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„Vereinigung richtig und notwendig“

Bürgermeister Rudolf Kirschstein und seine ,,Denkschrift über die Vereinigung von Kreuznach und Bad Münster a. Stein" aus dem Jahre 1909

von Jörg Julius Reisek

Dieser Beitrag wurde in den Bad Kreuznacher Heimatblättern. Beilage zum Öffentlichen Anzeiger (2009.5) veröffentlicht. Aus Platzgründen konnte die Denkschrift nur stark gekürzt wiedergegeben werden. Nun kann an dieser Stelle das vollständige Dokument gelesen werden. In einem zusätzlichen Anhang runden weitere Texte das Thema ab.

Seit 2007 wird durch die Landesregierung, die politischen Entscheidungsgremien und sogenannte Bürgerkongresse für das Land Rheinland-Pfalz eine umfassende Kommunal- und Verwaltungsreform vorbereitet, die bis spätestens 2014 in Gesetzesform gebracht werden soll. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung ist unter anderem geplant, die Zahl der Verbandsgemeinden durch die Fusion kleinerer bzw. einwohnerschwächerer Kommunalverbände zu verringern. Denkbar ist auch das Ausscheiden einzelner Ortsgemeinden aus ihrem bisherigen Verband und ihre Integration in eine andere benachbarte kommunale Einheit.

Solche Zugehörigkeitsveränderungen sind bis 2012 auf freiwilliger Basis nach den Vorstellungen der kooperations- bzw. vereinigungswilligen Kommunen möglich. Danach werden Landesregierung und Landtag die noch nicht oder nur unzureichend gelösten Fragen der Kommunalreform auf gesetzlichem Weg von oben her regeln.

Aber schon jetzt werden im rheinland-pfälzischen Innenministerium „Kommunen mit Handlungsbedarf“ ausdrücklich benannt und dazu gedrängt, im Hinblick auf die Kommunalreform baldigst aktiv zu werden. Hierzu zählt wegen ihrer desolaten Haushaltslage bzw. hohen Verschuldung auch die Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein - Ebernburg.

Vor diesem Hintergrund wird seit Februar 2009 auch verstärkt der Zusammenschluss der Städte Bad Kreuznach und Bad Münster als eine mögliche Option diskutiert. Solche Überlegungen sind keineswegs neu, denn im Laufe vor allem der badewirtschaftlichen Entwicklung der benachbarten Kurstädte gab es immer wieder Vorstöße dazu, die beiden Orte zusammenzulegen und damit ihre Wirtschaft und Verwaltung zu optimieren. Wegen der letztlichen Unvereinbarkeit der in vielen Punkten auseinandergehenden lokalen Interessen kam eine Vereinigung aber bisher nie zustande.

Die durch die enge Nachbarschaft bedingten kommunalen und privaten Reibereien wurden gelegentlich sogar öffentlich ausgetragen. Dazu gehörten um 1900 beispielsweise die Streitigkeiten um die „Kreuznacher Mutterlauge", die zu einem großen Teil in den Münsterer Salinen produziert wurde, was die Kreuznacher Salinenverwaltung bei der Vermarktung aber nicht kenntlich machte. Der Berliner Balneologischen Zeitung war dieser Umstand 1902 eine besondere Stellungnahme wert. Umgekehrt bezeichnete man zum Ärgernis der Kreuznacher Salinenbetriebe in Bad Münster die dort produzierte Mutterlauge als „Kreuznacher Mutterlauge von Münster a. Stein".

In dem ebenfalls 1902 erschienenen und von der Kreuznacher Badeverwaltung in hoher Stückzahl vertriebenen Badeführer „Bad Kreuznach in Wort und Bild" fehlt der Hinweis auf Bad Münster gänzlich. Immerhin zeigt eine Farblithographie den Felsen des Rheingrafensteins an der Nahe. Der Verfasser kommentierte teils fettgedruckt: ,,dies ganze [Salinen-] Thal, in der Größe von 180 Morgen, gehört der Stadt Kreuznach und dient ausschließlich dem Interesse des Bades". Als Ausflugsziele wurden nur der Rotenfels, die Ebernburg und die Altebaumburg empfohlen, obwohl Bad Münster ein bevorzugter Ausflugspunkt der Kreuznacher Badegäste war.

Trotz aller Distanziertheit hatte sich aber nach dem durch den Deutsch-französischen Krieg 1870/71 bedingten Besucherrückgang zwischen beiden Kurorten unter der Devise ,,Vorwärtsstreben Hand in Hand" eine vorsichtige Zusammenarbeit entwickelt, in deren Verlauf schließlich auch die Idee eines Zusammenschlusses aufgegriffen wurde. Am 15. Mai 1909 unterzeichnete der Kreuznacher Bürgermeister eine vertrauliche „Denkschrift über die Vereinigung von Kreuznach und Bad Münster a. Stein", mit welcher er nachdrücklich für eine kommunale Zusammenlegung warb. Ausführlich umriss er darin die mit einer solchen Maßnahme verbundenen Problemfelder und zeigte mögliche Lösungen auf, ohne zu polemisieren.

Bürgermeister Kirschstein, der in den Jahren zuvor schon mehrere bedeutsame städtische Projekte realisiert hatte, erwies sich mit seiner Denkschrift einmal mehr als überaus kompetenter Kommunalpolitiker, der zukunftsorientiert auch über die Grenzen Kreuznachs hinausdachte. Rudolf Kirschstein amtierte von 1897 bis 1909 und - aushilfsweise - von 1914 bis 1916 als Bürgermeister. Wegen seiner vielfältigen kommunalpolitischen Verdienste wurde er zum Oberbürgermeister ernannt; 1932 starb er hochgeehrt.

Ganz sicher bietet der Text zur aktuellen Diskussion über eine Fusion der Städte Bad Kreuznach und Bad Münster am Stein – Ebernburg einen interessanten historischen Hintergrund.

