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Sending picture postcards from the Eifel

Die Nachkriegszeit 1918/19 im heutigen Eifelkreis Bitburg-Prüm in Chroniken, Briefen und Ansichtskarten amerikanischer Besatzungssoldaten

Amerikanische Truppen bei der Überquerung der Sauer in Echternach am 5. Dezember 1918. In der Originalbeschriftung des Fotos wird dieses Datum fälschlicherweise als Tag des Einmarschs nach Deutschland genannt. Tatsächlich erreichten bereits tags zuvor amerikanische Truppen deutsches Gebiet.[Bild: WW I Museum and Memorial]

Die Besetzung des Rheinlands durch Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg hat sich tief in das öffentliche Bewusstsein eingebrannt. Weniger geläufig ist, dass es zunächst US-amerikanische Truppen waren, die nach dem Waffenstillstand vom November 1918 das Gebiet des heutigen Kreises Bitburg-Prüm unter alliierte Kontrolle brachten. Im Folgenden geht es darum, die kurze Zeitspanne bis zum Mai 1919 vornehmlich aus der Sicht der amerikanischen Soldaten zu beleuchten, wie sie sich in Briefen und Ansichtskarten an ihre Angehörigen in den USA darstellt. Darüber hinaus wurden armeeinterne Chroniken aus der Zeit nach dem Ende des Feldzuges berücksichtigt.

Die Rede ist von der 89. US-Division, die seit August 1918 an den kriegsentscheidenden Schlachten im Nordosten Frankreichs beteiligt gewesen war (Maas-Argonnen-Offensive). Als Teil der neugebildeten 3. Armee (“Army of Occupation“) erreichten die ersten Soldaten der ca. 28.000 Mann umfassenden Division am 4. Dezember 1918 deutsches Gebiet. Der Grenzübertritt erfolgte, von Nordfrankreich über Belgien und Luxemburg kommend, an der Sauer in Echternach.

Vorderseite einer Ansichtskarte an Anna Miller, Indianapolis, Indiana/USA, von ihrem in Kyllburg stationierten Sohn, datiert vom 7.12.1918, abgeschickt am 14.12.1918.[Bild: Archiv Nemes]
Rückseite der Ansichtskarte an Anna Miller.[Bild: Archiv Nemes]

Ideen moderner Kriegsführung folgend, nutzten die Amerikaner die vorhandenen intakten deutschen Verwaltungsstrukturen. So entsprach das Besatzungsgebiet der 89. Division den vorgefundenen Kreisen Prüm, Bitburg, Trier Land und Saarburg mit einer Gesamtbevölkerung von über 200.000 Menschen.[Anm. 1]

US-amerikanische Ansichtskarte des Kyllburger Tunnels. Links stehen amerikanische Soldaten als „Zaungäste“ und im Hintergrund ist die US-Flagge vor dem Eifeler Hof zu erkennen.[Bild: Archiv Nemes]

Waren den amerikanischen Soldaten in Belgien und Luxemburg noch Wellen der Sympathie und Dankbarkeit aus der Zivilbevölkerung entgegengeschlagen, blieben diese im besiegten Deutschland verständlicherweise aus. Es war aber keineswegs so, dass die Besatzer auf eine feindliche Stimmung gestoßen wären, wie ein amerikanischer Zeitzeuge feststellt: „Die Bewohner zeigten keine Ressentiments oder Abneigungen. Die gewöhnlichen Leute auf den Straßen und in den Dörfern und Städten schauten neugierig auf die vorbeiziehenden Truppen, zeigten aber keinerlei Emotionen und verhielten sich zurückhaltend, ebenso wie unsere Truppen es befehlsgemäß taten. Die örtlichen Beamten, mit denen Verhandlungen über die Einquartierung von Truppen in den Häusern der Einwohner und über die Beschlagnahmung von Brennstoffen und Nahrung stattfanden, waren durch die Bank effizient und befolgten im Allgemeinen Befehle mit großer Bereitwilligkeit und ohne Einwände. Die meisten von ihnen zeigten eine Überängstlichkeit, die Invasoren zu besänftigen und zu befriedigen, und zeigten in einigen Fällen eine ziemlich unangenehme Unterwürfigkeit.“[Anm. 2]

