Zwischen Ancien Régime und Industriezeitalter. Elemente der Kontinuität und Diskontinuität in der demographischen Entwicklung von Worms (1750-1875)
von Martina Rommel
Mehrere Faktoren lassen die ehemalige Freie Reichsstadt und spätere hessische Stadt für eine demographische Untersuchung interessant erscheinen. Nach der Zerstörung im Pfälzer Erbfolgekrieg (1688-1697) im Jahre 1689 begann nach dieser "Stunde Null" für Worms ab 1695 die Phase des Wiederaufbaus, die sich bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fortsetzte.
Eine der wichtigsten Neuerungen war, dass sich die Stadt nun von einer zweikonfessionellen (Lutheraner, Katholiken) zu einer dreikonfessionellen wandelte, da die Reformierten als neue Gruppe hinzutraten. Zwar hatte es schon vor 1689 eine calvinistische Gemeinde in Worms gegeben, doch stand ihren Mitgliedern nicht das Bürgerrecht zu, ebenso war ihnen die freie Religionsausübung im Sinne des Friedens von Münster und Osnabrück nicht gestattet. Nach 1695 änderte sich langsam die Haltung des Magistrates gegenüber den reformierten Christen. Nicht zuletzt erhoffte man sich von ihrem Gewerbefleiß einen tatkräftigen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung.
Die Lage der Stadt blieb im 18. Jahrhundert insgesamt jedoch eher misslich, war sie doch immer wieder von den Auswirkungen der Kriege betroffen. Minutiös sind die Geschehnisse während des Siebenjährigen Krieges geschildert. Massive politische Auswirkungen zeitigte dann die Französische Revolution. Bereits im Mai 1792 herrschte in Worms Krisenstimmung. "Panischer Schrecken" [Anm. 1] machte sich in der Stadt breit, als die Einnahme Speyers kolportiert wurde. Ohne dass ihnen nennenswerter Widerstand entgegengebracht werden konnte, nahmen die Franzosen schließlich am 4. Oktober 1792 auch Worms ein. Die festgesetzte Kontributionssumme überstieg bei weitem die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt. Nur für kurze Zeit konnte es gelingen, sich von der Besatzung zu befreien (1793/94). Durch den Frieden von Campo Formio (17.10.1797) fielen schließlich das linke Rheinufer und damit auch Worms endgültig an Frankreich.
Worms verlor die Eigenständigkeit der Verwaltung durch den Magistrat und wurde eine französische Provinzstadt im Departement Mont-Tonnerre. Nach Beendigung der französischen Herrschaft fiel Worms nach einer Übergangszeit unter österreichisch-preußischer Verwaltung schließlich 1816 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt.
Die Zeit um 1800 bedeutete somit für die ehemals so bedeutende Stadt in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt ihrer Geschichte. [Anm. 2] Die Veränderungen, die seit 1792 eintraten, betrafen sämtliche Bereiche des sozialen, politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens [Anm. 3] . Illert spricht folgerichtig von einem "vollkommenen Umsturz der Lebensgrundlagen." [Anm. 4] Ab 1834 begann in der Stadt die Phase der Industrialisierung (vor allem Lederindustrie). Noch einmal vollzog sich, nicht zuletzt auch durch das stets zunehmende Bevölkerungswachstum, ein neuer Wandel der Lebensumstände und damit der Rahmenbedingungen für die demographische Entwicklung der Stadt Worms.
Bei der Frage nach Kontinuität und Diskontinuität demographischen Geschehens ist zu untersuchen, ob und inwieweit sich die geänderten Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft auf die Mentalität der Bevölkerung sowie auf den Verlauf von Natalität, Nuptialität und Mortalität auswirkten. Die Untersuchung allein der Faktoren politische Unruhe, Teuerungsperioden und Seuchen, die für die Erforschung der Lage im Ancien Régime durchaus zulässig und legitim ist, ist für die Zeit nach 1800 in diesem Untersuchungsraum nicht mehr hinreichend. Gewerbefreiheit, konfessionelle Parität und neue staatliche Rechtsbestimmungen, die das Zusammenleben der Menschen neu zu gestalten versuchten, müssen in die Überlegungen miteinbezogen werden. Selbstverständlich stand nicht zu erwarten, dass mit dem Wechsel politischer und ökonomischer Gegebenheiten eine abrupte Unterbrechung bisheriger demographischer Entwicklungsstränge eintreten würde.
Beispielhaft soll hier am Beispiel der Hauptforschungsgebiete historischer Demographie der Frage nach Elementen der Kontinuität und Diskontinuität nachgegangen werden.
Natalität
Eine Kontinuität zu den Verhältnissen im 18. Jahrhundert dokumentiert sich in der Entwicklung der Natalität im 19. Jahrhundert dahingehend, dass noch immer eine gewisse Abhängigkeit zu den äußeren, von der historischen Demographie immer wieder untersuchten Faktoren bestand, wenngleich sich die im 18. Jahrhundert bereits beobachtete Abschwächung [Anm. 5] fortsetzte.
