0.Eine „Kriminalsache“ und ein Pater aus dem Kloster Marienthal
Es fand sich eine alte Archivunterlage mit einem recht geheimnisvollen Titel und da sie sich auf das Kloster Marienthal bei Hamm an der Sieg bezog, wurde meine Neugier geweckt zu erfahren, was diese Akte enthielt.[Anm. 1]
Es stellte sich heraus, dass es Aufzeichnungen aus dem Jahr 1735 waren, daher möchte ich mit einem Text von Herrn Söhngen einen kleinen Einblick auf ein im Zusammenhang stehendes Ereignis dieser Zeit geben:
Die dänische Einquartierung
Im Jahr 1733 begann der sogenannte Polnische Erbfolgekrieg, der in der Hauptsache zwischen dem deutschen Kaiser Karl VI. und den Franzosen ausgefochten wurde.
Der Krieg endete am 3. Oktober 1735 mit dem Vorfrieden zu Wien. Dieser Krieg brachte auch Hachenburg wiederum Lasten. Die meisten deutschen Reichsfürsten standen auf Seiten des Kaisers. Auch die „Westerwäldischen Herren Stände“ sammelten ihre Scharen …
Doch brachte das Jahr 1734 auch noch andere Gäste, die Dänen. Es werden wohl die ersten Dänen gewesen sein, die Hachenburg in seinen Mauern gesehen hat, wie auch in diesem Jahr die ersten russischen Truppen den Rhein sahen.
Da die Dänen als Freunde kamen, waren wenigstens Gewalttaten ausgeschlossen. Am 15. Oktober 1735 rückte das Regiment des General=Majors Dombroick in die Graffschaft Sayn ein und der Stab und einige Kompagnien blieben hier im Winterquartier bis zum 15. April 1735. Den Bewohnern der Graffschaft wurde ein gedrucktes Reglement gegeben, wonach sie sich bei „willkürlicher scharffer“ Strafe zu richten hatten. Hierin hieß es: „Die Truppen haben außer Obdach, Mund- und Pferderationen Service weiter nichts zu fordern.“
Die Mundrationen betrugen für den Mann 2 Pfund Brot täglich, dazu Holz, Licht und Salz. Für ein Pferd mußten täglich 8 Pfund Hafer und 10 Pfund Heu gegeben werden, nebst 2 Bund Stroh wöchentlich. Die letzten Dänen verließen die Graffschaft am 8. Mai 1735.[Anm. 2]
Maximilian Wilhelm von Dombroick war Königlich Dänischer General-Leutnant, Ritter von Danneborg und Commandeur von Rendsburg, wo er am 10. Mai 1752 starb.
Er wurde in Unna in Westfalen geboren und trat 1711 als junger Soldat in den dänischen Dienst ein. Nachdem er viele Jahre General-Major gewesen war, wurde er am 4. Sept. 1747 General-Leutnant. Den Orden von Danneborg erhielt er am 28. Nov. 1741. Maximilian Wilhelm Dombroick, Wikipedia Dänemark;
In Altenkirchen fand sich ein auswärtiger Todesfall, ein sogenannter „Zufallsfund“: Reide Christian geboren in Celle, beerdigt am 3.4.1735 „dänischer Musquetier von des Hr. Capitain de la Porte Compagnie des Dembroider? Regiments“. Er war vermutlich kein Däne und wohl aus dem gleichen Regiment, aber keine Hinweise auf einen Zusammenhang.
Wenn man die Seiten der Archivale überträgt, erkennt man, dass es sich um Aussagen verschiedener Personen handelt und daraus ergibt sich nach und nach ein kleiner Einblick in die damaligen Geschehnisse.
0.1.Aussage von Jost Cramer
In Schöneberg wurde am 1. März eine Akte erstellt, die von Amtmann Birkholz den 17. Marti an die Kanzlei in Hachenburg übergeben wurde. Hierin hieß es:
In der vorliegenden Untersuchung erschien der Geschworene des Kirchspiels Birnbach, Jost Cramer,[Anm. 3] und wurde befragt, was er wegen des Mörders seines Bruders Christian Cramer, den die Mönche im Marienthaler Kloster verborgen und nachher weggebracht haben sollen, aussagen könnte.