Diese Einschätzung des Verhältnisses zwischen Deutschen und Amerikanern teilt James Kellogg Burnham – genannt Burnie – Hockaday, First Lieutenant des 354. Infanterieregiments. In einem Brief Hockadays aus Neuerburg an seine Familie in Amerika heißt es: „Wir haben sehr wenig Probleme mit den deutschen Zivilisten und Soldaten, entgegen aller Befehle fraternisierten wir mit ihnen. Es ist mir egal, wie viele Befehle das Generalhauptquartier dazu herausgegeben hat. Sie können niemals die Gabe der amerikanischen Soldaten brechen, die Freundschaft aller zu gewinnen, selbst in einem feindlichen Land.“[Anm. 3]

Am 7. Dezember 1918 schreibt ein amerikanischer Soldat (Name unleserlich) auf einer Ansichtskarte aus Kyllburg an seine Mutter Anne Miller in Indianapolis: „Liebe Mom, wir kommen gut voran durch den Westen Deutschlands. Die Menschen sind tatsächlich froh, die amerikanischen Soldaten zu sehen, sehr zu unserer Überraschung.“[Anm. 4]

Eine eher positive Aufnahme der amerikanischen Besatzung konstatiert auch Merrel E. Hixon von der Kompanie E des 314. Engineer-Bataillons: „Man hörte oft, dass das Volk des Landes und des besetzten Gebiets froh darüber war, dass die amerikanischen Soldaten da waren, weil diese sicherstellten, dass keine politischen Turbulenzen auftreten würden, und dass sie unter den Amerikanern besser behandelt würden als unter den anderen Alliierten.“[Anm. 5]

Vorderseite der Ansichtskarte des Hotels „Eifeler Hof“ mit eingezeichnetem Fahnenmast und der Markierung des Zimmers.[Bild: Archiv Nemes]

Das größte Problem für die Amerikaner war angesichts der kalten Jahreszeit die Unterbringung ihrer Truppen. Zum Hauptquartier der 89. Division wurde Kyllburg erkoren: Mit seinen vielen Hotels und Pensionen – sprich: Betten und Großküchen – bot der Ort dafür die besten Voraussetzungen.[Anm. 6]

Rückseite der Ansichtskarte des Eifeler Hofes.[Bild: Archiv Nemes]

Im Hotel Eifeler Hof, wo noch sieben Jahre zuvor Kaiser Wilhelm II. im Oktober 1911 während einer seiner Eifel-Stippvisiten seinen Tee eingenommen hatte, residierte nun die US-amerikanische Kommandantur. Weithin sichtbar wurde dies mit einem riesigen Fahnenmast vor dem Gebäude auf der Hochstraße dokumentiert. Das Hotel diente aber nicht nur der Verwaltung, sondern auch den sportlichen und kulturellen Bedürfnissen der Soldaten. Festgehalten hat dies ein ebenfalls unbekannter Besatzungssoldat auf einer um eine Zeichnung ergänzten Kyllburger Ansichtskarte: „Das ist das Hotel ‚Eifeler Hof‘ das größte Gebäude in Kyllburg [...] man beachte unseren großen Fahnenmast, das X zeigt mein Schlafzimmer, der Kreis ist unsere Sporthalle & das Theater.“[Anm. 7]

Leutnant Paul Weir Cloud gehörte zu den Fotografen der 89. Division, die das Material für eigene Ansichtskarten lieferten.[Bild: WW I Museum and Memorial]

Die amerikanischen Gäste Kyllburgs waren aber keineswegs allein auf die Ansichtskarten aus deutscher Produktion angewiesen. Zum Tross der 89. Division gehörte ein Team von Fotografen und Kameraleuten, zu deren Aufgabe die Produktion von Ansichtskarten gehörte. Diese wurden im Regelfall nicht gedruckt, sondern auf Fotopapier im Postkartenformat mit vorgefertigter Anschriftenseite vergrößert. Zum Einsatz kamen dabei regelmäßig Vorlagen aus amerikanischer Produktion („POST CARD“), bekannt sind aber auch französische Vorlagen („CARTE POSTALE“).

