Wahl des ersten Provinzialtags der Provinz Rheinhessen 1875
Nachdem das Großherzogtum Hessen am 18. Januar 1871 zu einem Gliedstaat des neu gegründeten Deutschen Reiches geworden war, kam es auch auf kommunaler Ebene zu Neugliederungen in der Verwaltung. Die 1816 gebildete Provinz Rheinhessen blieb zwar erhalten, doch 1874 trat die neue hessische Kreis- und Provinzialordnung in Kraft. Diese regelte die Einführung von Kreistagen und Kreisausschüssen in den einzelnen Kreisen sowie von indirekt gewählten Provinzialtagen und Provinzialausschüssen auf der höheren Ebene der Provinzen. In Rheinhessen gab es fünf Landkreise: Alzey, Bingen, Mainz, Oppenheim und Worms. Ende 1874 waren die neuen Kreistage in diesen fünf Landkreisen gebildet worden, welche dann im Frühjahr 1875 in ihren ersten Sitzungen den ersten Provinzialtag der Provinz Rheinhessen wählten. Pro 10.000 Einwohner konnten die Kreistage jeweils ein Mitglied für den Provinzialtag wählen. Daraus ergab sich folgende Aufteilung: Die Kreise Alzey und Bingen konnten jeweils vier Mitglieder in den Provinzialtag entsenden, Oppenheim stellte fünf Mitglieder, Worms acht und Mainz hatte als bevölkerungsreichster Kreis Rheinhessens sogar 14 Vertreter. Die insgesamt 35 Mitglieder des Provinzialtags wurden auf sechs Jahre gewählt, wobei alle drei Jahre die Hälfte der Mitglieder neu gewählt wurde und der Provinzialdirektor als stimmloses Mitglied den Vorsitz des Provinzialtags innehatte. Die Aufgaben des Provinzialtags betrafen sämtliche Selbstverwaltungsangelegenheiten der Provinz. Dazu gehörte auch die Entscheidung über das Budget der Provinz. Darüber hinaus wählte der Provinzialtag den Provinzialausschuss. Dieser bestand aus acht Mitgliedern und war für die Sitzungsvorbereitung des Provinzialtags zuständig sowie für die Verwaltung der Provinzialkasse und die Ausführung der Beschlüsse des Provinzialtags. [Anm. 1]
Als alle rheinhessischen Kreise ihre Vertreter für den Provinzialtag gewählt hatten, trat dieser am 25. Mai 1875 erstmals zusammen. Da die Provinzialhauptstadt durch die hessische Kreis- und Provinzialordnung dazu verpflichtet war, dem Provinzialtag einen Sitzungssaal zur Verfügung zu stellen, fanden die Sitzungen im Saal des Mainzer Stadtrates (im 1942 zerstörten Stadthaus in der Stadthausstraße) statt. In dieser Sitzung wurde auch der erste Provinzialausschuss für die Provinz Rheinhessen gewählt. [Anm. 2]
Nachdem das Deutsche Reich 1919 eine Republik und Hessen Volksstaat geworden war, wurde der Provinzialtag während der Phase der Weimarer Republik nicht mehr indirekt von den Kreistagen, sondern alle drei Jahre direkt von der wahlberechtigten Bevölkerung Rheinhessens gewählt. Zudem bestand er ab 1920 aus 40 Mitgliedern, da die Einwohnerzahl Rheinhessens inzwischen die 350 000 überschritten hatte. [Anm. 3]
Verfasser: Felix Schmidt
Verwendete Literatur:
- Hoffmann, Klaus Dietrich: Die Geschichte der Provinz und des Regierungsbezirks Rheinhessen 1816-1985, Alzey 1985.
Erstellt am: 21.09.2016