Bibliothek

Abraham Weill (1831-1902) - Ein Lambsheimer als Wohltäter in Amerika

Abraham und Barbara Weill

Beleuchtet werden soll hier die Lebensgeschichte des 1848 nach Amerika ausgewanderten Handelsmanns, Südstaatenkämpfers und Mitbegründers einer jüdischen Gemeinde und Synagoge, Abraham Weill, der in seinem Geburtsort Lambsheim und seiner pfälzischen Heimat weitgehend unbekannt geblieben ist.[Anm. 1]

Abraham Weill wurde am 1.10. 1831 in Lambsheim als Sohn des Handelsmanns Naphtali Weill (1795-1834) und dessen aus Wachenheim stammender Ehefrau Wilhelmina Kaufmann (1796-1863) geboren. Die Familie seines Großvaters väterlicherseits, des Viehhändlers Levy Weill, stammte aus Großlissa in Polen.[Anm. 2]

Mitte des 19. Jahrhunderts lebten 36 Familien jüdischen Glaubens in Lambsheim. Zu dieser Zeit gab es eine Synagoge, eine jüdische Schule, ein rituelles Bad und einen jüdischen Friedhof in Lambsheim.[Anm. 3]

Abraham Weill emigrierte 1848 in die USA; - ob er möglicherweise zu den sogenannten „Forty-Eighters“ gehörte, also denjenigen, die nach der gescheiterten Märzrevolution von 1848 aus politischen Gründen Deutschland verlassen hatten, ist nicht bekannt, aber eher unwahrscheinlich.

Auch Verwandte von Abraham Weill emigrierten, so zum Beispiel der Sohn seines älteren Cousins Jakob Weill (geb. 1.4. 1812), Alexander Weill (geb. 8.3. 1837). Er war im Jahr 1853 nach Nordamerika ausgewandert und dann vermutlich nach Newnan in Georgia gezogen. [Anm. 4]

Die übrige Familie jedoch, unter anderem sein gleichnamiger Cousin Abraham Weill (geb. 29.8. 1816), Sohn seines Onkels Alexander Weill (geb. 17.4. 1783),[Anm. 5]  verblieben in Lambsheim. Dieser Abraham Weill engagierte sich stark in der jüdischen Gemeinde seines Heimatorts, er gehörte von 1854 – 1880 dem Vorstand der israelitischen Gemeinde an und unterzeichnete in dieser Funktion im Jahr 1856 die Satzungen des israelitischen Krankenunterstützungsvereins.[Anm. 6]

Der zu dieser Zeit bereits in Nordamerika ansässige Auswanderer Abraham Weill wird nach einem vorübergehenden Aufenthalt in New York oder Philadelphia schon bald weiter südlich in den Bundesstaat North Carolina gezogen sein. Denn in der an der Südostküste am Cape Fear River nahe des Atlantiks gelegenen Hafenstadt Wilmington heiratete er am 12. März 1856 die ebenfalls aus dem Bayerischen stammende Barbara, geb. Mayer (1835-1885) und hatte mit ihr neun Kinder, drei Söhne und sechs Töchter.[Anm. 7]  

Frank D. Smaw: Wilmington Directory 1865; online abrufbar auf: http://archive.org