Jost Cramer bekräftigte, dass der Mörder im Marienthaler Kloster versteckt gewesen wäre, sei gewiss. Am Dienstagmorgen, den 15. Februar, als er die amtlichen Schreiben, wobei auch besondere Briefe an die benachbarten Herren Beamte waren, vorbereitet habe, wäre sein Sohn „mit dem einen Brieff nach der Hahnebach [Anm. 4] zum Hrn Amts-Verwalter Übersetzig [Anm. 5] gangen.“
Als er Mittwochs in der Frühe zurück gekommen wäre, habe er in Leuscheid erfahren, dass am vorigen Tag ein Pater von Marienthal mit dem Mörder und seiner Frau Leuscheid früh „passiert“ habe. Von da aus wären sie nach „Werben“ [Anm. 6] gegangen, wo sie in des Schultheißen Beckers [Anm. 7] Haus ein paar Gläser Branntwein getrunken hätten.
Sobald ihm sein Sohn dieses berichtet hätte, wäre er zu den Herren Offizieren nach Weyerbusch gegangen und habe es dort „angezeigt“.
Darauf wäre er mit seinem Bruder Anton Cramer, seinem Sohn Heinrich Cramer und dem Postknecht Peter Schmid nach Werfen marschiert.
Dort wären sie Abends gegen 7 oder 8 Uhr bei dem Schultheiß Becker angekommen und hätten denselben allein zu sprechen verlangt.
Der Schultheiß hätte ihnen erzählt, dass den vorigen Tag, etwas 10 Uhr vormittags, ein Pater von Marienthal mit dem Mörder und seiner Frau in sein Haus gekommen wären, sich ans Feuer gesetzt und „nur zwei Gläser Branntwein getrunken hätten“. Darauf hätten sie „sich gleich fortgemacht“ und der Pater hätte gesagt, er „wolle dem guten Freund zur Gesellschaft mitgehen bis nach Herchen.“ Man erzähle sich, dass der Mörder und seine Frau zum Dorf hinausgegangen und der Pater in Herchen in des dortigen Schultheißen [Anm. 8] Haus geblieben wäre.
Am Mittwochmorgen wäre der Pater von Herchen nach Werfen zurück zum Schultheiß Becker gekommen und habe ihm erzählt, dass der Mann, den er gestern „durchgeführt“ habe, der Mann sei, der den „Führer zum Weyerbusch“ (a) erstochen habe. Der Mann hätte gesagt, dass er zwar den Kerl, der sich mit ihm geschlagen hätte, erstechen wollte, doch der Führer sei zur Treppe heruntergekommen, das Licht wäre aus gewesen und so habe er, entgegen seiner Absicht, diesen getroffen.
Er sagte weiter aus, dass die „übrigen“ noch den selben Abend von Werfen nach Herchen geritten wären, wo der Postknecht Peter Schmid von seinem Herrn, dem Posthalter zu Weyerbusch, eine „Commission auszurichten“ gehabt hätte und zwar in des Schultheißen Haus.
Dort hätte die Magd erzählt, dass der Pater, der den Mörder weggeführt habe, die Nacht bei ihnen verbracht hätte. Als er den Abend vorher ins Haus gekommen wäre, wäre auch der Pastor von Morsbach dagewesen, der den Pater, den er gekannt hätte, gefragt hätte, wo er herkäme. Der Pater hätte gleich erzählt, dass er den Mörder und seine Frau weggebracht hätte. Worauf der Pastor von Morsbach dreimal angefangen habe: „Hr Pater! Hr Pater! das seyn böse schwere Sachen ich möchte nicht an eurer Stelle seyn.“ Der Pater habe sich damit entschuldigt, dass „man Blut retten müsse.“
Weiter sagte Jost Cramer aus:
Sonst habe sich der Mörder zu Werben in des Schultzen Hause vor einen Apothequer Gesellen ausgegeben, habe ein casaquin (b) von Calmin (c) angehabt, und die Frau einen rothen Joseph (d) oder Unterkleid, habe einen ziemlich großen Pack unterm Arme getragen, hätten vorgegeben wollten nach Cölln. Weiter wiße [er] nichts.