Schwieriger als in den größeren Orten gestaltete sich das Requirieren von Unterkünften in den Dörfern, vor allem in den ersten Tagen der Besetzung. Praktisch jedes Haus wurde von den Besatzern in Beschlag genommen. So berichtet der Chronist des 314. Motorisierten Versorgungszuges über den Einmarsch in Oberkail, der den Bewohnern eine schlaflose Nacht bereitete: „Gegen 10 Uhr abends wurde die Ortschaft Oberkail […] dem Zug zur Einquartierung zugeteilt. Aber es war Mitternacht, bis das Einquartierungskommando dort eintraf und den Bürgermeister des verschlafenen Ortes herbeirufen konnte, um ihm die Wünsche des Zuges mitzuteilen. Nacheinander wurden die Bewohner jedes Hauses geweckt, um sich auf die Ankunft unserer Männer vorzubereiten, und innerhalb von zwei Stunden waren alle Vorbereitungen für unsere Ankunft abgeschlossen.“[Anm. 8]

Das ursprüngliche „Hotel zur Post“, das sich bis zum Ersten Weltkrieg am Kyllburger Bahnhof befand, war ebenfalls von den Amerikanern beschlagnahmt, wie an der Fahne zu erkennen ist, die auf dem Dach weht.[Bild: Archiv Nemes]

Für die US-Ansichtskarte des Kyllburger Bahnhofs diente ein Foto vom 7. Februar 1919. Sehr gut zu erkennen sind die Terrassen des Meiselter, die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Hopfenanbau dienten.[Bild: Archiv Nemes]

Im Bereich Wolsfeld, Irrel und Niederweis war ab dem 15. Dezember 1918 das 342. US-Feldartillerieregiment stationiert. Von dort heißt es auch mit Hinblick auf die vielen unterzubringenden Pferde und Maultiere der Amerikaner: „Im Allgemeinen machten die Einwohner sehr wenig Schwierigkeiten. Gemurre war natürlich unvermeidlich, denn es war notwendig, unsere Pferde in den Schuppen unterzubringen, die als Dreschboden benutzt wurden, und unsere Ausrüstung auf ihren sorgfältig gepflegten Feldern abzustellen. Und natürlich mochten es die Menschen nicht, aus ihren Betten geworfen zu werden, vor allem einige der ‚prominenten Bürger‘.“[Anm. 9]

Wegen der Lage der Misthaufen und ihrer Nähe zur Trinkwasserversorgung erließ die amerikanische Militärverwaltung strenge Regelungen. Auf dem Foto aus Steinborn (um 1909) befindet sich die öffentliche Wasserpumpe nur wenige Meter neben dem Misthaufen.[Bild: Joseph Quirin / Archiv Johann Banz, Eschfeld.]

Befremdet zeigt sich derselbe anonyme amerikanische Zeitzeuge über die überall anzutreffenden Misthaufen, die ja bis in die 1970er Jahre das Bild der Eifeldörfer prägten: „Die sanitären Bedingungen in den Orten waren eine ständige Quelle der Besorgnis. Der deutsche Vorhof bestand immer aus einer Dunggrube, die in die gepflasterte Straße auslief. Es schien eine Sache des Stolzes zu sein, diese Gruben gut gefüllt zu halten. Tatsache war aber, dass sich die Wasserpumpe in der Regel in unmittelbarer Nähe befand. Ansonsten hatten die Orte ein ordentliches Erscheinungsbild und die Straßen wurden täglich mit primitiven Besen gefegt und das Innere der weißgetünchten Steinhäuser war im Allgemeinen makellos. Der Fleiß der Bauern war ebenso erstaunlich wie ihre Ignoranz der hygienischen Grundlagen."[Anm. 10]

