Gegründet wurde das freiadlige Stift Wallenstein im Jahr 1759 von Maria Amalia von Schlitz genannt von Görtz, geborene Freiin von Wallenstein (1691-1762). Maria Amalia, die nach dem Tod ihres Mannes und ihrer beiden Brüder ohne Erben zurückgeblieben war, sah sich mit dem Aussterben ihres Familienzweigs konfrontiert. Um den Namen des alten Adelsgeschlechts der Wallenstein im Bewußtsein der Nachwelt zu verankern, verfügte sie in ihrem Testament die Gründung eines geistlichen Stiftes. In dieses sollte nach ihrem Willen nur Damen aufgenommen werden, die mindestens 16 adlige Ahnen und das Bekenntnis zum lutherischen oder reformierten Glauben vorweisen konnten.
Institutionen dieser Art waren vor allem in Norddeutschland häufig anzutreffen. Es handelte sich um klassische Versorgungsanstalten für alleinstehende adlige Frauen. Die Stiftsfräulein gelobten bei ihrem Eintritt die Ausübung bestimmter, meist karitativer Aufgaben, um - von männlicher Herrschaft weitgehend unbehelligt und materiell durch das Stiftsgut versorgt - mehr oder weniger eng unter der Führung einer Äbtissin zusammenzuleben. Der Austritt, etwa zum Zweck der Heirat, war jederzeit möglich. Das Stift Wallenstein unterschied sich von anderen Anstalten vor allem durch seine ungewöhnliche Lage, denn seit 1832 war es im Palais Buseck mitten im Herzen der katholischen Bischofsstadt Fulda untergebracht.
Ausstellung und Begleitband zeichnen liebevoll die Geschichte dieser kleinen Frauengemeinschaft in der Diaspora nach. Zu sehen sind die kostbaren Herrschaftssymbole der Fuldaer Äbtissinnen, aber auch Inventar wie Tafelsilber, Meißner Porzellan und nicht zuletzt die gut erhaltene, vor allem aus Belletristik des 19. Jahrhunderts bestehende Damenbibliothek. Fotoalben zeigen Porträts der Stiftsbewohnerinenn, die dem Betrachter oft voller Stolz, in eleganter Abendtoilette und mit den Abzeichen der Gemeinschaft versehen, entgegenblicken. Die Begleittexte von Stefan Römmelt stellen all das in einen historischen Zusammenhang. Sie erzählen, wie die Frauen den politischen, sozialen und konfessionellen Herausforderungen in den turbulenteren Zeiten der deutschen Geschichte - der Revolution von 1848, der Reichseinigung von 1871 und nicht zuletzt den beiden Weltkriegen - zu begegnen wußten. Sie verschweigen aber auch nicht, welche Grenzen selbst dieser relativ autonomen Lebensform in der provinziellen Enge von hessisch Sibirien gesetzt waren. Die Geschichte des Stift Wallenstein, das bis 1992 als selbstständige Einrichung bestanden hat, wird somit auch dem historischen Laien anschaulich vor Augen geführt.
Freiheits(t)räume - das freiadlige Stift Wallenstein von 1759 bis 1992. Bearbeitet von Stefan W. Römmelt mit einem Vorwort von Otto von Boyneburgk. Herausgegeben von Gregor K. Stasch. Begleitband zur Ausstellung im Vonderau Museum Fulda 11. Februar - 11. April 2010. Erschienen im Michael Imhof Verlag. ISBN 978-3-86568-584-1