Besonders gilt dies von der Subsistenzmittelentwicklung. Allein die Teuerung oder Wohlfeilheit bei Getreide zu untersuchen, war besonders für die Zeit zwischen 1800 und 1875 nicht mehr zulässig. Die Subsistenzfrage war im 19. Jahrhundert deutlich facettenreicher geworden. Es war daher in den Blick zu nehmen, dass durch die industrielle Entwicklung Handwerker und Arbeiter gleichermaßen in die großräumige Wirtschaftsentwicklung eingebunden waren. Es kam vor allem in der Zeit der Industrialisierung zu einem Anschluss an die Weltwirtschaft, wie er in den Zeiten der Zünfte nicht gegeben war. Wie wenig sich die Preisentwicklung noch auf die Natalität auswirkte, zeigte sich darin, dass es in Worms in den Notjahren 1808 und 1810 nicht zu einem Geburtenrückgang kam, sondern 1809 im Gegenteil mehr Kinder als in den vorangegangenen Jahren geboren wurden. Im Jahre 1810 war nur ein geringes Sinken der Geburtenrate zu konstatieren, was im Normalbereich der Schwankungen lag. Betrachtet man den Befund näher, zeigt sich jedoch, dass deutliche konfessionelle Unterschiede bestanden. [Anm. 6] Eindeutig beeinflusst wurde die Natalität dann allerdings noch einmal durch die klassische Trias von Krieg, Hunger und Seuche in den Jahren 1813/14. Nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig strömten die französischen Truppen über das linke Rheinufer nach Frankreich zurück. Es waren nicht nur die Einquartierungen, die ab November Worms belasteten, sondern hauptsächlich die Einrichtung von Lazaretten und der Ausbruch einer Seuche.[7] Wie in Mainz und Oppenheim kam es auch hier zur Verbreitung von Flecktyphus. Bei allen drei Konfessionen ließ sich ein Rückgang der Geburtenzahl im Jahre 1814 notieren. Ab Juni war die Natalität rückläufig, die wenigsten Kinder wurden in diesem Jahr im September geboren. Somit war die Zahl der Zeugungen ab September 1813 zurückgegangen, als eine Teuerungswelle eingesetzt hatte, und erreichte Ende November und Dezember, als die Mortalität ihrem Höhepunkt entgegenstrebte, ihre Baisse. Betrachtet man die Entwicklung der Natalität im 19. Jahrhundert im Vergleich zu jener der Jahre 1750 bis 1799, so zeigt sich, dass die Schwankungen hinsichtlich Geburtenanstieg und Geburtenrückgang deutlich schwächer wurden.
Es soll hier nun auf eine ganz andere Art der Diskontinuität eingegangen werden, die mit der Frage nach der Natalität jedoch in Konnex steht: auf den Abstand zwischen Geburt und Taufe. Oft wichtiger noch als der Erhalt des irdischen Lebens des Kindes war, vor allem bis in das 18. Jahrhundert, die Sorge um das ewige Heil des neugeborenen Kindes. Schon früh wurde daher in der Geschichte des Christentums die Frage nach dem Schicksal der ungetauft sterbenden Kinder aufgeworfen. Eine Vollendung im Himmel, so definierte im Jahre 1274 das Konzil von Lyon sei nicht möglich, [Anm. 7] ebensowenig aber auch eine Verdammnis, da das Kind selbst ja noch keine Sünde hatte begehen können. Es wurde daher die Lehre vom "limbus puerorum" entwickelt. [Anm. 8] Besonders im katholischen Bereich hatte sie auch im Untersuchungszeitraum noch große Bedeutung.
Die Sorge um das Heil des Kindes war konfessionsübergreifend. Für Katholiken und Lutheraner gleichermaßen hat die Taufe heilsnotwendigen Charakter. Um das Kind im Falle eines frühen Todes, und er kam häufig genug vor, nicht in die Gefahr des Verlustes der ewigen Seligkeit zu bringen, wurde Wert auf eine bald nach der Geburt erfolgende Taufe gelegt. Im Wormser Rituale wurden die katholischen Pfarrer angehalten, entsprechend auf die Eltern einzuwirken. "Ubi primum fieri" [Anm. 9] sollten die Säuglinge getauft werden. Die Mainzer Diözesanstatuten des Jahres 1811 griffen den Gedanken explizit wieder auf. Es wurde hier nun eine zeitliche Grenze von acht Tagen festgesetzt. [Anm. 10] In den revidierten Statuten des Jahres 1837 wurde keine Frist angegeben. Ob man bewusst darauf verzichtete oder ob es sich um eine Gesetzeslücke handelte, kann anhand des vorliegenden Materials nicht geklärt werden. Auch die meisten lutherischen Kirchenordnungen kennen die Zeitgrenze von einer Woche. Ein Reskript des großherzoglich-hessischen Ministeriums des Innern und der Justiz setzte 1816 eine Obergrenze von drei Wochen zwischen Geburt und Taufe fest.
Das reformierte Taufverständnis hob sich sowohl vom katholischen als auch vom lutherischen ab. Von der Heilsnotwendigkeit ist bei Calvin nicht mehr die Rede – Taufe bedeutet für ihn lediglich noch ein Bekenntniszeichen. Konsequenterweise lehnte man eine Nottaufe daher ab. In der Kirchenordnung der Wormser reformierten Friedrichsgemeinde findet sich kein eigener Hinweis auf die Festsetzung einer Frist, innerhalb derer die Taufe eines Neugeborenen zu erfolgen hatte.
Wurden die Bestimmungen der einzelnen Konfessionen in Worms befolgt und gab es hinsichtlich des Abstandes zwischen Geburt und Taufe im Laufe der Zeit einen Wandel?
Für die Zeit des 18. Jahrhunderts ist diese Frage nur für die beiden protestantischen Gemeinden zu klären. Die katholischen Taufmatrikel vermerken in einem Großteil der Fälle nur den Tauftag, nicht aber den Tag der Geburt. [Anm. 11] Es darf vermutet werden, dass in den katholischen Familien das Neugeborene noch am Tage der Geburt oder spätestens am folgenden Tag zur Taufe gebracht wurde.
In den lutherischen und reformierten Familien betrug der Abstand zwischen Geburt und Taufe in den meisten Fälle zwei bis drei Tage. Längere Abstände waren die seltene Ausnahme. Man orientierte sich damit an der um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ausgesprochenen Idealvorstellung. Die Taufe am Tage der Geburt lässt sich zwar auch im protestantischen Bereich im 18. Jahrhundert noch nachweisen, in den meisten Fällen handelte es sich jedoch um Kinder, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes unmittelbar nach ihrer Geburt die Taufe empfingen, was auch in den Matrikeln stets sorgfältig vermerkt wurde.
