Vom Westerwald in die Welt - Die Verbreitung von ländlichen Genossenschaften
Bereits zu Lebzeiten Raiffeisens verbreiteten sich seine Genossenschaften im In- und Ausland. 1870 gab es 75 Raiffeisen-Darlehnskassenvereine in der preußischen Rheinprovinz. Auch in benachbarten europäischen Staaten wurde Raiffeisen zum Vorbild genommen. Sogar in weit entfernten Ländern wie Indien wurden früh erste ländliche Kooperativen gegründet. Ab 1904 verbreiteten sie sich dort durch Unterstützung der britischen Kolonialmacht stark.
Seit der Neufassung des deutschen Genossenschaftsgesetzes 1889 nahm die Zahl der Raiffeisen’schen Genossenschaften deutlich zu. Im Jahr 1930 schlossen sie sich mit der auf Wilhelm Haas zurückgehenden ländlichen Organisation zusammen. 1932 bestanden rund 40.000 Raiffeisen-Kooperativen im Deutschen Reich, davon etwa die Hälfte Kreditgenossenschaften. Die Eingliederung der Genossenschaften in den Reichsnährstand in der Zeit des Nationalsozialismus bedeutete einen großen Verlust von Autonomie. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gründeten sich neue Zentralorganisationen wie der Deutsche Raiffeisenverband für die Agrar- und Ernährungswirtschaft.
1895 wurde der Internationale Genossenschaftsbund (ICA) zur Vertretung genossenschaftlicher Prinzipien gegründet, 1968 die Internationale Raiffeisen-Union (IRU). Das Interesse an Genossenschaften ist ungebrochen. Einer Erhebung der UN von 2014 zufolge gibt es weltweit mehr als eine Milliarde Genossen in über 2,6 Mio. Zusammenschlüssen. 1,9 Mio. aller Kooperativen befinden sich in Asien, vor allem in Indien und China. Landwirtschaftliche, zumeist kleine Genossenschaften sind am häufigsten. In Entwicklungs- und Schwellenländern kommt Kooperativen eine wichtige Rolle beim demokratischen Ausbau der Wirtschaft zu.
Allerdings haben die umsatzstärksten fast alle ihren Sitz in Europa oder Amerika. Ihre wichtigsten Geschäftsfelder sind Versicherung (34 %), Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie (30 %), Groß- und Einzelhandel (19 %). Banken machen nur 6 % aus.
In Neuseeland, den Niederlanden, Frankreich und Finnland tragen Genossenschaften mehr als ein Zehntel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Auch die Zahl der Genossen pro Einwohner ist hoch. Deutschland liegt bei beiden Aspekten unter den ersten acht Ländern der Welt. Neben den Volks- und Raiffeisenbanken sind bedeutende Handelsunternehmen wie Rewe und Edeka genossenschaftlich organisiert.