Nach den ersten turbulenten Dezemberwochen des Jahres 1918 hatten sich die Amerikaner weitgehend etabliert. Natürlich gab es viel zu tun, vor allem für die Pioniereinheiten, die mit der Errichtung von Gemeinschaftseinrichtungen für die Soldaten und der Instandsetzung der Straßen beschäftigt waren. So wurden nach einer internen Statistik mehr als 15.000 Kubikmeter Schottersteine für die Reparatur von etwa 400 Kilometern Straßen verbaut. Dazu wurden zeitweilig zwischen 1.200 und 2.000 Deutsche zwangsverpflichtet.[Anm. 11]

Die amerikanischen Soldaten nutzten ihre freie Zeit, um ihren Lieben jenseits des Atlantiks verstärkt Briefe und Ansichtskarten zu schicken. Darin wurden auch die Kriegserlebnisse der vergangenen Monate ausführlich beleuchtet, die zuvor aus Gründen der Zensur ausgeblendet bleiben mussten.

Diese Ansichtskarte aus Speicher vom 13. Dezember 1918 gehört zu einer Vielzahl von Schriftstücken, in denen Charles S. Stevenson seiner Familie in Olathe in Kansas/USA ausführlich von seinem Leben im fernen Deutschland berichtete.[Bild: WW I Museum and Memorial]

Rückseit der Ansichtskarte von Charles S. Stevenson[Bild: WW I Museum and Memorial]

Ein Glücksfall sind in diesem Zusammenhang mehrere hundert erhaltene Briefe und Ansichtskarten von Charles S. Stevenson vom 314th Engineers Regiment.[Anm. 12] Am 13. Dezember 1918 schreibt er seiner Familie auf einer Postkarte aus Speicher: „Dies ist das Dorf, in dem ich jetzt lebe. Es ist ein schöner sauberer Ort von etwa 1200 Leuten. Elektrisches Licht, fließendes Wasser und dergleichen. Das X markiert den Raum, in dem zwei von uns Unteroffizieren schlafen, einer davon bin ich. […] Wir haben ein sehr schönes Zimmer, in dem es ein richtiges Bett gibt – unser erstes seit ewigen Zeiten“.[Anm. 13]

Ansichtskarte von Charles S. Stevenson vom 22. Dezember 1918 an seine Familie in Olathe in Kansas/USA.[Bild: WW I Museum and Memorial]

Sogar freundschaftliche Verhältnisse zwischen Deutschen und Amerikanern gab es. Auf einer Ansichtskarte mit dem Geschäft von Levy Salomon aus Speicher vom 22. Dezember 1918 schreibt Stevenson: „Mit die beste Zeit, die ich in Deutschland hatte, habe ich in diesem Haus von Levy Saloman [sic! Salomon] verbracht. Sie haben ein schönes Klavier, ein tolles Haus und sie haben mich gut behandelt. Ich habe in diesem Zimmer oben vornehm geschlafen. Hoffe, Weihnachten dort zu verbringen.“[Anm. 14]

Die meisten Soldaten der 89. Division kamen aus den Bundesstaaten des Mittleren Westens, etwa aus Kansas, Missouri oder South Dakota,[Anm. 15] und entstammten überwiegend bäuerlichen Verhältnissen.[Anm. 16] Vor ihrem Kriegseinsatz in Europa hatte kaum einer der Rekruten etwas von der Welt gesehen. Man kann sich vorstellen, welch einen Bruch mit ihren bisherigen Lebenserfahrungen die Kriegserlebnisse und das Leben im Nachkriegsdeutschland bedeuten mussten. Deutlich wird dies an den Ansichtskarten eines namentlich unbekannten Soldaten, der offensichtlich im Schloss Malberg stationiert war und den relativen Luxus nach entbehrungsreichen Monaten kaum fassen kann. Mit ungelenker Schrift hat er auf einer Karte, die das Schloss Malberg zeigt, notiert: „das ist, wo ich bin“ und „hier sieht man, wo ich zuhause bin, das als Platz zum Schlafen".[Anm. 17]

Komfortable Unterkunft – Ansichtskarte vom Schloss Malberg mit handschriftlichen Anmerkungen eines amerikanischen Soldaten.[Bild: Archiv Nemes]

Von Burnie Hockady beschriftete Ansichtskarte aus Neuerburg.[Bild: WW I Museum and Memorial]