... Dimissus (e)
(a) Führer= Vorsteher, Leiter; (b) casaquin= kleiner Männermantel; (c) Calmin= carmin? [rot]; (d) Joseph= Umhang? (e) Dimissus= Entlassung, Zeuge wurde entlassen;
0.2.Aussage von Peter Schmid
Am 17. März 1735 erschien der Postknecht Peter Schmid, 30 Jahre, um in der amtlichen Befragung als Zeuge auszusagen:
Er selbst, der Geschworene Jost Cramer, dessen Bruder und Sohn wären zusammen nach Werfen gereist, um den Mörder „aufzusuchen“ und wären dort in des Schultheißen Haus gegangen, wo sie gehört hätten, dass am Tag zuvor ein Pater von Marienthal mit dem Mörder und seiner Frau dagewesen wäre.
Neben den Aussagen, die sich mit denen des Jost Cramer deckten, fügte er an, dass der Schultheiß auf Nachfragen des Geschworenen gesagt hätte, er, der Schultheiß, dürfe sonst nichts sagen, noch den Pater „beschwätzen“ (a), denn wenn die Nachrichten dazu verbreitet würden, könnte das „Kloster in Ungnade“ kommen.
Darauf wären sie weiter nach Herchen gezogen und wären dort zum „Wirth Johannes“ gegangen, der gesagt habe, dass sie zu spät kämen und dass sie an „den catholischen Arten“ nichts ändern könnten.
Am nächsten Morgen sei er in des Schultheißen Haus gegangen und habe den Brief seines Herrn abgegeben. Weiter wiederholte er die Aussage des Jost Cramer zu den Angaben der Magd, wie oben beschrieben, und auch die Ermahnung des Pastors von Morsbach: „ Hr Pater Hr Pater das seyn böse schwere Händel.“ und die Entgegnung, „dass man Blut retten müsse.“ Mehr wisse er nicht von der Sache.
J D Birkholtz (b) … dimissus
(a) beschwätzen= zu viel sagen; hier: weitererzählen, zu viel darüber reden; (b) Johann David Birkholz, Amtsverwalter in Schöneberg;
0.3.Vorladung des Guardian und seine Aussage
In den Unterlagen waren vier Seiten, die in mühevoller, stundenlanger Arbeit übertragen wurden, weil sie in einer extrem schwer zu lesenden Handschrift verfasst waren. Daher im Folgenden der Text, in dem die Kanzlei ihre Darstellung des Vorgangs anzeigte, sowie die damit verbundene Vorladung an den Pater Guardian [Anm. 9] des Klosters Marienthal:
An den P. Gardian zu Mariendahl
Deme nach bey unßer allerseits gn[ä]d[ig]sten Graffen und landesherrn hochgraffl. Exc: die
geziemende Anzeige geschehen wie daß derjenige Dahnische Soldat welcher den vorsen sich
(a) und grausamen Mord an einem ohnschuldigen mit vielen Kindern versehenen Unterthanen
zum Weyerbusch begangen und auff hachenburg zu dem jezig herrn General Major V.
Dombroik zu gewertigung seines verdienten Lohns gefangen abgeführt werden sollen,
unterwegs aber die gelegenheit gefunden mittels der flucht durch zu gehen, sich in dortiges
Klosters zu salviren, alwo er nicht nur willig aufgenommen sondern auch so lang heiml[ich]
verborgen gehalten worden, biß dero Convent gelegenheit gefunden den Mörder unter
Verkleidung, begleitung eines sichern (b) Patres weiter fort zuschicken Und dann dieses
verfahren wenn es verifiziert werden solte offenbar geg[en] die g[räf]lichen Rechten und den
ohnlengsthin errichteten Recess als worinnen die hirhin hergebrachte Landes Superiorität (c)
auff das neue bestatigt und agnosticirt (d) worden schnurstracks entgegen laufft mithin nach
beschehener Untersuchungum so vilmehr geahndet werden muß als durch diesen actum (e)
über das gesamte Land Blutschuld (f) geladen werden und von wohlgedachter [H.Graff]
hierüber seine Empfindung u. Ressentimens (g) bey allen occasionen (h) bezeigen thut. So
seind von hochgedachter … Herrn hochgr: Exc. wir befelcht (i) den Ehren P. Guardian auff den
nechst bevorstehenden Montag wird seyn der 28 Martiy auff hiesiger Canzley zu citieren (j) um
vormittags daselbsten zu erscheinen, eine Vorhalt anzuhöhren und darüber Red und Antwort
zu geben und dem nechst nach dem Besuch weitere Resolution (k) abzuwarten.