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Literatur:

  • Bad Kreuznach in Wort und Bild. Hrsg. V. d. Städt. Badeverwaltung. Kreuznach 1902. (Digitalisat s. www.dilibri.de)
  • Nachruf auf Rudolf Kirchstein. (In: Bad Kreuznacher Heimatblätter 1932.13)
  • Walter, Richard: „In skeptischer Maßhaltung mutig vorwärts!“ Wie Kreuznach von kleinbürgerlicher Sparsamkeit zu wirtschaftlicher Blüte fand – Bürgermeistergeschichte II. (In: Bad Kreuznacher Heimatblätter 1995.4)
  • Buchmann, Hans G.: Die Entwicklung Bad Kreuznachs und Bad Münsters am Stein in den letzten 150 Jahren. Eine fremdenverkehrs- und stadtgeographische Untersuchung. Bochum 1969. (Diss., Univ. Bochum)

In der Sammlung der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek befindet sich umfangreiche Literatur zur Kurgeschichte der beiden Badestädte.

Erstellt: 26.03.2010

Vertraulich!

Denkschrift über die Vereinigung von Kreuznach und Bad Münster a. Stein

Der Unterzeichnete hat seit seinem Amtseintritt im Jahre 1897 auf Mittel und Wege gesonnen, um den Volkskörper der Stadt Kreuznach etwas zu vergrößern und die Zahl der Gemeindebürger über die Zahl von 25 000 hinaus zu bringen. Stadt Kreuznach hat sich mit allen modernen Großstadt-Einrichtungen ausgerüstet und einen entsprechend großen und vielseitigen Verwaltungsapparat geschaffen. Je größer die Zahl der Benutzenden, desto besser rentieren sich die kostspieligen Anlagen. Da die wirtschaftlichen Verhältnisse nur ein langsames Steigen der Bevölkerungsziffer mit sich brachten, hat er zunächst den Plan der Eisenbahnverwaltung, eine größere Werkstätte mit entsprechendem Personal nach Kreuznach zu verlegen, mit Freuden unterstützt. Als dieser Plan scheiterte, hat er sein Augenmerk auf die Landgemeinde Bad Münster am Stein gerichtet. Kreuznach hatte bei der letzten Volkszählung im Dezember 1905 22 860 Einwohner, Münster am Stein 915. Trotz des langsamen Steigens der Bevölkerung ist zu erwarten, dass bei der am 1. Dezember 1910 wiederkehrenden Volkszählung beide Gemeinde zusammen die Zahl 25 000 überschreiten werden.

Mit dieser Bevölkerungsziffer erwerben in 9 Provinzen Preußens die Städte ohne weiteres das Recht, aus dem Kreisverband auszuscheiden. In Westfalen ist allerdings die Grenze auf 30000 und in der Rheinprovinz auf 40000 Einwohner wegen der starken Industrialisierung dieser Provinzen hinaufgesetzt. Die Möglichkeit des Ausscheidens ist aber auch für Städte mit geringerer Bevölkerungszahl vorbehalten. Da die Verhältnisse der Stadt Kreuznach mehr den altkonsolidierten Verhältnissen von Mittel- und Ostdeutschland, als denjenigen mit Großindustrie und großen Arbeitermassen gleichen, so könnte m. E. Kreuznach nach Erlangung einer Bevölkerungsziffer von 25000 Einwohnern mit triftigen Gründen das Ausscheiden aus dem Kreise betreiben.

Bei der modernen Organisation der preußischen und deutschen Städte in Städtetagen sind nur Städte von über 25000 Einwohnern zugelassen worden. Auch ist nur den Bürgermeistern dieser Städte nach alter Praxis der Oberbürgermeistertitel verliehen worden. Der letztere Umstand, an sich von geringerer Bedeutung, ist doch für die Vertretung der Stadt nach außen hin von gewissem Wert. Auch im dienstlichen Verkehr mit dem Landratsamt ergeben sich hieraus die mannigfachsten Vorteile, während der derzeitige Zustand mancherlei Schwierigkeiten kleinerer und größerer Art bietet. Dieselben sollen bei anderer Gelegenheit genauer dargelegt werden, vorläufig bitte ich mir zu glauben, daß für die Stellung der Stadt Kreuznach nach außen hin und für die Stellung ihres Leiters zum Landrat, zu den Regierungsorganen und zu den rheinischen Städtevertretern diese Veränderung mancherlei Vorteile mit sich bringen würde.

Durch den Erwerb des 200 Morgen großen Salinenbesitzes ist die Stadt Kreuznach unmittelbarer Grundbesitznachbar von Münster am Stein geworden. Wesentliche Teile der Salz- und Mutterlauge-Gewinnungsanstalten – Flusswehr, Salinenteich mit Schleusen und Wärterhaus – liegen sogar auf Münsterer Boden. An einer ordnungsmäßigen Gestaltung der Fluß- und Uferverhältnisse in Münster a. Stein ist Niemand so sehr interessiert, wie die Stadt Kreuznach als Eigentümerin der Salinen. Schwierige und zeitraubende Verhandlungen waren aber die ganze Zeit hindurch nötig, um Einzelheiten zu bessern, dort wo ein Verwaltungsbefehl schnellsten Wandel geschaffen hätte. In jüngster Zeit haben die Fluchtlinienfestsetzungen für Münster a. Stein nicht nur Kreuznacher Privateigentum in Mitleidenschaft gezogen, sondern sie haben auch hinsichtlich der Art der Bebauung diesseits der Staats-Eisenbahn ein unmittelbares Einschreiten der Stadt Kreuznach unumgänglich gemacht. Wenn die landschaftlich reizvollste Stelle – die Straßenpartie am sogenannten Felseneck – nicht dauernd geschädigt werden soll, wenn der Blick auf den Rheingrafenstein frei bleiben und die zwischen Kreuznach und Bad Münster a. St. hin- und herfahrenden Fremden nicht abgeschreckt werden sollen; so muß der seit einigen Jahren begonnene Bau von Kleinbürgerhäusern am Salinenteich in Münster a. St. unter allen Umständen verhindert werden. Nach Lage der Verhältnisse muß das an die Kreuznacher Gemarkung angrenzende Münsterer Gebiet für ein Villenviertel erklärt und eine angemessene offene Bebauung vorgeschrieben werden. Oestlich der Landstraße muß, wenn irgend angängig, jede weitere Bebauung vollständig verhindert werden. Die neuen Gesetze gegen die Verunstaltung von schönen Landschaften bieten allerdings nach dieser Richtung auch der Nachbargemeinde gewisse Rechte. Bei der von hier aus versuchten praktischen Durchführung derselben haben sich aber große Schwierigkeiten ergeben. Auch die Art des Straßenbaus, die Straßenbesprengung und die Art der Entwässerung in Münster a. St. ist für Kreuznach und seine Bewohner nicht gleichgültig. Die schattenlose und staubige Landstraße in Münster a. St., das Fehlen einer ordnungsgemäßigen Straßenbesprengung bis zur Grenze der Stadt Kreuznach hat sich für den Straßenbahnbetrieb als sehr hinderlich herausgestellt. Vor allem kann die Entwässerung von Münster a. St. auf die Dauer nicht in der bisherigen Weise verbleiben. Es muß hygienisch Bedenken erregen und den Badegast abschrecken, wenn er sieht wie die Schmutzabwässer von Münster a. St. – notabene durch Privateigentum der Stadt Kreuznach hindurch – in den Fluß abgeführt werden. Auf die Dauer muß sowohl Münster a. St. wie die Saline Theodorshalle an die Kanalisation der Stadt Kreuznach angeschlossen werden.

