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Helmut Kohl

Helmut Kohl, 11. April 1969 [Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F028914-0003 / Foto Detlef Gräfingholt [CC BY-SA 3.0]]

Deutscher Politiker der CDU, 1969 – 1976 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und 1982 – 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (Kanzler der Einheit).

Herkunft und Jugend

Helmut Kohl wurde am 3. April 1930 in Ludwigshafen im Ortsbezirk Friesenheim geboren. Sein Vater war Hans Kohl (1887 – 1975), ein Beamter der bayrischen Finanzverwaltung, seine Mutter war Cäcilia Kohl geb. Schnur (1890 – 1979). Helmut wuchs durch den Einfluss seiner Eltern mit dem katholischen Glauben auf und verbrachte bis zum Kriegsbeginn den größten Teil seiner Kindheit in Friesenheim. [Anm. 1] Nach dem Erwerb des Abiturs im Juni 1950 studierte Kohl 1950/51 in Frankfurt Jura und darauf 1951/52 in Heidelberg Geschichte und Politikwissenschaften. Im Jahr 1958 promovierte Kohl dort mit einer Dissertation über die politische Entwicklung der Pfalz nach 1945 und arbeitete daraufhin als Direktionsassistent in der Eisengießerei Willi Mock in Ludwigshafen. Kohl heiratete 1960 Hannelore Renner und hatte mir ihr zwei Söhne Walter (geboren 1963) und Peter (geboren 1965). Nach dem Tod von Hannelore 2001 heiratete Kohl 2008 Maike Richter. Kohl verstarb am 16. Juni 2017 in Ludwigshafen.

Mit 16 Jahren war Kohl bereits Mitglied der CDU Ludwigshafen geworden und hatte 1947 die Junge Union Ludwigshafen mitbegründet. Kohl arbeitete sich hoch, wurde 1955 Mitglied des Landesvorstandes und am 18. Mai 1959 Mitglied des Landtags.

Konkurrenz zu Altmeier und erste Reformansätze

Landtagswahlen Plakat, 1967[Bild: KAS/ACDP 10-010 : 251 [CC BY-SA 3.0 DE]]

Als Kohl 1959 in den Landtag gewählt wurde, regierte Peter Altmeier (1899 – 1977) bereits seit 1947 als Ministerpräsident und hatte weitreichende Unterstützer in der CDU. Kohl war mit 30 Jahren einer der jüngsten Abgeordneten und konnte zum Unmut von Wilhelm Boden, dem Vorsitzenden der Landtagsfraktion, dem Haushalts- und Finanz-Ausschuss beitreten.

Kohl hatte besonderes Interesse an der Bildungspolitik, da in Rheinland-Pfalz dank verfassungsrechtlicher Stützung katholische Konfessionsschulen das Schulwesen dominierten. In der Verfassung wurde die christliche Erziehung spezifisch hervorgehoben und zwei Arten von Volksschulen festgelegt: einerseits Bekenntnisschulen, bei denen der Unterricht auf Grundsätzen des jeweiligen Bekenntnisses basiert, anderseits Simultanschulen mit christlicher Erziehung, aber ohne eine Pflicht zu dem Bekenntnis. Die Zulassung von Bekenntnisschulen wurde insbesondere von der SPD als Fehler wahrgenommen. Auch Kohl sah in den Konfessionsschulen ein großes Problem, einerseits als Bildungsnachteil für Schüler in Rheinland–Pfalz aufgrund von kleineren ineffizienten konfessionsgebunden Dorfschulen und andererseits, weil die Oppositionsparteien mit ihrer Kritik an den Schulen bei der Bevölkerung punkteten. Das Thema der Konfessionsschulen brachte die CDU in den folgenden Jahren in Konflikt zu den Oppositionsparteien, jedoch wehrten sich viele der älteren CDU-Abgeordneten und insbesondere Altmeier gegen eine Reform. Gleichzeitig erschwerte deren Standpunkt zu den Konfessionsschulen die Koalitionsbildung insbesondere mit der FDP, was Kohl als Gefahr für die CDU sah. [Anm. 2] Kohl konnte dem kulturpolitischen Ausschuss trotz des Widerstandes von Altmeier beitreten.