Im 19. Jahrhundert kam es bei beiden Konfessionen zu einer zunehmenden Änderung des Verhaltens. Die genauere Kirchenbuchführung und vor allem die Führung von Zivilstandregistern (seit 1798), in denen die Geburt des Kindes registriert wurde, erlauben nun auch für den katholischen Bereich eine detaillierte Untersuchung
Bei den Katholiken setzte ein deutlicher Wandel im Dezennium zwischen 1830 und 1840 ein – zeitgleich mit dem Beginn der Industrialisierung. Wurden im Stichjahr 1800 noch sämtliche Kinder innerhalb der ersten Lebenswoche getauft, war es am Ende des Untersuchungsraumes (1875) nicht mehr ganz ein Viertel der Eltern, die ihr Kind in dieser Frist taufen ließen. Die Zeitspanne zwischen Geburt und Taufe erstreckte sich ab 1830 zum Großteil auf zwei bis drei Wochen (vgl. Tabelle 1 in der pdf-Datei). Wenngleich die Taufe in der Frist von einer Woche nach der Geburt auch im 19. Jahrhundert noch praktiziert wurde, so zeigt sich, dass die Kontinuität hier nur eine scheinbare ist. Am Tage der Geburt wurde bereits im Jahre 1800 nicht einmal mehr die Hälfte der Neugeborenen getauft. Im Jahre 1850 findet sich in den katholischen Pfarreien überhaupt kein Hinweis mehr auf eine Taufe, die noch am Tag der Geburt erfolgt wäre, während in den Stichjahren 1860, 1870 und 1875 wieder derartige Fälle nachgewiesen werden können (vgl. Tabelle 2 in der pdf-Datei). Nicht selten sind es aber nun auch im katholischen Bereich, wie im 18. Jahrhundert bei den Lutheranern, Fälle, in denen ein Kind in Lebensgefahr war.
Noch deutlicher als bei den Katholiken wird die Diskontinuität bei den protestantischen Gemeinden greifbar, die sich 1822 vereinigt hatten. Der Wandel war hier tiefgreifender und setzte zeitlich früher ein, wenngleich der deutlichste Bruch mit den überkommenen Verhaltensweisen auch hier in die Zeit von 1830 bis 1840 fällt. Die Zahl der Kinder, die erst im Alter von mehr als vier Wochen getauft wurden, nahm permanent zu. Ab dem Stichjahr 1845 finden sich sogar zunehmend Fälle, in denen die Taufe erst erfolgte, als das Kind schon zwei Monate und älter war (vgl. Tabelle 3 in der pdf-Datei). Das Gros der Kinder wurde aber auch in der evangelischen Gemeinde in einem Alter von zwei bis drei Wochen getauft. Auffällig ist, dass sowohl bei den Protestanten als auch bei den Katholiken die illegitimen Kinder früher getauft wurden als die legitim geborenen.
Worin sind nun die Gründe für die Verhaltensänderung, die sich ja relativ rasch vollzog, zu suchen? Die nicht zu leugnende Tatsache einer wachsenden Säkularisierung des Denkens im Zuge des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels reicht als monokausale Erklärung nicht aus. Zu überlegen ist, ob man sich im protestantischen Milieu eher an den neuen pädiatrischen Erkenntnissen orientierte und entsprechend handelte, denn immer wieder wurden gegen Ende des 18. und dann vor allem im 19. Jahrhundert Stimmen von Medizinern laut, die davor warnten, ein Neugeborenes zu früh der Luft außerhalb des Zimmers auszusetzen. Dafür spricht vielleicht auch die bis 1822 nachweisbare hohe Quote der Haustaufen in der reformierten Friedrichsgemeinde. Die Fortschritte in der Medizin, so zaghaft sie auch noch waren, ließen die Furcht vor dem baldigen und jähen Tod eines Säuglings möglicherweise langsam in den Hintergrund treten, obgleich, wie die Sterbematrikel ausweisen, noch kein spürbarer Rückgang der Säuglingssterblichkeit eingetreten war. Zu bedenken ist auch, dass in den linksrheinischen Gebieten nach der Einführung einer zivilen Personenstandsverwaltung die Taufe und damit verbunden die Eintragung in das Kirchenbuch, das ja bis 1798 gleichzeitig Personenstandsbuch war, nicht mehr die Integration des Kindes in die Gesellschaft bedeutete. Sie geschah nun durch die Eintragung in das städtische Geburtenbuch; hier geschah auch die Namensgebung. Erst wenn der Geburtsschein vorlag, durfte ein Kind getauft werden. Das Wormser Generalvikariat bemühte sich schon früh, für Notfälle eine Ausnahme zu erwirken, was auch gelang; durch ein Arrête vom 2. Brumaire X (24. Oktober 1801) wurde die Nottaufe vor der Eintragung in das Geburtenbuch gestattet.
Zunehmend wurde als Tag der Taufe ein Sonntag gewählt, und auch dies geschah konfessionsübergreifend, was wieder einen Zusammenhang mit dem ökonomischen Umfeld vermuten lässt. Die Wahl auswärtiger Taufpaten, sie wurde mit der steigenden Mobilität der Bevölkerung häufiger, ist gleichfalls in die Überlegungen zum Wandel des Verhaltens mit einzubeziehen.
Eingegangen werden soll hier auf die konfessionsverschiedenen Ehen, da sich gerade in diesem Bereich im 19. Jahrhundert deutlich eine Diskontinuität gegenüber der Zeit des Ancien regime abzuzeichnen begann. Bis zur Union der beiden protestantischen Kirchen in Rheinhessen (1822) galten auch die Ehen zwischen Lutheranern und Reformierten als Mischehen. Bereits im Jahre 1718 drang der Wormser Rat auf das Eingehen konfessionsgeeinter Ehen, doch wurde bereits 1725 das Eherecht in der Freien Reichsstadt gelockert [Anm. 12]Eingesegnet werden musste jede Mischehe in der lutherischen Kirche. Nur in wenigen Fällen hielten sich die Brautleute nicht an diese Vorschrift.