Themen in der Soldatenpost dieser Zeit sind Fragen der Versorgung und immer wieder die Spekulationen über die mögliche Heimkehr. Burnie Hockady begreift seine Zeit in der Army durchaus als Chance für die Zeit danach. Stolz vermerkt er auf einer Ansichtskarte mit einem „Gruss aus Neuerburg“: „Ich habe jetzt einen zusätzlichen Job neben dem als Quartiermeister, ich bin Chef der Militärpolizei in diesem Abschnitt. [Smiley]. Ich werde alles machen können, wenn ich zurück bin. Mein Bereich erstreckt sich von der Stadt Prüm nach Neuerburg & westlich bis zur luxemburgischen Grenze.“[Anm. 18]

Zum größten Problem der Führung der 89. Division wurde mit dem Ende des Winters 1918/19 die aufkommende Langeweile in der Truppe, die es zu bekämpfen galt. Es wurde eigens eine Stabsstelle für „Entertainment“ eingerichtet. Daneben gab es die Y.M.C.A. (Young Men’s Christian Association), die sich bereits seit der Ankunft in Europa im Sommer 1918 um das seelische Wohl der Soldaten gekümmert hatte.[Anm. 19]

Eher selten sind gedruckte Ansichtskarten aus der US-amerikanischen Besatzungszeit 1918/1919. Auf dieser Karte ist ein Teil des "Motor transport reception parks" in Bitburg zu sehen. Gedruckt wurde die Karte mit der Nummer 205232 vermutlich bei Schaar & Dathe in Trier, einer der führenden europäischen Ansichtskartenhersteller in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.[Bild: Archiv Nemes]

Ein Ansatzpunkt, die Moral der Truppe aufrecht zu erhalten, waren Angebote wie Kino, Theater oder Sport. Auch Weiterbildung stand auf dem Programm, etwa landwirtschaftliche Kurse in Hermeskeil, eine Vorlesungsreihe in Kooperation mit der Universität in Bonn oder sogar Alphabetisierungskurse.[Anm. 20]

Ansichtskarte der Manderscheider Burgen an Gladys Wagner in Junction City, Oregon/USA. datiert vom 10.01.1919.[Bild: Archiv Nemes]

Hinzu kam eine sehr großzügige Urlaubsregelung, die nicht nur Dreitagesbesuche in Trier, Koblenz oder an den Rhein ermöglichten, sondern selbst längere Reisen nach Südfrankreich, Italien oder England: „Im Prinzip nahm jeder den Urlaub, den er bekommen konnte. Obwohl die Reiseeinrichtungen alles andere als bequem waren und obwohl die Quartiere in den Ferienzentren selten besser waren als unsere eigenen, war die Aussicht, der Monotonie der ländlichen Dörfer zu entkommen, sehr verlockend.“[Anm. 21] Ziel war es, der Truppe die Möglichkeit zu geben, neue Kraft zu schöpfen, „ihre Uhr wieder aufzuziehen“.[Anm. 22]

Rückseite der Ansichtskarte der Manerscheider Burg.[Bild: Archiv Nemes]

Den offensichtlich in Kyllburg stationierten C. Lands verschlägt es in seiner dienstfreien Zeit im Januar 1919 zunächst nach Manderscheid und dann an den Mittelrhein. Auf einer Ansichtskarte von der Burg Reichenstein bei Bingen fragt er seine „dear friend“ Gladys Wagner in Junction City, Oregon/USA: „Was hältst Du von meiner Burg am Rhein?“[Anm. 23]

Als größter Coup in Sachen Amüsement muss in diesem Zusammenhang aber sicherlich gelten, auf der Ebene aller in Europa stationierten amerikanischen Truppen eine Footballliga ins Leben zu rufen. An dieser beteiligte sich auch ein Team der 89. Division. Da es in Kyllburg keine ausreichend große Fläche gab, wurde ein Spielfeld im nahen Malberg angelegt.[Anm. 24] Mit klaren Siegen über die Teams der 90. Division (6:0 am 14. Februar 1919 in Wittlich), dem des Hauptquartiers der 3. Armee (30:0 am 20. Februar 1919 in Koblenz) und gegen die Mannschaft der 4. Division (14:0 am 27. Februar 1919 in Koblenz) zog das Team aus der Westeifel in die Finalspiele um die Championship der American Expeditionary Forces (A.E.F.) ein. Diese fanden im März 1919 in Paris unter Beteiligung von sieben Mannschaften aus ganz Europa statt.[Anm. 25]