Münster a. St. ist und wird immer der bevorzugteste Ausflugspunkt für Badegäste und Bürger der Stadt Kreuznach bleiben. Wir haben deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Verhältnisse in der unmittelbaren Nähe des Rheingrafensteins verbessert werden, indem die Siederei mit ihrem qualmenden und rauchenden und rußverbreitenden Schornsteine von dort verschwindet. Auch das Münsterer Elektrizitätswerk hat an manchen schönen Sommerabenden mit dicker Rauchwolke das Landschaftsbild verdorben und die Luft in Münster verpestet, sodaß der Unterzeichnete wiederholt von Fachleuten interpelliert wurde, ob man nicht durch Anschluß an das Kreuznacher Elektrizitätswerk diesen schweren Schaden beseitigen könne. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Erweiterung des Elektrizitätswerkes Münster a. Stein nicht mehr zu vermeiden ist. Mutmaßlich wird auch auf die Dauer Münster a. Stein trotz der Elektrizität ein Gaswerk nicht entbehren können. Von interessierten Firmen sind wiederholt Projekte aufgestellt worden, um auch für kleine Orte noch Gasfabrikation mit wirtschaftlichen Nutzen einzurichten. Wenn nicht Kreuznach sich entschließt, sein Gas nach Münster a. Stein hinzuleiten, so steht zu befürchten, daß Münster a. Stein eines Tages ein eigenes Gaswerk anlegt und die schöne idyllische Landschaft noch durch ein Gasometer verunstaltet wird. Ferner kommt noch Folgendes in Betracht: Jede Vergrößerung des Bahnhofs in Münster a. St. schädigt den kleinen idyllischen Badeort und hält gleichzeitig auch die notwendige Weiterentwickelung der Bahnhofsanlagen in Kreuznach auf. Ich habe deshalb seit Jahren mich bemüht die Durchführung der Pfalzbahnzüge über Münster a. Stein nach Kreuznach hinein zu erlangen, dadurch das Rangieren der Züge in Münster a. Stein zu vermeiden, dort mehr Ruhe und auf dem Kreuznacher neuen Bahnhof einen modernen Verkehrsapparat zu schaffen.

Die derzeitigen Verwaltungszustände von Bad Münster a. St. sind unhaltbar. Bekanntlich gehört Münster a. Stein zur Bürgermeisterei Rüdesheim, Kreis Kreuznach. Diese umfaßt aber 13 verschiedene Gemeinden, mit annähernd 8 000 Einwohnern. Vor Jahren ist versucht worden, den Sitz der Bürgermeisterei von Rüdesheim nach Kreuznach zu verlegen; die Gemeinden Mandel, Weinsheim, St. Catharinen, Roxheim haben aber hiergegen mit Erfolg oponiert. Noch weniger kann wohl die Verlegung des Sitzes der Bürgermeisterei nach Münster in Frage kommen. Es bleibt also nichts anderes übrig als Bad Münster a. Stein aus dem bisherigen Bürgermeisterei-Verband loszulösen und vielleicht mit Niederhausen und Norheim zusammen zu einer eigenen Bürgermeisterei mit dem Sitz in Münster s. Stein zusammenzuschließen. Die hieraus erwachsenden Kosten kann zweifellos Gemeinde Bad Münster a. Stein tragen; ihre Bereitwilligkeit, diese Kosten zu übernehmen, hat sie wiederholt bekundet. Der alsdann eintretende Zustand würde aber nicht nur ein neues Hindernis für eine etwaige Vereinigung bieten, sondern auch den Verwaltungsbedürfnissen der Gemeinde Münster a. Stein m. E. nicht entsprechen. Um den Verwaltungsapparat einigermaßen sachgemäß auszugestalten, wäre die Heranziehung von tüchtigen technischen Kräften notwendig. Salinenbetrieb, Süß- und Solwasserleitung, Elektrizitätswerk, Kanalisation verlangen einen tüchtigen vielseitig gebildeten Civilingenieur. Dieser würde aber ebenso wie der Bürgermeister, keine ausreichende und deshalb auf die Dauer auch nicht befriedigende Beschäftigung haben. Selbst der Vereinigung zwischen Kurdirektion und Bürgermeisteramt stehen einige Bedenken entgegen.

Alle diese Schwierigkeiten die außer von der Gemeinde Münster a. Stein selbstredend auch von den Organen der Staatsregierung geprüft und in Rücksicht gezogen werden, fallen fort bei der Vereinigung mit Kreuznach. Die Stadt Kreuznach hat alle erforderlichen fachmännisch gebildeten Beamten. Selbst die zur Zeit wenig erfreulichen Volksschulverhältnisse in Münster a. St. – es sind nur 2 überfüllte Klassen vorhanden – würden verbessert, wenn die Schuljugend aus der städtischen Saline Theodorshalle (z. Zt. 28 Kinder) dorthin gebracht und nicht in dem Schullokal an der Mainzerstraße untergebracht würde.

