Bibliothek

0.Die Geschichte der Trinkwasser- und Abwasserversorgung in Mainz

von Wolfgang Stumme

0.1.Die Trinkwasserversorgung

Als die Römer 13/12 v. Chr. das Legionslager Mogontiacum auf der Anhöhe gegenüber der Mainmündung errichteten, mussten sie bereits eine Lösung für die Wasserversorgung ihrer 16.000 Legionäre gehabt haben. [Anm. 1] Neben den archäologisch nachgewiesenen Brunnen nutzten sie möglicherweise kleinere Zuleitungen aus den umliegenden Quellgebieten; gesicherte Erkenntnisse darüber, liegen nicht vor. Erst über acht Jahrzehnte später war mit dem Bau der teils unterirdischen und teils über Aquädukte geführten Wasserleitung die Wasserversorgung des Lagers gesichert. Ob und ggf. ab wann dieses Wasser auch in den zivilen Siedlungskernen unterhalb des Kästrich genutzt werden konnte, ist nicht geklärt.

Spätestens mit dem Einmarsch der Vandalen, Sueben und Alanen zu Beginn des 5. Jahrhunderts verfiel der Aquädukt. Nur eine geringe Fläche des zivilen Mainz war noch bewohnt. Die Einwohner holten ihr Wasser aus Brunnen.
Erst nach dem Ende der Normanneneinfälle im 9. Jahrhundert erholte sich Mainz allmählich. Mit der Zunahme der Bevölkerung wurden weitere Flächen innerhalb der ehemaligen römischen Stadtmauer wieder besiedelt. Das Trinkwasser kam aus Brunnen in der Nähe der bewohnten Gebiete. Nur an wenigen Stellen der Stadt konnte man das Wasser kleinen Bächen entnehmen.

Lange Zeit war nicht bekannt, dass es einen Zusammenhang gab zwischen der Wasserversorgung und der Ausbreitung von Seuchen – wie z. B. Typhus, Ruhr und Cholera. Die Erreger konnten in Abtrittsgruben sehr lange überleben, sich schnell vermehren und durch das Erdreich in die Trinkwasserbrunnen gelangen. [Anm. 2]

Einen großen Fortschritt brachte ab 1724 die Anlage von sog. ‘Röhrenbrunnen’. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn ließ Wasser aus den Bretzenheimer Feldern in Röhren in die nördliche Altstadt führen. Diese Leitung führte direkt zum Schloss. Wenigstens der Kurfürst und sein unmittelbares Umfeld hatten jetzt einwandfreies Trinkwasser. Zwei Jahre später wurde diese Leitung dann an der Burgstraße [Anm. 3] angezapft, um den ‚Neubrunnen‘ mit frischem Wasser zu speisen. Der Neubrunnen versorgte das neu angelegte ‘Bleichenviertel’. 1760 wurde eine weitere Leitung abgezweigt und ein Brunnen mit Bretzenheimer Wasser auf dem Dietmarkt (dem heutigen Schillerplatz) eröffnet. Die Menschen in den dicht bebauten Vierteln um den Dom nutzten weiterhin ihr verseuchtes Grundwasser aus den nahe gelegenen Brunnen. Ein Reisender schrieb 1787, dass das Mainzer Wasser derart schlecht sei, dass man es nur mit Wein vermischt trinken könne.
Die Bevölkerung von Mainz hatte sich in der Zeit zwischen der Eröffnung des Neubrunnens (etwas mehr als 20.000 Einwohner) und ca. 1860 verdoppelt Die Wasserversorgung wurde kritisch. 1863 eröffnete der Ingenieur August Rautert in der Walpodenstraße unterhalb des wasserreichen Kästrich ein privates Wasserwerk, das die Stadt 1888 erwarb und modernisierte. 1899 schloss die Stadt mit der Rheinischen Brauerei Weisenau einen Vertrag über zehn Jahre, in dem sich die Brauerei verpflichtete, die Stadt mit Trinkwasser zu versorgen. [Anm. 4]

1912 begannen Verhandlungen über den Kauf eines Geländes im rechtsrheinischen Ried, um dort ein Wasserwerk zu errichten. Doch durch den Ersten Weltkrieg und die schwierigen Nachkriegsjahre kam es zu Verzögerungen. Erst 1929 ging das städtische Wasserwerk Hofgut Schönau in Betrieb. Das aus 100 Metern Tiefe gewonnene Wasser wurde mittels einer Druckrohrleitung, die über die Südbrücke [Anm. 5] nach Mainz geführt wurde, in das Mainzer Wassernetz eingespeist. Erstmals brauchte die Stadt Mainz sich keine Sorgen mehr über die Trinkwasserversorgung zu machen.

