprechende Ausgestaltung unbedingt Sorge getragen werden muss. Durch die Verbreiterung der Großen Bleiche wird also für die Stadt Mainz in städtebaulicher Beziehung ein starkes Plus entstehen."
Ich lasse das interessante Projekt Oppenheim für sich stehen und wende mich einem anderen Aspekt zu, der im Gefüge der Stadt, und zwar innerlich und nach außen, von zentraler Bedeutung war.
1.8.Religiöse Strukturen
Die Situation der religiösen Gemeinschaften am Ende des Krieges und beim Neuaufbau nach 1945 war selbstverständlich - bei dem allgemeinen Zerstörungsgrad - zunächst von großer Hoffnungslosigkeit gekennzeichnet.[Anm. 24] Was die katholische Kirche betrifft, so konnte sie jedoch in dieser Existenzkrise letzten Endes wieder an ihre Strukturen und Aktivitäten von vor 1933 irgendwie anknüpfen, und man darf nicht vergessen, dass sie weithin - man denke etwa an die „Persilscheine“ bei der Entnazifizierung - von den Alliierten in gewisser Weise als eine moralische Instanz gesehen wurde, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus große Opfer gebracht hatte. Wenn bei der ersten amtlichen Zählung nach dem Krieg am 26. Januar 1946 im linksrheinischen Mainz noch 44 249 Einwohner = 74 Prozent der Gesamtbevölkerung sich zum katholischen Glauben bekannten, so zeigt dieses Datum indirekt auch den Grad der Zerstörung an, den der Katholizismus in Mainz zu verkraften hatte. Die meisten Pfarrkirchen der Innenstadt waren zerstört, nur der Dom hatte relativ geringe Schäden erlitten, so dass August Schuchert, der spätere Rektor des Campo Santo Teutonico in Rom, damals Herausgeber der Bistumszeitung "Glaube und Leben", im Jahrbuch für das Bistum Mainz 1946 konstatieren konnte: Des Domes "steinerner Leib war stärker wie die Gewalt der Elemente, des Feuers, der Erschütterungen und des in seine Bausubstanz und Gewölbe eindringenden Regenwassers".
Beim Wiederaufbau der Kirchen und der vorherigen Beseitigung der Trümmer haben die Pfarrgemeinden selber weitgehend Hand anlegen müssen, unterstützt von Dr. Ernst Strasser, dem ersten Studentenseelsorger der Universität, sowie von Dr. Fritz Arens, dem Denkmalpfleger. Bischof Albert Stohr konnte an Ostern 1946 im Ostchor des Domes das erste Pontifikalamt feiern, und im Oktober war bereits die provisorische Verglasung abgeschlossen, womit das Innere vor den Unbilden des Wetters geschützt wurde. Die französische Militärregierung schrieb im November 1946 sogar eine staatliche Lotterie in Rheinhessen und in der Pfalz zugunsten der Wiederherstellung der Kathedrale aus. Ein weiteres, weit sichtbares Symbol der Stadtsilhouette, der geborstene Stephansturm, wurde in zäher Arbeit von Dipl.-Ingenieur Fritz Grebner durch Einbau eines Betonpfeilers eigentlich gerettet, nachdem etliche Darmstädter Architekten und Fachleute den Abbruch empfohlen hatten.
Die Leistungen der Caritas sowie des katholischen Jugendwerkes und der Vereine blieben lange unvergessen,[Anm. 25] und die Beteiligung der katholischen Kirche und ihrer Repräsentanten am öffentlichen und politischen Leben erhielt neue Dimensionen. Nachdem Bischof Stohr schon am 24. März 1945 aus seinem rheinhessischen Unterschlupf in Engelstadt nach Mainz zurückgekehrt war, stand bereits der Gedanke des Aufbaus von Bischofsstadt und Diözese im Mittelpunkt seiner Aktivitäten. Seine Beteiligung in der Konstituierungsphase von Rheinland-Pfalz[Anm. 26] und seine Predigten wie Hirtenschreiben standen unter dem Motto einer Restitution des christlich-abendländischen Geistes nach der Perversion durch den Nationalsozialismus. Seine Aufforderungen an die Landbevölkerung, den hungernden Städtern tatkräftig mit Lebensmittelabgaben zu helfen, sind ebenso bei älteren Mitbürgern in der Erinnerung präsent wie seine Diagnose im ersten Fastenhirtenbrief 1946, dass der sittliche Verfall Ausmaße annehme, die Ehe und Familie zu zerstören drohe. Stohrs Reisen in mehrere deutsche Kriegsgefangenenlager nach Frankreich im Mai 1947 fanden allenthalben ein großes Echo in der beginnenden Aussöhnung mit dem westlichen Nachbarn, und der 72. Deutsche Katholikentag, der erste seit der Generalversammlung in Essen 1932, im September 1948 in Mainz[Anm. 27] wurde eine Besinnung und ein Neuaufbruch für die katholische Kirche in Deutschland, obgleich das neue Deutschland von P. Ivo Zeiger als Land der notwendigen Missionierung bezeichnet wurde. Bereits ein Jahr zuvor, am 15. August 1947, hatte Stohr in einer Großveranstaltung des Diözesan-Katholikentages auf dem Katholischen Jugendwerk am Fort Gonsenheim ein "gemeinsames Ja zur Not und zu den Problemen der Zeit", zugleich Wege zu suchen und neue Richtung auf die Mitte des Glaubens hin zu nehmen, gefordert und damit das Motto des Katholikentages: „Nicht klagen, handeln!“ geistig vorweggenommen.
Zerstörung und Zertrümmerung von Gotteshäusern und Gemeinden war auch in der evangelischen Kirche das Prinzip von 1945.[Anm. 28] Die evangelische Bevölkerung von Alt-Mainz mit Zahlbach war um über die Hälfte gegenüber der Vorkriegszeit zurückgegangen. Bombentod, Flucht und Evakuierung hatten an diesem Faktum ebenso Anteil wie die innerkirchlichen Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialismus und Bekennnender Kirche. Pfarrer Karl Trabandt, der Leiter der Paulusgemeinde, stellte am 26. Oktober 1946 in der Beilage des Kirchenblattes fest: "Wer freilich mit dem Ende des Terrors im Dritten Reich einen Massenzustrom zur Kirche erwartet hatte, der wurde enttäuscht." Aber dass der Zusammenbruch einer ganzen Welt nicht zum Aufwachen, zu einer Erweckung im christlichen Sinn geführt habe, "bleibt trotzdem ein wenig erfreuliches Symptom für die abgrundtiefe geistige Not unseres Volkes." Im ganzen ging der Aufbau der zerstörten evangelischen Kirchen in Mainz langsamer als der der katholischen voran; doch im sozialen Bereich wurden verdienstvolle Akzente gesetzt. Das im Spätsommer 1945 in Treysa gegründete Evangelische Hilfswerk konnte am 1. Oktober 1946 in Mainz seine Tätigkeit aufnehmen - die Verteilung von Spenden des Auslandes, vor allem aus den USA und der Schweiz, aber auch die Unterstützung von Gemeindemitgliedern mit Kartoffeln, Obst und - Büchern, wobei die amerikanischen Lutheraner sowie ihre mennonitischen Landsleute besonders den Mainzer Studierenden geholfen haben.
Das Tagebuch der jüdischen Gemeinde "Magenza" von 1941 bis 1943, das Anton M. Keim 1968 herausgab, ist ein zufällig erhaltenes Merkbuch, eine Agenda der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland", die zur Ausführung der verschiedenen Gestapo-Anordnungen und damit zur tragischen Mitarbeit am Holocaust mit seiner sogenannten "Endlösung" gezwungen worden war.[Anm. 29] Es notiert stenogrammartig die Verschleppung und den Todeskampf von über 1100 Mainzer Juden. Wenn man die nüchternen Zahlen detailliert resümiert, so wohnten am 16. Juni 1925 in Mainz 2738 Bürger jüdischen Glaubens und am 16. Juni 1933 noch 2609. Die ersten Jahre des Nationalsozialismus mit seinen antisemitischen und verbrecherischen Gesetzen, die zum Genozid führen sollten, sowie die "Reichskristallnacht" hatten am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, am 17. Mai 1939, die Zahl der Juden bereits auf 1453 dezimiert. Am Ende des Krieges gab es nur noch eine Handvoll von ihnen in Mainz, unter ihnen Regierungsrat Michel Oppenheim, der als offizieller Verbindungsmann der Bezirksstelle Mainz der Reichsvereinigung deutscher Juden zur Gestapo gezwungen gewesen war, über die Deportationen Buch zu führen und damit bereits im Dritten Reich die Bilanz des Schreckens und des Genozids für seine Gemeinde zu ziehen.
Nach einer Statistik vom 1. April 1963 für Rheinhessen zählte Mainz hinter Worms, Bingen und Alzey wieder 127 jüdische Mitbürger, doch die Kontinuität der jüdischen Gemeinde war abgerissen - jener Gemeinde, die so fruchtbare Impulse und bedeutende Ideen im Lauf der neueren Jahrhunderte gezeitigt hatte. Unter diesen 127 Gemeindemitgliedern befanden sich jene 24 Überlebenden, die ein Omnibus mit der Aufschrift "Goldenes Mainz" am 10. Juli 1945 aus Theresienstadt zurückgebracht hatte. Am 21. September 1945 schrieb Oppenheim an die in Mainz geborene und nunmehr in Berlin-Ost wohnende Schriftstellerin Anna Seghers, die durch viele Jahre der Emigration gegangen war und dort ihren schriftstellerischen Ruhm begründet hatte, dass die Wiedergutmachungsfrage, auch an Juden, nunmehr in ein erstes Stadium getreten sei. Er machte zugleich die Bemerkung: "Dieser ganze Fragenkomplex steckt voller Schwierigkeiten." Da eine Zentralinstanz einerseits fehle und andererseits den einzelnen Städten nicht zugemutet werden könne, das zur Lösung dieser Frage notwendige Geld aufzubringen, stehe man hier vor wirklich außerordentlichen Problemen.
Am 17. Oktober 1945 genehmigte die Militärregierung die Bitte von Oppenheim um eine Neukonstituierung der jüdischen Gemeinde Mainz, die sogleich am 9. November einstimmig beschlossen wurde, während dann bereits am 19. September 1946 die jüdischen Gemeinden von Koblenz, Mainz, Trier, Kreuznach, Neuwied und Landau sich zum Landesverband der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz zusammenschlossen. Hilfe in Verfahren zur Wiedergutmachung des in der NS-Zeit erlittenen Unrechts, die Errichtung einer neuen Synagoge und die Betreuung einzelner Mitglieder war nunmehr die Aufgabe der jüdischen Gemeinde in Mainz. Der Blick auf die Ereignisse der sogenannten "Reichskristallnacht" vom 9. auf den 10. November 1938 führte zu mehreren Prozessen, wobei Ende März 1948 der Straßenbahner Andreas Wohn zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, da er einer der Rädelsführer jener gewesen war, die im Kaufhaus Lahnstein am Höfchen geplündert und am Kaufhaus Froitzheim in Domnähe die Schaufenster eingeschlagen hatten. Der Studienrat Wittig wurde Anfang 1948 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er seinerzeit in einer Druckerei, einem Schuhgeschäft und in einer Bürstenfabrik "Ordnung" nach den verbrecherischen Befehlen der Nazis geschaffen hatte, und auch eine "Judenaktion" in Weisenau wurde gerichtlich mit mehrmonatigen Gefängnisstrafen für drei Einwohner äußerlich abgeschlossen. Es war ein erster Hoffnungsschimmer, dass am 10. September 1947 nach vorangegangenen Provisorien eine ehemalige Turnhalle der Feldbergschule durch die Weihepredigt des französischen Armeerabbiners Kalifa als Synagoge eröffnet werden konnte.[Anm. 30]
Auf eine Kritik an der Bereitstellung der Turnhalle für diesen Zweck seitens eines Mitgliedes der evangelischen Gemeinde, die sich ausdrücklich nicht antisemitisch verstand, erklärte Pfarrer Trabandt am 5. Oktober 1947 im Kirchenblatt, es sei ein selbstverständliches Stück Wiedergutmachung, dass für die Juden in Mainz eine Synagoge wieder erstanden sei. Er fügte hinzu: "Wir Christen haben damals weithin geschwiegen; so sollten wir jetzt nicht gleich räsonieren. Wir sollten den jüdischen Bewohnern unserer Stadt ihre Synagoge gönnen." Es handelte sich ohnehin nur um eine Art Provisorium, bis 1952 die jüdische Gemeinde mit ihrem Betsaal und Gemeindehaus in der Forsterstraße eine dauerhaftere Bleibe erhielt.
Erwähnt sei noch der Wiederaufbau der Freireligiösen Gemeinde in Mainz mit der Zusammenführung der durch den Krieg zerstreuten Mitglieder, der ersten Weihestunde am 16. September 1945 unter dem Thema "Goethe und Faust und die Probleme der Zeit", der ersten Jugendweihe sowie der Hundertjahrfeier am 29. Juni 1947 in der Aula der Universität. Allerdings konnten erst in den fünfziger Jahren durch den Gemeindepfarrer Dr. Georg Pick die finanziellen und räumlichen Voraussetzungen für das Gemeindehaus in der Gartenfeldstraße geschaffen werden.[Anm. 31]
1.9.Marcel Lods und sein "Idealplan"
Hatte sich Michel Oppenheim als gebürtiger Mainzer bereits einige Tage nach Kapitulation und Befreiung Gedanken über die künftige Stadtgestalt gemacht, so lag die Organisation des Wiederaufbaus zunächst in der Hand von Baudezernent Carl Dassen, einem gebürtigen Aachener, der bereits seit der Zeit der Weimarer Republik in Diensten der Stadt Mainz stand und verschiedene Funktionen im Hochbauamt und im Tiefbauamt innegehabt hatte. Zur Finanzierung des Aufbaus von Mainz erklärte im Herbst 1946 General Jacobsen bei Bekanntgabe des Programms der Militärregierung, für die projektierte Hauptstadt von Rheinland-Pfalz sei die gesamte französische Zone zuständig. Bis Frühjahr 1947 hatte sich jedoch die Lage dahin geklärt, dass nur solche Bauten wiederhergestellt werden konnten, deren Eigentümer die Mittel dafür besaßen. Allerdings befahl die Besatzung immer wieder die Instandsetzung von Gebäuden, auch wenn deren private Finanzierung nicht gesichert, ja unmöglich war. In solchen Fällen wollte die Stadt eine Enteignung vollziehen, wenn ihr die Finanzierung überlassen blieb. Aber trotz Zusagen der Landesregierung in Koblenz, dass für jeden Einzelfall eine Enteignung genehmigt werden könne, gab es nach Erinnerung von Dassen immer wieder Schwierigkeiten seitens des Regierungspräsidenten, der eine Enteignung jeweils mit dem Interesse der Allgemeinheit in Übereinstimmung sehen wollte.