Wir versehen unß deßen und
verbleiben übrigens zu p
H[achen]b[urg] d.23. Mart 1735
expedirt (l)
(a) vorsehen [sich]= Vorausbestimmung, Voraussage treffen, auf etwas gefasst sein, ist sichtbar nicht völlig verdeckt, etwas ins Auge fassen;
(b) sicher= ist ein frühes Lehnwort aus der römischen Rechtssprache und hat die vorwiegende Bedeutung: außer Verantwortung, nicht haftpflichtig, von öffentlichen Lasten verschont;
(c) Superiorität= übergeordnete Stellung, Vormachtstellung:
(d) agnoscere= lat. Erkennen, wahrnehmen, anerkennen;
(e) actus= latein. Tat;
(f) Blutschuld: Verantwortung für einen Mord; Feindschaft, „heimlicher Groll“
(g) Ressentimens= Vorurteil, Abneigung;
(h) occasion= lat. Gelegenheit, Zeitpunkt;
(i) vermutlich: befehligt, erhielten den Befehl;
(j) citare= lat. Vorladen;
(k) Resolution = Auflösung, Entscheidung;
(l) expedire= lat. Ausführen, erledigen, absenden;
28. März 1735= Montag
Am 28. März wurde der Sachverhalt schriftlich aufgenommen und der, in leichter Anpassung, folgenden Ablauf wiedergibt.
Auf das unter dem 23. diesen Monats ergangene Schreiben an den Herrn P. Guardian zu Marienthal erschien dieser heute mit einem anderen Ordensgeistlichen. Nachdem der Inhalt des Schreibens nochmals vorgetragen und eine Stellungnahme verlangt wurde, gab der Herr P. Guardian zu „seiner Entschuldigung“ zu Protokoll:
Es wäre ein fremder Mensch vor dem Kloster angekommen und da der Pförtner nachlässig gewesen sei, wäre er in das Kloster hinein gegangen. Als der Pförtner dazu kam, hätte der Fremde angegeben, dass er mit einem „seiner Cameraden, einem Dähnischen bruder“ in Streit geraten und von diesem „blessiert“ (a) worden wäre, sodass er „wiße ob er Gefahr litte“. (b) Nun wollte er sich nur etwas ausruhen und dann weitergehen.
Nachdem der Pförtner ihm dies erzählt hätte, wäre er, der Guardian, ungehalten und böse darüber geworden und hätte dem Pförtner einen „derben Verweis“ für seine Nachlässigkeit erteilt, mit dem Auftrag, den Fremden umgehend abzuweisen. Der Guardian beteuerte, dass der Konvent nichts davon wüsste und den Fremden nicht kennen würde, noch etwas mit ihm zu tun hätte.
Da der Fremde darum gebeten hatte, sich etwas auszuruhen, wurde ihm dies oberhalb des Klosters, wo ihn niemand sehen könnte, erlaubt. Man gab ihm ein Stück Brot und wies ihn an, danach weiter zu gehen.
Dass aber dieser Fremde den Birnbacher Untertanen ermordet haben solle, wisse er nicht und könne er nicht sagen. Man könne auch nicht „verifizieren“ (c), dass sich der Fremde heimlich bei ihnen aufgehalten habe und noch weniger, dass er von einem Geistlichen des Ordens verkleidet und fortgebracht worden wäre.
Der Guardian wies abermals auf sein „unschuldiges Gewissen“ hin und dass er und der Konvent sich strikt an den letzten erlassenen „Receß“ (d) der Hachenburger Landesherrschaft halten würden und sich diesem nicht widersetzen wollten. Er bat daher demütig darum seiner Aussage, die er auf sein Gewissen getan hätte, Glauben zu schenken.[Anm. 10]
Man erkenne an seinem Verhalten auch seine Einstellung, da er in dem Fall des „dänischen Musquetiers“ (e), der sich in das Kloster gerettet hätte, ein Schreiben an Herrn Major Defeve gerichtet und von dem Erscheinen des Fremden berichtet habe, um in dieser Angelegenheit zu vermitteln. Wenn, dann könne man ihm lediglich vorwerfen, dass sich die Angelegenheit dadurch verzögert haben könnte, wenn das Schreiben verspätet gelesen worden wäre.
