Altes Rathaus
Das alte Rathaus in Filsen ist eines der wenigen noch erhaltenen Fachwerkhäuser, die über einem Torbogen erbaut wurden. Sein Fachwerk trägt die Jahreszahl 1611. Der Torbogen und der Unterbau dürften jedoch viel älter sein.
Ein Wallgraben ging von hier außerhalb des Dorfes bis zum Rhein. Von hier aus lief auch die einzige Fahrstraße nach Osterspai sowie der Fuhrweg über die Rheinhöhe, den schon die Römer benutzten. Mit dem Tor wurde das Dorf nachts abgeschlossen. An das alte Bruchsteinwerk des Torbogens ist das Gemeindebackhaus angebaut. Von der Oberstraße führt eine breite Steintreppe zu einer Plattform, einst mit einem Wachhäuschen versehen, von wo aus die Dorf- und Ausfahrtstraßen beobachtet werden konnten. Der Nachtwächter hatte hier seinen Posten und machte nachts stündlich seine Runde durchs Dorf, wobei er mit Pfeifsignalen die Uhrzeit angab. Die Wohnung über dem Torbogen war für den Schullehrer bestimmt. Auf dem II. Stock, der alte Rathaussaal, war bis 1881 der Schulsaal. Das Gebäude wird von daher im Dorf noch heute auch „die Hochschul“ genannt. Hier tagte jährlich am Faßnachtsdienstag auch die Nachbarschaft. Ein kleiner Raum hinter dem Saal diente als Archiv der Gemeinde. Wertvolle alte Bücher und Urkunden wurden hier aufbewahrt.
Der Torbogen, „die Wachport“ genannt, war immer der Sammelpunkt der Jugend. Stark beschädigt durch amerikanische Panzer, wurde er 1948 wieder erneuert. An der Rathaustreppe saßen in alter Zeit abends auch die Alten auf einem Stamm, die „Schneidbank“ genannt und erzählten. Vor dem Torbogen in der Wegegabelung steht das Heiligenhäuschen „St. Margaretha“. Schon im Jahre 1712 erwähnt und erneuert, musste dasselbe 1933 schwer beschädigt abgerissen und weiter zurück wieder aufgebaut werden. So ist das Alte Rathaus mit seiner Umgebung ein Denkmal früherer Zeit, das Wahrzeichen von Filsen, viel bewundert, gemalt und fotografiert worden.
Das alte Rathaus soll und lehren,
in Krieg und Not und schwerer Zeit
die Stürme mutig abzuwehren
wie es das tat zu jederzeit. (Josef Nengel)
Text von: Alfred Neckenich, aus dem Nachlass von Josef Nengel Schreinermeister und Ehrenbürger von Filsen geboren am 11. März 1893 verstorben am 19. November 1992
Beschreibung des Rathauses
„Filsen, rechtsrheinisch, am Scheitel des engen Rheinbogens, 2 Kilometer vor Osterspai, ist eine Dorfgemeinde mit 513 Einwohnern. Im Raumordnungsplan wurde der Ort dem Kleinzentrum Braubach zugeordnet. Diese kleine Gemeinde hat eines der originellsten deutschen Rathäuser. Als zweigeschossiger Fachwerkbau wurde es 1611 auf einem ins Hintergelände führenden massiven Torbau der Ortsbefestigung errichtet. Eine Rampentreppe führt zum bergseitigen Giebeleingang. Das freistehende Gebäude mit einem kleinen, ortsseitigen Winkelanbau kragt an den Traufseiten etwas, an den Giebeln kaum aus. Der freie, bergseitige Giebel hat einen Krüppelwalm, an der Talseite ist das Dach walmartig auf den Winkelbau heruntergezogen. Die Gesimse an den Traufseiten sind breit profiliert und bestehen aus Rähm, Balken und Schwelle. Die Balkenköpfe sind mit einem Stirnbrett (Sose) in rheinischer Art verschalt. Durch Verzicht auf die Schwelle sind die Gesimse am Giebel schmaler. Die Traufansicht über der Toraußenseite ist am stärksten gegliedert. Für die Sicherung der Eck- und Bundständer wurde der wenige Jahrzehnte vorher entwickelte Mann eingebaut. In den Brüstungsfeldern des unteren Geschosses sind gegenläufige, nasenbesetzte geschweifte Streben; im Obergeschoss einfach Kreuzstreben eingebaut. Über dem Brustriegel sind im Obergeschoss ebenfalls zwei Kreuzstreben sichtbar, die den Halsriegel überschneiden. Diese seltene Strebefigur wurde in der Post in Bacharach sowie in Braubach und Oberlahnstein nachgewiesen. Die Traufseite zum Dorf hat nur in den Endfeldern in Verbindung mit den halben Männern Halsriegel. Dünne Hölzer deuten auf Umbauarbeiten. Die Fenster sind allseitig bis zum Rähm geführt. Für die spätere Nutzung des Gebäudes als Schulhaus war dies vorteilhaft. Brüstungszierhölzer der Talseite und es dortigen Flügelanbaus sind unorganisch ins Gefüge geordnet und wahrscheinlich aus späterer Zeit. Im bergseitigen, fensterlosen Giebel laufen die beiden Ausriegelungen noch unversetzt durch. Die große Ladeöffnung im Giebeldreieck wurde ausgefacht. Für das bescheidene, durch seine Lage beachtenswerte Rathaus, das zeitweise als Schulhaus und Lehrer-wohnung diente, ist eine sinnvolle Nutzung in dieser kleinen Dorfgemeinde kaum vorstellbar. Historische Bausubstanz dieser Art, die andernorts belebende Attraktion des Fremdenverkehrs ist, bedarf in dieser abseitigen Lage des Schutzes regionaler Behörden und der Unterstützung des Landes. Die Dorfgemeinschaft ist mit der Erhaltung des ungenutzten Gebäudes überfordert. Ein sinnvoller Nutzungswandel sollte trotz peripher Situation angestrebt werden.
aus: „Fachwerkbauten im Ortsbild am Mittelrhein“ von Herbert Nebel, Arbeitskreis für Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. München 1978.
Baubeschreibung nach Dehio
Das Rathausbesteht aus zwei Fachwerkgeschossen in eigenartiger Lage über einem Tor der Ortsbefestigung und einer steinernen Freitreppe. Die Schmuckformen, hier sind die Brüstungselemente hervorzuheben, stammen aus dem 17. Jahrhundert. Die Farbfassung des Fachwerks (schwarze Balken mit breiten grauen Begleitstrichen) wurde 1983 nach einem alten Befund wiederhergestellt.
Text und Bilder: Alfred Neckenich; Herbert Nebel; Dehio; redakt.. Bearb. S.G.