Abraham Weill lebte mit seiner Familie laut Zensus 1860 in Wilmington, 1870 in Philadelphia, 1880 aber wieder in Wilmington.[Anm. 8]  Wie im Allgemeinen die Mobilität der Juden sehr hoch war, so existierte aufgrund der günstigen Dampfschifffahrtsverbindungen ein reger Verkehr zwischen den Staaten North Carolina und Pennsylvania und hier insbesondere zwischen den Städten Wilmington und Philadelphia.[Anm. 9]  Auch Abraham Weill, der schon von seiner Tätigkeit als „agent“[Anm. 10]  her beruflich viel auf Reisen war, gehörte zu diesen Staatenpendlern. Der ehemalige Lambsheimer, der im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) in der Armee der Konföderierten Staaten – der von der Union sich lossagenden Südstaaten – gedient und dort für die medizinische Versorgung der Truppen in Charlotte verantwortlich gewesen war, war ein vielbeschäftigter Mann. Er war Beauftragter der „Atlantic Coast Line Railroad Company“, einer in den östlichen Südstaaten von Amerika seit 1840 operierenden Eisenbahngesellschaft[Anm. 11]  und betrieb daneben in den 1860er Jahren in Wilmington zusammen mit Simon Anathan, später mit G. Rosenthal, einen Textil- und Gemischtwarenhandel.Vgl. Kelley`s Wilmington directory 1860; online abrufbar auf: archive.org  Hier gab es neben Textilien auch Ausstattungsgegenstände für den Herrn wie Trikotagen, Strümpfe, Schuhe, Stiefel, Hüte, Kappen, Bade- u. Sporthosen etc. sowie Schneidwerkzeuge zu erwerben.

Anfang bis Mitte der 1870er Jahre muss Abraham Weill wieder in Wilmington gelebt haben, denn seit 1872 trafen sich in seinem Haus jüdische Bewohner Wilmingtons, darunter zahlreiche deutsche Immigranten, um die Gründung einer reformierten jüdischen Gemeinde und die Errichtung einer Synagoge vorzubereiten. Nach der Grundsteinlegung am 15. Juli 1875 wurde die Synagoge „Temple of Israel“ als erste Synagoge North Carolinas am 12. Mai 1876 feierlich eingeweiht. Solomon Bear (Böhr), der aus Öttershausen (Kreis Kitzingen, Unterfranken) stammte, wurde Präsident, Abraham Weill selbst Vizepräsident der Gemeinde.[Anm. 12]

Zehn Jahre zuvor hingegen, am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs 1865, hatte sich Abraham Weill vorübergehend in Charlotte, South Carolina, aufgehalten. Hier wurde er 1865 zum Stadtrat gewählt. Seine Beziehungen zur Politik waren daher eng und er kannte natürlich den ehemaligen Justizminister (Attorney General) des Konföderiertenparlaments Judah Philip Benjamin, der später als Kriegsminister (Secretary of War) und zum Ende der Konföderation als Außenminister (Secretery of State) gewirkt hatte.

Abraham Weill war es nun, der Benjamin nach dem verlorenen Krieg im April 1865 für einige Zeit Unterschlupf in seinem Haus in Charlotte gewährt hatte.[Anm. 13]  

Und auch als der ehemalige Südstaatenpräsident Jefferson Davis im März 1865 von seinem Amtssitz in Richmond, Virginia, nach Georgia fliehen musste, unterstützte Abraham Weill dessen Familie großzügig.[Anm. 14]  Er mietete z.B. ein Haus in Charlotte an und ließ den Jeffersons, als sich herausstellte, dass es dort keine eingerichtete Küche gab, Lebensmittel, Mahlzeiten und andere notwendige Dinge aus seinem eigenen Haus zukommen.

Diese Hilfsbereitschaft eines großherzigen Menschen sei bereits als eine besondere Begebenheit in die Geschichte North Carolinas eingegangen, hieß es 1902 in einem Nachruf auf Abraham Weill.[Anm. 15]  Abraham Weill galt als „einer der ältesten und prominentesten jüdischen Bürger Wilmingtons“,[Anm. 16]  der zeit seines Lebens ein erfolgreicher und nicht unvermögender Mann[Anm. 17]  war. Was ihn am 30. Juli 1902 jedoch bewogen haben muss, seinem Leben durch einen Sprung in den Cape Fear River ein Ende zu setzen, das war selbst seinem engsten Freundeskreis ein Rätsel, so der Verfasser eines Zeitungsberichts über diese unerwartete und unerklärliche Tat.[Anm. 18]  Zwar sei er in den letzten Wochen bei schlechter Gesundheit und oft depressiv und melancholisch gestimmt gewesen, aber deshalb gleich und ohne ein Wort der Vorwarnung einen Selbstmord begehen?

