Mengerschied im Hunsrück

Ein spätgotischer Taufstein und die Glocke von 1479 aus der ehemaligen Walburgiskirche auf dem Friedhof in Mengerschied

Leichenhalle auf dem Friedhof zu Mengerschied auf dem auch ein Kriegsdenkmal und ein alter spätgotischer Taufstein zu finden sind.
Mengerscheid Gemeindehaus

Auf dem Weg von Mengerschied nach Ravengiersburg liegt kurz vor der Erreichung der Höhe an der alten Straße rechts auf einem Plateau der ausgedehnte Friedhof der Gemeinde Mengerschied. Unter einem Dach neben der Leichenhalle hat man  mit den Teilen eines Kriegerdenkmals, das ehemals im Dorf stand, eine Gedenkstätte für die Kriegstoten der beiden Weltkriege eingerichtet. Hier nun steht ein wunderschöner Taufstein, der von den Kunstgeschichtlern auf die Zeit  Ende des 15. Jahrhunderts datiert wurde und somit als spätgotisch bezeichnet werden kann. An gleicher Stelle hatte man fast ein halbes Jahrtausend zuvor eine kleine Kapelle errichtet und sie der heiligen Walburga geweiht. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in den katholischen Kirchenbüchern der dort entstandene  Friedhof  als cimentrio St. Walburgae bezeichnet. Nach dem Zerfall der Kirche stand als einziger Zeuge nur noch ein Taufstein fast 200 Jahre lang Wind und Wetter ausgesetzt im Freien. Dabei wurde die fein ausgearbeitete Ornamentik fast völlig zerstört, wahrscheinlich auch ein ehemlas vorhandener Unterbau, so dass eine einwandfreie Deutung der Ikonographie nicht mehr möglich war.
In den Kunstdenkmälern des  Rhein-Hunsrück-Kreises wird der Stein wie folgt beschrieben: "Auf dem Gelände der stark verwitterte Taufstein. Rötlicher Sandstein 89 cm, Dm. 102 cm. Die Fußplatte fehlt. Gekehlte Ausweitung zu einer achteckigen Kuppa. Acht stark verwitterte, von Wülsten gerahmt Flachrelidefs. Auf vier gegenüberliegenden Seiten vor ihren Schreibpulten zusammen mit den symbolischen Tieren. Dazwischen Kreuzigung. Auferstehung, Adam und Eva; vom letzten Relief nichts mehr zu erkennen. Um 1500".[Anm. 1] Von der Vorgeschichte ist folgendes zu berichten: Die Walburgiskapelle wurde lt. Urkunde von einer adligen Dame namens Friderun, Verwandte des Mainzer  Erzbischofs, zwischen 1074 und 1081 gegründet, den Aposteln Philippus, Jakobus und der hl. Walburga geweiht, mit dem nötigen Landbesitz zur Unterhaltung und einigen Hörigen dem Kloster Ravengiersburg übertragen. Wenn man auch diese Urkunde inzwischen als Fälschung des rheingräflichen Archivars Schott/Kirn nachgewiesen hat, der mit Urkundenfälschungen seinen Unterhalt aufbesserte und dadurch vielleicht einige Jahre der Besitznahme verschoben hat, so ist an dem Inhalt nicht zu zweifeln, da die Existenz der Kirche Wirklichkeit ist. Außer einer Beschwerde der Bewohner des damaligen Mengeresrod (Mengerschied) über schlechte kirchliche Versorgung beim Bischof ist von der Kirche lange Jahrhunderte nichts mehr zu erfahren. Inzwischen waren große Teile des Dorfes 1341 von den Edelherren von Heinzenberg infolge schlechter Wirtschaftslage an das Kloster in Ravengiersburg verkauft worden.[Anm. 2]
Irgendwann in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts scheint es zu einem Umbau oder gar Neubau der Kirche gekommen zu sein, zu einer Pfarrkirche mit Taufrecht. Dazu brauchte man einen Taufstein. Die Datierung des Steins  um 1500 scheint der Beweis zu sein. Beim Bau einer Friedhofsmauer im 20. Jahrhundert fand man eine aus gleicher  Zeit stammende Profilkonsole aus Sandstein. Die neue Kirche  erhielt erstmals eine Glocke. Sie wurde an Ort und Stelle von dem damals sehr tätigen Glockengießer Clais von Echternach gefertigt und trägt die Umschrift : "maria heißen ich, alle bos weder vertriben ich, clais von echternach gos mich  MCCCCLXXIX" (1479). Zwischen den gotischen Minuskeln sind Darstellungen des hl. Stephanus angebracht [Anm. 3] und  genau 10 Jahre zuvor hatte man einem Altar des Stephanus zu Mengersrode,  6 Malter Hafer vermacht. [Anm. 4] Als dann im Friedhofsbereich oder auch in der Nähe eine Quelle entdeckt wurde, der man den Namen Walburgborn, also Brunnen der hl. Walburga, gab, wurde die Kirche zu einem Wallfahrtsmittelpunkt. Man erfuhr davon, als die Kirche wiederum baufällig wurde und sich niemand bereit fand, sie zu restaurieren. Bei den Eingaben an die  Geistliche Administration in Heidelberg wurde auf  ihre Bedeutung hingewiesen. Man schrieb, dass man dort das heilige Walburgisöl (Wasser der Quelle) hole und wörtlich: "besonders weilen die Reformirten Herren Pfarrer sehen müßen, wie ihre untergeben Reformirten selbsten durch die vielen miracelen [Wunderheilungen] überzeiget zu uns kommen und in ihren nöthen ums Heilige Walburgisöl ansuchen, anbey die große Andacht und von weit entlegenen Orten Zulauf des Volkes bey erbauter sothaner Walburgs Kirch verstehen können." [Anm. 5]