Der Aufbau in den großen Städten wie Mainz nahm, anders als in Hessen, lange auch deswegen keinen zügigen Fortgang, weil die Besatzungskosten, obwohl das Land kleiner war als Hessen, etwa doppelt so hoch waren. Bei Bekanntgabe ihres Aufbauprogramms erklärte die Militärregierung im Herbst 1946, die Arbeiten sollten mit auswärtigen Kräften ausgeführt werden, während der zivile Aufbau mit den bisherigen Arbeitern durchzuziehen sei. Ein halbes Jahr später jedoch, nach dem sehr strengen Winter 1946/47, kamen die aus der Pfalz verpflichteten Arbeitskräfte nicht mehr zurück, und auch die Bezirke Trier und Koblenz gaben keine Kräfte ab, so dass die Arbeiter für das Militärprogramm fehlten. Dies hatte zur Folge, dass von allen Baustellen der Stadt Arbeitskräfte abgezogen wurden und diese Baustellen meistens stillgelegt werden mußten. Außerdem war die Lage auf dem Baustoffmarkt im April 1947 sehr angespannt - zumal Steinzeugrohre sowie Gußrohre, auch Ton- und Zementrohre für die Kanalisation fehlten. So kam es zur resignierenden Formulierung im Tagebuch von Dassen: "Wenn nicht die Industrie Kohlen erhält und die Abschließung der Zonen aufhört, muss mit baldigem Erliegen jeden Aufbaues gerechnet werden".
Einige Wochen zuvor, im Februar 1947, hatte der erste Minister für Wiederaufbau und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz, der Kommunist Willy Feller, im Neuen Mainzer Anzeiger unter dem Titel "Stadt von morgen" geschrieben: "Wir brauchen die schöpferischen Architekten und Städtebauer, die in der Schule eines May, Gropius und Corbusier die besten Traditionen des Dessauer Bauhauses empfangen und mit weitem Horizont die Erfahrungen des modernen Städtebaus in Amerika, England, Frankreich und der Sowjetunion in sich aufgenommen haben". Noch einige Wochen früher hatte sich Ludwig Strecker, der Inhaber des Schottverlages und spätere Ehrenbürger von Mainz, geäußert: "Das erste, was wir brauchen, sind Dächer über dem Kopf." Er wollte dieses Prinzip durchaus gegenüber jenen betonen, "welche die Erörterung repräsentativer, aber notwendiger Projekte mit Hohn und Bitterkeit als unzeitgemäßen Luxus abtun möchten." Einen modernen Stil um jeden Preis ablehnend, verteidigte er dennoch die charakteristischen Merkmale der Stadt Mainz mit den Worten: "Wir wollen die Eigenart unserer Stadt gewahrt wissen, wir wollen etwas Eigentümliches; nichts, was ebensogut in Merseburg oder Bochum zu finden sein könnte".[Anm. 32]
Um Mainz nach einem hochstilisierten Anspruch zur "modernsten Stadt der Welt" zu machen, beauftragte jedoch die Militärregierung im schließlichen Einverständnis mit den deutschen Stellen den aus der Schule Le Corbusiers stammenden Pariser Architekten Marcel Lods 1946 mit der Erstellung eines Generalbebauungsplans. Dieser arbeitete nach den Postulaten der Charta von Athen von 1933, die von der Fehlentwicklung der Städte in den Gründerjahren ihren Ausgang nahm, einen Plan aus, wonach die topographisch, klimatisch und in der Sicht der Sonnenbestrahlung günstig gelegenen Parzellen für Wohngelände vorgesehen waren und mit acht- bis zehnstöckigen Hochbauten bestückt werden sollten, die in weitem Abstand zueinander stehen, von Grünflächen und Spielplätzen unterbrochen sein und Platz für flache Kindergärten, Schulgebäude und Freizeiteinrichtungen lassen sollten. Er plädierte für eine Trennung von Wohn- und Industriebereichen.
Doch Marcel Lods' Planungen, die er in vielen Vorträgen und publizistischen Äußerungen auch in der Öffentlichkeit vertrat, fielen bei den Mainzern auf keinen fruchtbaren Boden. Diese verhielten sich eher skeptisch, und Oberbürgermeister Kraus bestellte schließlich einen der Vorreiter in der Gegnerschaft zum Neuen Bauen, den Stuttgarter Professor Paul Schmitthenner, zu seinem "Berater für alle städtebaulichen und künstlerischen Fragen". Doch die Planungen des 56jährigen Franzosen Lods erregten in der Fachwelt großes Aufsehen und fanden ein positives Echo;[Anm. 33] der allgemeine Tenor war, dass es sich hier um die bemerkenswertesten und mutigsten Planungen im deutschen Raum handele. Allerdings wurde in der ersten Nummer 1948 der Zeitschrift Bauen und Wohnen mit Blick auf Lods festgestellt, dass in Deutschland, bedingt durch seine jahrelange Abgeschlossenheit und bewußt einseitige Ausrichtung, noch sehr viel Pionier- und Aufklärungsarbeit nötig sei, "um für die Grundlagen eines neuzeitlichen Städtebaus allgemeineres Verständnis zu erzielen. Erfrischend und hoffnungsvoll ist darum jede Kenntnisnahme von zeitgemäßer und verantwortungsbewußter Vorarbeit für den kommenden Städtebau."[Anm. 34]
Die Skizzen zum Mainzer Idealplan von Lods mit ihrer funktionalistischen Bauweise in der Neustadt und ihre Trennung von der Altstadt als Geschäftszentrum sind eingebettet in einen von dem französischen Planer erträumten Städtebund, von Bingen bis Hanau reichend, in dem Mainz vornehmlich als Wohn- und Verwaltungsstadt fungieren sollte. Auf seinem rechten Rheinufer sollte zudem ein Verkehrsknotenpunkt mit Schiffsanlegern, Hauptbahnhof und Großflughafen geschaffen werden, um nicht zuletzt wachstumshemmende Faktoren auf der linken Rheinseite zu beseitigen. Goldenes Mainz der Vergangenheit gegen die Idealstadt der Zukunft - eine solch verkürzte Betrachtungsweise der Gegner der Lods'schen Arbeiten erzeugte mehr und mehr Bedenken in der Bevölkerung, auch Mißtrauen und Zweifel daran, dass das Heil der Stadt von einem Franzosen kommen könne. Besonders der Leiter des Hochbauamtes Erich Petzold entpuppte sich als fachlicher Gegner des Franzosen, und der schon erwähnte Schmitthenner führte - ganz im Sinn einiger Mitglieder der Stadtverwaltung - auch finanzielle Probleme bei einer Realisierung der Lods'schen Planungen ins Feld. Daneben auch ideologische. Denn Lods lege, übertrieben formuliert, Maßstäbe an, welche "die uns bekannten der vergangenen Herrschaft beinahe in den Schatten stellen. Nur wenn wir unbeschränkte Möglichkeiten hätten, könnte man solche Maßstäbe gelten lassen, und dann erst würde sich die Frage erheben, ob die Art des baulichen Denkens unserer Art und Gewohnheit entspricht. (...) Es handelt sich nicht um irgendwelche architektonische Formgebung und nicht um die Frage von Hochhaus und Flachbau, sondern ganz einfach um das wirtschaftlich Mögliche und das sozial Angemessene."[Anm. 35] Der Kampf zwischen Modernismus und Nostalgie endete zunächst mit einer Abfuhr für Schmitthenner seitens des französischen Stadtkommandanten im Februar 1947 und mit der Enthebung von Petzold als Leiter des Hochbauamtes. Doch das letztendliche Scheitern auch der Lods'schen Pläne trotz intensiver Protektion seitens der Besatzung wird dennoch 1948 evident. Am 15. April dieses Jahres verließ Marcel Lods, nachdem der Stadtrat nunmehr, ohne den Widerspruch der Besatzungsmacht zu fürchten, seine Generalplanung abgelehnt hatte, tief enttäuscht und verletzt die "Section du plan". Die Scheu vor der Mühe der Realisation eines derart revolutionären Bauens hatte den Ausschlag gegeben. Praktische Überlegungen durchkreuzten den Idealplan, und die kurzbeinigen Forderungen des Alltags wie die schwerfällige Maschinerie in den Amtsstuben taten ihr übriges dazu.
Aber nochmals: Marcel Lods' Pläne, die ab Sommer 1946 die Umwandlung des zitadellenbewehrten Brückenkopfes Mainz in eine landschaftlich geöffnete Stadt der Moderne umzudefinieren versuchten, erregten durchaus überregionales Aufsehen. Da jedoch diese Pläne als kulturpolitische Demonstration einer neuen Urbanität französischer Prägung das alte, "goldene Mainz" fast ganz zum Verschwinden gebracht haben würden, erhob sich breiter Protest in der Bevölkerung, der dann auch die fachliche Debatte mitbestimmte. Aber nicht nur zwischen konservativen, konservierenden und modernen Gestaltungsvorstellungen, sondern auch innerhalb traditionsgebundener Architektur und Stadtplanung wurden unterschiedliche Konzepte und bald auch ideologische Differenzen oder zumindest Differenzierungen sichtbar.
1.10.Carl Dassen in seinem Tagebuch
Der Baudezernent Carl Dassen[Anm. 36] erinnert sich folgendermaßen an eine Verwaltungskonferenz bei Oberbürgermeister Dr. Kraus am 20. Januar 1948: "Der OB teilt mit, dass er aus der Sitzung des Ältestenrates am 17. Januar entnommen habe, dass sämtliche vier Fraktionen gegen eine Übernahme des Büros Lods in die Stadtplanung eingestellt seien. Die Kosten des Büros Lods werden auf 100 000 bis 200 000 RM geschätzt. Der Oberbürgermeister will wissen, dass der Architekt Lods von ganz Frankreich abgelehnt werde. Er sei darauf angewiesen, dass er in Mainz eine Beschäftigung finde. Der OB hat den Vorschlag angenommen, den ich 8 Tage früher gemacht habe. Man soll dem Lods die Möglichkeit geben, seine Pläne in dem Gebiet Wallstraße/Bingerstraße zu verwirklichen. Aufgabe des Lods müsse es sein, Finanzleute für seine Pläne zu finden und die technischen Möglichkeiten für die Ausführung zu schaffen. Dem Architekten Lods soll die Möglichkeit zu einer zweiten Besprechung gegeben werden, etwa in der Zeit vom 10. Februar. Namhafte Architekten sollen dem Lods schriftliche Fragen zu seinen Bebauungsplänen vorlegen. Diese Fragen sollen dann in der nächsten Besprechung diskutiert werden ..."
Unterm 23. Januar bemerkt Dassen, er erfahre, dass OB Kraus vor der Abreise von Lods nochmals bei diesem gewesen sei. Kraus soll dabei geäußert haben, dass dessen Büro zuviel Personal beschäftige. Dagegen habe Lods argumentiert, für die gestellten Aufgaben sei sein Büro nicht groß genug. Die einzige Hoffnung für Lods sieht Dassen darin, dass ein neuer Wechsel bei der Militärregierung einen Gouverneur bringen könne, der für die Pläne des französischen Architekten eingenommen sei. Unterm 5. Februar erhält er die Nachricht, dass die Gegensätze zwischen Lods einerseits und General Koenig sowie Gouverneur Guérin andererseits zu einem heftigen Streit geführt hätten. "Lods hatte der Akademie für Städtebau in der amerikanischen Zone einen Vortrag über Städtebau zugesagt. General Koenig soll Lods diesen Vortrag verboten haben mit der Begründung, es widerspreche den Staatsinteressen Frankreichs, wenn Lods mit der amerikanischen Zone in Fühlung trete. Lods wird weiter vorgeworfen, dass er in der französischen Zone zu stark mit deutschen Behörden in Verbindung getreten sei. Lods habe erwidert, er sei ein freier Pariser Architekt und könne Vorträge halten, wo er wolle. Das könne ihm kein General Koenig verbieten. Lods habe ein Verbot für das Betreten sowohl der französischen als auch der amerikanischen Zone erhalten. Das Verbot soll ab 1. März 1948 gelten. Der Zweck des Verbots soll wohl sein, das Büro Lods zum 1. März 1948 aufzulösen. Lods soll gegen die Maßnahmen des General Koenig in Paris Schritte unternommen haben."
Unterm 11. Februar erhält Dassen die Bestätigung, "dass Lods für sich und seine Familie Aufenthaltsverbot für die französische Zone ab 1. März 1948 erhalten hat." Am selben Tag verlangt der Gouverneur in einer schriftlichen Verfügung an den OB, dass ihm die Aufbaupläne der Stadt bis spätestens 20. Februar bekanntgegeben werden. Weiter erinnert er an die Erklärung der Stadtverwaltung, wie diese sich zu den Planungen von Lods stelle und ob die Stadt Lods in die Aufbauplanungen einschalten wolle. Diese letzte Erklärung verlangt Guérin schriftlich. In der Verwaltungskonferenz vom 12. Februar gibt der OB bekannt, dass er dem Gouverneur mitteilen werde, die Stadtverwaltung lehne die Mitarbeit des Architekten Lods bei der Planung ab. Es wird vereinbart, dass der Gouverneur zur Besichtigung der Pläne der Stadtverwaltung in der Zeit vom 20. bis 29. Februar eingeladen werden soll. Am 21. Februar schließlich erfährt Dassen, es sei endgültig entschieden, dass Lods nicht mehr nach Mainz zurückkehre, weil er sich in Paris nicht habe durchsetzen können. "Im Büro Lods geht das Gerücht, dass jetzt eine Kommission von Architekten über die Bebauung von Mainz entscheiden solle. Dieser Kommission sollen 6 französische Architekten, darunter auch Lods, angehören. Auch sollen deutsche Architekten zugezogen werden, von Mainz Architekt Schütz, dann Professor Schweitzer (Karlsruhe), Architekten von Köln, Frankfurt usw." Als am 24. Februar der Gouverneur die Aufbaupläne der Stadtverwaltung im Hochbauamt besichtigt, wünscht er einen eigenen Plan zur Weitergabe nach Baden-Baden, was ihm innerhalb einer Zeit von 4 bis 6 Wochen zugesagt wird mit der Maßgabe, dass vorher die Pläne den städtischen Körperschaften vorgelegt worden seien.