In finanzieller Hinsicht würde die Vereinigung für die Stadt Bad Kreuznach entschieden nicht ungünstig wirken, Münster a. Stein hat eine recht steuerkräftige Bürgerschaft und wenig Armut. Die Gemeindesteuern waren dort in den letzten Jahren durchschnittlich um 50 % der Grundzahlen niedriger als in Kreuznach. Möglicherweise müßte hierauf bei der Vereinigung

Rücksicht genommen werden, indem den Münsteranern für eine Reihe von Jahren ein Steuervorzug gewährt würde. Bei anderen Eingemeindungen, die in dem letzten Jahrzehnt stattgefunden haben in Preußen, ist ähnlich verfahren worden. Allerdings müßten die Münsterer die Kosten des Kanalanschlusses vorab bezahlen und auch einen ratirlichen Anteil der Kosten des städtischen Schulwesens übernehmen. Dagegen könnte hinsichtlich einer örtlichen Verwaltungsstelle, etwa eines dort stationierten Polizeiwachtmeisters, dem gleichzeitig gewisse Funktionen der sozialen Versicherungsgesetze und der Armenverwaltung übertragen würden, noch ein Vorteil zugebilligt werden. Auch hinsichtlich einer angemessenen Vertretung von Münster a. Stein im Stadtverordneten-Kollegium wäre ohne Schwierigkeit die nötige Abmachung zu treffen. Es ist jetzt in der preußischen Städte-Politik geradezu zur festen Praxis geworden, isolierte Ortsteile mit besonderem Charakter als solche in das Stadtverordneten-Kollegium aufzunehmen.

Es bleibt nun noch die schwierige Frage zu erörtern, wie sich nach einer Vereinigung das Verhältnis der beiden Solbäder als solche gestalten würde. Gerade nach dieser Richtung bestehen ja in den Kreisen der Beteiligten auf beiden Seiten schwere Bedenken. Nur die Fernstehenden, die Auswärtigen haben wunderbarerweise niemals diese kleinen Schwierigkeiten, sondern die augenscheinlichen Vorteile der Vereinigung für beide Bäder und alle beteiligten Hotels und Aerzte betont. Selbstverständlich müssten nach dem Tage der Vereinigung beide Badezentren mit gleicher Liebe und Sorgfalt gepflegt werden. Hierzu ist zunächst erforderlich, dass man von einer Ausnutzung des städtischen Salinenbesitzes zu Hotel-Anlagen für eine Reihe von Jahren endgültig absieht. Auswärtige Fachleute haben dem Unterzeichneten zwar wiederholt versichert, dass die Stadt Kreuznach als Besitzerin der Salinen ihr Interesse nicht besser vertreten könne, als indem sie ein modernes Hotel ersten Ranges auf der städtischen Saline schaffe; in gesundheitlicher Hinsicht böte zweifellos der große Salinenbesitz der Stadt Kreuznach, umrahmt von den bewaldeten Höhen, die günstige Vorbedingung; vielleicht übertreffe er noch nach dieser Richtung sogar die Hotels in Kreuznach und Münster a. St. Da es aber nicht die Aufgabe der Stadt Kreuznach sein konnte, zumal bei den derzeitigen Wirtschaftsverhältnissen für die Kreuznacher Hotels eine neue Konkurrenz zu schaffen, hat der Unterzeichnete von derartigen Plänen abgesehen, auch die gelegentlichen Anfragen, die von den auswärtigen Hotelbesitzern kamen, ob man auf den städtischen Salinen Gelände für einen großen Hotelbau erlangen könne, verneinend beantwortet. Die wenig günstigen Resultate, welche mit der Verpachtung des Kurhauses Theodorshalle die Stadt Kreuznach in den Jahren 1897 bis 1904 gemacht hat, beruhen meines Erachtens auf ganz besonderen Ursachen. Der erste Pächter verlor mit dem Fortfall des hessischen Domänen-Besitzes seine hessische Stammkundschaft, der zweite Pächter versagte als Wirt; das Gebäude war nur als bescheidenes Hotel zweiten Ranges zu verwerten. Als solches hat es sich in den letzten fünf Jahren als Erholungsheim der preußischen Kommunal-Beamten eines ganz außerordentlichen Zuspruch zu erfreuen gehabt. Urteilsfähige Männer aus allen preußischen Städten haben versichert, dass für die Erholung und für Badekuren selten ein so günstiges Zusammentreffen der verschiedensten Umstände (großes Parkgelände, frische Luft, absolute Ruhe, Nähe des Waldes und Nähe zweier leicht und billig zu erreichender Bäder) vorläge wie bei Theodorshalle. Die preußische Militärverwaltung, gemeinnützige Vereine in Barmen, Wiesbaden und Köln haben wiederholt für Erholungsheime Theodorshalle in Aussicht genommen, dagegen Angebote in Münster und Kreuznach abgelehnt. Trotzdem bin ich der Ansicht, daß, um die bestehenden Hotel-Werte bei beiden Plätzen nicht zu gefährden, man zweckmäßig im Vereinigungsvertrag mit vorsähe, daß auf eine längere Reihe von Jahren Hotelbauten auf der Saline nicht zugelassen werden sollen. Dies schließt natürlich nicht aus, daß dieser schöne Besitz durch Vergnügungslokale, Nachmittagskonzerte, Spiele und Turniere nach Möglichkeit für beide Bäder ausgenutzt wird. Münster am Stein fehlt es entschieden am Platz; die Münsterer Badegäste werden, wenn der Zugang nur einigermaßen vornehm hergerichtet wird, die Theodorshaller Anlagen gern und noch mehr wie bisher aufsuchen. In Kreuznach selbst lässt sich nicht verkennen, dass der Verkehr der Badegäste immer mehr nach Süden rückt. Die Hotels in der Nähe des Kreuznacher Kurhauses werden aber m. E. immer ihren Wert behalten, ja bei günstiger Entwickelung beider Bäder noch weiter profitieren. Das Hotel Royal beispielsweise ist auch als Stadt- und Winterhotel auf die Dauer gar nicht zu entbehren. Zur Zeit fehlt in der großen Stadt, die wegen ihrer guten Hotels Jahrzehnte lang berühmt war, im Winter jede bessere Unterkunftsmöglichkeit. Das Kreuznacher Kurhaus und das Kreuznacher Theater wird naturgemäß der Mittelpunkt des eigentlichen Badelebens bleiben. Nur hier können musikalische, künstlerische und theatralische Genüsse den Badegästen geboten werden. Bei der naturgemäß beschränkten Aufnahmefähigkeit von Bad Münster a. Stein ist nicht daran zu denken, daß dort ein großes Orchester und ein Kurtheater entstehen könnte und lebensfähig bliebe, das der Kreuznacher Veranstaltung Konkurrenz machen könnte. Bei Projektierung von modernen Kurhaus-Bauten für Münster a. Stein zeigte sich gleich ein nicht zu beseitigender Mangel: der zu Gebote stehende Platz war zu klein; jeder moderne Kurhausbau würde fast die Hälfte des jetzigen Kurgartens in Münster a. Stein einnehmen und später dessen Kleinheit allzu deutlich vor Augen führen. Schon jetzt wird aber von der besseren Badekundschaft von Münster geklagt, dass der ganze Verkehr sich auf einem zu kleinen Platz abspiele; man wolle nicht fortgesetzt denselben Bekanntschaften begegnen; man wolle auch mal für sich sein; das sei aber bei den Münsterer Verhältnissen fast unmöglich. Ich halte also die Befürchtung, daß der Schwerpunkt des Badelebens bei einer etwaigen Vereinigung nach Münster hinführen könnte, für völlig ausgeschlossen, und berufe mich dabei auf die Ansicht urteilsfähiger vornehmer Badegäste von beiden Bädern. Dabei soll nicht verkannt werden, daß Münster seine berechtigten Eigentümlichkeiten, nämlich ländliche Ruhe und gute Badegelegenheit für kleine und schulpflichtige Kinder, unter allen Umständen behalten wird. Die Einrichtungen, die Münster auf und an seinen Salinen getroffen hat (für Sitze und Kinderspielplätze), können in Kreuznach in dieser Art nicht nachgemacht werden; die Beaufsichtigung der Kinder durch die Mütter und Verwandte ist unter allen Umständen in Münster leichter durchzuführen, wie in Kreuznach. Dagegen bietet für Erwachsene aller Stände der Aufenthalt in Kreuznach auf der Rosenanlage und auf den städtischen Salinen Annehmlichkeiten, die Münster nicht seinen Gästen zu bieten im Stande ist. Unsere Salinen sind dreimal so groß, wie die Münsterer; unser Salinengelände ist fast unbebaut und von einem Rahmen, bestehend aus Fluß, Berg und Wald umgeben. An den heißesten Tagen ist die Luft auf der Saline Theodorshalle und auch in Kreuznach weniger drückend als im Münsterer Kessel. An schlechten Tagen bietet Kreuznach in seinen altertümlichen Bauten, in seinen Geschäftsstraßen, in seinen Anstalten und Schulen einen Zeitvertreib, wie ihn Münster niemals seinen Gästen bieten kann. Wenn Kreuznach auch keinen Rheingrafenstein und kein Huttental in unmittelbarer Nähe hat, so kann es dafür seinen Badegästen eine viel größere Mannigfaltigkeit von Spazierwegen schaffen. Sollten die elektrischen Vorortbahnen nach Bretzenheim und nach Sprendlingen sich verwirklichen, sollte die Kreiskleinbahn zum elektrischen Betrieb übergehen, so eröffnen sich weitere Ausflugsmöglichkeiten, welche die Kreuznacher Hotelgäste entschieden vor derjenigen von Münster bevorzugen.

