Zum Vergleich: Boppard
Die historische Entwicklung von Boppard weist verblüffende Ähnlichkeiten auf:
Ca. 1000 Meter liegen zwischen dem vicus, wie die archäologisch nachgewiesene Siedlung am Ausgang des Mühltals genannt wird, und dem spätantiken Kastell. Der vicus liegt an der Stelle, wo eine wichtige Straße von der Hunsrückhöhe herunterkam und sich über eine Fähre in einer Straße von Filsen über die Höhe des Bopparder Hamms fortsetzte. Dort lag dann ein gewiss schon frühmittelalterlicher Königshof, wie das Patrozinium der zugehörigen Remigius-Kapelle anzeigt.
Fast möchte man annehmen, dass das Kastell auf quasi freiem Feld (sicher nach Planierung etwelcher Einzelgebäude) errichtet wurde.
Deutlich ist auch, dass die hochmittelalterlichen Stadterweiterungen sich oberhalb (= stromaufwärts) und unterhalb des Kastells an dieses anlehnen, sowie, dass die Benediktinerinnen (Marienberg) sich außerhalb der Mauern, die Bettelorden (Franziskaner, Karmeliter) in den Neubaugebieten ansiedelten. Ob das noch weiter oberhalb gelegene St. Martin mit seinem Gräberfeld einen zweiten Königshof anzeigt, oder ob es der Oberweseler Liebfrauenkirche entspricht, lasse ich offen (in der Nähe ist eine mittelalterliche Fähre bezeugt). Genauso, wo die anzunehmende antike Schiffslände lag. (Vermutlich zwischen Kastell und Rhein, einem Gebiet, das dann auch in die Ummauerung einbezogen wurde.)
In Boppard wie im vermuteten Kastell Oberwesel wäre die Rheinstraße durch das Lager verlaufen, eine militärisch nicht ganz verständliche Lösung, die eher auf einen Burgus als auf ein Kastell schließen lässt. Allerdings sind in beiden Fällen direkt am Fluss Treidelpfade anzunehmen, auf denen man den vermutlich nicht sehr bedeutenden Landverkahr den Fluss entlang führen konnte.
Einen entscheidenden Unterschied zu Oberwesel gibt es: Die im Kastell (aber nach dessen Aufgabe) entstandene Pfarrkirche.
Außerdem und allerdings
Zwei wichtigere Argumente, die meine Darstellung korrigieren, ergeben sich aus dem Vergleich mit Boppard:
- Der Verlauf der rheinparallelen „Heerstraße“. Diese ist in dem schematischen Plan von Boppard (s. oben) leider nicht eingezeichnet, sondern nur der in napoleonischer Zeit zur Hauptstrecke ausgebaute Zug Mainzer Straße–Oberstraße.
Der älteste Fernstraßenzug führte aber durchs Binger Tor in die „Oberstadt“, verließ diese wieder, setzte sich fort in der „Angerstraße“ direkt vor dem Kastell längs dessen Mauer, trat in die Niederstadt und schwenkte auf die „Heerstraße“.
Diese beiden Trassen darf, ja muss man in die Spätantike zurückprojizieren: Natürlich hatte das Kastell vier Tore zu einem inneren (Haupt-)Straßenkreuz, aber die zivile Fernstraße wurde nicht durch die militärische Anlage, sondern längs der Mauer geführt und war dadurch gut zu kontrollieren. Damit erweist sich die Anlage als castellum und nicht als burgus.
Übrigens war die Situation in Bingen ganz genau so:
Wie aber kann das Verhältnis der Straße zu einem etwaigen Kastell oder doch eher einem Burgus Vosolvia sein? - Es ist so gut wie sicher, dass der römische „Hafen“ zwischen Kastell und Rhein angelegt war. Dort war dann Platz für drei Häuserzeilen (links und rechts der Judengasse/Untere Marktgasse, längs des Gestades). Die Bebauung war hier sehr eng, eine Parallele zu den „Höfen“ in Oberwesel zwischen Unterstraße und Stadtmauer ist nicht zu ziehen.