Am 25. Februar notiert Dassen in sein Tagebuch: "Der OB ist heute mit seiner Doppelzüngigkeit eingegangen. Aus der Verwaltungskonferenz heraus wurde er zu dem Gouverneur Guérin befohlen. Bei diesem traf er Madame Lods an. Madame Lods hatte dem Gouverneur erklärt, der OB habe sich dahin geäußert, dass die Stadt Mainz gar nicht gegen die Pläne Lods eingestellt sei, und weiter, dass der OB die Erklärung, die Stadt Mainz benötige nicht die Mitarbeit des Architekten Lods bei der Aufbauplanung, unter dem Druck des Gouverneurs abgegeben habe. Der OB hat versucht, sich herauszureden. Auf diese erste Behauptung erklärte der OB, Lods habe ja noch gar keinen Bebauuungsplan für Mainz ausgearbeitet, also sei eine Stellungnahme der Stadtverwaltung und der Bevölkerung zu einem Aufbauplan Lods noch gar nicht möglich gewesen. Zu der zweiten Behauptung gab der OB einen Druck des Gouverneurs zu, aber nur bezüglich des Zeitpunktes, zu dem die Erklärung abgegeben werden mußte. Dieser Druck sei aber nicht hinsichtlich des Inhalts der Erklärung ausgeübt worden."
Nach weiterem Hin und Her um den Architekten Lods, dem u. a. auch vom Gouverneur vorgeworfen wurde, er habe in seinem Büro für seine Privataufträge das Personal eingesetzt, berichtet Dassen unterm 4. März aus dem Ältestenrat: "Dem OB ist am 3. März 1948 die Frage vorgelegt worden von dem Gouverneur, ob die Stadtverwaltung den Architekten Lods als Urbanisten und Städtebauer für die Planung von Mainz wünsche. In diesem Fall würde Lods von dem Ministerium in Paris bezahlt. Die zuständigen Dienststellen in Mainz würden ihm unterstellt. Wenn die Stadt Lods wünsche, wäre damit der Planungsauftrag an Lods erledigt. Der Ältestenrat hat einstimmig dem Vorschlag des OB zugestimmt, dass die Stadtverwaltung den Architekten Lods als Chef der Aufbauplanung nicht wünsche."
Nach vielen weiteren Problemen mit Lods, der sich Anfang März doch noch einmal in Mainz aufhielt, und nach einer Zeitungspolemik zwischen ihm und Petzold erfolgt der Eintrag am 22. April 1948: "Das Büro Lods ist aufgelöst. Das Personal wird mit dem Hochbauamt vereinigt."
Nach der Planung von Lods, die eine klare Linie aufwies, kam die Zeit der pragmatischen Kompromisse im Wiederaufbau der Stadt Mainz, der sich nunmehr ohne verbindliches Konzept vollziehen sollte. Der renommierte Architektur-Historiker Werner Durth hat von daher das negative Fazit gezogen, das sich noch heute verifizieren läßt: „Ein heterogenes Bild, von den unaufgefüllten Bomben- und Baulücken aus der ersten Nachkriegsära über die brutalen Zeugen des Wirtschaftswunders in Form gigantischer Beton-Verkehrsschlingen, oder Wohnsilos, Verwaltungstürme und Großkaufhäuser bis hin zu den Rettungsversuchen Mainzer Stadtgeschichte im historischen Zentrum, das hoffentlich noch vor dem Schicksal bewahrt werden kann, ein Disneyland der Nostalgie zu werden. Die Hoffnung allerdings, die Stadt als Kunstwerk zu begreifen und zu formen, hat sich für keinen der Beteiligten erfüllt: weder dem Gestaltungsanspruch der Experten noch der Erwartung der Bewohner an diese Treuhänder ihrer gebauten Umwelt.“[Anm. 37]
Wie hatte doch schon Ludwig Strecker in seinen Gedanken zum Wiederaufbau am 8. Januar 1946 im Neuen Mainzer Anzeiger geschrieben, nachdem er zunächst die Geschichte der Stadt in markanten Strichen gezeichnet hatte: "Bei der Masse der Neubauten wird eine gewisse Normung nicht zu umgehen sein. Deren praktische Vorteile sind aber sehr wohl mit einem ästhetisch befriedigenden, eigentümlichen Äußeren zu verbinden. Schon mit Farben z. B. läßt sich Charakteristisches schaffen, wie wir es vorzüglich aus romanischen und anderen südlichen Beispielen wissen. Darüber hinaus müssen die Neuanlagen durch Gruppierungen, Zwischenraumgestaltungen, Plätze, Durchgänge und Durchblick den Charakter einer Maßarbeit für den Mainzer Platz und seine Landschaft erhalten. Die Neigung gewisser Städtebauer zu schachbrettartiger Ordnung müßte, in Mainz getätigt, den Untergang seines letzten Reizes andeuten. Seine alten, unregelmäßigen Straßen und Gassen mit ihren überraschenden Winkeln sind das Entzücken für künstlerische Augen; so sind z.B. auch niedrige Weinstuben in abgelegenen Ecken noch immer von den traditionellen Kennern in Mainz prunkvollen Gaststätten vorgezogen worden; hier ist Mainz zu Hause, sein Humor und seine Gemütlichkeit. Was an historischen Sehenswürdigkeiten verloren ging, muss durch neues Sehenswertes ersetzt werden, das später einmal historisch zu werden vermag, selbst wenn wir heute unsere Häuser nicht mehr für die Ewigkeit bauen können. Im großen und ganzen werden ja glücklicherweise die alten Straßenzüge und ihre alten Namen, schon der unterirdischen Anlagen wegen, erhalten bleiben. Dort, wo sie ganz oder teilweise zu bebauen sind, wird auch der konservative Liebhaber sich damit abzufinden haben, dass keine Kopie des Alten entstehen kann, die doch nur Ersatz wäre und nicht befriedigen würde. Die Aufgabe allerdings, hier die einpassende Idee, d. h. wiederum den richtigen Stil zu finden, erfordert einen großen Künstler. Die Gestaltung des neuen Wohnraumes wird sich hauptsächlich nach rückwärts auszuwirken haben und hierdurch das Problem der 'Altstadtsanierung' hoffentlich in einer Weise lösen, dass diese Gegenden mit den neuesten Siedlungen auch wohntechnisch konkurrieren können. Einen modernen Stil um jeden Preis, den man schon nach wenigen Jahren nicht mehr sehen kann, lehnen wir ab. Bei der Fülle der Aufgaben können wir auch Experimente abwarten, bis sie sich anderen Ortes bewährt haben, es sei denn, sie bezögen sich auf ausschließlich Mainzer Aufgaben."
Nach einem Eingehen auf eine würdige Rheinufergestaltung und die Errichtung eines Großflughafens außerhalb Kastels, welcher europäische Bedeutung erlangen und den Frankfurter Platz weit überflügeln könne, weil dessen Bodennebel ihn zur Zweitrangigkeit verurteile, kommt Strecker auf die geistig-kulturellen Perspektiven. Er führt aus: "Dass Mainz wieder eine Universität erhalten wird, ist eine frohe Botschaft. Den jungen Menschen, die hier ihre erlebnisreichsten Jahre verbringen, müssen Lebensbedingungen geboten werden, welche Mainz zu einer Lieblings-Universität für alle werden lassen. Unsere Stadt wird, wenn sie erst einmal ihre angestammte Fröhlichkeit zurückgewonnen hat, das übrige tun, um manche andere Musenstadt aus dem Feld zu schlagen. In diesem Zusammenhang ist unter anderem die Wiederingangsetzung des Theater- und Konzertlebens von größter Bedeutung. Sodann müssen die so hoffnungsreich angesetzten Pläne um das Gutenberg-Museum wieder aufgegriffen werden; mit der erhalten gebliebenen bedeutenden Bibliothek im Hintergrund, dem vorhandenen und erweiterungsfähigen graphischen Gewerbe zur Seite und dem Geist der Tradition Gutenbergs sind genügend Faktoren für eine fruchtbare Arbeit gegeben. Auch der Rundfunksender der Zone gehört in unsere Stadt, wo er, befruchtet durch die anwesenden Kulturinstitute, der Öffentlichkeit ganz anderes zu bieten vermag als an einem gleichgültigen Nebenplatz. Kurzum, es gilt die Wiederentdeckung von Mainz als eine historische Gegebenheit. Alles dies würde das finanzielle Leistungsvermögen der Stadt natürlich bei weitem übersteigen, Universität und Theater müssen daher neben anderem zu Landes- oder Staatsunternehmen erhoben werden. Der Rundfunk würde mehr als sich selbst tragen ..."
Am Schluss dieses Beitrags ein charakteristischer Satz für den Wiederaufbau allgemein und für Mainz insbesondere: "Das Setzen des ersten Backsteins ist das Schwerste. Sieht man aber erst mal das Wo und Warum, das Ziel und die Ordnung, so lehrt die Erfahrung, dass es keine untätige Hand mehr gibt. Wenn wir bereit und fähig sind, an dem Aufbau mit vaterstädtischer Besessenheit zu arbeiten, werden auch die derzeitigen Herren unserer Zone uns zu den materiellen Voraussetzungen verhelfen. Dann wird eine bessere Zeit für Mainz kommen, dann muss Mainz nicht sterben!"[Anm. 38]
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass vor allem die Franzosen die Arbeit am Wiederaufbau der Stadt, die sie als Hauptstadt des Landes Rheinland-Pfalz durch Verordnung vom 30. August 1946 vorsahen, sobald die baulichen Voraussetzungen geschaffen sein würden, beflügelten.[Anm. 39] Im Neuen Mainzer Anzeiger vom 24. September 1946 wird ausgeführt,[Anm. 40] dass der erste Punkt eines großzügigen Wiederaufbaus in vier Abschnitten die sofortige Hilfe für die Zivilbevölkerung vorsehe, die sich in einem Aufbau von nicht weniger als 1000 Wohnungen noch im laufenden Jahr 1946 dokumentieren solle. Der zweite Punkt betreffe die Universität, deren zweiter Bauabschnitt mit den Gebäuden für Medizin und Naturwissenschaften am 30. Oktober eingeweiht werde: "Mainz wird dann nicht nur die größte, sondern auch die schönste und modernste deutsche Universität besitzen. Schon jetzt, vor der endgültigen Fertigstellung der Hochschule, äußern sich zahlreiche in- und ausländische Besucher begeistert über Weitläufigkeit und Schönheit der Mainzer Universität." Die dritte Abteilung des Wiederaufbaus solle die Stadt in die Lage versetzen, ihrer Aufgabe als neue Hauptstadt von Rheinland-Pfalz gerecht zu werden: d. h. Büros und Wohnungen für große deutsche und französische Dienststellen seien zu errichten, u. a. durch die Wiederherstellung folgender Verwaltungsbauten: Gouvernement am Schillerplatz, Bassenheimer Hof, Handels- und Industriekammer, Telehaus und Woolworth-Gebäude. Darüber hinaus sollten für den Wohnungsbedarf der Landesbediensteten Häuser mit 700 Wohnungen restauriert werden - allerdings neben der Arbeit für den Bedarf der Mainzer Zivilbevölkerung, die unter keinen Umständen gestört werden dürfe. Die vierte Abteilung des Wiederaufbau-Programms bestand im eigentlichen Aufbau der Stadt, über den ein Redaktionsmitglied in einer Besprechung mit Mainzer Architekten folgende Aufschlüsse erhielt: Zwischen hohen Häuserblocks in der Neustadt sollten weite Grünflächen und Spielplätze liegen, auch niedrige Schulbauten sowie Cafés, Restaurants und "Volkshäuser". Die Fahrstraßen sollten um diese Wohnviertel herumführen, während innerhalb des jeweiligen Blocks das Befahren nur der Feuerwehr, den Krankenautos oder für andere dringliche Zwecke gestattet sein werde. Die Garagen der Bewohner seien an den Flanken jedes Wohnblocks projektiert. Der Neuaufbau selbst stehe unter einer zentralen Leitung, die den Gesamtplan und die großen Linien bearbeite - bei freier Diskussion aller Interessierten und auch der Mitarbeit freier Architekten. Über die Respektierung des Alten, besonders die Erhaltung des ursprünglichen Charakters der Altstadt, bestehe Einigkeit. Die historischen Hemmungen durch den Festungscharakter und die industrielle Entwicklung müssten beim Neuaufbau beseitigt werden. Ideal wäre es, wenn Industrie, Hafeneinrichtungen und Verkehr auf dem rechtsrheinischen Gebiet konzentriert werden könnten. Ferner müsste jedweder Verkehr, der nicht unmittelbar mit dem Leben in der Stadt zu tun habe, ferngehalten werden. Ein weiterer Vorschlag bestand darin, Mainz und Wiesbaden einen gemeinsamen Flughafen zu verschaffen - und zwar im Gelände nördlich des alten Stadtteils Kastel, während zwischen diesem Lufthafen und dem Rheinstrom die großen Eisenbahn-, Straßen- und Wasserwegverbindungen konzentriert werden könnten. Außerdem sei zu vermeiden, dass die Stadt aus den Fugen ins Uferlose gerate, weswegen sie auch nicht mit Budenheim, Gonsenheim, Finthen und anderen Vororten zusammenwachsen dürfe. Statt in die Breite, müsse Mainz in die Höhe gehen - mit Hochhäusern von acht und mehr Stockwerken, die freilich nicht den Charakter alter Mietskasernen annehmen dürften.
Im Vorfeld der Universitäts-Eröffnung tauchte nicht selten in der Mainzer Bevölkerung die Forderung auf, die bereits der Neue Mainzer Anzeiger vom 22. März 1946 formulierte: Statt der Universität hätte man Wohnungen bauen sollen! Die neue Hochschule werde den Wohnraum noch mehr einengen, weil nun einmal Professoren und Studenten untergebracht werden müssten. Der Autor des Artikels "Universität hemmt Wohnungsbau nicht" stellt dazu fest: "Wer hat diese Klagen in der jüngsten Zeit nicht gehört? Uns wurden sie in netten Päckchen durch den Briefträger sowie telefonisch und auch persönlich überbracht. Wir hatten manches zu entgegnen, aber hundertprozentig vermochten auch wir den Beschwerden nicht die Kraft zu nehmen. Schließlich legten wir die Beschwerden einer Stelle vor" - offensichtlich dem Hochbauamt -, "die den besseren Einblick in die Fragen des Wiederaufbaus haben muss". Die Antwort ist dann wörtlich wiedergegeben und dürfte manchen der Kritiker, aber gleichwohl nicht alle überzeugt haben: "Der Universitätsbau ist völlig unabhängig vom übrigen Mainzer Wiederaufbau. Seinetwegen wird in Mainz auch nicht ein Haus weniger gebaut oder auch nur ein Stück Holz weniger zugeteilt. Das gesamte, allerdings auch sehr umfangreiche Material für den Universitätsbau wäre niemals nach Mainz geschafft worden, hätte man es nicht ausdrücklich für die Universität angefordert." Dieses Unternehmen Universität bringe der Stadt nur Vorteile. "Allein die mit dem Bau unmittelbar Beschäftigten wissen, wieviel Baugerät und Handwerkszeug durch diesen Bau nach Mainz gekommen ist. Das gesamte neubeschaffte Baugerät und Handwerkszeug wird aber in Mainz bleiben! Wie sehr wichtig diese Tatsache ist, das beweisen wohl am besten die Klagen aller Handwerker und Bauunternehmer über den außerordentlich hemmenden Mangel an diesen Geräten." Die kurzfristige Zukunftsperspektive wird so gesehen: "Der Universitätsbau soll im Mai beendet sein. Dann werden nicht nur diese zahllosen Gerätschaften, sondern auch Kräfte und - hoffentlich - auch Material für den Wohnungsbau frei." Zu beachten sei noch, dass der größte Teil der Arbeitskräfte - und zwar sowohl die deutschen Kriegsgefangenen als auch auswärtige Zivilarbeiter - lediglich für den Aufbau der Universität nach Mainz freigegeben worden seien.