Heutzutage wird zusätzlich Uferfiltrat [Anm. 6] von der Petersaue, aus Bodenheim und aus den Brunnen bei Eich gefördert. Aus den 26 Brunnen der Petersaue gewinnt das Wasserwerk stündlich bis zu 800 Kubikmeter Uferfiltrat.

0.2.Die Abwasserentsorgung

Anders als in spätrömischer Zeit schüttete man in Mainz bis in das 19. Jahrhundert das Schmutzwasser einfach vor die Haustür, wo es meist in das Erdreich sickerte. Die im Mittelalter angelegten Straßenrinnen brachten nicht die Lösung, weil sie meistens mit Unrat verstopft waren und nur selten bis zum Rhein geführt wurden.
Als Mainz im Jahre 1849 von einer Cholera-Epidemie [Anm. 7] heimgesucht wurde, ging man noch davon aus, dass die Krankheiten durch giftige Ausdünstungen des Bodens (Miasmen) übertragen wurden. Der englische Arzt John Snow entdeckte 1854, wie und wodurch die immer wiederkehrende Cholera verbreitet wurde, an der ab 1830 ca. 30 000 Londoner gestorben waren. Konsequenzen zog man aber erst während des Großen Gestanks in London im Sommer 1858. [Anm. 8]
Der Mainzer Stadtbaumeister Eduard Kreyssig konnte bei seinem Amtsantritt auf Untersuchungen der Mainzer Kanalisation zurückgreifen. So war bekannt, dass in Mainz verschiedene Kanäle nur stückweise, unsystematisch und ohne technische Vorkenntnisse gebaut worden waren. Bei Hochwasser wurde das Schmutzwasser geradezu in die Kanäle zurück gedrückt, die daraufhin verschlammten und die Straßeneinläufe verstopften.
Durch die erneute Cholera-Epidemie im Jahre 1866 wurde eine komplette neue Kanalisation dringend erforderlich. Kreyssig legte zwei Jahre später eine Generalplanung, die sich an dem Londoner Vorbild orientierte, für ein zusammenhängendes Entwässerungssystem vor. Ihm kam es vor allem darauf an, dass im Zusammenhang mit der anstehenden Ufererweiterung der Hochwasserschutz verbessert wurde. Er sah getrennte Kanäle für die Altstadt und für die Neustadt vor. Über einen Hauptsammler in der Rheinstraße mit Fortsetzung zur Rheinallee sollte das Abwasser über ein Pumpwerk unterhalb des Zoll- und Binnenhafens in den Rhein geleitet werden.
Diese Planung konnte jedoch nicht sofort umgesetzt werden. Zunächst musste wegen des Hochwasserschutzes die Rheinuferaufschüttung abgewartet werden. Und über die Stadterweiterung im Gartenfeld konnte um diese Zeit nur spekuliert werden. Als dann zehn Jahre später das Gebiet der heutigen Neustadt an die Stadt übergeben wurde, musste das ehemalige Rheinbett erst um drei Meter aufgeschüttet werden.
Gegen Ende des Jahrhunderts waren die Arbeiten an der Kanalisation weitgehend abgeschlossen. Die Absicht, auch das wegen der zunehmend in Gebrauch kommenden Wasserspülung mit Fäkalien belastete Abwasser zu klären. war durchaus gegeben. Dennoch dauerte es bis 1908, als erstmals ein Klärwerk in der Gassnerallee in Betrieb genommen wurde.

Heutzutage umfasst das Einzugsgebiet des Zentralklärwerks in der Industriestraße die Stadt Mainz sowie die Gemeinden Bodenheim und Budenheim. Ein weiterer Ausbau ist geplant. Hochwasserschutz und vor allem angemessene Maßnahmen zur Abwasserreinigung haben schließlich entscheidend dazu beigetragen, dass seitdem größere Epidemien in Mainz ausgeblieben sind.