Die Uneinigkeit zwischen Kohl und Altmeier zeigte sich u.a. bei der Wahl 1961 für die Position des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden nach dem Tod von Wilhelm Boden. Kohl musste in der Wahl gegen den von Altmeier vorgeschlagenen Kandidaten Heinz Korbach antreten. Kohl gewann die Wahl knapp und wurde zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. [Anm. 3]

Den Höhepunkt seiner jungen Karriere erreichte er dann 1963 mit der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden der CDU in Rheinland-Pfalz. Die Aufgabe dieser Position war es eigentlich, andere Mitglieder der Partei von der Parteilinie zu überzeugen und grundsätzlich die Regierung gegen die Opposition zu verteidigen. [Anm. 4] Kohl nutzte diese Position jedoch auch dafür, um die für ihn essenziellen Reformen einzuleiten.

Kohl konnte dank seiner neuen Rolle ein breites Netzwerk an Verbündeten gewinnen. Dies erlaubte ihm, in den unterschiedlichsten Bereichen aktiv zu sein, Einfluss auszuüben und eine politische Richtung vorzugeben. Seine Position als Fraktionsvorsitzender nutzte Kohl nun, um zwei wichtige Erneuerungen in die Wege zu leiten. Als die CDU bei den Landtagswahlen im Jahr 1963 die absolute Mehrheit verlor, sah Kohl die Möglichkeit, die Bildungsreform trotz des Widerwillens der älteren Mitglieder einzuleiten. Die Reformen zielten auf eine Erneuerung der Lehrerausbildung und der Volksschule ab und sollten dabei Einschränkungen im Bezug auf die Bekenntnisse aufheben. Demnach wäre es nicht mehr relevant, in welchem Bekenntnis die Lehrer:innen geschult wurden und würde auch verhindern, dass Schulen nur Kinder mit einem bestimmten Glauben aufnehmen beziehungsweise priorisierten. Nebenbei wurde als Kompromiss der konfessionelle Fokus auf Privatschulen gelenkt und diese wurden neu strukturiert und finanziert. [Anm. 5]Auch wenn diese Schritte das Angriffspotenzial der Opposition schwächten, wollte Kohl einen Streit in den eigenen Reihen vermeiden. Die Unterstützung der Konfessionsschulen hatten Altmeier und der CDU für lange Zeit eine katholische Basis gesichert. Kohl wollte nicht den Schein erwecken, dass in einem Versuch, die Opposition zu entkräften, die katholischen Schulen geopfert würden. Vielmehr argumentierte Kohl, die Bildungsmöglichkeiten der Schüler in Rheinland-Pfalz zu verbessern, und machte dies an der damals schlechteren Leistung der Schüler:innen im Vergleich zu anderen Bundesländern dar.  

Neben dem Bildungswesen engagierte sich Helmut Kohl insbesondere für eine Reform der Verwaltung. Aufgrund der Entstehung von Rheinland-Pfalz aus den unterschiedlichen Herrschaftsgebieten von Preußen, Hessen und Bayern gab es grundlegende Unterschiede in der Verwaltungsstruktur und dem Verwaltungsrecht der jeweiligen Provinzen. [Anm. 6]Infolgedessen litt durch diese unterschiedlichen Strukturen die bürokratische Effizienz und hatte auch höhere Personalkosten zur Folge. Kohls Ziel war nun, ein einziges Landesrecht zu etablieren und ein neues Gemeindeverfassungsrecht zu schaffen. Verwaltungsreformen dieser Größe waren unbeliebt und konnten meist nur infolge externer Faktoren wie in Krisenzeiten problemlos durchgeführt werden. Um die Wähler nicht zu verärgern, versuchte Kohl daher Diskussionen über das Ausmaß der Verwaltungsreform so lang wie möglich zu vermeiden. Bis zur Kommunalwahl 1969 sollte die Reform feststehen. Dafür wurde die Einheit der Verbandsgemeinde zur Stärkung der Ortsgemeinde eingeführt: Dadurch wurden bereits existierende kleine Gemeinden miteinander verbunden. Die Anzahl der Regierungsbezirke und Landkreise verringerte sich im Laufe der Reformen erheblich. [Anm. 7] Zwar war dies nicht das Ende der Reform, da in den folgenden Jahren noch weitere Gesetze beschlossen wurden, jedoch konnte Kohl damit eine der schwersten und wichtigsten Änderungen noch vor seinem Antritt als Ministerpräsident in den Weg bringen. 

Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz 1969 – 1976

Wahlplakat[Bild: KAS/ACDP 10-001: 1520 [CC BY-SA 3.0] DE]

Rheinland-Pfalz war wirtschaftlich schwächer als andere Bundesländer. Es hatte kaum großindustrielle Betriebe, war infrastrukturell nicht gut eingebunden und hatte einen zersplitterten und wenig automatisierten Agrarsektor. Daher wollte Kohl weitere Veränderungen auf dem Weg bringen. Für die Durchführung seiner weiteren Reformvorhaben sah Kohl die Position als Ministerpräsident und wichtiger den Abgang von Peter Altmeier als notwendig an. Innerhalb der Partei wurde auch nicht hinterfragt, dass Kohl der Nachfolger werden würde. Selbst Altmeier war dies bewusst, welcher dann auf Wunsch der Partei noch im Mai 1969 während seiner Legislaturperiode zurücktrat und seine Stelle für Helmut Kohl freimachte. Mithilfe der Stimmen der FDP-Abgeordneten wurde Kohl zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt. Kohl gewann während seiner Zeit als Ministerpräsident zwei Landtagswahlen und regierte mit einer absoluten Mehrheit, was ihm wiederum einen größeren Spielraum für weitere Reformen gab.

Die bereits angefangenen Bildungs- und Verwaltungsreformen wurden abgeschlossen. Besonders letztere erforderten noch eine Vielzahl an zusätzlichen Gesetzesbeschlüssen. Um einen besseren Anschluss an die Nachbarbundesländer zu ermöglichen war auch eine Verbesserung der Infrastruktur notwendig. Rheinland-Pfalz war unzureichend an das bundesweite Autobahnnetzwerk angeschlossen. Dies wurde mit dem Ausbau der A61 im Jahr 1975 mit dem Anschluss des Gebiets von Koblenz bis Frankenthal und Ludwigshafen verbessert und war für die Ansiedlung von Gewerbe wichtig. Somit wurden die nördlichen und südlichen Gebiete von Rheinland-Pfalz im Autobahnnetzwerk verbunden.

Ein weiterer Interessenbereich war der Tourismus und Orte der kulturellen Bildung. Dafür wurden beispielsweise auch persönliche Gespräche mit dem Haupt der Familie Wittelsbach für das Schloss Villa Ludwigshöhe geführt. Diese wurde 1975 von Land Reinland-Pfalz erworben, grundlegend restauriert und anschließend als Veranstaltungsort für Konzerte, Ausstellungen und als Galerie für die Gemälde von Max Slevogt genutzt. Daneben wurde 1970 die Doppeluniversität Trier-Kaiserslautern eröffnet, die sich fünf Jahre später in zwei unabhängige Einzeluniversitäten teilte. [Anm. 8]

Neben seiner Arbeit als Ministerpräsident fokussierte sich Kohl auf die Möglichkeit Bundeskanzler zu werden. Dafür musste er jedoch innerhalb der bundesweiten CDU aufsteigen. Sein Ziel war es daher Parteivorsitzender der CDU zu werden. Dabei erlitt er eine seiner größten politischen Niederlagen, als er die Wahl zum Parteivorsitzenden 1971 gegen Rainer Barzel verlor. Nach einem gescheiterten Misstrauensvotum gegen Willy Brandt und einer Niederlage bei der Bundestagswahl 1972 trat Barzel 1973 aufgrund eines internen Streits als Fraktionsvorsitzender zurück und Karl Carstens wurde Fraktionsvorsitzender. Kohl schaffte es 1976, Fraktionsvorsitzender der CDU zu werden, und wurde als neuer Kanzlerkandidat empfohlen.