Trotz der Tatsache, dass Ehepartnern verschiedener Konfession von dem Ehehindernis Dispens erteilt wurde, blieb ein gewisser Makel bestehen. So musste beispielsweise ein Mitglied des Wormser Rates seine Stelle als Ratsmitglied aufgeben, als er nach dem Tod seiner lutherischen Frau in zweiter Ehe eine calvinistische Frau ehelichte. [Anm. 13] Im Untersuchungszeitraum des 18. Jahrhunderts (1750-1798) stieg die Zahl der konfessionsverschiedenen Ehen in Worms von 6,11% auf 10,14% sämtlicher in der lutherischen Kirche erfolgten Eheschließungen. Klar überwogen die Ehen zwischen Lutheranern und Reformierten. Eheschließungen zwischen Reformierten und Katholiken wurden in der lutherischen Kirche nicht vorgenommen.
Für das 19. Jahrhundert ist der Blick vor allem auf das Verhalten der katholischen Kirche zu richten. Nachdem Worms den Status der Freien Reichsstadt verloren hatte, war auch das städtische Eherecht, das ja das Mischehenrecht mit einschloss, in Wegfall gekommen. Die katholische Kirche hätte nun die Möglichkeit gehabt, deutlicher ihre dogmatischen wie kanonistischen Grundsätze bezüglich der konfessionsverschiedenen Ehen zu betonen, was ja zuvor so gut wie nicht möglich gewesen war. Der von Napoleon ernannte [Anm. 14] Mainzer Bischof Josef Ludwig Colmar [Anm. 15] legte dem französischen Kultusminister am 7. Juni 1810 einen Entwurf einer Mischehenverordnung für die Diözese Mainz vor [Anm. 16] mit der Bitte um Approbierung. In ihr betonte der Oberhirte die Notwendigkeit der bischöflichen Dispens vom Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit und das Verbot, die Ehe vor einem nichtkatholischen Religionsdiener einzugehen [Anm. 17] Die Antwort des Kultusministers vom 21. Juni 1807 wies den Bischof darauf hin, die Materie sei "trop delicate pour que je puisse autoriser l'envoi [...] avant d'avoir pris encore quelques renseignements." [Anm. 18] Der kaisertreue Bischof gab sein Projekt daraufhin wohl gänzlich auf. [Anm. 19] In den Diözesanstatuten, die er 1811 herausgab, ist die Frage nach den Mischehen mit keiner Silbe berührt. Auch nach Beendigung der französischen Herrschaft, immerhin vier Jahre vor dem Tod Colmars, trat kein Wandel ein. Eine Mischehenverordnung des Mainzer Bischofs Josef Vitus Burg [Anm. 20] kam gleichfalls nicht zur Ausführung, nicht zuletzt wegen kanonistischer Probleme. [Anm. 21]
Erst unter Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler [Anm. 22] wurde die Praxis, vor allem seit 1860 [Anm. 23] , strenger gehandhabt. Hinweise auf Dispense vom Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit in den Kirchenbüchern bzw. Zweitschriften (Elenchen) der beiden katholischen Pfarreien in Worms, St. Martin und St. Peter (Dompfarrei) fehlen bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend, auch sind die Mischehen nicht alle eindeutig gekennzeichnet. Erst umfangreiche Recherchen, das heißt die Überprüfung sämtlicher Namen im Vergleich mit sämtlichen evangelischen Registern, ermöglichten ihre Ermittlung. Gegenüber dem 18. Jahrhundert, in dem Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten eine Ausnahme gebildet hatten, nahm die Zahl nun zu. (siehe Tabelle 2 in der pdf-Datei)
Neben den Mischehen, die in der katholischen Kirche geschlossen wurden, wie es die Formpflicht für die Katholiken gebot, sind auch in den evangelischen Trauungsbüchern Eheschließungen konfessionsverschiedener Paare verzeichnet. Auch hier kam es nach 1822 zu einem prozentualen Anstieg. (siehe Tabelle 3 in der dpf-Datei) Die Gründe für die Trauung in der evangelischen Kirche werden nicht eigens angeführt. Zum einen kann es sich um eine bewusste Entscheidung der Brautleute gehandelt haben, zum anderen konnte dem katholischen Pfarrer die Assistenz untersagt gewesen sein, da die katholische Kindererziehung nicht gewährleistet oder nicht gewollt war. In diesem Falle wurde Dimission zur Trauung vor dem nichtkatholischen Religionsdiener erteilt.
Ein eigenes Phänomen bei den konfessionsverschiedenen Ehen waren die Doppeltrauungen. In insgesamt 37 Fällen wurde die Eheschließung sowohl im katholischen als auch im evangelischen Trauungsregister notiert. Es handelte sich um sukzessive Trauungen, da eine ökumenische Eheschließung noch nicht möglich war. Nur in den wenigsten Fällen aber ist der Umstand, dass es sich um sukzessive Trauungen handelte, auch in den Registern erwähnt. So etwa notierte der Wormser Dompfarrer unter dem 30.5.1813 „Sponsus est lutheranus et etiam a suo ministro protestantico copulatus fuit“. [Anm. 24] Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Geistliche mit der kirchlichen Obrigkeit deshalb irgendwelche Schwierigkeiten bekam. Das Wormser Provikariatsprotokoll erwähnt den Vorgang überhaupt nicht, und auch die bischöfliche Visitation, bei der ja normalerweise die Kirchenbücher überprüft wurden, führte nicht zu einer Rüge Colmars gegenüber dem Pfarrer. Möglicherweise orientierte man sich an einem Erlass des französischen Präfekten Jeanbon de St. André vom 31.5.1806, der entgegen der Grundsätze des katholischen Kirchenrechts die Doppeltrauung zuließ. In der evangelischen Kirche wurde die rechtliche Frage nach der sukzessiven Trauung durch eine Entscheidung im Jahre 1832 geklärt und die Möglichkeit zugelassen, sich bei den beiden für die jeweiligen Brautleute zuständigen Pfarrern trauen zu lassen. Nach wie vor waren die Katholiken an die tridentinische Formpflicht gebunden: Sie mussten ihre Ehe vor dem Priester (dem zuständigen Pfarrer) und zwei Zeugen eingehen. Eine wegen Formmangels ungültige Ehe bedurfte der Konvalidation. Es finden sich in den katholischen Trauungsbüchern bei den Eintragungen der Doppeltrauungen jedoch keine Hinweise, dass es sich um Gültigmachungen von Ehen gehandelt hätte. 28 der 37 Paare hatten in Worms Kinder. In 16 Fällen fand deren Taufe in der katholischen Kirche statt.