(a) blessieren= veraltet: lädieren, verletzen, verwunden, zurichten; (b) Gefahr litte= ähnlich: Gefahr laufe; (c) verifizieren= beglaubigen, durch Überprüfen die Richtung einer Sache bestätigen; (d) Receß= Rezess= Vergleich, Regelung; (e) Musquetier= Mitglied der Musketiere, einer Truppe der Infanterie;
0.4.Auswertung
Im evangelischen Kirchenbuch Birnbach fand sich unter den Daten für Weyerbusch folgender Eintrag, der mit den Protokollen übereinstimmt und diese somit bestätigt:
1735 d 11.febr ist christian Cramer abends in seinem eigenen hauße ver rähterisch gantz unschuldiger weiße von einem Dähnischen Soldaten, mit einem großen Meßer in den bauch gestochen, worauf d 12. cur. gestorben undt d 15. febr volckreich zu seinem grabe gebracht worden
[cur= currentis: der laufende Monat oder dieses Jahr]
Durch die verschiedenen Aussagen erhält man sehr genaue Angaben zu den Zeiten der jeweiligen Abläufe. Die Tat und der weitere Verlauf wird beschrieben, aber einige Fragen können nicht beantwortet werden.
War der „dänische Soldat“ dänischer Abstammung oder wie damals eher üblich, ein deutscher Soldat, möglicherweise sogar aus der näheren Umgebung, in dänischen Diensten?
Während der Flucht nach Herchen wurde die Frau des Soldaten erwähnt, hatte sie die Kompagnie begleitet oder bestätigt es die Annahme, dass das Paar aus der Umgebung stammte?
Man kann es sich heute kaum vorstellen, dass man im Februar, der sicher noch sehr kalt war, die beschriebene Wegstrecke hinter sich brachte. Es ging wahrscheinlich zu Fuß durch die „Leuscheider Wälder“, danach lediglich eine kurze Einkehr bei der man sich ein wenig aufwärmen konnte und anschließend die weitere Flucht.
Dazu kommen die Hintergründe dieser Geschichte, über die man sicher trefflich diskutieren könnte:
Mancher wird sich fragen, warum der Pater glaubte, den Soldaten retten zu müssen. Ging es ihm darum, Leben zu retten, hatte er bereits zu viel Tragisches erlebt oder dachte er, dass es möglicherweise eine Tat war, die man im weitesten Sinne mit Notwehr bezeichnen könnte?
Durch die Darstellungen der Kanzlei Hachenburg in dem Schreiben vom 23. März konnte es zu weitreichenden, nachteiligen Folgen für das Kloster kommen.
Die Vorwürfe richteten sich gegen das Kloster und seine Insassen und das diese mit ihrem Vorgehen die Absprachen der letzten Zeit in Gefahr brachten, um die man lange mit der Herrschaft in Hachenburg gerungen hatte.
Wenn die Übertragung im Bezug zu dem „sicheren Pater“ richtig gedeutet ist, könnte man diesen, der für die Flucht zuständig war, als böse Absicht des Klosters sehen, da man ihn nicht direkt belangen konnte.
Zur Klärung müsste man neue Recherchen anstellen, wie die Rechtslage zu „außer Haftung“ in dem speziellen Fall des Paters zu der Zeit war.
Überraschend ist für mich stets aufs Neue, welche Akten sich immer noch finden, erstaunlich die langen Wege, die man bewältigte und wie sich viele Teile und Orte der Vergangenheit zu einem Ganzen zusammen fügen, je länger man sich damit beschäftigt.
Anmerkungen:
- HHStAW 340/2078 „Heimliche Wegführung eines Mörders durch einen Pater von Marienthal ins Bergische 1735“. Zurück
- Wilhelm Söhngen, Die Geschichte der Stadt Hachenburg, Bungeroth 1914, Seite 131/132.
Specification
Was die Königl. Dähnische Auxiliar Grouppen, so viel deren von dem Dombroickischen
Infanterie-Regiment in die Graffschafft Sayn-Hachenburgischen Antheils vom 15. Octobr.
1734. biß den 15. April 1735. einquartiert gewesen / an Doucouer, Service, Portionen und
Rationen gekostet haben.