Bundeskanzler 1982 – 1998

Erich Honecker und Helmut Kohl in Bonn, 1987[Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1987-0907-017 / Foto Klaus Oberst [CC BY-SA 3.0]]

Kohl wurde am 1. Oktober 1982 durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt zum sechsten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Die Umstände des Misstrauensvotums und der Koalitionswechsel der FDP sorgten für Kontroversen und schließlich stellte Kohl die Vertrauensfrage im Bundestag. Nach deren Scheitern wurde das Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den März 1983 geplant. Bei dieser Bundestagswahl konnte die CDU knapp mit der FDP eine Koalition bilden. [Anm. 9]

Helmut Kohl war der am längsten amtierende Bundeskanzler (17 Tage mehr als Angela Merkel) der Bundesrepublik Deutschland. Als Bundeskanzler erreichte Kohl die Spitze seiner politischen Karriere. Obwohl er seit mehr als 20 Jahren bereits in der Politik tätig war, konnte er als Kanzler stärker die Aufmerksamkeit der bundesweiten Bevölkerung auf sich ziehen. Diese Aufmerksamkeit brachte Kohl auch in einen Konflikt mit einigen Medienorganisationen wie dem Spiegel. Diese standen der CDU und Kohls Politik kritisch gegenüber.  

Kohls Zeit als Bundeskanzler lässt sich in zwei größere Bereiche einteilen, die Innenpolitik und die Außenpolitik. Besonders letztere war aufgrund der Spannungen während des Kalten Krieges und dem Verhältnis zu der DDR äußerst wichtig. Der größte Meilenstein in Kohls politischer Karriere war dementsprechend seine Rolle in der Wiedervereinigung. 

Rede in Dresden, 19. Dezember 1989.[Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1219-034 / Foto Rainer Mittelstädt [CC BY-SA 3.0]]

In den späten 1980er Jahren kam es in der DDR immer wieder zu Unruhen, welche unterdrückt wurden. Als jedoch der neue Generalsekretär der kommunistischen Partei in der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, 1985 angedeutet hatte, dass Ostblockstaaten politisch ihren eigenen Weg gehen könnten, entfachten in den Ostblockstaaten wieder Proteste. Im Jahr 1989 versuchten Bürger:innen der DDR über Ostblockstaaten wie Ungarn oder Tschechien zu fliehen.

Zu der Zeit versuchte Kohl Gorbatschow zu überzeugen, dass die BRD nicht an einem Chaos in der DDR interessiert sei. [Anm. 10] Kohl wünschte sich zwar die Wiedervereinigung, jedoch war zu der Zeit das Eskalationspotenzial zu groß. Die Lage wurde weiterhin beobachtet, um die Reaktion der Sowjetunion und der SED zu den Demonstrationen und Flüchtlingen einzuschätzen.

Nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und einem Bekenntnis von Gorbatschow zur Unabhängigkeit der Ostblockstaaten, erkannte Kohl, dass eines seiner größten Ziele erreichbar war. Neben der DDR und Sowjetunion mussten auch die westlichen Partner vor allem in Europa von der Wiedervereinigung überzeugt werden. Denn selbst wenn eine grundsätzliche Vereinigung möglich wäre, war nicht klar, wie diese genau aussehen könnte. Allein die Mitgliedschaft in der NATO hätte zu einem Konflikt mit der Sowjetunion führen können, was die westlichen Partner vermeiden wollten. Gleichzeitig würde ein vereintes Deutschland eine größere Rolle in Europa spielen, was wiederum insbesondere die britische Premierministerin Margaret Thatcher als Problem sah. [Anm. 11] Kohl musste viele überzeugen und handelte in einigen Fällen, insbesondere in Bezug auf die DDR, ohne Besprechungen mit Partnern wie bei dem 10-Punkte-Programm oder der Empfehlung, die deutsche Mark in der DDR in einem 1:1 Verhältnis einzuführen.