1.11.Das "Rackern" der Frauen
Leben in den Trümmern von Mainz : das hieß damals wie anderswo in ganz besonderer Weise - und so sollte man sie den vielzitierten Männern der ersten Stunde voranstellen - Leben der Frauen, die in vielen Berufen zwangsläufig die Hauptrolle spielten: als Gattinnen und Mütter und Witwen gefallener Soldaten ebenso wie als Schutt-Beseitiger und Ziegelputzerinnen. Noch im Frühjahr 1946 konnte sich der Leiter des Arbeitsamtes Mainz vorstellen, "dass die Stadt Mainz als Träger des Wiederaufbaus eine Kolonne von beschränkt arbeitsfähigen Männern und voll einsatzfähigen Frauen, die Alleinernährer ihrer Familien sind, für verhältnismäßig leichte Arbeiten in der Reinigung von Ziegelsteinen usw. und ihrer Stapelung einsetzen könnte."[Anm. 41] Die Sicherung der nackten Existenz in der Hungerzeit sowie die Hamsterfahrten aufs Land, aber auch eine steigende Prostitution auf der anderen Seite, wo also z. B. junge Mädchen von ihren eigenen Müttern zu den Kasernen geschickt wurden, waren Begleiterscheinungen dieser Notzeit. Am 26. September 1947 berichtete die SPD-Zeitung "Die Freiheit" unter der Überschrift "Die Frau in der Zeitkrise", dass die Volkshochschule Mainz unter Leitung von Josef Rudolf die Frauen zu ihrer 12. Aussprache eingeladen hatte. In Kurzreferaten sprachen zunächst fünf Frauen über die aus der Not der Zeit entstandenen Fragen um die Frau. Wörtlich weiter: "Frau Balbach forderte, auf den Frauenüberschuss hinweisend, die aktive Mitarbeit der Frau in verantwortlichen Stellungen des öffentlichen Lebens sowie die Berücksichtigung dieses Wunsches durch Behörden und Parteien. Frau Schulz-Barofsky verwies auf das Recht der Frau zur Ausübung aller Berufe. Sie stellte die nicht zu verkennenden Möglichkeiten der Frau um eine Friedenssicherung heraus. Ihre Forderung war Gleichberechtigung im Beruf und gleicher Lohn bei gleicher Arbeit. Frau Dietz erinnerte an die falsche Haltung des Nazistaates gegenüber der Frau. Ihr Ruf zur Rettung unserer Kinder war besonders eindringlich. Eine große Macht habe der Schöpfer uns gegeben: der Menschheit zu dienen in Liebe. Diese Macht auszuüben, müsse höchstes Ziel der Frau sein. Frau Halein wies auf die Aufgabe der Frau im Kampf gegen den Faschismus und den Krieg hin: mit offenem Herzen einer völkerumschlingenden, internationalen Frauenbewegung dem Frieden zu dienen. Frau Schwamb forderte u. a. die Änderung des Gesetzes zum Schutz der Frau, das durch Beseitigung von Ungerechtigkeiten den heutigen Verhältnissen angepaßt werden müsse, sowie Verbesserung der Stellung der Mütter unehelicher Kinder. Durch das übergroße Elend und die Not kinderreicher Familien veranlaßt, sprach sich die Rednerin als christliche Sozialistin für eine Milderung des § 218 aus." In der Diskussion sei dann, wie der Bericht schließt, nochmals die Forderung erhoben worden, "Ehrfurcht vor dem Leben zu haben, denn dieser Mangel an Ehrfurcht war es, der die unzähligen Blutopfer in den KZs und auf den Schlachtfeldern zur Folge hatte."
Die Emanzipation der Frau also aus dieser Sicht betrachtet - das war damals keine irgendwie geartete Spielwiese und auch kein literarischer Markt, sondern bedeutete bittere Notwendigkeit, wobei nachträglich durchaus die Frage kritisch hinzugefügt werden darf, ob jener von der materiellen Lage noch vor Verabschiedung des Grundgesetzes diktierte Zug zur Emanzipation nicht in der wirtschaftswunderlichen Idyllik der fünfziger Jahre wieder verloren ging?
Ohne auf die Ernährungslage näherhin einzugehen[Anm. 42] und ohne Hamstern, Schwarzmarkt und Tauschgeschäfte bei der Ernährungslage und anderswo intensiver zu beleuchten, sei doch auf die Haltung der Behörden, zumal des rheinhessischen Regierungspräsidenten Jakob Steffan, seit Spätsommer und Herbst 1945 verwiesen, der in plakatierten Aufrufen und behördeninternen Anweisungen die Verordnungen der Franzosen noch zu übertreffen schien, vor der Schwarzmarkt-Situation und den Hamsterfahrten aufs Land seine Warnungen ausdrückte, so z. B. in einem Aufruf vom 11. Juni 1946, wo es heißt: "Nur wenn die Verbraucher merken, dass weder mit Worten und Geld, noch mit Tauschmitteln Lebensmittel auf dem Lande zusätzlich zu erhalten sind, werden sie ihre Hamsterfahrten notgedrungen einstellen müssen.“ Er fügt hinzu: „Die in Arbeit stehenden Verbraucher, alte und kranke Leute können ohnedies Fahrten auf das Land nicht machen. Sie würden immer die Benachteiligten sein, da nachgewiesenermaßen sich meist solche Leute an Hamsterfahrten beteiligen, die nicht im Arbeitsprozeß stehen und deshalb glauben, Rücksicht auf ihre Mitmenschen nicht nehmen zu müssen."[Anm. 43] Außerdem ließ Regierungspräsident Steffan ab Mitte Oktober auf Plakaten unter der Schlagzeile „An den Pranger mit ihnen!“ heftige Angriffe gegen jene Bauern starten, die über beträchtliche Mengen nicht angemeldeter und abgelieferter Lebensmittel verfügten und sich damit über die "Notlage ihrer Volksgenossen" hinwegsetzten. Dies war nach seinen Worten nichts anderes als eine Schande. "Ich werde, um ein Exempel zu statuieren, die härtesten Mittel anwenden, zur Enteignung der landwirtschaftlichen Betriebe schreiten, auf dass die Wiederholung solcher Vorkommnisse ein für alle Mal unterbunden wird."[Anm. 44] Auf solche Aufforderungen folgte eine lebhafte Kritik auf der einen, begeisterte Zustimmung auf der anderen Seite. Die Interessenkonflikte zwischen Stadt- und Landbevölkerung entluden sich in kontroversen Leserbriefkampagnen. Doch die Kommentare zu dieser Frage zeigten schließlich, als wie unrealistisch eine konsequente Kontrolle von Hamsterern und Schwarzhändlern eingeschätzt wurde und dass man sich von diesem angesagten Kampf gegen das Schrotteln kaum beeindrucken ließ, es allenfalls als Kavaliersdelikt abtat. Die mannigfachen Gesetzesübertretungen jener Jahre werden aus den Lebensumständen der Täter gewürdigt, ja diese werden, auch bei schwersten Delikten, wie Totschlag, gewissermaßen zu Sozialrebellen stilisiert, die nur durch Schiebergeschäfte und Diebstähle das Überleben der Ihren zu sichern vermochten. Jeder Krieg zog, so die beschwichtigende Meinung, eben seine Nachkriegskriminalität nach sich; aber dieser Zweite Weltkrieg hatte, so die Feststellung von Kriminologen, die Kriminalität des totalen Ruins in Staat, Gesellschaftsordnung und individuellem Sein geboren.[Anm. 45]
1.12.Besatzung und Besatzer in der Sicht der Mainzer
In Mainzer Zeitzeugenberichten über die Besatzungszeit ab 1945, bei denen sich gängige Klischees mit diffusen Emotionen mischen, kommen - wenn man es auf den Punkt bringt - die Amerikaner im allgemeinen besser weg als die Franzosen. Gegenüber beiden Besatzungsmächten blieben freilich die Nachwirkungen nationalsozialistischer Greuelpropaganda noch spürbar, nicht zuletzt ihre rassistische Komponente in Bezug auf deren "farbige" Mitglieder, denen man eine Unberechenbarkeit, ja sogar gewalttätige Triebhaftigkeit unterstellte. Es ist dabei nicht unerheblich, dass sich diese Einstellung nicht erst während des Nationalsozialismus herausgebildet hat, sondern dass vielmehr die rassistischen Schablonen der Nazis ein in gewissen Grundzügen längst virulentes Bild noch zusätzlich verfestigt haben. Auch die Beobachtung, dass den Mainzern bereits nach dem Ersten Weltkrieg "farbige“" Siegersoldaten, nämlich Marokkaner und Algerier, gegenübergetreten sind, spielte bei den Vorurteilsstrukturen noch ihre Rolle. Während also dennoch positive und negative Vorurteile gegenüber den Amerikanern sich die Waage halten, d. h. dass ihre Beurteilung etwa zwischen den Polen "Feigheit bei zögerndem Vorrücken der kämpfenden Truppen" bis zu den Segnungen für Kinder durch Schokolade, Kaugummi und Bananen schwanken mag, wird die Besatzungspolitik der Franzosen in der weit überwiegenden Mehrheit negativer gesehen, weil nicht wenigen Mainzern die Besatzungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg und der rheinische Separatismus im Gedächtnis verhaftet waren und die eher feindselige Haltung daraus zum Teil erklärt werden mag. Kritisiert werden z. B. - ich beziehe mich abermals auf Alexander Link - die besonderen Privilegien französischer Militärangehöriger, etwa die Reservierung besonderer Plätze in der Eisen- oder Straßenbahn, aber auch die oft gnadenlosen Prügelstrafen der französischen Polizei und ihr Vorgehen bei Requisitionen. Doch gibt es andererseits auch dezidierte Nazi-Gegner, die darauf verweisen, es spiele bei den Franzosen auch die Bestrafung der deutschen Kriegstaten in Frankreich eine Rolle - Stichwort Oradour. Außerdem habe das ausgehungerte und ausgelaugte Land keine andere Wahl gehabt, "als gegebenenfalls seine Besatzungszone auszubeuten." Nicht wenige Zeitzeugen, die die Franzosen mit pauschalen Vorurteilen bedenken, zeigen aber zugleich ein gewisses Verständnis für ihre angeblich rigide Besatzungspolitik. Sie erwecken damit nach Link den Anschein, „lediglich das Recht des Siegers auf Unterdrückung seiner Feinde anzuerkennen und das Vorgehen der Nazis in den besetzten Gebieten mit der Besatzungspolitik der Alliierten grundsätzlich auf gleicher Stufe zu sehen.[Anm. 46]
In seiner aufschlussreichen Studie über die Schrottelzeit und den Nachkriegsalltag ist Alexander Link bei der Interpretation und Auswertung seiner Interviews zu dem Ergebnis gekommen, dass sich erstens für viele Gesprächspartner das nicht mehr vorhandene Mainz der Nachkriegszeit in einer Fülle topographischer Details darstelle, die mit vielen Informationen und Einzelheiten über die jeweiligen Örtlichkeiten verknüpft sei und somit einen Zug zur Historisierung besitze. Bei einer zweiten Gruppe erstehe die Stadt als belebter Bereich, wo menschliche Beziehungen im Raum eine Rolle spielten und die intime, überschaubare Atmosphäre einer Kleinstadt dominiere und die Aura des Ortes bedeutsamer sei als das erzählend wiedergegebene Ereignis. Drittens schließlich erscheint bei einer ganzen Gruppe von Interviewpartnern die Stadt als das gemeinsame Wiederaufbauwerk seiner Einwohner - in einer kollektiven Vitalität sozusagen, die den Bewohnern vermittelt wurde. Doch auch hierbei mischten sich gewisse Züge der beiden anderen Formen lokaler Bindungen in die retrospektive Darstellung ein, etwa, wenn von Schutträumaktionen oder anderen Wiederaufbauarbeiten die Rede ist, an denen man selbst beteiligt war. Das Wiedererstehen der zerstörten Stadt wirkte sich spürbar auf die Beziehung der Bewohner zu ihr aus und erzeugte - zumindest nachträglich - ein Bewußtsein von Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit.[Anm. 47] Doch dies seien Empfindungen aus späterer Zeit, während für den Alltag der frühen Nachkriegsjahre als typisch vorausgesetzt werden könne, dass in dieser Zeit primäre Bedürfnisse vorrangig waren und vollmundige Bekenntnisse zur gemeinsamen Heimatstadt bestenfalls als Gegenstand von Predigten und Sonntagsreden auftauchten. Die eigentlich unvermeidliche und massiv auflodernde Konkurrenz im Kampf ums nackte Überleben habe gerade in dieser Zeit in erster Linie individuelle und private Regungen gefördert und wenig Raum für ein kollektives Empfinden gelassen.
Wichtig aber bleibt für erzählte Erinnerungen an das Mainz der Nachkriegszeit wie auch an andere Städte und Lokalitäten, dass sie einen Blick darauf gewähren, wie die aktuelle Realität im Vergleich zu jenen Jahren beurteilt werde. Nicht von ungefähr werde dabei immer der Vergleich mit der Gegenwart gesucht.[Anm. 48] Es ist auch bei diesem Forschungsansatz klar zutagegetreten, dass die Jahre der Not nach dem Zweiten Weltkrieg einen abrupten Einschnitt und eine konkrete Störung im Gefüge der Alltäglichkeit verursachten; dass eine umfassende Krise, aber auch politische Gegebenheiten, die Versorgungsengpässe, der Hunger und die Kälte den Ablauf der gesamten täglichen Verrichtungen durcheinanderwirbelten, so dass schließlich der Alltag in der Krise auch eine Krise des Alltags bedeutete.
Relativ flexibel hätten Alltagsverhalten und -bewusstsein besonders der unteren Schichten sein können, welche schließlich Erfahrungen besaßen, die in der Regel von einem harten Lebenskampf unter ungünstigsten materiellen Bedingungen geprägt waren, die bereits oft Notzeiten erlebt hatten, und die sich nunmehr zu helfen lernten, so gut es eben ging.[Anm. 49] Aber es erfolgte 1945 eben auch eine erstaunlich schnelle Umwertung der hergebrachten Normen des Alltagslebens - Beispiel dafür die Entwicklung der Notkriminalität, über die hier nicht im einzelnen zu handeln ist.