Verfasser: Wolfgang Stumme

Redaktionelle Bearbeitung: Sarah Traub und Jasmin Gröninger

Verwendete Literatur:

  • Brüchert, Hedwig: Daseinsvorsorge und Sozialpolitik der Stadt Mainz (1890 – 1933). In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz 1999, S. 918 f.
  • Dumont, Stefan: Wasserversorgung in Mainz. In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz 1999, S. 68 f.
  • Kläger, Michael: Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866 – 1914). In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hrsg.): Mainz. Die Geschichte einer Stadt. Mainz 1999, S. 429 – 470.

Aktualisiert am: 27.07.2016

 

Anmerkungen:

  1. Vgl. Dumont, Stefan: Wasserversorgung in Mainz. In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz 1999, S. 68 f. Zurück
  2. Noch im ausgehenden 19. Jahrhundert lieferten viele Brunnen kein einwandfreies Trinkwasser. Vgl. Kläger, Michael: Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866 – 1914). In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hrsg.): Mainz. Die Geschichte einer Stadt. Mainz 1999, S. 429 – 470, (S. 461): „Die vom Mainzer Arzt Florian Kupferberg 1877 angeprangerten Missstände der hygienischen Verhältnisse seiner Vaterstadt illustrieren die schlimmen Wohnverhältnisse in der Mainzer Altstadt um 1875. Der Stadtteil war Hochwasser schutzlos ausgesetzt, das Wasser konnte nach einem Gewitterregen nicht ablaufen, die Feuchtigkeit zog in die Hauswände. Zugluft fehlte weitgehend in den engen Gassen, in denen das Sonnenlicht den Boden nur selten erreichte und sich Gestank aus Schlachthäusern – z. B. dem Ochsenschlachthaus in der Löhrstraße oder dem Kälberschlachthaus in der Schlossergasse – verbreitete. Schmutzhaufen lagen auf der Straße. In der Nähe des „Schönbrunnenreuls“ gab es im Hinterhof eines Anwesens zwischen Mistkauten, Ställen und Abtritten einen Brunnen. Sein Wasser färbte beim Kochen Fleisch rot und Suppe weiß. Dieses Wasser wurde hauptsächlich zur „Bierbereitung“ verwendet, es enthielt große Mengen Ammoniak und Salpetersäure.“ Zurück
  3. Die Burgstraße führte auf die Martinsburg zu. Wir kennen die Burgstraße heute als Große Bleiche.  Zurück
  4. Angesichts der stark anwachsenden Bevölkerung ließ die Stadt am Ende des 19. Jahrhunderts das Wasser zwischen Raunheim und Kelsterbach sowie zwischen Laubenheim und Bodenheim prüfen. Wegen des hohen Eisengehalts kam das rechtsrheinische Fördergebiet nicht in Frage. 1905 wurde das Wasserwerk des Schlacht- und Viehhofs erweitert und mitgenutzt; Nach der Eingemeindung von Mombach und Kastel wurden die dortigen Wasserwerke erweitert. Vgl. Brüchert, Hedwig: Daseinsvorsorge und Sozialpolitik der Stadt Mainz (1890 – 1933). In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz 1999, S. 918 f. Zurück
  5. Die großen Rohrleitungen sind zwischen den Gleisen auf der Südbrücke sichtbar. Zurück
  6. Brauch- oder Trinkwasser wird dann als Uferfiltrat bezeichnet, wenn es aus unmittelbarer Nähe von Flüssen oder Seen stammt. Zurück
  7. Die Cholera ist eine schwere bakterielle Infektionskrankheit vorwiegend des Dünndarms. Zurück
  8. Die ungehinderte Einleitung von Abwasser und Fäkalien in die Themse, aus der auch das Trinkwasser entnommen wurde, hatte bei heißem Wetter dazu geführt, dass viele Bürger London verlassen hatten. Das Parlament beschloss daraufhin den Bau einer Kanalisation und bewilligte 3 Millionen Pfund. Unter der Leitung von Joseph Bazalgette, dem Chefingenieur des Londoner Ausschusses für öffentliche Bauten, wurden 135 km unterirdische Abwassersammler aus Ziegelsteinen gemauert, die das Abwasser flussabwärts von London in die Themse leiteten. Bazalgette hatte für die Abwassersammler ein Querschnittsprofil entwickelt, das einem auf der Spitze stehendem Ei ähnelt. Dieses Profil wird noch heute beim Bau von Kanalisationen beachtet. Zurück