Inzwischen war die Reformation ins Land gegangen und die Protestanten hatten sich ein Kirchlein im Dorf errichtet, das seit 1608 bezeugt ist. Die katholische Minderheit war nun nicht mehr in der Lage , die große Kirche auf dem Berg zu unterhalten und erhalten. 1708 verlangte der evangelische Pfarrer in Sargenroth, man möge den Katholiken die Gottesdienste dort verbieten, weil sie nur eine Begräbniskirche sei. Viele Jahre diente sie in dieser Funktion für beide Konfessionen bis sie 1750 als völlig zerfallen gemeldet wurde. Alle Bemühungen, sie wieder aufzubauen auch durch Stiftungen und Verkauf von Holz aus dem Wildburger Wald waren vergeblich [Anm. 6]
Geblieben sind dann nur noch Fragmente: Behauene Sandsteine, Konsolsteine, Ornamentsteine, soweit sie nicht in eine später errichtete Friedhofsmauer eingebaut wurden und schließlich der Taufstein, der allerdings zwei Jahrhunderte lang Wind und Wetter ausgesetzt war und dadurch stark lädiert wurde. Als man dann 1965 die Leichenhalle errichtete, fand er Platz in der überdachten Gedenkstätte für die Kriegstoten. Dort steht er nun als Symbol für das Leben neben einem  Steinkreuz und  dem Kriegerdenkmal, den Symbolen des Sterbens. Am Vormittag strahlt die Morgensonne auf den Stein, hell leuchten dann die Reste der Ornamentik und künden von seiner  einstigen Funktion in der Kirche. Als ich 1994 den Erfurter Dom besuchte, stand ich plötzlich vor einem Taufstein, der dem Mengerschieder täuschend ähnlich sah. Auf eine Anfrage  beim Dombauamt mit Angabe von Größe und beigegebenen Fotos erhielt ich folgende Antwort: Taufstein im Nordquerhaus des Domes zu Erfurt „ Leider können wir Ihnen die Frage nach dem Meister, bzw. der Werkstatt des Erfurter Taufsteines nicht weiterhelfen. Das Objekt ist eine Leihgabe des hiesigen Angerermuseums, Herkunft des Taufsteins, Meister usw. sind unbekannt. Das Werk wird grob ins 14./15. Jahrhundert eingeordnet und ist kunsthistorisch noch nicht untersucht worden. Ein Zusammenhang mit dem Taufstein aus Mengerschied wird sich trotz der Ähnlichkeiten in der äußeren Form und bei Verschiedenheit der figürlichen Ikonographie und Ornamentik kaum hestellen lassen, da stilistische Untersuchungen insbesondere durch die weitestgehende Beschädigung der figürlichen Motive äußerts schwierig sind“. Ein später an das Angerermuseum gerichtete Schreiben brachte keine weitere Klärung. Es wurden von dort eine völlig andere Ornamentik der Kuppa angegeben, soweit erkennbar: Kampf Georgs mit dem Drachen, Bischöfe mit Kerzen. Daraufhin hieß es: "Daß zwischen dem Mengerschieder und dem Erfurter Stein eine Beziehung bestehen könnte, wage ich- soweit das anhand der Abbildungen und des Erhaltungszustandes möglich ist- zu bezweifeln, da die Ausführung der Reliefs doch sehr verschieden zu sein scheint. Auch das Bildprogarmm und die Ausführung des ornamentalen Schmuckes bieten keinen Anlaß zum direkten Vergleich... vielmehr danke ich Ihnen, daß Sie meine Aufmerksamkeit auf den etwas abseits gelegenen Taufstein im Dom wieder gelenkt haben".[Anm. 7]

Quelle: Gustav Schellack. Chronik Mengerschied. Meisenheim 1984.

 

Anmerkungen:

  1. Kunstdenkmäler des Rhein-Hunsrück-Kreises, Bd. I, S.649/650. Zurück
  2. Gustav Schellack, Mengerschied. Geschichte eines Hunsrückdorfes, Meisenheim 1984, S. 93/94. Zurück
  3. ebenda. S.106. Diese Glocke soll bei dem Durchmarsch französischer Truppen zur Festung Rheinfels von den Dorfbewohnern vergraben worden sein. Heute klingt diese Glocke, nachdem sie im I. Weltkrieg zum Schmelzen weggebracht worden war, doch dann wieder zurückkam, in der evangelischen Dorfkirche zusammen mit einer Stahlglocke von 1921 und einer kleinen Bronzeglocke von 1960. Zurück
  4. Würdtwein Subsidia diplomatica XI, S. 266. Zurück
  5. LAKo Best. 4 , Nr. 2313. Zurück
  6. Archiv der Evangelische Kirche im Rheinland, Bd.39 Varia. Zurück
  7. Briefwechsel Januar-Dezember 1994. Besitz des Verfassers. Zurück