Mit dem Fall der DDR und einem wiedervereinigten Deutschland veränderte sich innerhalb von wenigen Jahren die politische Lage von Grund auf. Mit den Unterzeichnungen des Zwei-Plus-Vier-Vertrags 1990 endete in Deutschland die Nachkriegszeit und die damit verbundenen politischen Beschränkungen. Mit dem Nachbarschaftsvertrag mit Polen wurde nun auch die Ostgrenze zu Polen anerkannt. Die CDU unter Kohl gewann die erste gesamtdeutsche Bundeswahl und wurde zum Kanzler der Wiedervereinigung. Innenpolitisch verantwortete er einige Reformen in der Finanzpolitik und im Gesundheitswesen. Weitere politische Vorhaben scheiterten in den letzten Jahren seiner Kanzlerschaft, unter anderem da die CDU im Bundesrat die Mehrheit verlor. Trotz alledem sicherte sich Kohl durch seine Rolle bei der Wiedervereinigung einen Platz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, auch wenn die Durchführung der Wiedervereinigung öfters als überhastet eingestuft wurde. [Anm. 12]

Grenzöffnung Brandenburger Tor, 22. Dezember 1989.[Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1222-034 / Foto Klaus Oberst [CC BY-SA 3.0]]

Helmut Kohl und Francois Mitterand, Wahlplakat für Europawahlen, 1989[Bild: KAS/ACDP 10-030 : 226 [CC BY-SA 3.0 DE]]

Das zweite große Ereignis in Kohls Kanzlerschaft war die Einführung des Euros und eine stärke Integrierung in die Europäische Union, vor allem durch eine Stärkung des Europäischen Parlaments. Dabei arbeitete Kohl eng mit seinem französischen Kollegen Francois Mitterand zusammen. Mit der Einführung der Europäischen Währungsunion am 1. Januar 1999 und der Unterzeichnung weiteren Abkommen konnte Kohl seine europäischen Ziele erreichen. Er sah für die Bundesrepublik eine stabile Zukunft nur innerhalb eines europäischen Konstrukts. [Anm. 13] Dabei gab er zu, dass die Einführung des Euros äußerst unangenehm war, da in der Bevölkerung der Wechsel von der Deutschen Mark zu Problemen führte. 

Nach seiner Wahlniederlage gegen Gerhard Schröder im Jahr 1998 stand Kohl im Zentrum des Skandals um die CDU-Spendenaffäre. Er hatte Spenden in Million-Höhe angenommen, ohne diese entsprechend dem Parteiengesetz anzugeben. In der Folge legte Kohl auf Wunsch der Parteispitze seinen Ehrenvorsitz in der CDU nieder. 

Kohl in der Erinnerung

Helmut Kohl war eine außergewöhnliche Figur in der Geschichte der BRD, die polarisierte. Seine Zeit als Fraktionsvorsitzender und Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz wurde grundsätzlich positiv aufgenommen. Kohl war maßgeblich an der Umgestaltung von Rheinland-Pfalz (Schule, Verwaltung, Infrastruktur) beteiligt. „Durch und durch Pfälzer“ und ähnliche Beschreibungen fokussieren sich darauf, wie wichtig die Heimat für Kohl war und dass er kein Interesse daran hatte, sich kulturell zu ändern. Er lud auch viele Politiker aus dem Ausland nach Rheinland-Pfalz ein und versteckte seinen pfälzischen Dialekt nicht. 