Abraham Weill wurde bei seinem Selbstmordversuch zwar gerettet, erlangte aber aufgrund seiner geschwächten Gesundheit und eines erlittenen Schocks nicht mehr das Bewusstsein und verstarb noch am gleichen Tag.

An seiner Begräbnisstätte auf dem Oakdale Cemetery in Wilmington wurde noch einmal an seine Rettung der Familie des Konföderiertenpräsidenten Jefferson Davis gedacht:

In memorial of Abraham Weill. A loyal Friend of the Southern Confederacy and a Benefactor in time of need to our beloved President Jefferson Davis"

[“Im Andenken an Abraham Weill. Ein treu ergebener Freund der Konföderation und ein Wohltäter in der Zeit als unser geliebter Präsident Jefferson Davis Hilfe brauchte“]

Oakdale Cemetery Wilmington, NC

Oakdale Cemetery Wilmington, NC

Verfasserin: Martina Graf

Redaktionelle Bearbeitung: Christoph Schmieder

Anmerkungen:

  1. Vgl. Kurt Kinkel: Die Juden in Lambsheim. Lambsheim 1981 Zurück
  2. Vgl. Heinrich Rembe: Lambsheim. Die Familien von 1547 bis 1800. Kaiserslautern 1971; Bd. II. Die Familien mit Heiratsdaten von ca. 1800 – ca. 1830. Kaiserslautern 1983, S. 181ff Zurück
  3. Vgl. http://www.alemannia-judaica.de/lambsheim_synagoge.htm Zurück
  4. Vgl. Heinrich Rembe: Lambsheim, Bd. II, S. 182; www.ancestry.com: 1860 United States Federal Census Zurück
  5. Vgl. Heinrich Rembe: Lambsheim, Bd. II, S. 181f Zurück
  6. Vgl. Landesarchiv Speyer H 33 Nr. 755 Zurück
  7. Vgl. ancestry com: family trees; family group sheet Zurück
  8. Vgl. ancestry.com: 1860, 1870, 1880 United States Federal Census Zurück
  9. Vgl. Anton Hieke: Jews at the Cape Fear Coast. A Portrait of Jewish Wilmington, NC, 1860-1880. In: Southern Jewish History, 13.2010, S. 18 Zurück
  10. Der Begriff hat mehrere Bedeutungen: zum einen bezeichnet er einen Beauftragten, Bevollmächtigten, zum anderen aber auch einen Vermittler, Handelsmakler oder Kommissionshändler, im engeren Sinne auch einen Kapitalvermittler (Broker) oder Immobilienmakler Zurück
  11. Vgl. en.wikipedia.org: Atlantic Coast Line Railroad; 1840 wurde eine Verbindung zwischen Wilmington und Raleigh angeboten, 1853 kam eine weitere zwischen Wilmington und Florence, South Carolina hinzu; eine dritte Strecke verkehrte zwischen Wilmington und Charleston, South Carolina; vgl. auch http://www.railga.com/acl.html Zurück
  12. Vgl. Anton Hieke: Jews at the Cape Fear Coast, S. 10, S. 29 Zurück
  13. Vgl. http://www.ncmarkers.com Zurück
  14. Vgl. Neil A. Grauer: The Second Rescue of Mrs Davis. In: The Baltimore Sun 22. Dezember 1990; abrufbar unter http://familytreemaker.genealogy.com/users/h/e/d/Barry-K-Hedden/FILE/0004page.html Zurück
  15. Vgl. The Atlanta Constitution 31. Juli 1902; abrufbar unter www.ancestry.com Zurück
  16. Vgl. ebd. Zurück
  17. Vgl. www.ancestry.com: 1860 United States Federal Census; danach besaß Abraham Weill bereits 1860 ein Vermögen von 55.000 $ Zurück
  18. Vgl.  The Atlanta Constitution a.a.O. Zurück