Eine Reihe von Mischehen fand auch außerhalb von Worms statt, ohne dass die Paare jedoch ihren Wohnsitz wechselten. In 21 Fällen ist eindeutig nachzuweisen, dass der Dompfarrer die Paare nach Hofheim/Ried sandte. Die Gründe für sein Vorgehen finden sich weder im Kirchenbuch noch in anderen Unterlagen verzeichnet.
Die Befunde zeigen, dass die Zahl der konfessionsverschiedenen Ehen gegenüber der Zeit des Ancien Régime im 19. Jahrhundert stark zugenommen hatte. Auch hier ist eine monokausale Erklärung nicht möglich. Vorausgesetzt werden muss eine gewisse konfessionelle Toleranz trotz aller bestehenden Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten. Für die Katholiken bestand in Worms, einer Stadt deren Einwohnerzahl immer mehr zunahm [Anm. 25] und in der hinsichtlich der konfessionellen Verteilung eine leichte Verschiebung zugunsten der Katholiken eintrat [Anm. 26] , keinesfalls eine "angustia loci", die das katholische Kirchenrecht jener Zeit als wichtigen Dispensgrund für andere Ehehindernisse nennt. [Anm. 27] Die „unsichtbare Grenze“ [Anm. 28] zwischen den Mitgliedern der Konfessionen war vielmehr langsam permeabel geworden. Es ist auch ersichtlich, dass sich manche Katholiken zunehmend von den Grundsätzen ihrer Konfession distanzierten, sei es weil man für sein persönliches Leben andere Prioritäten setzte, sei es durch den Einfluss der jetzt paritätischen Sozial- und Gesellschaftsordnung. Auch die in Worms, vor allem durch den Pfarrer von St. Martin und späteren Dompfarrer Johann Baptist Saenger, [Anm. 29] der seit 1827 in der Stadt wirkte, betriebene Seelsorge trug sicherlich zur Distanzierung bei, denn anläßlich der durch das Domkapitel vorgenommenen Wahl Saengers zum Domkapitular kritisierte der Mainzer Bischof von Ketteler die antiquierte Form, in der Saenger seine Pflichten versah. [Anm. 30]
All diese verschiedenen Faktoren konnten zu einem wachsenden Indifferentismus führen, der dann das Eingehen konfessionsverschiedener Ehen begünstigte.
Mortalität
Bei der Mortalität war am wenigsten eine Diskontinuität der Entwicklung zu erwarten. Es zeichnete sich als ein erstes Element allerdings ein epidemiologischer Wandel ab. Chronische Erkrankungen traten während des 19. Jahrhunderts allgemein langsam in den Vordergrund. Neue infektiöse Krankheiten wie zum Beispiel die Cholera asiatica traten auf, während andere fast völlig von der Bildfläche des Todesursachenpanoramas verschwanden.
Es ist auch davon auszugehen, dass im Laufe der Zeit bestimmte Erkrankungen selbst ihr Gesicht veränderten, das heißt an Gefährlichkeit bzw. Letalität zu- oder abnahmen. Schon im Laufe des 18. Jahrhunderts waren die Krisen alten Typs immer stärker in den Hintergrund getreten und hatten demographischen Ausnahmesituationen Platz gemacht. [Anm. 31] Eine letzte Krise trat im Winter 1813/14 auf, als in Worms, wie in zahlreichen anderen Orten am linken Rheinufer, Fleckfieber, typhus exanthemicus. [Anm. 32] ausgebrochen war. Es handelte sich dabei um eine durch die nach der Niederlage bei Leipzig nach Frankreich zurückströmenden Truppen eingeschleppte Herdkrankheit, die sich von den oft erst rasch und notdürftig eingerichteten Lazaretten schnell auf die Zivilbevölkerung ausbreitete.
Hatten noch im Ancien Régime auch in Worms die Pocken immer wieder zahlreiche Opfer gefordert, vor allem aus den Reihen der Kinder, verlor die Krankheit während des 19. Jahrhunderts ihren Schrecken. Nach der Einführung der Pockenschutzimpfung in napoleonischer Zeit ging die Zahl der Blatternfälle deutlich zurück, wenngleich eine Ausrottung der Variola nicht stattfand. In jedem Jahr traten in Rheinhessen vereinzelte Erkrankungen auf. [Anm. 33] Sehr rasch vergaß man dennoch die Gefahren, die einst von den Menschenblattern ausgegangen waren, eine gewisse Impfmüdigkeit setzte ein. Gegen Ende des Untersuchungsraums kam es noch einmal zu einem Ausbruch der Blattern in Worms, der epidemische Formen annahm. Der Beginn der Epidemie lag um die Jahreswende 1870/71. Ihren Ausgang nahm sie von den Lazaretten, in denen französische Kriegsgefangene untergebracht waren. Bald darauf wurde auch die Zivilbevölkerung tangiert. Eines der ersten Opfer war, wie auch Reissner festhielt, eine italienische Orgelspielerin, die temporär in Worms weilte. Das Sterbebuch der Pfarrei St. Martin nennt unter dem Datum vom 15. Januar 1871 den Tod von Madgalena Moruzzi, [Anm. 34] die am 18. Januar 1871 bestattet wurde. Man hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht für nötig erachtet, aus seuchenpolizeilichen Gründen einen früheren Bestattungstermin anzuberaumen oder gar anzuordnen. In einem Schreiben vom 18. Januar 1871 an die Polizeikommission wurde jedoch auf die hohe Zahl der Pockenfälle aufmerksam gemacht und darum ersucht, man möge die Bevölkerung zur Revakzination aufrufen. [Anm. 35] Es ist bei der Registrierung der Pockenfälle noch mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen, da mit der notwendigen Quarantäne selbstverständlich Unannehmlichkeiten für die Angehörigen verbunden waren.