Doch die Tatsache, dass sich die Toleranzgrenzen in diesem Bereich ohne größere Probleme wieder geordneten Lebensverhältnissen einzupassen vermochten, zeigt auch etwas von der beachtlichen Flexibilität solcher Orientierungsmuster. Und noch eine interessante Beobachtung Alexander Links sei hier wiedergegeben: Es ist jedermann klar, dass eine Schachtel Zigaretten oder eine Flasche Wein im Jahr 1947 einen gänzlich anderen Stellenwert hatten als vierzig (oder fünfzig) Jahre später. Was unter den Bedingungen des Mangels zu einem herausragenden Ereignis werden konnte, gehört bei ausreichender Versorgung zu den allgemein geltenden Standards, zum Bereich des Gewöhnlichen und Alltäglichen. Das Maß an Befriedigung, das mit dem jeweiligen Ereignis oder der betreffenden Ware verbunden werde, sei höchst unterschiedlich. Es liege auf der Hand, dass die Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen daher nur in Relation zu dem jeweiligen Umfeld, zu den jeweils allgemein möglichen und von allen Beteiligten akzeptierten Standards beurteilt werden kann. Die vielen Berichte der Interviewpartner über beglückende Erlebnisse trotz allenthalben herrschender Not sprächen für eine solche Bewertung und dürften nicht als bloße Aufwertung oder gar Glorifizierung einer weit entrückten, trostlosen Vergangenheit abgetan werden. Die meisten, die die damalige Zeit bewußt erlebten, geben an, dass sie damals der Meinung waren oder es zumindest nicht ausschlossen, für den Rest ihrer Tage ein Leben in totaler Armut zu fristen, d. h. theoretisch übersetzt, dass die sog. Schrottelzeit kein Ausnahmezustand geblieben, sondern zum Anfang einer neuen Ära geworden wäre. Doch wem es - wie es ja dann tatsächlich eintrat - nach einer Zeit äußerster Not und täglicher Bedrängnis endlich bessergehe, dem falle die Retrospektive besonders schwer. Armut sei dann nicht nur aus Erfahrung eine hassenswerte Angelegenheit, sondern gelte als äußerst peinlich - als ein Stück Vergangenheit, das nur ungern preisgegeben werde. Wenn allerdings dieses Stück persönlicher Biographie und Geschichte im Lauf der Jahre und Jahrzehnte weit genug vom gegenwärtigen Leben entrückt, wenn es sozusagen fast nicht mehr wahr sei, dann könnten die Barrieren schwinden, und die Distanz mache eine Auseinandersetzung möglich.[Anm. 50]
Mit Recht kommt Links minutiöse Untersuchung, in der die Nachkriegserfahrungen mit ihren besonderen Aspekten, der Beurteilung der Sieger, dem Verhältnis in der näheren Umgebung, in Familie und Nachbarschaft, aber auch die Problemfelder Wohnen, Ernährung, Mangelwaren und Notbehelfe, der Schwarzmarkt und auch die Nachkriegskriminalität erfaßt werden, zu dem Ergebnis, dass für eine Kategorisierung zunächst die Primärbedürfnisse, wie Essen, Wohnen und Kleidung, von entscheidender Bedeutung waren. Er macht dann folgende Unterscheidungen, summarisch aus den Lebensporträts und Erinnerungen gezogen: Wer von den Städtern noch eine Wohnung und einige zum Tausch gegen Lebensmittel geeignete Sachwerte sein eigen nennen konnte, war gegenüber Ausgebombten und Evakuierten entscheidend im Vorteil. Persönliche, verwandtschaftliche Beziehungen taten dabei meist ein übriges. Außerdem sei das jeweilige Alter für die individuelle Einordnung der Nachkriegserfahrungen bedeutsam. Wer die wichtigen Weichenstellungen seines Lebens schon vor dem Krieg hinter sich hatte, für den ergaben sich durch die Kriegs- und Nachkriegsjahre nur noch wenige einschneidende Veränderungen, sofern wenigstens ein Minimum an Kontinuität der Lebensumstände gegeben war. Seien diese Jahre jedoch ins Jugend- und frühe Erwachsenenalter gefallen, so blieben sie untrennbar mit dem weiteren Lebensweg verknüpft. Sehr junge Menschen dagegen, für die folgenreiche biographische Wendepunkte erst in späteren Jahren anstanden, konnten sich ein eigenes Bild dieser Zeit mit einem Schwergewicht auf den abenteuerlichen Besonderheiten bewahren, die sich von den gewöhnlichen Verläufen der Alltäglichkeit spürbar entfernten. Sie stehen den besonderen Reizen dieser Lebensbedingungen weitaus unbefangener gegenüber.
Bezeichnend aber bleibt insgesamt, dass die Erinnerung der Befragten weder ausschließlich auf negative Aspekte der Schrottelzeit, noch auf eine vordergründig verklärende Sichtweise fixiert sei. So dürfe auch die innere Widersprüchlichkeit des Bildes von den Jahren zwischen 1945 und 1948 keineswegs nur als eine aus dem Gedächtnis heraus verzerrte Konstruktion gesehen werden: vielmehr bestätige der Blick auf unterschiedliches Quellenmaterial - und das möchte auch ich nach dem Studium einiger Nachlässe aus dieser Zeit durchaus bekräftigen - dass das Leben in den Trümmern einer zerstörten Stadt eine eigentümliche Symbiose von positiven und negativen Erlebnisfeldern hervorbrachte.[Anm. 51]
1.13.Die Wunde AKK
Ein Problem aus der unmittelbaren Nachkriegszeit und ihren neuen Ländern kraft Besatzungsstatut hat sich bis heute erhalten und bewegt immer wieder einmal links und rechts des Rheins die Gemüter: die Frage der AKK-Gemeinden Amöneburg, Kastel und Kostheim[Anm. 52] oder die einer amputierten Stadt oder, wie es der zweite Oberbürgermeister nach dem Kriege, Franz Stein, zu formulieren beliebte, Berlin und Mainz als die getrennten Städte Deutschlands. Dass die rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile mit ihren ansehnlichen Gewerbegebieten von einem Vertreter der Militärregierung, dem Oberst Cowart, bereits kurz nach Einmarsch der Amerikaner dem Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden, Krücke, einfachhin, sozusagen in einer Bierlaune, geschenkt worden sind, der Simplizität halber dem Regierungsbezirk Wiesbaden einverleibt wurden und schließlich bis heute dem Bundesland Hessen angehören - dies hätte damals niemand erwartet. Ziemlich eigenmächtig gab die Bezirksregierung Wiesbaden am 10. August 1945 bekannt: "Die auf Anordnung der Militärregierung vom Stadtkreis Mainz abgetrennten rechtsseitig von Main und Rhein gelegenen Gebietsteile Kostheim, Kastel und Amöneburg, die dem Regierungsbezirk Wiesbaden angeschlossen sind, werden hiermit dem Stadtkreis Wiesbaden eingegliedert." Doch Krücke teilte, offensichtlich schlechten Gewissens, acht Tage später seinem Mainzer Kollegen Kraus mit, Wiesbaden selber habe die Eingemeindung der drei Orte nicht gewollt, weswegen der neue Zustand nur ein provisorischer sein werde. Er sei daher zu Vorkehrungen bereit, damit eine Änderung dieser Besatzungsmaßnahme und eine Rückkehr nach Mainz "ohne Schwierigkeiten erfolgen kann".
Als jedoch der amerikanische oberste Befehlshaber General Dwight D. Eisenhower am 28. September 1945 in seiner Proklamation Nr. 2 den Rhein definitiv zur Grenze der amerikanischen Zone machte, war dennoch der einige Monate zuvor erfolgte Willkürakt nicht aus der Welt geschafft worden, obwohl das deutsche Recht - wie etwa Vereinbarungen über Eingemeindungsfragen, weiterhin, sofern nicht ausdrücklich aufgehoben, Geltung besitzen sollte. Von dieser Rechtsauffassung her versäumte Mainz keine Gelegenheit, gegen die Amputation der Stadt zu protestieren. So übergab OB Kraus im Juni 1948 - also nach Konstituierung der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz - dem Ministerpräsidenten Peter Altmeier eine Denkschrift zur AKK-Frage, in der er offiziell und in aller Form den Mainzer Anspruch auf die Wiedereingliederung der rechtsrheinischen Stadtteile, die erst mit dem Einzug der Franzosen in das linksrheinische Mainz und dem gleichzeitigen Rückzug der Amerikaner hinter die Rheingrenze zur Zerreißung der Stadt geführt hätten, erhob. Zudem lägen in dieser territorialen Angelegenheit weder schriftliche Anordnungen oder Verfügungen vor, noch seien bestehende Gesetze und Abmachungen aufgehoben worden. In seinem Verständnis gehörten zu den gültigen Verträgen besonders jene, die zum Zweck der Eingemeindung geschlossen worden seien: 1908 mit Amöneburg und Kastel, 1913 mit Kostheim sowie schließlich 1930 mit Ginsheim/Gustavsburg und mit Bischofsheim. Die Teilung dieser Stadt sei widersinnig und unnatürlich, weil ihre beiden Teile links und rechts des Rheins historisch, sozial und demographisch derart eng zusammengehörten, dass jede künstliche Trennung durch eine Zonengrenze nachteilig für alle Beteiligten sei, wobei auch ein Widerspruch zu dem demokratischem Willen der Bevölkerung, eine Stadt zu bleiben, konstatiert werden müsse. Erst drei Jahre später, am 14. August 1951, schrieb Altmeier an seinen hessischen Kollegen Georg August Zinn im Sinn einer Rückführung der rechtsrheinischen Vororte nach Mainz, doch nunmehr weigerte sich die hessische Regierung, Gespräche über die AKK-Frage zu führen. Altmeier empfand eine gewisse Ohnmacht, tröstete sich und die Mainzer jedoch mit Artikel 29 des Grundgesetzes; doch dieser war inzwischen einstweilen suspendiert worden. Warum es in der Folge trotz des Einspannens der hohen Bonner Politik und Politiker nicht gelang, einen als unerträglich empfundenen "Unrechtszustand" zu bereinigen und alle Initiativen im Bundestag und zwischen den beiden Bundesländern versandeten sowie auch alle Bürgerinitiativen bis heute nichts fruchteten - eine solche Frage zu klären, würde den Rahmen dieser Nachkriegsbetrachtung sprengen.
Ich zitiere lediglich das Vorwort von Oberbürgermeister Franz Stein zu dem 1952 erschienenen Heft "Die neue Stadt. Zeitschrift für Architektur und Städtebau", das unter der Überschrift steht: „Mainz, die amputierte Stadt im Westen, ruft nach Hilfe.“ Der OB führt aus: „Der Rhein als Zonengrenze hindert die Stadt Mainz, ihre industriereichen rechtsrheinischen Gebiete selbst zu verwalten. Es handelt sich um 6 Stadtteile mit über 40.000 Bürgern und einer Fläche von 4669 Hekta“r (während notabene das linksrheinische Stadtgebiet nur 4602 Hektar, bei allerdings rund 100.000 Einwohnern, umfaßte). Stein weiter: "Mainz, das zu 80 Prozent ausgebombt wurde und damit das Schicksal vieler deutscher Städte teilt, steht aber als getrennte Stadt nur noch neben Berlin. Wenn der Glaube an eine deutsche und europäische Verständigung Bestand haben soll, dann muss die unablässige und eindeutige Forderung unserer Stadt, ihre Integrität wieder herzustellen, erfüllt werden."
1.14.Entnazifizierung
Ich übergehe hier bewusst die Phase der Formierung der neuen antifaschistisch-demokratischen Parteien, weil noch in jüngster Zeit in Erinnerungen und Publikationen die Auseinandersetzungen ihrer Frauen und Männer der ersten Stunde um Zulassung mit der Besatzungsmacht zur Sprache kamen und im übrigen die frühen Daten, Beweggründe und Persönlichkeiten wissenschaftlich aufgearbeitet worden sind.[Anm. 53] Bei den ersten Gemeinderatswahlen am 15. September 1946[Anm. 54] standen in der Stadt Mainz fünf Wahlvorschläge zur Entscheidung an: SP, KP, CDU sowie Freie Liste "für Wahrheit, Freiheit und Recht" und "Freie Liste" der Demokratie. Die Wahlbeteiligung lag bei 87,35 Prozent. Eindeutiger Sieger war damals, was sich erst 1994 wiederholen sollte, die CDU mit 42,3 Prozent und 16 der 36 Stadtratsmitglieder, während die Sozialdemokraten auf 11, die Kommunisten auf 5, die Freie Liste für Demokratie auf 3 und die Freie Liste für Wahrheit auf einen Sitz kamen. Als am 22. September der Mainzer Stadtrat zu seiner ersten Sitzung zur Wahl des Oberbürgermeisters und seiner Beigeordneten zusammentrat, wurde der von den Franzosen eingesetzte Dr. Emil Kraus mit 30 von 36 Stimmen (wieder)gewählt und damit demokratisch vollends legitimiert. Erster Beigeordneter wurde der Sozialdemokrat Max Hufschmidt aus Weisenau, während die CDU mit Dr. Quinibert Schwahn den zweiten und Karl Köth von der KP - der antifaschistische Zusammenhalt der frühen Parteien war noch maßgeblich - zum dritten Beigeordneten gewählt wurde.
Keine Frage jedoch hat nach 1945 die Gemüter so erregt wie die Entnazifizierung[Anm. 55], über die der Neue Mainzer Anzeiger am 9. April 1946 folgenden Kommentar abgab: "Wenn es so weitergeht, sitzen in einem halben Jahr die Parteigenossen wieder fest in ihren Positionen. Schuld daran trägt die laue Entnazifizierung, die nach dem Grundsatz handelt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!" Dann der weitere Vorwurf: "Glaubt man denn, auf solche Weise Zufriedenheit in unser zerrissenes Volk bringen zu können? Durch die ungerecht harten Maßnahmen der Entnazifizierungsausschüsse schafft sich der Staat keine Freunde. Im Gegenteil." Am 26. April werden Angaben über den Stand der Arbeit in den Entnazifizierungsausschüssen gemacht. Da heißt es: "150 Beamte endgültig vom Dienst und Gehalt suspendiert, 130 Angestellte, 105 Arbeiter und sechs Polizeiangestellte entlassen, 32 Polizeibeamte vom Dienst und Gehalt suspendiert. Vorläufig suspendiert sind noch: 49 Beamte, 50 Angestellte, zwei Arbeiter, 99 Polizeibeamte und zwei Polizeiangestellte."