Memorial und Repraesentation nebst beygefügtem Petito um billigmässige ... - Google Books
Seite 25: obiger Text und Nennung des Herrn Major Defeven aus diesem Regiment; Zurück - Möglicherweise handelte es sich um Johann Jost Cramer aus Leingen, Kirchspielsgeschworener; Gemeinden und Staat in der Reichsgrafschaft Sayn-Hachenburg 1652-1799 Markus Müller, Historische Kommission für Nassau 2005, Seite 182/183. Der Familienname Cramer war in Weyerbusch und Birnbach weit verbreitet. Eine Aufstellung
von 1717 nennt für die Kirchenplätze, wer Anrecht auf einen eigenen Stuhl hatte, in Birnbach u.a.:
Just Cramers Sohn in der Leingen, Johann Henrich Cramers zwei Söhne in der Leingen,
Christian Cramer auf dem Weyerbusch; Die Kirche in Birnbach 1985, Dieter Sommerfeld;
1715 bei der Huldigung des neuen Landesherrn Graf Georg Friedrich von Sayn-Hachenburg, Burggraf von Kirchberg werden in Weyerbusch folgende Personen genannt, die wir als Familienvorstand ansehen dürfen: Matheiß Molly, Wilhelm Heinrich Molly, Johann Gerhard Molly (der Unter-Richter), Christian Cremer (Cramer) … ; Weyerbusch in alten Zeiten, Dieter Sommerfeld. Zurück - Hahnenbach, Ortsteil der Gemeinde Windeck in NRW. Der Weiler liegt in Alleinlage auf dem Nutscheid am namengebenden Hahnenbach. Hahnenbach (Windeck) – Wikipedia. Zurück
- Jakob Gerhard Überse(t)zig (1685-1747) wohnte in Hahnenbach und war Amtsverwalter des Amtes Windeck. Der Amtsverwalter verstarb in dem damals noch bestehenden Burghaus Niedecke an einem Schlaganfall.
http://www.1772.eu/geschichte.html. Zurück - Werben= alte oder umgangssprachliche Bezeichnung für Windeck/Werfen; Grafschaft Sayn-Altenkirchen, Wikipedia: Abbildung Karte von 1805 mit Einzeichnung „Werben“; Quelle des Kupferstichs: Allgemeine geographische Ephemeriden, Ein und zwanzigster Band (1806), Erstes Stück September 1806, Weimar: Verlag des geographischen Instituts.
Die Grafschaften Sayn-Altenkirchen, brandenburgischen Antheils und Neuwied. Entstanden 1805. Gr. 19 x 23 cm. Maßstab ca. 1:230.000. Zurück - Die Huldigungsliste 1731 wurde für den Bereich im Kirchspiel Leuscheid durch Ernst Wilhelm Becker zusammengestellt, den in Werfen wohnenden Schultheiß zu Leuscheid. Leuscheid – Wikipedia. Zurück
- Tilmann Bornheim war mindestens 1734-1761 Schultheiß in Herchen. www.burghardtkoeln.de/franzj./publik/bea_beck.pdf. Zurück
- Guardian: Bezeichnung für den Oberen eines Konvents im Franziskanerorden, der in der Regel für drei Jahre gewählt wurde. Wikipedia;
Guardian in Marienthal 1734-1737 Josephus Rath, 500 Jahre Marienthal Rektor Jakob Wirths, Seite 291, Werl 1927. Zurück - Weitere Hinweise auf den angesprochenen Rezess finden sich unter: HHStAW 31/Nr.4 „Der Provinzial der Franziskaner Frater Angelium Brinkmann gibt in Veranlassung der vorstehenden Urkunde bei dem Burggrafen Georg Friedrich von Kirchberg einen Revers hinsichtlich des privaten und öffentlichen Verhaltens der Franziskaner zu Hachenburg und Marienthal“, Limburg 29. September 1732;
und: Stadtarchiv Hachenburg: 31 Erklärung vom 28.8.1732, HHStAW Abt./Bestand 31 Klostergründung [Hachenburg] und Kirchenbau;
oder:
Die Hachenburger Franziskaner unter evangelischen Grafen 1705-1799; Geschichte der Stadt Hachenburg, Christliches Leben (348) / (735) www.regionalgeschichte.net Der Klosterbau in Hachenburg wurde 1734 erlaubt. Franziskanerkloster Hachenburg, Wikipedia; … Nun nahm sich der zu Limburg wohnende Provinzial der Thüringer Franziskanerprovinz, Pater Angelinus Brinkmann, der Sache an. Diesem feinen und klugen Manne gelang es endlich, den Grafen umzustimmen.