Für das 18. Jahrhundert konnte die Wormser Familie, trotz feststellbarer konfessioneller Verschiedenheiten, konfessionsübergreifend dem alten Familientypus zugeordnet werden. Große Unterschiede zu Ergebnissen demographischer Forschungen über andere Städte und Orte bestanden kaum. Auch im 19. Jahrhundert kam es weder bei den Katholiken noch bei den Protestanten zu einem tiefgreifenden Wandel. Es liegt hier eine eindeutige Kontinuität vor, in der aber gleichzeitig auch Elemente der Diskontinuität nachzuweisen sind.
Dies gilt vor allem für die Frage nach der Fertilität, mit der auch jene nach dem prokreativen Verhalten als solches in engstem Konnex steht.
Hinsichtlich der Berechnung der Fertilität scheint es notwendig, dass gerade für die Untersuchung des Zeitraumes, der im Zeichen eines einsetzenden demographischen Wandels steht wie etwa das 19. Jahrhundert, neue Wege zu erschließen, welche die soziale Wirklichkeit besser erfassen. Einige Denkansätze seien hier aufgeführt. Selbstverständlich kann nicht auf die Heranziehung der demographisch vollständigen [Anm. 36] Familien verzichtet werden, gerade wenn der Frage nach der Geburtenkontrolle nachgegangen werden soll. Zu hinterfragen ist allerdings der Zeitraum, der für die Fertilitätsphase angesetzt wird. Die Durchsicht sämtlicher im Stadtarchiv Mainz aufbewahrten Aufnahmelisten der an die dortige Hebammenlehranstalt angegliederten Entbindungsklinik ergab, dass ein nicht unbedeutender Teil der dort aufgenommenen Frauen den Zeitpunkt der Menarche mit 17 oder mehr Jahren angab. Die Berechnung der Individualfertilität kann eine Verfälschung der Werte durch juvenile Sterilität weitgehend verhindern. Bei der Berechnung des Alters der Frau bei der letzten Geburt zeigte sich für Worms, dass Fälle, in denen eine Frau nach dem 45. Lebensjahr nochmals ein Kind gebar, vorkamen, ja in Einzelfällen die Gebärende schon über 50 Jahre alt war. So gebar eine Frau mit 52 Jahren ihr 19. Kind.
Die Fertilitätsphase, und hier sei auf eine Kontinuität hingewiesen, wurde wie im 18. Jahrhundert so weit wie möglich genützt, ein Prokreativverhalten, das sowohl in den sozialen Gegebenheiten als auch in der Ehezwecklehre beider Konfessionen seine Wurzeln hat.
Zum besseren Verständnis der folgenden Tabelle sei darauf verwiesen, dass wegen der lückenhaften Matrikelführung in den katholischen Kirchenbüchern hinsichtlich des Alters der genannten Personen für den Zeitraum des 18. Jahrhunderts nur eine relativ schmale Datenbasis zur Verfügung stand.
Die Berechnung der innerehelichen Fruchtbarkeit nach dem bisher angewandten Modus lässt die zahlreichen, früh zerbrochenen Familien weitgehend ausser acht, aber gerade sie gehörten im Alten Reich wie im 19. Jahrhundert zum Lebensalltag. Gleiches gilt für die zum größten Teil noch prokreativen Zweit- und Mehrfachehen. [Anm. 37] Die Möglichkeit einer differenzierten Erfassung der Fertitilität liegt in der Berechnung der individuellen, auf die jeweilige Frau bezogenen, Fruchtbarkeit. Stärker als bislang möglich kann damit auch das jeweilige Frauenschicksal demographisch erfasst werden.(siehe hierzu weitere Tabellen in der pdf-Datei)
In den beiden Ehen wurde die Fertilitätsphase weitgehend ausgeschöpft: bei der Geburt des 18. Kindes zählte die Frau 42 Jahre und 8 Monate. 32 ihrer fruchtbaren Jahre lebte Katharina S. in Ehe. Ihre innereheliche Fruchtbarkeit berechnet sich somit auf den relativ hohen Wert von 562,5.
Nicht einbezogen werden konnte bei der bisherigen Berechnung der innerehelichen Fruchtbarkeit das praenuptiale Sexualverhalten, und gerade auf diesem Sektor trat im Laufe des 19. Jahrhunderts ein entscheidender Wandel ein. Drei Gruppen vorehelichen Prokreativverhaltens können hier unterschieden werden:
Typ I Bei der Eheschließung ist die Braut erstmals von ihren Partner schwanger.
Typ II Aus der Verbindung der beiden Partner sind bereits ein oder mehrere Kinder hervorgegangen; zwischen Eheschließung und Geburt des nächsten Kindes liegen mindestens 9 Monate.
Typ III Aus der Verbindung sind bereits ein oder mehrere Kinder hervorgegangen; bei der Eheschließung ist die Braut erneut schwanger.
Um einen Vergleich mit den Verhältnissen des 18. Jahrhunderts ziehen zu können, wurde als Ehedatum wieder das der kirchlichen Trauung [Anm. 38] als Basis für die Berechnung des protogenetischen Intervalls genommen, vor allem auch um Aufschluss zu gewinnen, inwieweit man sich in den verschiedenen Konfessionen an das kirchliche Verbot vorehelichen Geschlechtsverkehrs gebunden sah.
Im 18. Jahrhundert wurden in den katholischen Matrikeln von Worms nur vier vorehelich gezeugte Kinder notiert. Im 19. Jahrhundert war vor allem auch eine deutliche Zunahme der Typen II und III zu verzeichnen. Die Werte für eine rein innereheliche Fruchtbarkeit und der individuellen Fertilität einer Frau differieren unter Umständen sehr deutlich. Dies gilt vor allem für die Typen II und III.
Das Alter der Frau bei der Eheschließung kann hier nicht mehr als Basis für die Fertilitätsberechnung herangezogen werden.
Bei der Berechnung der individuellen Fruchtbarkeit muss als Grundlage der Berechnung der erste zur Geburt eines (lebenden oder toten) Kindes führende Sexualkontakt angenommen werden.