Vergleicht man diese Zahlen mit den damals bei der Stadt Beschäftigten, so wurden rund 30 Prozent der Beamten, 12 Prozent der Angestellten, aber nur 7 Prozent der Arbeiterschaft entlassen. Bei den Lehrern seien von 168, so eine Berechnung vom Mai 1946, 22 entlassen, vier in den Ruhestand überwiesen, 19 versetzt bzw. zurückgestuft und immerhin doch 123 im Dienst belassen worden.
1.15.Optimismus und Lebenswille
In allen Optimismus-Parolen und dem Willen zur Neugestaltung wird die Mainzer Mentalität mit ihrer bejahenden Freude am Leben zitiert so in einem Artikel des Rheinischen Merkur vom 29. März 1946, in dem es u.a. heißt: "...Wenn in dem in Trümmer geschlagenen Deutschland zerstörte Städte abseits ihrer ursprünglichen Lage wieder aufgebaut werden sollen, so wird dies für die Stadt am Zusammenfluß von Rhein und Main, am Schnittpunkt großer Völkerstraßen, nicht zu gelten haben. Mainz kann nur an dem Punkt aufgebaut werden, wo es seit Jahrtausenden liegt." Geographische Bedingtheiten verlören ihre verbindliche Gültigkeit keineswegs. Aus dieser Zuversicht schöpften die Kräfte, die heute in Mainz am Aufbau wirkten, ihre Zuversicht, die sie stark bleiben lasse gegenüber den im Augenblick fast unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten. Der Wille zur Neuschöpfung rege sich in der Tat "mit elementarer Gewalt. Warum? Es ist nicht nur das glückliche Naturell einer Bevölkerung, deren inneres Gleichmaß und bejahende Lebensfreude von jeher gerühmt werden; es ist vor allem auch die durch Krieg und Zusammenbruch völlig veränderte wirtschaftliche Lage, die der Stadt in Zukunft zweifellos neue Ziele stecken werden. Fürs erste steht die riesengroße Aufgabe vor allen Verantwortlichen und Schaffenden: die Beseitigung der Trümmer, die der Krieg zurückgelassen hat. Trümmer in mehr als einem Sinn. Die Katastrophe des 27. Februar ist nicht der letzte Schlag gewesen, der die Stadt heimgesucht hat. Auch die Abtrennung der rechtsrheinisch gelegenen Bezirke, in denen sich der wesentlichste Teil der Mainzer Industrie befindet, kann sich nicht vorteilhaft auf die Erholung von einem hundertjährigen Niedergang und den schweren Folgen des Krieges auswirken. Die Loslösung von Mainz und seines Hinterlandes aus einem Wirtschaftsgebiet, mit dem es bis Kriegsende eng verflochten war, hat naturgemäß Störungen hervorgerufen, die das Tempo des Wiederaufbaues noch mehr verlangsamen müssen, als dies sonst der Fall gewesen wäre". Doch allmählich werde die Talsohle durchschritten, und die Zahl der Beschäftigten in der Industrie Rheinhessens betrage etwa wieder 60 Prozent der Vergleichszahl vom Januar 1945. Doch dürfe man noch nicht übersehen, dass nur ein kleiner Teil von ihnen in der eigentlichen Produktion tätig sei, während die übrigen Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten verrichteten. Der ehemals blühende Großhandel aller Zweige, insbesondere der wichtige Weinhandel, liege völlig am Boden. Doch ungeachtet solcher entmutigenden Voraussetzungen sei der Aufbau in allen Teilen der Bevölkerung mit Energie in Angriff genommen, und die starke Verbundenheit des Mainzers mit seiner Vaterstadt mache das für kaum denkbar Gehaltene möglich: dass sich in der so schwer getroffenen Stadt wieder eine Bevölkerung von rund 75.000 Menschen zusammenfände, die mit den vorhandenen geringen Mitteln ihre Behausungen instandzusetzen sich bemühe.
Ein starker Auftrieb, der sich auch im Wirtschaftlichen auswirken werde, sei durch die Wiedereröffnung der Universität gegeben. Wichtiger noch als die Wiederbelebung dieses alten Kulturzentrums auf historischem Boden sei die psychologische Wirkung, welche dieses Ereignis ausstrahle. "Mainz will, wenn auch zerstört, sich nicht totsagen lassen, sondern hat seinen Anspruch, weiter zu leben, energisch angemeldet. Das Wiederaufblühen des akademischen Lebens wird die kulturelle Arbeit, die heute bereits hier geleistet wird, in vielfältiger Weise anregen und befruchten. Und dass die Einwohner nicht nur leben wollen, sondern auch ihre Freude am Leben nicht verloren haben, hat sich mit aller gebotenen Zurückhaltung auf eine ebenso würdige wie unüberhörbare Weise in den jüngst vergangenen Tagen des Karnevals gezeigt."
Was jedoch die Universität betrifft, so wurde, wie im Rheinischen Merkur vom 26. Juni festgestellt wurde, diese Maßnahme nicht überall verstanden, was jedoch begreiflich sei, zumal in den Kellern und Notbehausungen die Menschen Muße hätten, über die Segnungen der Technik und die "Errungenschaften des totales Krieges" nachzudenken. Glücklicherweise sei den maßgebenden Stellen davor nicht bange gewesen und die Chance nicht vertan worden, auch wenn die Entscheidung unpopulär war.
In Bezug auf die Planungen von Fachleuten internationalen Formats - offensichtlich ist hier an Marcel Lods gedacht - stellt der anonyme Autor fest: "So schwer Mainz auch getroffen ist, ein Vorteil bietet sich in seiner nur scheinbar verzweifelten Lage von selbst dar. Es kann von Grund auf neu geschaffen werden. Was viele Probleme des Städtebaus in anderen Ländern, selbst in Amerika, unlösbar macht: die Rücksicht auf investierte Kapitalien, braucht uns heute nicht mehr zu bekümmern. Sind einmal die wichtigsten rechtlichen Fragen als Voraussetzung eines großzügigen Neuaufbaus - Baulandumlegung, Enteignungsrecht usw. - im modernen Sinne gelöst (und diese Fragen beschäftigen zur Zeit Oberregierungspräsidium und Stadtverwaltung vordringlich), kann das Planen beginnen. Vieles, was vor dem geistigen Auge des Städtebauers als Bild des künftigen Mainz bereits Gestalt gewonnen hat, mag manchem heute noch als Utopie erscheinen. Sie braucht es nicht zu sein, wenn nach den Jahrzehnten der Zerstörung Europa und unserer Heimat eine lange Friedensära beschieden bleibt."
Der ganze Artikel atmet den Geist derer, die abseits von traditionellen Vorstellungen und einer stupiden Nostalgie die Chance ergreifen wollen: "Zum erstenmal in der Geschichte wird der Wiederaufbau der Stadt nicht der Willkür und nicht dem Zufall überlassen bleiben. Engherziges Beharren in alten Vorstellungen wird sich nicht mehr behaupten können. Das Erbe der Vergangenheit im Stadtbild wird, so weit es einer solchen Pflege würdig ist, treu bewahrt; im übrigen aber atmen die Pläne der Städtebauer für Mainz Weltoffenheit, Großzügigkeit und Modernität. Die Industrie wird sich allmählich dort konzentrieren, wo in allen Großstädten der Welt ihr Platz ist: im Osten der Stadt; und wie die Produktionsstätten, so wird sich in Zukunft auch die Eisenbahn auf das rechte Rheinufer konzentriert sehen. Dorthin werden sich auch die (anzubauenden und zu modernisierenden) Hafenanlagen verlagern müssen. Auf der linken Rheinseite, die nicht mehr durch den breiten Schienenstrang eingeschnürt sein wird, können sich moderne Wohnviertel und Verwaltungszentren entwickeln. Ein breiter Grüngürtel zwischen der heutigen Stadt und ihren Vororten, innerhalb dessen nicht gebaut werden darf, wird das parasitäre Vordringen der Stadt auf das flache Land hinaus verhindern und damit die Möglichkeit für eine gesunde Weiterentwicklung von Stadt und Land gewährleisten."
Der Artikelschreiber gelangt zu einem Schluss, der eine ernsthafte Möglichkeit im Rahmen des Wiederaufbaus der Stadt fast utopisch skizziert: "Die Aufstellung eines solchen Planes, aus dem hier nur einige Einzelheiten mitgeteilt worden sind, darf keineswegs als verfrüht angesehen werden, auch wenn seine Verwirklichung nicht sofort erfolgen kann. Aber wer bauen will, muss wissen, wohin er bauen kann und wo es sich zu bauen lohnt. Nach den ungeheuren Zerstörungen des Krieges ist ein anderer Weg als der sorgfältigster und wohlberechneter Gesamtplanung nicht denkbar. Neben den privaten Bauherren werden künftig Staat und Körperschaften öffentlichen Charakters treten. Der Aufbau ist daher eine Angelegenheit der Gesamtheit und kann nur vom Blickpunkt der Gesamtheit aus in Angriff genommen werden. Früher als irgendwo sonst werden in Mainz die Zukunftspläne dringendste Gegenwartsaufgabe werden: Mainz wird die erste Stadt der französischen Zone sein, die ihre Wiederauferstehung erlebt."
1.16.Kultur im Pulverturm
Bei der Eröffnung des Stadtrates am 22. September 1946 im Stadthaus, besser bekannt als Pulverturm, erklärte der soeben gewählte OB Dr. Emil Kraus: "Ich habe an der Stirnwand dieses Saales das Bild von der zerstörten Stadt Mainz anbringen lassen. Wenn die Wogen hochgehen, dann wollen wir einen Blick auf dieses Bild werfen, um zu wissen, welche Aufgabe wir zu erfüllen haben. Ich bin überzeugt, dass die von Ihnen als meine politischen Mitarbeiter gewählten Beigeordeten sowie die verantwortlichen Leiter der städtischen Verwaltungszweige mich in dieser schweren und so verantwortungsvollen Arbeit jederzeit unterstützen werden, denn nur so kann ich die gestellten Aufgaben erfüllen. Auf jeden Fall soll es einmal nicht heißen, dass mit der Selbstverwaltung die Aufgaben nicht hätten erfüllt werden können."
Vor allem der Pulverturm, der provisorische Sitz der Stadtverwaltung seit 1945, entwickelte sich in den ersten Nachkriegsjahren zu einem Kulturzentrum von Mainz. Die Anfänge im Konzertleben wurden Ende des Jahres 1945 im Neuen Mainzer Anzeiger gewürdigt: im vergangenen halben Jahr hätten sechs städtische Kammerkonzerte das ausgehungerte Publikum nach einjähriger Unterbrechung wieder an die unversiegbaren Quellen alter und neuer Musik heranzuführen gesucht. Günter Kehr und Karl Maria Zwissler als Dirigent wurden bestimmende Kulturgrößen auf musikalischem Sektor. Doch das Theater würde - so dachte man realistisch - noch lange mit dem Wiederaufbau warten müssen; der Pulverturm bot einen gewissen Ersatz, obwohl zunächst der Frankfurter Hof ins Gespräch gebracht worden war. Im Ausblick auf das Kulturleben des kommenden Jahres hieß es am 30. November 1945 im Neuen Mainzer Anzeiger, indem auf Bert Brecht und junge Mainzer Erstlinge verwiesen wird und Importe aus der Schweiz sowie von französischen und amerikanischen Bühnen angekündigt werden: "Neue Wege! Wir wollen Stücke sehen, die wir in diesen Jahren geistiger Sklaverei nicht sehen durften; wir wollen den Blick über die Grenzen. Wir möchten das Herz der Welt wieder schlagen hören. In Mainz sind junge Menschen am Werk, die mit ehrlicher Begeisterung schaffen. Es gibt nichts Schöneres als die Begeisterung der Jugend. Ihr gelte unsere Unterstützung!"
Der Pulverturm als Theaterplatz, inzwischen Legende geworden, war ein Ort, an dem die Mainzer aus der Not eine Tugend gemacht haben und bereits manches andeuteten, was dann ab 1974 das neue Rathaus am Rhein auszeichnen sollte: Autorenlesungen, darunter die heimgekehrten Emigranten Ludwig Berger und Carl Zuckmayer oder Theodor Plievier mit seinem Stalingrad-Roman, französische Surrealisten, wie Paul Eluard oder Louis Aragon. Auch ein reges Vortragswesen konnte sich da entwickeln, und in der von einem Schulreformer aus den zwanziger Jahren, Rektor Josef Rudolf, eröffneten Volkshochschule wurden brennende zeitgenössische Themen abgehandelt, etwa das Buch von Eugen Kogon über den SS-Staat. Einige Jahre war der Pulverturm auch das Mainzer Funkhaus des Südwestfunks, und Emy Roeder, eine der Großen deutscher Kunst, hatte hier bis zu ihrem Tod 1971 ihr Atelier, in dem die Plastikerin wichtige Porträts entwarf, wie den Bildniskopf Hans Purrmanns sowie nicht zuletzt das Phönix-Relief für das Haus des Kunsthistorischen Instituts am Binger Schlag.[Anm. 56]
Auf die Neuformierung des Gewerkschaftswesens[Anm. 57], der Presse[Anm. 58], der geselligen und sportlichen Vereine[Anm. 59] muss hier ebenso verzichtet werden wie auf eine genauere Untersuchung der Hungerkrise[Anm. 60], zumal es hier bereits in dem Sammelband "Leben in den Trümmern, Mainz 1945 bis 1948", erschienen 1985, nicht unbedeutende Ansätze gibt. Dagegen sei, um besonders der Mentalität der Mainzer Bevölkerung gerecht zu werden, von den Festen und Feiern in der zerstörten und zertrümmerten Stadt gesprochen. Eine solche Betrachtung hat davon auszugehen, dass besonders der französische Stadtkommandant Kleinmann bereits im Herbst 1945 die Initiative ergriff, um eine Karnevalsveranstaltung für die Mainzer Bürger zustande zu bringen. Es resultierten daraus jene inzwischen verklärten 14 Mainzer Abende im Februar und März 1946 in der Gaststätte "Mainzer Rad", bei denen der unvergessene Seppel Glückert, der mit dem Nationalsozialismus in Konflikte gekommen war, sowie Karl Moerlé und Heinrich Hilsenbeck die Regie hatten; und einige Jahre später wurde das von Ernst Neger gesungene "Heile, heile Gänsje" geradezu zu einem Exportschlager des Mainzer Lebenswillens. Allein zwischen dem 21. und 29. September 1946 gab es neben der Eröffnung des Weinmarktes auf dem Halleplatz, verschiedenen Konzerten, Kabarettaufführungen, sportlichen Wettkämpfen und einem mehrtägigen Kongreß der Weinhändler die Eröffnung einer Ausstellung moderner französischer Graphik im Französischen Haus am Liebfrauenplatz, der ehemaligen Hauptwache, heute Haus am Dom. Der eigene Reiz der neu beginnenden Kulturveranstaltungen in einer Stadt der Trümmer mit der jeweiligen Aufforderung, ein Brikett mitzubringen und zur Feier am Ende auch eine Flasche Wein, läßt bis heute die Herzen der Zeitzeugen höher schlagen, und mit Recht hat die Kommission für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz beim Landtag diese ersten kulturellen Blüten zum Thema eines zweibändigen Sammelwerkes gemacht. Trotz aller moralischen Anstrengungen, die Niederlage 1945 zu akzeptieren und die Befreiung vom Joch des Nationalsozialimus einsichtig zu machen, kann gerade auf diesem Sektor, trotz allen Hungers und aller Niedergeschlagenheit und trotz des in der Beratenden Landesversammlung geäußerten apodiktisch und endgültig scheinenden Wortes "Für Gräber brauchen wir keine Verfassung," auch vom neuen Geist einer neuen Studentengeneration zitiert werden: "Es war eine Lust zu überleben."[Anm. 61]
1.17. "Auferstehung"
Da diese Abhandlung ja den zeitlichen Rahmen zwischen 1944 und 1947 steckt, zitiere ich zum Schluß eine kurze Betrachtung aus dem Neuen Mainzer Anzeiger zu Ostern, 4. April 1947, unter dem Titel "Auferstehung", wo es heißt: "Am Allerseelentage lagen auf einigen Trümmerhaufen der Altstadt frische Blumen und Kränze. Man hatte die Menschen nicht vergessen, deren Leiber noch unter den Ruinen begraben lagen. In der Woche, die dem Auferstehungsfest voranging, hielt in einer alten Gasse der Greifer eines Baggers plötzlich Menschenglieder zwischen seinen eisernen Zähnen. Arme und Beine, einen Totenschädel, auf dem grotesk noch der Stahlhelm des ‘Luftschutzes' hing. Vor zwei Jahren hatten die Bomben die kleinen Häuser zerschmettert und die Menschenleben ausgelöscht, die in den unzulänglichen Kellern einen dürftigen Schutz vor der Vernichtung suchten. Wie aber sahen sie nun das Tageslicht wieder?! Verwest und verfallen, fast blank schon die Knochen, und in Staub zerfielen auch bereits die Kleiderfetzen, an denen man die Überreste der Erschlagenen aus dem Schutt ziehen wollte."