Am 28. Aug. 1732 wurde der Neubau der Kirche und des Klosters erlaubt. Aber erst am 6. Juni 1734 wurde zu der neuen katholischen Kirche der Grundstein gelegt. In den Stein kam folgende Inschrift …
Wilhelm Söhngen, Geschichte der Stadt Hachenburg, Bungeroth 1914, Seite 287; Rektor Wirths bezieht sich in seinem Buch „500 Jahre Marienthal“ Seite 176-179 auf einige Unstimmigkeiten und Verbote zum Nachteil des Klosters Marienthal, in dessen Verlauf sogar der Syndicus des Klosters, Emanuel Thal aus Hamm, 1729 in Haft genommen wurde. Weiter schrieb er: … sah sich der Provinzial Angelinus Brinkmann genötigt, am 20. September 1732 zu Limburg eine Deklaration zu unterzeichnen, die ihrem Hauptinhalt nach mitgeteilt sei: „Wir unterschriebene bekennen vor dem Hochgeb. Reichsgrafen und Herr, Hrn. Georg Friedrich Burggraf zu Kirchberg, Graf zu Sayn und Wittgenstein, Herrn zu Farnroda etc. und versprechen, dass Se. Hochgräfl. Excell. Dero Erben und Nachkommen wir jederzeit als Landesherren über gedachte Clöster in unterthänigkeit erkennen, deroselben hold und getreu sein, Schaden warnen, Bestes fördern und alles dasjenige, so unserem gnädigsten
Landesherrn auch zu schaden, nachtheil und schmälerungen gereichen mögte, nicht allein selbsten vermeiden, darinnen und in keinerlei weise und wege mit Rath und That gebrauchen lassen, sondern auch nach äusserstem Fleiss solches alles verhüthen und vorkommen helffen wollen, vor das 2) nehmen wir die dultung und das Exercitium catholicae religionis cum cura animarum (die Ausübung der kath. Religion und der Seelsorge) wie auch die Aufbauung des Closters in Hachenburg aus purer landesherrschaftlicher Gnade mit demüthigstem Dank an und wollen ...
4) auch die landesherrlichen und der nachgesetzten Cantzley verordnunge ge- und verbott gehorsamst befolgen insoferne solche nicht gegen unsere religion anlauffen … 8) … auf der Cantzley auf jedesmahliges Begehren erscheinen, den Vorhalt anhören 9) diesen Vorschlag insoweit und umb so mehr in Gnaden sich gefallen lassen, als P. Provincialis hierbei expresse declarieret, das der landesherr ohnedem autoritat Macht und gewalt in Händen hätte, die Klöster bei sothanen occurentien der Renitenz mittels verbiethung des terminierens (a) oder anderer Zwangsmittel in denen Schrancken und Ordnung zu erhalten. Was 10) die ordnung bei proclamationen und copulationen Item die Bestimmung der Zeit in Haltung des Gottesdienstes, item des schulmeisters Bestellung in Hachenburg betrifft, solches wird lediglich der hohen disposition gnädigster Landesherrschaft überlasseb, denen die Klöster sich zu akkomodieren verpflichtet seyn sollen … und weilen endlich 12) in diesem revers nicht alles begriffen sein kann als verbleibt es übrigens bei der klaren und deutlichen Disposition des religion und westph. Friedens als wornach die beede Klöster in casu contraventionis (im Uebertretungsfallee) judicirt werden sollen und wollen.
Worgegen nun mehrogedachte Clöster keine privilegia, exemitiones, dispensationes, absolutiones u. Exceptiones wie sie nur immer erdacht werden können schützen noch schirmen, vielmehr aber dieser revers zu einer beständigen Richtschnur dienen soll. Zur wessen Urkund und Bekräftigung wir diese deklaration eigenhändig unterschrieben und sigillo majori provinciae bekräftiget haben.“
… Dieser Erklärung ist ein eingehender Bericht über die vorangegangenen Differenzen und Korrespondenzen vorausgeschickt. … 1735 hatte sich der Klosterobere zu verantworten, weil er einem dänischen Soldaten, der sich ins Kloster geflüchtet, ein Asyl gewährt hatte.
Zu der Erwähnung des genannten Vorfalls gab es keine weitere Erklärung. (a) terminieren= Termine in verschiedenen Orten wahrnehmen, um Spenden, auch in Form von Lebensmitteln, abzuholen. Dazu gehörten Termine im weiteren Umkreis, die die Mönche bis Morsbach, Windeck, Wissen u.a. Orte führten. Näheres in „500 Jahre Marienthal“, Rektor Jakob Wirths. Zurück