Mit einbezogen werden können bei der Berechnung der Individualfertilität sodann auch jene Fälle, in denen eine Witwe nach dem Tod ihres Gatten nochmals ein oder mehrere uneheliche Kinder gebar.
Insgesamt zeigt sich, dass der Zeitraum nach 1800 hinsichtlich der demographischen Entwicklung sowohl von Kontinuität als auch von Diskontinuität geprägt war. Ohne die Veränderungen in gesellschaftlicher, mentaler, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht ist eine demograpische Transition nicht denkbar. Sie ist ein auf Dauer angelegter Prozess. Vor allem in der Zeit nach 1800 bildete sich dazu auch in Worms die grundlegenden Faktoren heraus. In den vielfältigen Elementen der Diskontinuität, von denen im Rahmen dieses Vortrages nur einige vorgestellt werden konnten, liegen die Wurzeln des demographischen Übergangs: epidemiologischer Übergang (Verschwinden der Seuchen, zunehmendes Auftreten chronischer Erkrankungen), medizinische Innovationen (zum Beispiel Pockenimpfung), Bildungstransition und nicht zuletzt auch ein Wandel in der konfessionellen Mentalität.
Anmerkungen:
- Wilhelm Müller: Die Verfassung der Freien Reichsstadt Worms am Ende des 18. Jahrhunderts mit der Berücksichtigung der Zeit unter französischer Besatzung bis zum Frieden von Lunéville (Wormsgau, Beiheft 5), Worms 1934, S. 67. Zurück
- Vgl. Friedrich Illert: Der Wendepunkt der Wormser Geschichte. Beiträge zur Geschichte des alten und neuen Worms. In: Der Wormsgau I, 1926/33, S. 130-142, S. 178-187. Zurück
- Vgl. Martina Rommel: Die Wormser und ihre Stadt 1750-1875. Demographische, soziale und konfessionelle Aspekte des Wandels von der Ackerbürger- zur Fabrikarbeiterstadt (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 107), Darmstadt 1996. Zurück
- Illert, Wendepunkt (wie Anm. 2), S. 133. Im 17. Jahrhundert war die Praxis der Stadtbevölkerung nicht anders als in den umliegenden Dörfern. Im Laufe des 18. Jahrhunderts aber lässt sich eine klare Trennung im Verhalten erkennen, die Stadtbewohner benutzten immer mehr andere, neue, ausgefallenere Vornamen, während die Dorfbevölkerung auf dem alten Stand blieb – es ist sogar eine Steigerung im Anteil der fünf beliebtesten Vornamen zu verzeichnen.Allerdings was die Zeitspanne zwischen Geburt und Taufe angeht, die – wie oben gezeigt – spätestens bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts von der konfessionellen Zugehörigkeit der Eltern beeinflusst wurde, scheint die Denkweise der Stadtbevölkerung sich von derjenigen der Landbevölkerung nicht zu unterscheiden; (vgl. Figur 3). Zurück
- Vgl. Rommel, Wormser (wie Anm. 3), S. 145ff. Zurück
- Vgl. ebd., S. 155. Zurück
- Vgl. unten. Zurück
- Vgl. Leo Scheffczyk: "Limbus". In: LThK, Bd. 6, 3. Aufl. Sp. 936-937. Zurück
- Rituale sive Agenda ad usum dioeceseos Wormatiensis edita ..., Worms 1740, S. 27. Zurück
- Statuta Dioecesis Moguntinae, Mainz 1811, §121. Zurück
- Vgl. Rommel, Wormser (wie Anm. 3), S. 171. Zurück
- Vgl. Anton Faber: Europäische Staats-Kantzley Bd.49, o.O. 1727, S. 147-176 Zurück
- Ehebuch der lutherischen Gemeinde, Eintragung vom 8.7.1778 Zurück
- Durch die Bulle "Qui Christi Domini" (29.11.1801) waren die Diözesangrenzen in Frankreich neu bestimmt worden. Tangiert von den Neucircumscriptionen der Bistümer war auch das linke Rheinufer. Die Bischöfe und Erzbischöfe , deren Sprengel sich hier befand, wurden zum Verzicht auf die linksrheinischen Diözesanteile aufgefordert. Das ehemalige Bistum Worms wurde nicht wieder errichtet, sondern seine linksrheinischen Gebiete dem französischen Bistum Mainz zugeschrieben. Die Regelung hatte Geltung bis zur Neuumschreibung der nun wieder deutschen Bistümer in der Zeit nach dem Wiener Kongress. Worms blieb auch nach der Errichtung des heutigen Bistums Mainz (1821/1827, endgültig 1829) Teil dieser Diözese. Zurück
- Josef Ludwig Colmar: geb. 22.6.1760 in Straßburg; 20.12.1783 Empfang der Priesterweihe, 1799-1802 frz. Domprediger in Straßburg, 1.8.1802 durch Napoleon zum Bischof von Mainz ernannt, 7.8.1802 vorläufig durch Kardinallegat Caprara bestätigt; 24.8.1802 Bischofsweihe in Paris; 3.10.1802 Inthronisation in Mainz, 13.11.1802 päpstliche Bestätigung; gest. 15.12.1818 in Mainz. Zurück
- Vgl. Dom- und Diözesanarchiv Mainz (DDAMz) Bestand Domkapitelsarchiv Abt. Colmarsammlung, Bd.15, S. 7ff. Zurück
- Vgl. ebd. Zurück
- Vgl. DDAMz (wie Anm. 17) Bestand Bischöfl. OrdinariatAbt.100/101 Matrimonialia Nr.7, unpag. Zurück
- Weitere Korrespondenz ist bis jetzt in den Archivalien nicht auffindbar. Zurück
- Josef Vitus Burg: geb. 27.8.1768 in Offenburg (Taufname Josef Anton), 1787 Eintritt in den Franziskanerorden in Speyer (Ordensname Vitus), 26.9.1791 Empfang der Priesterweihe; nach Aufhebung des Franziskanerordens in Speyer Übertritt in den Weltklerus; Tätigkeit in der Seelsorge; 1812 Dr. theol.; Vertreter Badens bei den Frankfurter Konferenzen (Neuordnung der Kirche in Deutschland), 1828 Weihbischof von Freiburg (28.9.1828 in Limburg konsekriert); 28.9.1829 Ernennung zum Bischof von Mainz, 12.1.1830 Inthronisation, gest. 22.5.1833 in Mainz. Zurück