"Es warten vermutlich noch an manchen Stellen unserer Stadt Frauen, Männer und Kinder auf eine solche Auferstehung. Der Krieg hat uns noch nicht entlassen. Er blickt uns an aus der Not dieser Tage und aus den Trümmern, die nur allmählich entfernt werden können. Das große Entsetzen allein scheint gewichen, aber zuweilen überfällt es uns doch noch einmal. Wir wurden wieder stumm, als der Greifer die schaurige Ernte der unheilvollen Zeit in seinen Zähnen hielt."
"Und doch müssen wir uns von dieser Vergangenheit losreißen. Wir brauchen unsere ganze Kraft, unseren heißen Glauben, auch unseren christlichen Auferstehungsglauben, um wieder hoch und vorwärts in eine bessere Zeit zu kommen. Teuer sind uns die Toten; unsere Kinder aber wollen leben.[Anm. 62]
2.Anhang
2.1.Erinnerung von Hans Gundrum
(Nachlas Michel Oppenheim, Stadtarchiv Mainz, Kasten 8)
2.2.Vier Bürgermeister in sechs Tagen
Meine Erlebnisse in der Stadtverwaltung Mainz vom 18. bis 26. März 1945
2.2.1.1. Sonntag, der 18. März
Endlich geht es weiter! Nach sechsstündigem Aufenthalt verläßt der Personenzug im Dunkel des frühen Märzmorgens die Darmstädter Bahnhofshalle. Führe er doch schneller! Das Abteil ist nur mäßig besetzt; wer fährt auch nach Westen, der nicht muss? Die Nähe der Front drückt den Gesichtern und Gesprächen der Reisenden ihren unerbittlichen Stempel auf. - Nach Mainz - nach Mainz hämmert es fortwährend in meinem Blut im Takte der Räder. Da reißt mich ein Gesprächsfetzen aus meinem Brüten: Die Mainzer Brücken sind heute nacht gesprengt worden! - Ich versuche zu lachen: Welche Ausgeburt der Fantasie! - Ja, ja, die Brücken sind zerstört! - Unmöglich, es kann, es darf nicht sein! Heute nacht um 2 Uhr sind sie in die Luft geflogen! Sollte wirklich etwas dran sein ?! -Von weitem hört man eine Sirene. Wenn es nur keinen Alarm gibt, bevor ich in der Stadt bin! - Bischofsheim - alles aussteigen! Also doch! - Es ist gegen 7 Uhr, ein klarer Vorfrühlingstag wölbt sich über der erwachenden Erde. Ich marschiere nach Gustavsburg. Radfahrer begegnen mir und einer ruft mich an: Wir sind die Nachhut und haben als letzte die Stadt verlassen. Die Verwaltung ist schon fort. Wer war das? - Richtig, ein Beamter des Kriegsschädenamtes. Die Sorge um meine Vaterstadt steigt wie ein Thermometer in der Sonne. Gottlob, am Main liegt eine Fähre bereit. In Kostheim laufe ich zur nahen Ortsverwaltung. Das Büro ist leer! Gibt es jetzt noch einen Sonntag? - Ich eile nach Kastel. Ruinen umstarren mich. Links vor dem Bahnhof eilen Menschen dem Rhein zu. Nun sehe ich das Ufer. Wie die Beeren an einer stattlichen Weintraube umlagern die Menschen den Landekopf der Fähre, die sich gerade langsam und schwarz voll Fahrgästen nähert. Während des Wartens tastet mein Blick über das zerkrätzte, leidende Antlitz der Stadt. Die Morgensonne beleuchtet es grell. - Nun geht die Fähre ab und gleitet langsam, wie im Zeitlupentempo, an der zerstörten Rheinbrücke entlang. Sinnlos ragen die beiden Auffahrten der schönen Brücke in die blaue Luft. Sinnlos, wie alles, was geschieht. - Ich eile durch die Stadt und die Gaustraße hinauf. Schnell heim, damit sie wissen, dass ich da bin! Kaum habe ich meine Angehörigen begrüßt, da gibt es Fliegeralarm. Während meine Frau mit den Kindern den Bunker aufsucht, eile ich ins Stadthaus. Dort ist jetzt mein Platz! Dort wird jeder gebraucht! - Im Hofe begegnet mir ein Vorgesetzter, im Luftschutzkeller treffe ich den Verwaltungsdirektor. Eine Schreibmaschine klappert. Es werden Marschbefehle ausgestellt. - Was wollen Sie hier? fragt man mich. Warum sind Sie nicht in Heidelberg geblieben? Dort waren Sie doch sicher! - Lassen Sie sich gleich einen Marschbefehl ausstellen! - Immer verständnisloser blicke ich um mich, bis ich begreife, was sich hier vollzieht. Ich sehe eine Zeitlang zu und überfliege das Verzeichnis der ausgestellten Marschbefehle. Es enthält so ziemlich alle maßgebenden Persönlichkeiten der Stadtverwaltung, alle Dezernenten und die meisten Amtsvorstände! Entsetzt frage ich, wer die zurückbleibende Verwaltung führen soll. - Das sei noch nicht bestimmt! - Man wartet auf Oberbürgermeister Ritter. - Ich höre, dass heute nachmittag um 5 Uhr am Winterhafen ein Schiff abgehen und das Gros der Verwaltung nach Rüsselsheim bringen soll. - Kümmern Sie sich um das Personalamt und um die Hauptverwaltung, sagt der Direktor zu mir. Erschüttert gehe ich nach Hause. - Am Nachmittag bin ich wieder in der Kunstgewerbeschule, die jetzt als Stadthaus dient. Von den oberen Beamten ist niemand mehr da. Ein Mitarbeiter vom Personalamt drückt mir die Kassenschrankschlüssel in die Hand. Er ist froh, dass er jemanden gefunden hat, dem er sie übergeben kann. - Das Haus leert sich. - Der Oberbürgermeister hat eine Verfügung erlassen, wonach Stadtamtmann Wolf mit der Weiterführung der Stadtverwaltung beauftragt ist. Außer diesem kurzen Satz enthält die Verfügung nichts!
2.2.2.2. Montag, der 19. März
Ich gehe um 8 Uhr ins Amt. Es ist kaum jemand da. Gegen 9 Uhr verliest Amtmann Wolf den Auftrag des Oberbürgermeisters vor wenigen anwesenden Beamten und Angestellten. Er verspricht, in den bevorstehenden schweren Tagen sein möglichstes zu tun und bittet um tatkräftige Mitarbeit. Für den anderen Tag um 9 Uhr wird eine Zusammenkunft der Dienststellenvorstände oder der erreichbaren Stellvertreter anberaumt. Die wenigen Anwesenden übernehmen die mündliche Benachrichtigung der in Betracht kommenden Beamten. Darüber vergeht der Tag. Inzwischen nähern sich die Amerikaner von Südwesten der Stadt.
2.2.3.3. Dienstag, der 20. März
Es ist 9 Uhr. Das Dienstzimmer des Oberbürgermeisters ist von etwa 30 Personen besetzt. Fast alle Dienststellen sind vertreten. Amtmann Wolf eröffnet die Besprechung und fordert die Dienststellen auf, das vorhandene Personal umgehend zu erfassen und dem Personalamt zu melden. Da erscheint unerwartet Oberbürgermeister Ritter und übernimmt den Vorsitz in der Versammlung. Er nimmt zu verschiedenen auf ihn einstürmenden Fragen Stellung. Insbesondere führt er aus, dass beabsichtigt gewesen sei, die gesamte Bevölkerung der Stadt über den Rhein zu führen. Da nun aber ein sehr großer Teil der Einwohner hier bleibe, müssten auch die wichtigsten Ämter, Ernährungsamt, Standesamt usw. hier vertreten bleiben. Auf den Hinweis des Regierungsrates Dr. Walther, dass die Amerikaner wohl kaum am Rhein stehen blieben, entgegnet Ritter mit dem Vorwurf, dass er wohl an dem Siege Deutschlands zweifle. In einer längeren nationalsozialistischen Propagandarede fordert er unverbrüchliche Treue zu Adolf Hitler, der das Deutsche Volk zum Siege führen werde. Die Ansprache wird von den Anwesenden schweigend angehört. Jeder hat seine eigenen Gedanken, die mit den leeren Worten des Redners nicht übereinstimmen. Dann stehe ich zum erstenmal dem Oberbürgermeister persönlich gegenüber. Ich kann mich der Frage nicht enthalten, warum man alle verantwortlichen Beamten über den Rhein führe und nicht genügend für die Fortführung der Verwaltung in Mainz selbst gesorgt habe. Er entgegnet, hier gehe es nur noch um einige Tage, drüben aber solle die Stadtverwaltung Wochen und Monate arbeiten, da würden die tüchtigsten Beamten gebraucht. Daraufhin verlässt er das Haus, um der Stadt den Rücken zu kehren.
Nachmittags gegen 14 Uhr beginnt die Beschießung der Stadt durch die inzwischen herangekommenen amerikanischen Truppen. Trotzdem suche ich um 17 Uhr das Stadthaus auf; es ist jedoch niemand anwesend.
2.2.4.4. Mittwoch, der 21. März
Die Beschießung nimmt ihren ununterbrochenen Fortgang. Die Bevölkerung hält sich in den Kellern und Bunkern auf. Gegen Abend verlautet, dass die Stadt zu kampfloser Übergabe aufgefordert worden sei; bei Ablehnung solle ein Bombardement erfolgen. Man zittert um die Reste der unglücklichen Stadt. Nach einer Kampfpause von etwa 15 Minuten geht die Beschießung weiter. Sie hält, von Zwischenräumen unterbrochen, die ganze Nacht über an.
2.2.5.5. Donnerstag, der 22. März
Gegen 7 Uhr erscheinen die ersten amerikanischen Soldaten und tasten sich durch die Pariserstraße dem Gautor zu. Gewehrschüsse peitschen durch die Morgenstille. Maschinengewehre rattern. Wo sich ein Zivilist zeigt, wird er von den Soldaten aufgefordert, in den Keller zu gehen. Nachmittags konnte man vor dem Gautor schon die Straße passieren. Ich ging alsbald zum Stadthaus, traf aber niemanden an.
2.2.6.6. Freitag. der 23. März
Amtmann Wolf ist spurlos verschwunden. Weder vormittags noch später erscheint er im Stadthaus. Später wird bekannt, dass er am 20. März auf einer Fahrt nach Nackenheim von den Kriegsereignissen überrascht wurde und seitdem nicht nach Mainz zurückkehren konnte. Was tun? Die anwesenden Beamten verabreden für Samstag früh eine Besprechung der Dienststellenvertreter. Einem im Hause weilenden amerikanischen Offizier wird die geplante Versammlung bekanntgegeben. Er erwidert, dass ein Vertreter der amerikanischen Truppe hinzukommen werde.
2.2.7.7. Samstag, der 24. März
Die Versammlung, von etwa 20 Personen besucht, wird von Amtmann Fuchs eröffnet. Außer den Vertretern städtischer Behörden ist der Weinhändler Hans Georg Kuhn zugegen, der sich als von der amerikanischen Truppe eingesetzter Bürgermeister bezeichnet. Kurz nach Beginn der Besprechung erscheint auch ein amerikanischer Offizier mit Namen Oppenheim. In seiner Ansprache führt Herr Kuhn aus, dass er am 22. März 1945 gegen 14 Uhr von einem US-Oberst mündlich zum Bürgermeister ernannt worden sei. Nachdem er dem Oberst auf Befragen gesagt habe, dass der Oberbürgermeister nicht mehr anwesend sei, habe dieser erklärt: Dann sind Sie von jetzt ab der Bürgermeister! Gleichzeitig habe er ihm einige Anweisungen erteilt. - Herr Kuhn bittet den anwesenden Vertreter der USA um Entbindung von seinem Auftrag, worauf Herr Oppenheim sich für unzuständig erklärt und sagt, dass er das Amt weiterzuführen habe. - Daraufhin nimmt Herr Kuhn seine Tätigkeit als kommissarischer Bürgermeister im Stadthaus auf.
Am gleichen Tage wird bekannt, dass sich am Kästrich ein Maueranschlag befindet mit der Aufforderung, alle Waffen bei der Militärregierung, Drususstraße 16, abzuliefern. Die Bekanntmachung ist rechts unten mit „Militärregierung“ und links mit „Bürgermeisterei gez. Schunk“ unterschrieben.
2.2.8.8. Sonntag, der 23. März
Herr Kuhn hatte inzwischen einige wichtige Verfügungen insbesondere wegen Bergung von Leichen und der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln getroffen. In einem Rundschreiben an die städtischen Dienststellen fordert er die Beamten, Angestellten und Arbeiter auf, ihren Dienst wieder aufzunehmen. Gegen Ende des Vormittags besucht er in meiner Begleitung den US-Leutnant Seaferd am Sitz der Militärregierung, Drususstraße 16 (Privatwohnung Schunk). Leutnant Seaferd erklärt, dass nur er die Vollmacht habe, bei seinem Eintreffen in Mainz einen Bürgermeister zu ernennen und dass er dies getan habe.