Nach dem Urteil einsichtiger Medizinal- und Verwaltungsbeamten ergänzen sich beide Bade-Zentren in der erfreulichsten Weise. Bei einer Vereinigung und bei einem geschlossenen Auftreten nach Außen hin würden für Keinen Nachteile, aber Vorteile für Alle entstehen. Zweckmäßig müßten zwar zunächst in Münster und in Kreuznach die getrennten Kurkommissionen weiterbestehen und nur in bestimmten Fällen zu gemeinsamer Beratung zusammentreten. In technischer und kaufmännischer Beziehung müßte das Badegeschäft zentralisiert werden; aber Münster a. St. würde seinen eigenen Kurdirektor behalten. Auch für die Bürger Kreuznachs, insbesondere für hier wohnungsnehmende Rentner und Pensionäre verspreche ich mir von der Vereinigung der beiden Bäder Erfolg. Ich bin wiederholt im Laufe der Jahre gefragt worden, warum man nicht die beiderseitigen Kurkarten für mitgültig in dem anderen Badeort erkläre. Viele Kreuznacher Bürger bringen entschieden die schönen Sommer-Nachmittage lieber in Münster a. St. als in Kreuznach zu, zumal jetzt die elektrische Bahn für schnelle und billige Beförderung sorgt. Sie tragen aber Bedenken, neben der hohen Kurtaxe in Kreuznach noch eine solche in Münster a. St. zu entrichten. Selbstverständlich würden die Münsterer Badegäste, falls die dortige Kurtaxe für Kreuznach mitgültig wäre, einen noch stärkeren Gebrauch von dieser Erlaubnis machen und müßte deshalb, solange die Solbäder-Aktien-Gesellschaft eine von der Stadt getrennte Verwaltung hat, dieser der entstehende Ausfall an Tageskarten durch eine Pauschalsumme ersetzt werden. Auf die Dauer würde aber meines Erachtens auch Kurhauspächter und Kurtheaterdirektor in Kreuznach von der Vereinigung großen Nutzen ziehen; denn das zum großen Teil recht zahlungskräftige Badepublikum von Münster würde häufiger in Kreuznach Einkehr halten. Schon jetzt wird mir von den Ladenbesitzern in unserm Bade häufig mitgeteilt, daß ihre beste und kaufkräftigste Kundschaft aus Münster komme. Der Theaterdirektor Helm hat seit Jahren den Wunsch geäußert, man möge ihm gestatten, einen Abend in der Woche in Münster a. Stein zu spielen; er brauche deshalb keine Vorstellung in Kreuznach ausfallen zu lassen, er wolle auch nicht in Münster festen Fuß fassen, weil er glaube, daß die Voraussetzungen für einen ständigen Theaterbetrieb in Münster nicht vorlägen. Sein Vorschlag bezwecke vielmehr nur, die Münsterer Badegäste auf das Kreuznacher Kurtheater aufmerksam zu machen; er sei der festen Ueberzeugung, daß wenn man ihm solche wenigen Gastvorstellungen in Münster gestatte, er die regelmäßige Frequenz des hiesigen Kurtheaters sehr erheblich verbessern könne.