- Vgl. Wolfgang Lipgens: Der Briefwechsel zwischen J. V. Burg, Bischof von Mainz (1830/33) und F. A. Spiegel, Erzbischof von Köln. Ein Beitrag zum Abklang der staatskirchlichen Periode. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 13, 1961, S. 360-389. Zurück
- Wilhelm Emmanuel v. Ketteler: geb. 25.12.1811 auf Schloss Harkotten bei Münster; nach dem Abitur zunächst Studium der Rechtswissenschaften, danach Staatsdienst; 1838 aus dem Staatsdienst ausgeschieden (im Zusammenhang mit den sog. Kölner Ereignis); ab 1841 Studium der Theologie, 1.6.1844 Empfang der Priesterweihe; danach Tätigkeit als Seelsorger; 1848 Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt; 15.3.1850 Ernennung zum Bischof von Mainz, 25.7.1850 Bischofsweihe und Inthronisation; gest. 13.7.1877 in Burghausen. Zurück
- DDAMz (wie Anm. 17) Bestand Bischöfl. Ordinariat, Abt.100, unpag Zurück
- Trauungsbuch, Dompfarrei St. Peter, Eintragung vom 30.5.1813 Zurück
- Vgl. Rommel, Wormser (wie Anm. 3), 563. Zurück
- 1800: 3.806 Protestanten und 604 Katholiken; 1828: 4.843 Protestanten 2 und.424 Katholiken; 1837: 5.406 Protestanten und 2.633 Katholiken; 1871: 8.719 Protestanten und 4.600 Katholiken. Zurück
- Als angustia loci wurde im Zusammenhang mit dem Dispens vom Ehehindernis der Blutsverwandtschaft 1847 festgelegt, dass der Wohnort der Braut nicht größer sein dürfe als 300 Haushaltungen. – Vgl. Johann Baptist Sägmüller: Lehrbuch des katholischen Kircherechts Bd.II, Freiburg 3. Aufl. 1914, S. 209. Zurück
- Etienne François: Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, 33), Sigmaringen 1991. Zurück
- Johann Baptist Saenger: geb. 6.8.1804 in Mainz; 31.3.1827 Empfang der Priesterweihe; 1827 Pfarrer von St. Martin, 1847 von St. Peter (Dom) in Worms, 1870 Wahl zum Domkapitular; gest. 25.11.1882 in Mainz. Zurück
- Vgl. Ludwig Lenhart: Des Ketteler-Sekretärs J.M. Raich Vaticanum-Briefe an den Mainzer Domdekan J.B.Heinrich. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 6, 1954, S. 224. Zurück
- Vgl. Rommel, Wormser (wie Anm. 3), S. 304ff. Zurück
- Vgl. ebd., S. 310f. Zurück
- Vgl. F. Reissner: Geschichte und Statistik der Menschenblattern (Variola) und der Schutzpockenimpfung im Großherzogthum Hessen. Nach amtlichen Quellen bearbeitet (Beiträge zur Statistik des Großherzogthums Hessen 28, Heft 3), Darmstadt 1888. Zurück
- Sterbebuch der Pfarrei St. Martin, Eintragung vom 15./18. Januar 1871. Zurück
- Vgl. Stadtarchiv Worms (StAWO) 13/881. Die Revakzination im 12. Lebensjahr war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgeschrieben. Unter den Medizinern und in der zeitgenössischen Literatur war ihre Wirksamkeit sehr stark umstritten.ANM>
Rasch wurde nun auch eine Isolierstation ("Blatternbaracke") eingerichtet, die Verbringung der Kranken dorthin jedoch nicht obligatorisch gemacht. In den Häusern, in denen Pockenkranke lagen, wurden an den Wohnungen oder Zimmern Warntafeln angebracht, die auf die Ansteckungsgefahr hinwiesen. Anhand der im Stadtarchiv Worms aufbewahrten Meldezettel, die ersten datieren von Mitte Januar 1871, lässt sich der zeitliche und stadtgeographische Verlauf der Pockenepidemie recht gut rekonstruieren (vgl Abbildung 1). Für die Zeit bis Juli 1871 liegen 101 Meldezettel vor. Die dichtbesiedelten Stadtteile waren stärker als die übrigen von der Krankheit betroffen: immer wieder genannt werden Judengasse, Sterngasse, Fischmarkt und die Große und Kleine Fischerweide (vgl. Abbildung 2-5). Eine systematische Verbreitung von einem Herd aus lässt sich nicht nachweisen. In direkter Nachbarschaft zu den Lazaretten in der Domdechaneikaserne und „Am Steinern Stock“ sind anscheinend kaum Pockenfälle aufgetreten. Bis zum Jahresende 1871 wurden 128 Pockenfälle registriert, 23 Menschen erlagen den Variola. Unter denen, die sich zur Pflege in das Hospital begaben, lag die Sterberate höher als bei denen, die zu Hause gepflegt wurden.
Vgl. Rommel, Wormser (wie Anm. 3), S.162. Zurück - Unter "demographisch vollständig" werden die Familien betrachtet, bei denen die beiden Ehepartner das 50. oder wenigstens das 45. Lebensjahr vollendet haben und bei denen die Geburts- und Sterbedaten der Kinder eruiert werden können. Zurück
- Für die linksrheinischen Gebiete ist bei den Zweit- und Mehrfachehen auch zu berücksichtigen, daß durch die französische Gesetzgebung auch die Ehescheidung gestattet war Zurück
- Eine stichprobenhafte Überprüfung ergab, daß nur in wenigen Fällen ein deutlicher Abstand zwischen der für Rheinhessen verbindlichen standesamtlichen und der kirchlichen Trauung lag. Zurück