Bürgermeister sei Herr Schunk. Er, Kuhn, könne seine Funktion als erledigt betrachten. Daraufhin übergibt Herr Kuhn mündlich seinen Auftrag dem gleichfalls anwesenden Herrn Schunk. Ins Stadthaus zurückgekehrt, verabschiedet er sich um die Mittagszeit von den wenigen noch anwesenden Mitgliedern der Stadtverwaltung. Was nun?
Ich spreche mit verschiedenen Dienststellenleitern. Wir kommen zu dem Ergebnis, in einer Versammlung am folgenden Vormittag eine Entschließung zu fassen und der Militärregierung vorzuschlagen, Herrn Regierungsrat Dr. Walther zum Oberbürgermeister zu ernennen. Unter dieser Voraussetzung hatte sich Herr Dr. Walther uns gegenüber bereit erklärt, das schwere Amt zu übernehmen. - Der Tag vergeht mit Besprechungen und Benachrichtigungen.
2.2.9.9. Montag, der 26. März
Sorgenvoll gehe ich nach 8 Uhr ins Stadthaus. Unterwegs begegnet mir Herr Schunk und sagt, dass er von seinem Posten entbunden sei. Herr Dr. Walther sei noch am 25. März abends zum Oberbürgermeister ernannt worden.
Anmerkungen:
- Die folgenden Bemerkungen über den Wiederaufbau in Mainz beruhen neben dem Heranziehen der Presse vor allem auf den Nachlässen von Kulturdezernent Michel Oppenheim und Baudezernent Carl Dassen im Stadtarchiv Mainz, für deren Benutzung Archivdirektor Friedrich Schütz herzlich gedankt sei. An wichtiger Literatur ist insbesondere auf zwei Publikationen zu verweisen, die eine vor allem hervorgegangen aus Erinnerungen: Wie es war. Mainzer Schicksalsjahre 1945 bis 1948. Berichte und Dokumente. Gesammelt, geschrieben und herausgegeben von Erich Dombrowski, Emil Kraus, Karl Schramm, Mainz 1965. Die andere Publikation ist der Begleitband zu einer Ausstellung unter dem Titel: Leben in den Trümmern. Mainz 1945 bis 1948. Hg. im Auftrag der Stadt Mainz von Anton Maria Keim und Alexander Link, Mainz 1985. Die meisten Autoren dieses Sammelbandes sind jüngere Historiker, die den Trümmeralltag ihrer Elterngeneration behandelten und damit einen wichtigen Beitrag zum 40jährigen Gedenktag des 8. Mai 1945 vorlegten. Neben der Erschließung von schriftlichen Quellen kommen auch hier die Zeitzeugen nicht zu kurz, zumal in dem Aufsatz von Alexander Link: Leben in den Trümmern: Mainzer erzählen. Eine Montage von Interviewauszügen, S. 163-195. Zurück
- Hierzu einschlägig das in Anm. 23 genannte Standardwerk von Durth und Gutschow. Zurück
- Albert Speer: Erinnerungen, Berlin 1969, S. 427. Zurück
- Dieter Busch: Der Luftkrieg im Raum Mainz während des Zweiten Weltkrieges, Mainz 1988, S. 328. Zurück
- Vgl. Heinz Leiwig: Bomben auf Mainz 27. Februar 1945. Fakten, Hintergründe, Augenzeugen. Mit bisher unveröffentlichten Fotos und Dokumenten, Mainz (1995). Zurück
- Guido Knopp: Trauer muß verbinden, in: Consens. Das Seniorenmagazin der Stadt Mainz. I, 1995, S. 8f. Zurück
- Hans-Jürgen Kotzur (Hg): Mainz, 27. Februar 1945. Zeitzeugen berichten, Mainz 1995, S. 64. Zurück
- Ebd., S. 26. Zurück
- Ebd., S. 166. Zurück
- Geb. am 18. Februar 1891 in Gau-Odernheim, gest. am 15. März 1966 in Rüsselsheim. Zurück
- Dazu siehe den im Nachlaß Oppenheim, Kasten 8, befindlichen Bericht von H(ans) G(undrum): Vier Bürgermeister in sechs Tagen. Meine Erlebnisse in der Stadtverwaltung Mainz vom 18. bis 26. März 1945. Vgl. Anhang. Zurück
- August Schuchert: Fliegergeschädigte Kirchen, Pfarrhäuser und Klöster im Bistum Mainz 1939-1945. Ein Dokumentarbericht, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz 6 (1951-54), S. 15-54. Zurück
- Vgl.: Die erste Adresse des Landes Rheinland-Pfalz. Geschichte des Deutschhauses in Mainz, Mainz 1990. Zurück
- Hubertus Seibert: Die politische Entwicklung in Mainz 1945 bis 1948, in: Keim/Link, (wie Anm. 1), S. 33-56; hier S. 35. Zurück
- Michel Oppenheim wurde am 19. Mai 1885 in Mainz geboren und verstarb am 31. Mai 1963 in Garmisch-Partenkirchen. Er war ein Vertreter jenes jüdischen Großbürgertums, das bis zur Ausrottung durch den Nationalsozialismus das reichhaltige Kulturleben der Stadt maßgeblich bestimmt hat. Als Kulturdezernent der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg hat er sich besonders darum verdient gemacht, die Bürgerschaft in schwerer Zeit für den Gedanken der Wiederbegründung der Universität zu motivieren. Seine kulturelle Aufbauarbeit erheischt eine zusammenfassende moderne Behandlung, die ich wiederholt angeregt habe. Zurück
- Seibert, Politische Entwicklung (wie Anm. 14), S. 35ff. Zurück
- Dazu Volker Rödel: Die Entnazifizierung im Nordteil der französischen Zone, in: Franz Josef Heyen (Hg.): Rheinland-Pfalz entsteht. Beiträge zu den Anfängen des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz 1945-1951, Boppard 1984, S. 261-282. Zurück
- Seibert, Politische Entwicklung (wie Anm. 14), S. 52ff. Zurück
- Vgl. Helmut Mathy: Die Wirklichkeit übertrifft die Vision. Gespräch mit Karl Holzamer über die Frühzeit der Johannes Gutenberg-Universität (Schriften der Johannes Gutenberg-Universität, Heft 3), Mainz 1996. Zurück
- Noch fehlt - trotz einiger Untersuchungen und Vorträge von Friedrich Schütz - eine Biographie von Emil Kraus. Selber hat er etliche Materialien in dem Erinnerungswerk "Wie es war" (vgl. Anm. 1) beigesteuert. Außerdem werden seine Verdienste bei der Wiederbegründung der Universität in einem Kapitel meines im Druck befindlichen Buches: Die erste Landesuniversität von Rheinland-Pfalz, Studien zur Entstehungsgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (erscheint 1997) gewürdigt. Zurück
- Schutt und Schuttbeseitigung in Mainz. Bericht über den freiwilligen Bevölkerungseinsatz für die Zeit vom 8. Oktober 1945 bis 31. März 1946. Hg. vom Arbeitsausschuß für den Freiwilligen Bevölkerungseinsatz. Zurück
- Ebd., S. 24. Zurück
- Die wichtigsten Dokumente zur Organisation des Wiederaufbaus in Mainz - neben der ersten Ideenskizze aus dem Nachlass von Michel Oppenheim vor allem die zentralen Ausarbeitungen von Paul Schmitthenner als Gutachter der Stadt - sind abgedruckt in dem Standardwerk von Werner Durth und Niels Gutschow: Träume in Trümmern. Planungen zum Wiederaufbau zerstörter Städte im Westen Deutschlands 1940 bis 1950, Braunschweig 1988, S. 867-942. Zurück
- Hubertus Seibert: Religiöse Gemeinschaften, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 57-72. Zurück
- Othmar Weis: Die Caritasarbeit im Bistum Mainz währen der Jahre 1945/46, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz 3 (1948) I, S. 17-30. Zurück
- Vgl. etwa seine neue Haltung in der Schulfrage. Dazu Hermann Berg: Von der staatlichen katholischen Bekenntnisschule zur Schule freier katholischer Schulträgerschaft in Rheinhessen, in: Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz 1978, S. 91-106. Zurück
- Der Christ in der Not der Zeit. Der 72. Deutsche Katholikentag vom 1. bis 5. September 1948 in Mainz, hg. vom Generalsekretariat des Zentralkomitees der Katholiken Deutschlands zur Vorbereitung der Katholikentage, Paderborn 1949. Zurück
- Seibert, Religiöse Gemeinschaften (wie Anm. 24), S. 57ff. Zurück
- Anton M. Keim (Hg.): Magenza. Tagebuch einer jüdischen Gemeinde 1941/43, Mainz 1968. Zurück
- Seibert, Religiöse Gemeinschaften (wie Anm. 24), S. 62. Zurück
- Ebd., S. 71. Zurück
- Alexander Link: Zerstörung und Wiederaufbau, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 13-32; hier bes. S. 26. Zurück
- Durth/Gutschow (wie Anm. 23), S. 880ff. Zurück
- Karin Schmidt-Friderichs: "Idealstadt der Zukunft". Ein Mainzer Wiederaufbauplan von 1946. Vertane Chance oder abgewendete Gefahr? In: MAINZ, Vierteljahreshefte, 7. Jg. (1987), H. 2, S. 48ff. Zurück
- Christopher Plass: Wettlauf um den Wiederaufbau. Das zerstörte Mainz als Gegenstand rivalisierender Stadtplanungskonzepte, in: Mainz, Vierteljahreshefte, 7. Jg. (1987), H. 1, S. 128-132; hier S. 130. Zurück
- Die nachfolgenden Zitate aus dem Nachlaß Dassen im Stadtarchiv Mainz, Nr. 22: Notizen aus den Jahren 1945 bis 1952. - Den gesamten Nachlaß gedenke ich an anderer Stelle auszuwerten. Zurück
- Plass (wie Anm. 35), S. 132. Zurück
- Wie es war (wie Anm. 1), S. 75ff. Zurück
- Dazu vor allem Karl Martin Grass: Von Koblenz nach Mainz. Die Hauptstadtfrage, in: Heyen (wie Anm. 17), S. 433-449. Vgl. auch Helmut Mathy: Landeshauptstadt Mainz, in: Peter Haungs (Hg. ): 40 Jahre Rheinland-Pfalz. Eine politische Landeskunde, Mainz 1986, S. 93-102. Zurück
- Dazu vor allem Karl Martin Grass: Von Koblenz nach Mainz. Die Hauptstadtfrage, in: Heyen (wie Anm. 17), S. 433-449. Vgl. auch Helmut Mathy: Landeshauptstadt Mainz, in: Peter Haungs (Hg. ): 40 Jahre Rheinland-Pfalz. Eine politische Landeskunde, Mainz 1986, S. 93-102. Zurück
- Hedwig Brüchert-Schunk: Frauen in der Nachkriegszeit, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 105-122; hier S. 114. Zurück
- Alexander Link: Ernährung und Versorgung, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 89-100. Zurück
- Alexander Link: "Schrottelzeit." Nachkriegsalltag in Mainz. Ein Beitrag zur subjektorientierten Betrachtung lokaler Vergangenheit, Mainz 1990, S. 230. Zurück
- Ebd., S. 231. Zurück
- Ebd., S. 239. Zurück
- Ebd., S. 174. Zurück
- Ebd., S. 263. Zurück
- Ebd., S. 266. Zurück
- Ebd., S. 267. Zurück
- Ebd., S. 271. Zurück
- Ebd., S. 271. Zurück
- Zu diesem Thema, das bis heute ein kommunalpolitischer „Dauerbrenner“ geblieben ist und noch immer einer endgültigen Lösung harrt, die nur in einer freien Abstimmung in den AKK-Gemeinden bestehen kann, ob sie bei Wiesbaden bleiben oder nach Mainz zurückkehren wollen, vgl. vor allem Rolf Dörrlamm und Helmut Wirth: Mainz, die amputierte Stadt. Mainz 2/1986 (Hg. Werner Hanfgarn). Siehe auch das Schwerpunktthema in Heft 2, 15. Jg. (1995) von MAINZ, Vierteljahreshefte, S. 16-30. Zurück
- Zuletzt Anne Martin: Die Entstehung der CDU in Rheinland-Pfalz, Mainz 1995. Vgl. auch Kathrin Kusch: Die Wiedergründung der SPD in Rheinland-Pfalz nach dem Zweiten Weltkrieg (1945-1951), Mainz 1989; Kurt Weitzel: Vom Chaos zur Demokratie. Die Entstehung der Parteien in Rheinland-Pfalz, Mainz 1989; ders. zum regionalen Umfeld von Mainz: Von der CSVP zur CDU. Die Gründung der CDU in Rheinhessen 1945 bis 1947, Diss. Mainz, Frankfurt 1982. Zurück
- Helmut Mathy: Atmet auf und packt an! Der demokratische Neuaufbau vor vierzig Jahren, in: Erinnerung an die ersten freien Wahlen 1946. Predigten, Grußworte und Festvortrag, gehalten beim Festakt des Landkreises Mainz-Bingen am 13. Oktober 1986 in der Katharinenkirche in Oppenheim, S. 25-49. Zurück
- Vgl. Rödel (wie Anm. 17); außerdem Rainer Möhler: Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952, Mainz 1992. Zurück
- Frank M. Siefarth: Feiern in den Trümmern - eine zerstörte Stadt lässt ihre Traditionen wiederaufleben, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 155-160. Zurück
- Hans Berkessel: Gewerkschaften in Mainz 1945 bis 1948, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 73-82. Zurück
- Vgl. etwa Hedwig Brüchert-Schunk: Von den Schwierigkeiten, 1947 eine Zeitung herauszugeben - die Gründung der ‘Freiheit', in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 83-88; sowie zu dieser Zeitung und weit darüber hinaus neuerdings Stephan Pieroth: Parteien und Presse in Rheinland-Pfalz 1945-1972. Ein Beitrag zur Mediengeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Mainzer SPD-Zeitung „Die Freiheit“, Mainz 1994. Zurück
- Hanno Broo: Gesellige und Sportvereine in Mainz 1945 bis 1948, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 141-154. Zurück
- Dazu Karl-Heinz Rothenberger: Die Hungerjahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Ernährungs- und Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz 1945-1950, Boppard 1980. Zurück
- Zitat von Hermann Klippel; vgl. Reinhard Hippen: Kabarett der Brettlstudenten, in: Keim/Link (wie Anm. 1), S. 161f. Zurück
- Abgedruckt im Faksimile bei Kotzur" (wie Anm. 7), S. 111. Zurück