Die beiden ersten K.O.-Spiele gegen Teams der US-Army in Frankreich waren am 14. und 22. März 1919 wiederum souverän mit 13:0 und 17:3 gewonnen worden.[Anm. 26] Zum endscheidenden Finale kam es dann am 29. März 1919 im Pariser Velodrom. Mit dabei waren bis zu 15.000 Zuschauer, davon allein 1.200 Fans, die mit Sonderzügen aus Deutschland angereist waren. Prominenteste Beobachter des Spektakels waren der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Europa, General John J. Pershing, der Kommandierende General der 3. Armee, Brigadegeneral Frank L. Winn, und der belgische König Albert.[Anm. 27]

Mit einem 14:0-Sieg gegen die Mannschaft der 4. Division erspielte sich das Team der 89. Division am 27. Februar 1919 in Koblenz die Teilnahme am Endturnier in Paris.[Bild: WW I Museum and Memorial]

Längst war die Football-Meisterschaft zur Chefsache geworden. Zur Pause lag Mannschaft der 89. Division 0:6 gegen die Auswahl der gegnerischen 36. Division zurück. Da erschien General Winn, der sich kein Spiel der Meisterschaft hatte entgehen lassen, bei seinen „Jungs“ und – erteilte ihnen den Befehl zu siegen.[Anm. 28] Ob es an dieser nachdrücklichen Aufforderung gelegen hat, bleibt unklar. In jedem Fall konnte die Footballmannschaft nach der Pause den bisherigen Spielverlauf umkehren und mit 14:6 die Meisterschaft der A.E.F. für sich entscheiden. Nach einem gewährten Sonderurlaub in Südfrankreich kehrte die siegreiche Mannschaft in die Eifel zurück. Sie wurde mit einem Triumphmarsch von Malberg nach Kyllburg und einem anschließenden Empfang im Eifeler Hof geehrt.[Anm. 29]

Der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa, General John J. Pershing, während der Militärparade in Trier am 23. April 1919.[Bild: Archiv Nemes]

Zu diesem Zeitpunkt war der Abmarsch der 89. Division aus der Eifel längst beschlossene Sache. Bis zur Übernahme durch die Franzosen bestand die amerikanische Besatzungszone zwar noch bis 1923 mit Sitz in Koblenz. Zu ihrer Verwaltung bedurfte es aber nicht der Anwesenheit ganzer Armeen.

Am 13. Mai 1919 verließen die letzten Truppen den Bereich des heutigen Kreises Bitburg-Prüm. Drei Wochen zuvor hatten die amerikanischen Streitkräfte in Europa noch einmal mit einer großen Parade in Trier ihre militärische Stärke demonstriert.

Die amerikanischen Truppen wurden zunächst per Eisenbahn nach Brest und von dort per Schiff Richtung USA gebracht. Damit ging der Herzenswunsch vieler in Erfüllung, die ihre Heimkehr schon seit Monaten herbeigesehnt hatten. Wie hatte Charles Stevenson es bereits am 15. Februar 1919 auf einer Ansichtskarte auf den Punkt gebracht: „Ich habe Koblenz, Trier, Metz, […], Deutschland, Belgien, Luxemburg, den Rhein, die Maas, den Argonner Wald gesehen. Und gestern war ich in Paris. Die einzige Stadt die ich will, ist Kansas City (Missouri), U.S.A.”[Anm. 30]

Toni Nemes, St. Thomas, 6. Juli 2021

Anmerkungen:

  1. English, George H. Jr., History of the 89th Division, U.S.A. From its Organization in 1917, through its Operations in World War, the Occupation of Germany and until Demobilization in 1919, Denver 1920, S. 264 (= English). Zurück
  2. English, Ebd.. Im Original: “The inhabitants displayed no resentment or dislike. The common people on the roads and in the streets of villages and towns gazed curiously at the passing troops but manifested no emotions whatsoever and maintained, as our troops did under orders, an attitude of reserve. The local officials, with whom dealing took place for billeting of troops in the houses of the inhabitants and for the requisition of fuel, were uniformly efficient and generally obeyed orders with alacrity and without demur. Most of them displayed an over anxiety to placate and please the invaders and in some instances showed rather disagreeable servility.” Zurück
  3. James Kellogg Burnham Hockaday, First Lieutenant, 354th Infantry, 89th Division, Brief vom 1. Januar 1919 aus Neuerburg, in: The National WW I Museum and Memorial, Catalog Number 1986.213.50. Im Original: “We are having very little trouble with the German people and the soldiers, in spite of orders are fraternizing with them all. I don’t care how many orders the G.H.Q. can issue, they will never change the American soldiers’ knack of winning the friendship of everyone, even in a hostile country.” Diese freimütige Äußerung ist auch vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass alle Briefe und Postkarten von amerikanischen Soldaten in die Heimat der offiziellen Zensur der Militärbehördenunterlagen. Zurück
  4. Ansichtskarte an Anna Miller, Indianapolis, Indiana / USA, datiert 7.12.1918, abgeschickt am 14.12.1918, Archiv Toni Nemes, Wiesbaden, Nr. 19181214_002 (= Archiv Nemes). Im Original: “Dec. 7, 1918 / Dear mom; We make good progress thru Western Germany. The people are actually glad to see the American soldiers, much to our surprise. (Absendername unleserlich).” Zurück
  5. Hixon, Pvt. Merrel E., "E" Company 314th Engineers 1917-1918-1919, Trier, o. J. (1919), S. 22. Im Original: “Many times remarks were heard to effect that the people of the country and the occupied territory were glad that American Soldiers were there, which assured that no disturbances of a political nature would occur; and that they would fare better at the hands of the Americans than they would in other Allied hands.” Zurück
  6. English, S. 266: “The headquarters of the Division were located at the village of Kyllburg, which, located near the center of the district and provided with a number of excellent summer resort hotels, furnished facilities for the accommodation of the headquarters and staff, which necessarily became much augmented by the increase of administrative work." Zurück
  7. Beschriftete Ansichtskarte, undatiert [1918/1919], Archiv Nemes, Nr. 19190000_012. Im Original: “This is the ´Eifeler Hof´ Hotel the biggest building in Kyllburg […] notice our big flag pole, X shows my bed-room, circle is our athletic hall & theatre.” Zurück
  8. Bernet, 1st Lt. Milton E., The Three Hundred and Fourteenth Motor Supply Train in the World War, o. O. 1919 S. 89. Im Original: About 10:00 o'clock that night the town of Oberkail […] was assigned to the train for billeting purposes, but it was midnight before the billeting detail could reach there and summon the burgomaster of the sleepy little country town to tell him the wishes of the train. One by one the inhabitants of every house in the town were awaked to prepare for coming of our men, and within two hours all arrangements were complete for our arrival. Zurück
  9. Anonym, Regimental History 342nd Field Artillery 89th Division, o. O., o. J. (1921), S. 61 (= History 342nd Field Artillery). Im Original: “In general the inhabitants gave very little trouble. Grumbling was of course inevitable, for it was necessary to stable our horses in the sheds used as threshing floors, and to park our materiel in their carefully cultivated fields. And naturally the men did not like to be turned out of their beds, especially some of the 'prominent citizens'.” Zurück