Durch die geschichtliche Entwicklung ist nun einmal Bad Münster eng an Bad Kreuznach geknüpft. Als Ableger von Kreuznach ist es emporgewachsen. Eine zeitlang schien es, als ob die Tochter Münster die Mutter Kreuznach überflügeln würde. Diese Besorgnis ist aber nicht gerechtfertigt, weil die Entwicklungsmöglichkeiten für Kreuznach größer und vielseitiger sind als für Münster a. Stein.

Endlich bleibt noch die Frage zu erörtern, welche Veränderungen die Betriebsvereinigung der Salinen von Münster und Kreuznach mit sich bringen würden. Es bedarf eigentlich keiner langen Ausführung, daß rein kaufmännisch betrachtet, diese Vereinigung für beide Teile erhebliche Vorteile bringen muß. Unsere Saline ist hinsichtlich des Mutterlaugengeschäfts bisher dadurch außerordentlich gehemmt und gebunden, daß Münster seine Mutterlauge als Kreuznacher Mutterlauge von Münster a. Stein bezeichnen darf. Die diesbezügliche Entscheidung des Patentamts kann nach den Anschauungen der verschiedensten Juristen und Patent-Anwälte mit Aussicht auf Erfolg nicht angefochten werden. Die Unklarheiten der Beziehungen und der Herkunft der Kreuznacher und der Münsterer Mutterlauge hat aber das auswärtige und ausländische Geschäft schwer geschädigt. Die notwendigen Preiserhöhungen konnten bei dem Zwischenhandel nicht durchgesetzt werden, weil der Zwischenhandel die schwache Position von Kreuznach gegenüber Münster a. Stein kannte und entsprechend ausnutzte. In ärztlichen Kreisen bestand auch vielfach eine Unsicherheit, die das Ansehen, insbesondere des Bades Kreuznach geschädigt hat. In weiten Kreisen hatte sich das Vorurteil festgesetzt, daß Kreuznach überhaupt keine Salinen und keine Mutterlauge habe, daß alles Material von Münster komme. Diesen Vorurteilen wird am besten der Boden entzogen, wenn in Zukunft nur von einer Betriebsstätte Kreuznacher Salz und Kreuznacher Mutterlauge versand wird. Es ist aber ganz naturgemäß , daß mit dem Tage der Vereinigung der beiden Gemeinden das Siedegeschäft und die Salz- und Mutterlaugengewinnung in Münster aufhören müßte. Die Siederei im Kurgarten zu Münster a. St. ist, wie schon oben angedeutet worden, für Münster hinderlich und schädlich. Münster hat die modernen Verdampfungsapparate die Kreuznach beschafft hat, nie aufstellen können und kann auch bei seiner nur etwa 1/3 umfassenden Produktion niemals solche Einrichtungen schaffen. Die moderne Kreuznacher Art der Salz- und Mutterlaugengewinnung ist aber zweifellos billiger, sauberer und gleichmäßiger als die Münsterer. Trotzdem leiden wir mit unter den Klagen, die gegen die Unsauberkeit, gegen die Verschmutzung und Ungleichmäßigkeit des Münsterer Salzes und der Münsterer Mutterlauge hie und da aufgetaucht sind. Bei einer etwaigen Vereinigung würde mittels einer Röhrenfahrt die Gut-Sole von Münster nach Theodorshalle geleitet werden und dort verarbeitet werden m. a. W. einer besseren Ausnutzung unserer maschinellen Einrichtungen und Apparate benutzt werden. Die Kosten dieser Röhrenleitung beziffern sich nur auf 11 000 Mark; zweckmäßig würde auch in Theodorshalle ein neuer großer Gut-Solbehälter in Beton für etwa 15 000 Mark hergestellt. Dann würde aber unsere Saline in längerer Betriebszeit ihr Personal besser nutzen können, ein einheitliches und einwandfreies Produkt liefern und für den Absatz desselben zweckmäßige Einrichtungen treffen können. Im Mutterlaugengeschäft nach auswärts ließ sich durch Erhöhung des Preises um 5 Pfg. pro Liter bei 200 000 Liter Jahresabsatz 10 000 Mark verdienen. Auch der Salzvertrieb würde bei einem Aufschlag von 1 Pfg. pro Pfd. eine Mehreinnahme von ca. 20 000 Mark ergeben. Es kann zwar nicht verschwiegen werden, daß der Absatz sowohl von Salz, wie von Mutterlauge zu Zeiten Schwierigkeiten gemacht hat, aber die ganze Umgebung hat sich trotz der Unterbietungen des Handels mit Steinsalz davon überzeugt, daß das sog. Saliner Salz im Haushalt und im Metzger- und Bäckergewerbe große Vorteile bietet („besser salzt“) und man nimmt deshalb gern den kleinen Aufschlag auf sich. Obwohl Mutterlauge von den Solbädern in Westfalen, von Staßfurt und von anderwärts zu billigstem Preise auf den Markt geworfen wird, verlangt der Handel und die Aerzteschaft fortdauern K r e u z n a c h e r Mutterlauge. Gerade in den letzten Jahren ergab die Statistik der Salinen, daß nach vorübergehendem Sinken des Geschäfts in Rußland (veranlaßt durch den japanischen Krieg) das Mutterlaugengeschäft mit Rußland und durch die Vermittlung einer großen Firma in Wien, überhaupt in dem Osten Europas wieder in erfreulicher Entwickelung begriffen ist. Außer England tritt in den letzten Jahren Amerika als ständiger Abnehmer von Mutterlauge und Normalbädern auf. Diese ständige Abnahme der Kreuznacher Mutterlauge im Ausland ist ein Zeichen, daß der gute Ruf des alten Bades Kreuznach nach wie vor seine Kraft hat. Hieraus würde der erste Vorteil auch nach der Vereinigung immer den Kreuznacher Hotels und Interessenten und nicht denjenigen von Münster a. Stein zufallen. Eine glückliche Fügung hat es im letzten Jahre mit sich gebracht, daß die Radiumgewinnung aus den Quellen Kreuznachs und die fabrikmäßige Herstellung von Radium, im Augenblick der Stadt Kreuznach gegenüber Münster entschieden ein erhebliches Uebergewicht verleiht. Es liegen verschiedene Anzeigen vor, daß Münster gern von der Anziehungskraft die das Kreuznacher Radium zeigt mit profitieren möchte. Ich bin deshalb der Ansicht daß ein besserer Moment zur Durchführung der Vereinigung kaum gewählt werden könne; im Laufe der Jahre haben mich wiederholt Münsterer Bürger ins Vertrauen gezogen, mich in polizeilichen, kommunalen und sogar in privaten Angelegenheiten um Rat und Hilfe angegangen und mir gleichzeitig versichert, welche großen Vorteile sie sich nach den verschiedensten Richtungen hin, von einer Vereinigung mit Kreuznach versprächen. Es ist mir zwar bekannt, daß auch andere Strömungen in Münster vorhanden sind. Nachdem aber die Staatsregierung seit Jahren die Vereinigung von Kreuznach und Münster am Stein als richtig, ja als notwendig erkannt hat, ist anzunehmen, daß sie bei den einzuleitenden Verhandlungen die Pläne der Stadt Kreuznach unterstützen und den durch die Gesetzgebung ihr ermöglichten Einfluß in Münster für die Vereinigung geltend machen wird.