Helmut Kohl als Bundeskanzler wird unterschiedlicher bewertet. Als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz waren selbst linksgerichtete Medien wie der Spiegel aufgrund seiner Leistungen mit Kohl zufrieden. Jedoch wurde hinterfragt, ob der Erfolg in Rheinland-Pfalz überhaupt übertragbar auf die ganze Bundesrepublik wäre. [Anm. 14]. Die Berichterstattung über Kohl ging somit über die Parteizugehörigkeit hinaus und fokussierte sich spezifisch auf sein Verhalten, sein Aussehen und seine Sprache. Dadurch wurde Kohl auch zu seiner Zeit als Bundeskanzler zur Hauptfigur von Satire. Aufgrund seiner Körperfülle wurde er beispielsweise als „Birne“ bezeichnet.

Mehrere Treffen mit ausländischen Politikern wurden von den Medien ausgiebig und kritisch thematisiert. Insbesondere in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus kam es zu einigen Kontroversen. Beispielsweise der Besuch vom Ehrenfriedhof in Bitburg mit US-Präsident Ronald Reagan 1985, auf dem auch Mitglieder der SS begraben wurden. [Anm. 15]Aussagen wie die „Gnade der späten Geburt“ für die Deutschen, die während der Verbrechen der Nationalsozialisten zu jung waren, sorgten in Medien für Diskussionen.  Auch politische Handlungen wurden kritisiert, allem voran Kohls Rolle in der Wiedervereinigung.

Kohl handelte oft ohne Kooperation mit Partnern und leitete grundlegende Veränderungen ein, ohne sie dabei genau durchzuplanen. Dies zeigte sich besonders bei den wirtschaftlichen Folgen der Wiedervereinigung, wo Kohl anfangs nicht auf notwendige Maßnahmen wie Steuererhöhung eingegangen war. Dies führte zu langjährigen Folgen wie der Einführung des Solidaritätszuschlags. [Anm. 16]Trotz alledem wird die Wiedervereinigung und auch die Europäische Integration als eine von Kohls größten Leistungen betrachtet, an denen er maßgeblich beteiligt war.   

 

[Bild: KAS/ACDP 10-025 : 394 [CC BY-SA 3.0 DE]]

Nachweise

Verfasser: Murat Topalli, erstellt am 10.08.2022

Verwendete Literatur: 

  • Kahlenberg, Friedrich P. (Hg.): Kreuz-Rad-Löwe. Rheinland-Pfalz - ein Land und seine Geschichte. Bd. 2, Vom ausgehenden 18. bis zum 21. Jahrhundert. Mainz 2012.
  • Köhler, Henning: Helmut Kohl. Ein Leben für die Politik. Die Biografie. Köln 2014.
  • Noack, Hans-Joachim; Bickerich, Wolfram: Helmut Kohl. Die Biographie. Berlin 2010.
  • Rödel, Eva: Der Streit um die Bekenntnisschule. Der „Schaukampf“ in Rheinhessen und seine Folgen. 1952 – 1955. Ubstadt-Weiher 2013 (Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, 29).
  • Schwarz, Hans-Peter: Helmut Kohl. Eine politische Biographie. München 2012.
  • Ziegler, Hannes: Politiker in Rheinland- Pfalz. Unsere Ministerpräsidenten. Annweiler 2003.

Anmerkungen:

  1. Köhler, 2014, S. 13ff. Zurück
  2. Schwarz, 2012, S. 108f.  Zurück
  3. Köhler, 2014, S. 88f.  Zurück
  4. Köhler, 2014, S. 97f.  Zurück
  5. Rödel, 2013, S. 356.   Zurück
  6. Kahlenberg, 2012, S. 238f.   Zurück
  7. Kahlenberg, 2012, S. 240ff.  Zurück
  8. Ziegler, 2003, S. 76. Zurück
  9. Schwarz, 2012, S. 272-274. Zurück
  10. Noack, 2010, S. 200f.  Zurück
  11. Noack, 2010, S. 210f. Zurück
  12. Noack, 2010, S. 223ff.  Zurück
  13. Noack, 2010, S. 235ff.  Zurück
  14. Noack, 2010, S. 150f.  Zurück
  15. Noack, 2010 S. 182f.  Zurück
  16. Noack, 2010, S. 224-226.  Zurück