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VII. Biographie und Heimat

[Bild: © Paddy Robin - https://500px.com/paddyrobin]

Viele Menschen befinden sich heute nicht mehr an dem Ort, an dem sie geboren wurden oder aufgewachsen sind. Manche gehen durch verschiedene Zwischenstationen von Ort zu Ort und suchen und finden mit etwas Glück immer wieder eine neue Heimat.

Die persönliche Mobilitätsbiographie [Anm. 1] sieht in Zeiten der Globalisierung oft vielgestaltig aus. Zeit der empfundenen Fremdheit und der Eingewöhnung in eine neue Heimat wechseln sich ab.

Die Wissenschaftlerin Beate Mitzscherlich, die ihre Dissertation zum Thema „Subjektive Dimensionen von Heimat“ geschrieben hat, beschäftigt sich in vielen verschiedenen Kontexten mit dem Thema Heimat.

Sie erläutert in einem Aufsatz im Buch „Heimatschichten“ den Zusammenhang von Biographie, Heimat und einer Gesellschaft, die ständig der mehr Mobilität fordert wie folgt:

„Schließlich hat Beheimatung eine Dimension, die nur reflexiv bzw. narrativ einzuholen ist. Es geht dabei um das Stiften von Sinn und Zusammenhang, von Kohärenz [= Zusammengehörigkeit] und Kontinuität. In einer von Ortswechseln gekennzeichneten Biographie muss das Subjekt seine eigene „Spur“ nicht nur legen, sondern auch reflektieren, und das gelingt am ehesten durch das Besetzen von Orten und die Begründung von Ortsveränderungen in Form identitätsstiftender Geschichten.[Anm. 2]

So wie Menschen in der Moderne zum Autor bzw. zur Autorin der eigenen Lebensgeschichte werden und Identitätsbildung zum narrativen Prozess, werden anonyme Orte zu Schauplätzen, Handlungsräumen, Tatort der eigenen Biographie. Diese Reflexion erfordert aber zumindest das kurzzeitige Innehalten, das Heraustreten aus dem unmittelbaren Handeln und Kommunizieren, den Blick auf das Selbst in Bewegung und damit das Sich-zu-Eigen-machen des unmittelbar Erlebten.[Anm. 3]

[…] Dieser Aspekt des Zu-Sich-Kommens als Element von Beheimatung ist beim gesteigerten Tempo einer mobilen Gesellschaft scheinbar am schwersten einzulösen. Häufig kommt es gerade bei den Leistungsträgern zu einem atemlosen und abgehetzten Kommunizieren und Agieren in ständig wechselnden Kontexten, worin dem Subjekt bald nicht nur der Sinn, sondern auch die Richtung der Bewegung abhandenkommt und es sich zunehmend als außengesteuert erlebt.[Anm. 4] 

[…] Zusammengefasst geht es also in einer durch Mobilität geprägten Gesellschaft für die Subjekte darum, sich zu beheimaten, Heimat herzustellen durch das Herstellen von Bindung an Menschen und Orte, durch die praktische Gestaltung und Verbesserung von Lebensumständen in Hinblick auf den eigenen (inneren) Heimat-Maßstab, und um die Kontemplation bzw. reflexive Durchdringung des eigenen In-der-Welt-unterwegs-Seins.“[Anm. 5]

Ein Zwischenfazit: Die Suche nach Heimat steht in einem engen Zusammenhang mit den verschiedenen Orten und Stationen der eigenen Biographie. Eine Auseinandersetzung damit kann Erkenntnisse für die eigene Beheimatung geben.

NACHWEISE

Verfasserin Text: Marion Nöldeke

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

  • Bernecker, Walther L./Thomas Fischer: Deutsche in Lateinamerika. In: Klaus J. Bade (Hg.): Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart. München 1993.
  • Klose, Joachim: Heimatschichten: Anthropologische Grundlegung eines Weltverhältnisses. Wiesbaden 2013.
  • Mitzscherlich, Beate: Heimat. Kein Ort. Nirgends. In: Joachim Klose: Heimatschichten: Anthropologische Grund-legung eines Weltverhältnisses. Wiesbaden 2013, S. 47-67.

Abbildungsverzeicnis

Erstellt am: 13.02.2021

Anmerkungen:

  1. Mitzscherlich, Beate: Heimat. Kein Ort. Nirgends. In: Joachim Klose: Heimatschichten: Anthropologische Grundlegung eines Weltverhältnisses. Wiesbaden 2013, S. 64. Zurück
  2. Mitzscherlich 2013, S. 65-66. Zurück
  3. Mitzscherlich 2013, S. 66. Zurück
  4. Mitzscherlich 2013, S. 66. Zurück
  5. Mitzscherlich 2013, S. 66. Zurück