Kreuznach, den 15. Mai 1909.

Der Bürgermeister Kirschstein.[Anm. 1]

Textanhang

Text 1

Vorläufige Beiträge: 1. zur Geschichte der Gründung des Bades Kreuznach durch Dr. J.[ohann] E.[rhard] P.[eter] Prieger... Kreuznach: Bing, 1868. (HWZB)

S. 13-14

„...1842. Ich halte es für angemessen hier auszuführen, wie mein Vater sich, nachdem Kreuznach zum Centrum des Badelebens geworden, bemühte, dasselbe daselbst zu erhalten und zu sichern. Prieger schrieb an K. Regierung: „Durch die von Seiten unseres Gouvernements geschehene (und Pr. hat zu diesem Resultat hauptsächlich beigetragen!) höchst großmüthige Erwerbung der Saline Münster am Stein ist unserem Curorte für alle Zeiten der Besitz der Mutterlauge gesichert. Von jetzt an erfreut sich unsere Stadt als Curort auch bei speculativen, geldreichen Leuten eines größeren Vertrauens, da dieselben bis jetzt in der Furcht, die für Kreuznach so wichtige Mutterlauge möchte einmal aufhören oder anderweitig vergeben werden, es nicht wagten, größere Bauunternehmungen zu machen.

Es ist zu erwarten, dass das Hohe Finanzministerium den Fortbetrieb der kleinen Badeanstalt zu Münster nicht verfügen wird, [orig. Fett] indem dieselbe, soll etwas Gutes und vollständiges begründet werden, einestheils viel zu kostspielig wird, anderntheils, werden keine großartigen Bauten und Einrichtungen daselbst getroffen, der Besuch von Fremden nur ein sehr geringerer, auf wenige Kranken beschränkt sein dürfte, für welchen der Staat nicht geneigt sein kann, die nothwendigen Beamten anzustellen, deren Gehalt mit den erforderlichen Auslagen für Bade-Etablissements, selbst wie sie jetzt bestehen, größtentheils die Einnahme verzehren würde. Abgesehen davon, dass zu Münster gemachte großartige Bade-Etablissements, jetzt, wo Kreuznach sich so bedeutend in seinen Badeeinrichtungen gehoben hat, sehr vermehrte Kosten veranlassen würden, verdient doch auch der Erwerb der Stadt Kreuznach selbst, bei den großen Auslagen, welche sowohl viele Bürger in ihren Häusern als auch die Badeactiengesellschaft im Ganzen gemacht haben, ganz besonders berücksichtigt zu werden. [orig. Fett]

Bestände das Etablissement in der ganzen Stadt Kreuznach noch nicht, wäre die Acquisition der Salinen, sowohl der zu Münster als auch die der Salinen Carls- und Theodorshalle, bei Begründung der hiesigen Curanstalten gemacht worden, wie ich so vielfach und allerorts beantragt habe, dann hätte sich ohne bedeutende Kosten für den Staat auf diesen Salinen ein Curort begründen lassen, welcher in jeder Hinsicht sowohl für die Kranken als auch für die Staatskassen viel vortheilhafter denn jetzt gewesen wäre. Gleichzeitig hätten die Bewohner Kreuznachs alle die großen und kostspieligen Etablissements mittels Anlehen nicht zu machen gehabt, während ihnen doch die Vortheile, welche der Zusammenfluß einer großen Anzahl von Fremden zu bringen pflegt, nicht entgangen wären. Wie nun aber die Verhältnisse bestehen, ist es wünschenswerth, will man den Bewohnern Kreuznachs eine besondere Berücksichtigung schenken, das ganze Badeleben in diese Stadt zu concentrieren und Münster am Stein als Badeetablissement eingehen zu lassen.“ [orig. Fett]

Letzteres geschah auch, und erst in den 50er Jahren wurde, gegen die Bemühungen meines Vaters, [orig. Fett] durch andere interessirte Einflüsse betrieben, Münster wieder zu einer Badeanstalt eingerichtet und erweitert!

Man weiß, d. h. jeder Einsichtige älterer Erfahrung weiß und wird Zeugniß geben, wenn er nicht lügen will, wie auch später in den Schwierigkeiten unserer Stadt wegen des Bades Münster – dessen Wiedereinrichtung Prieger bekämpfte, andere Herren dagegen in kleinlichen Interessen beförderten – und wegen der Sicherung der Mutterlauge sowohl Prieger persönlich bei höheren Behörden als sonst in jeder Art thätig war. ...“[Anm. 2]

Text 2

Vom Fuße der Ebernburg

Bad Münster a. St. etablierte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „Damen- und Kinderbad“. 1866 erschien in der „Offenbacher Zeitung“ ein Artikel, der als Sonderdruck verteilt wurde.