  10. Ebenda, S. 59. Im Original: “The sanitary conditions in the towns was [sic!] a constant source of anxiety. The German dooryard consisted invariably of a manure pit, which drained into the cobbled street; it seemed to be a matter of pride to keep these pits well filled; and it was a fact that the household pump was generally located in the near vicinity. On the other hand, the towns were neat enough in appearance and the streets were swept daily with primitive hand brushes, and the interior of the houses, which were of the whitewashed stone variety, was generally immaculate. The industry of the peasants was astonishing as their ignorance of the elements of sanitation." Zurück
  11. Anonym, From Camp Funston to the Rhineland with the 314th Engineers, 89th Division 1917-1919, Trier o. J. (1919), S. 8. Zurück
  12. The National WW I Museum and Memorial, Catalog Number 1982.202.1 (= Stevenson), online einzusehen unter: http://theworldwar.pastperfectonline.com/archive/41719864-31C2-46C5-AF84-239114283494. Zurück
  13. Stevenson, Catalog Number 147_1982.202.1, Ansichtskarte vom 13.12.1918 an die Familie. Im Original: “This is the town where I am now living. It is a nice clean place of about 1200 folks. Electric lights, running water and such are features. The X marks the room where two of we sergeants sleep, including myself. […] We have a very nice room in which there is a real bed – our first in weeks and weeks.” Zurück
  14. Stevenson, Catalog Number 153_1982.202.1, Ansichtskarte vom 22.12.1918 an seine Familie. Im Original: “Some of the best times I've had in Germany were in this house of Levy Saloman [sic! Salomon]. They have a nice piano, a dandy home and they sure have been treating me fine. I slept in fine style in that upstairs room. Hope to spend Christmas there.” Zurück
  15. English, S. 22. Zurück
  16. Ebd., S. 17. Zurück
  17. Ansichtskarte „Die alte Burg von Malberg b. Kyllburg“, undatiert, beschrieben vermutlich von einem unbekannten US-Soldaten, Archiv Toni Nemes. Im Original: “that is where I am at." und “you can see where I am at home that for a place to sleep." Zurück
  18. James Kellogg Burnham Hockaday, First Lieutenant, 354th Infantry, 89th Division, undatierte Ansichtskarte aus Neuerburg, in: The National WW I Museum and Memorial, Catalog Number 1986.213.76. Im Original: “I have an additional job now to that of billeting officer, I am chief of the Military Police in this section. [smiley face]. I’ll be able to do anything when I get back. My section is from the town of Prum to Neuerburg & west to the Luxemburg border.” Zurück
  19. English, S. 302 ff. Zurück
  20. Ebd., S. 276 ff. Zurück
  21. History 342nd Field Artillery, S. 65. Im Original: “Almost everyone took all the leave he could get, for although the travelling facilities were anything but comfortable, and although the quarters provided at the leave centers were rarely much better than our own, nevertheless, the chance from the monotony of the rural villages was very grateful.” Zurück
  22. Anonym, History of 340th Machine Gun Battalion, 89th Division A.E.F., o. O., o. J., S. 90: “Passes to Coblenz issued during February, gave most of the men an opportunity to enjoy a three-day trip and to realize their hearts’ desire ‘to wind up their watch on the Rhine’”. Der Autor spielt hier mit den Begriffen „ihre Uhr aufziehen” (“to wind up their watch”), „etwas abwickeln/ beenden/liquidieren“ (“to wind up“) und der „Wacht am Rhein“ (“Watch on the Rhine“), was schwer zu übersetzen ist. Zurück
  23. Ansichtskarte an Gladys Wagner, Junction City, Oregon/USA, datiert 22.01.1919, abgeschickt am 24.01.19189, Ebd. Archiv Nemes, Nr. 19190124_001. Im Original: “Kyllburg Germany 1/22/19 / /Dear friend […] What do you think of my castle on the Rhine?”. Zurück
  24. English, S. 270. Zurück
  25. Ebd., S. 271-272. Zurück
  26. Ebd. Zurück
  27. Stevenson, Catalog Number 153_1982.202.16a, I order you to win the game, Manuskript, o. O., o. J., S. 2. Zurück
  28. Ebd., S. 1. Zurück
  29. English, S. 274. Zurück
  30. Stevenson, Catalog Number 179.24.40, Ansichtskarte vom 15.02.1919 an Robert Cline. Im Original: “I’ve seen Coblenz, Treves, Metz, […], Germany, Belgium, Luxembourg, the Rhine River, the Meusse River, the Argonne Forest and yesterday I was in Paris. The only town I want is K.C. Mo., U.S.A.“ Zurück