„...Die Ruhe in Münster am Stein wäre unvergleichlich, wenn es nicht vorwiegend auch Kinderbad wäre, und die lieben Kleinen, in Norddeutschland ja wohl auch die „Plagen“ genannt, geben diesem ihrem Dasein, bzw. Hiersein, so lautes Zeugnis, dass es sich auch den schwerhörigsten Ohren mit imponierender Gewalt aufdrängt; besonders solche Kinder, deren Eltern es nicht zu den Erfordernissen einer guten Erziehung derselben (sie ihrer Dienstboten) gehörig ansehen, ihnen die große Lehre vom „leisen Thürschließen“ theoretisch und praktisch beizubringen! Und so kann es geschehen, dass Dich bereits zu sehr früher Tagesstunde das unerfreuliche Geräusch kreischender Babies aus den schönsten Morgenträumen weckt, oder nach Tisch, wenn Du der süßen Gewohnheit der Siesta pflegen willst, ein wahres Peletonfeuer zugeschlagener Thüren durch die Corridore schallt und Dir die furchtbare chinesische Todesstrafe zu bereiten droht, welche bekanntlich darin bestehen soll, den Verurtheilten nicht einschlafen zu lassen und in seinem Schlafe ihn selber zu morden. Und mit den holden Kleinen kamen ja auch die Mütter. – und Mütter sind schwach, und für Fehler ihrer Kinder nicht zu sprechen!

Ja, wir sind hier in gewissem Sinne wirklich – „im Reich der Mütter“! Aber mit ihnen kommen doch auch „höhere Töchter“ in großer Zahl hierher, die sich in den jetzt so beliebten lichtfarbenen Sommeranzügen wie durch Gefilde und den Hain dahinwandelnde Blumen ausnehmen...!“ [Auszug]

Text 3

Das Sool- und Thermal-Bad Münster a. Stein: Führer für Aerzte und Kurgäste / von Welsch und W. Schneegans. Bad Münster a. Stein: Verl. D. Salinen-Verwaltung, 1886.

S. 39/40

„Bad Münster am Stein, früher nur in Verbindung mit dem nahe gelegenen Bad Kreuznach – gewissermassen als Filiale unter diesem Namen mitbegriffen – selten selbstständig erwähnt, hat doch schon vor einer langen Reihe von Jahren seine besonderen Freunde gehabt, welche durch die schöne Lage bestimmt, es vorzogen, hier das Bad zu gebrauchen, obwohl der Ort damals noch gar wenig bieten konnte. Der Aufenthalt und die Wohnungen waren teilweise geradezu ärmlich und die ärztliche Hülfe musste ausschliesslich von Kreuznach aus erfolgen. Das ist mit der Zeit anders geworden und schon seit lange her bestehen hier grössere und kleinere Hotels, die in Einrichtung und Komfort denen zu Kreuznach gleichstehen und von den angesehensten Herrschaften besucht werden. An ärztlicher Hülfe fehlt es schon seit Jahren nicht mehr und seit 1877 besteht hier auch eine Apotheke. Eine schöne Strasse führt durch das interessante Thal nach Kreuznach und macht die Verbindung zwischen beiden Orten leicht und angenehm. Die Eisenbahn endlich gestattet mit jedem Zuge hier an- und abzufahren und mittels derselben beträgt die Entfernung zwischen hier und Kreuznach kaum 10 Minuten. Alle diese Umstände haben auf die Entwickelung des hiesigen Bades die vortheilhafteste Einwirkung gehabt und dahin geführt, Bad Münster a. Stein nunmehr als Bad in eine ebenbürtige Stellung zu Kreuznach eingetreten ist. ...Dabei sind Münster und Kreuznach durch die Eisenbahn so nahe gerückt, dass jedes durch die Vorzüge, die ihm verliehen sind, das andere ergänzt und bereichert.“

S. 69

„Die Bade-Direktion ist in jeder Weise bemüht, den verehrten Gästen die grösstmöglichsten Annehmlichkeiten zu bieten; ein Beweis dieser Fürsorge liegt in den alljährlich vorgenommenen Verbesserungen, welche den Ansprüchen der Besucher entgegenkommen.

Konzerte unter bewährter Leitung finden täglich zweimal (morgens und nachmittags) und an zwei Wochentagen dreimal (morgens, mittags und abends) statt. Réunions alle 8-14 Tage in den Räumen des Kurhauses. – Zur weiteren Unterhaltung dienen Kinderbälle, Künstler-Konzerte, Vorträge, ferner Feuerwerke, Beleuchtung der umliegenden Höhen, italienische Nächte etc.

Der prächtige Kurpark, der in seiner Anlage, umgeben von den grossartigsten landschaftlichen Schöpfungen, in schönster Weise den Charakter einer ländlichen Idylle trägt, ohne dadurch grössere Ansprüche in irgend einer Weise zu versäumen, gleicht einem grossen offenen Inhalatorium durch die an seinen Grenzen sich hinziehenden Gradierwerke. Wohl kaum dürfte ein anderes Bad zu nennen sein, das in dieser Hinsicht den Kurgästen eine stets gesunde Luft, die in den anliegenden Gradierhäusern durch die fortgesetzte Zerstäubung der heilwirkenden Soole die Atmosphäre mit reichem Ozon-Gehalt füllt und ein so intensives Heilmittel durch die natürliche Lage des Kurparks darreicht.

Das in den letzten Jahren neu erbaute Kurhaus mit einer gedeckten Terrasse, von wo man eine prachtvolle Aussicht geniesst, umfasst einen großen Konzertsaal, Konversations- und Spielsaal, Lese- und Billardsäle, Wohnungen zur Aufnahme von Kurgästen in der Bel-Etage desselben sind auf das Komfortabelste eingerichtet...“

Anmerkungen:

  1. Stadtarchiv Bad Kreuznach Nr. 1271 Zurück
  2. Die Haltung Priegers gegen eine Entwicklung des Bades in Münster am Stein entwickelte sich erst im Laufe der Zeit. Sie wurde durch konkurrenzbedingte Anfeindungen ausgelöst, die seitens einiger Münsterer Investoren bzw. Hotelbesitzer betrieben wurden. Zurück