Niederburg am Mittelrhein

Backhaus (Backes)

Backhausneubau in Niederburg im Jahr 1822 - von Reinhold Rüdesheim, 2. Beigeordneter

Nachdem die Arbeiten für die Ausbesserung eines Backofens in unserem „Bagges“ im Frühjahr 2005 beginnen, wollen wir die Geschichte von unserem Backhausgebäude aktualisiert beleuchten. An der Stelle, wo heute der „Bagges“ steht, stand schon vor dem Wiederaufbau im Jahr 1822 ein Backhaus. Aus den archivalischen Unterlagen ergibt sich, dass das alte Dorfbackhaus eingestürzt war. Der Gemarkungsnamen in diesem Teil des Ortes lautete noch um 1812 „Im Dorf am Backhaus“. Im Sommer des Jahres 1819 schrieb der damalige Schöffe (Vorsteher) der Gemeinde Niederburg, Muders, den Bürgermeister in St. Goar an. Er bat dafür zu sorgen, dass das Backhaus noch vor Winter gebaut wird. Der Bürgermeister von St. Goar bat daraufhin den Landrat des Kreises St. Goar um Unterstützung. Der Landrat wies daraufhin, dass über die Notwendigkeit des Baus beraten werden müsse und die Mittel herbeizuschaffen seien. Um die Finanzierung von 2.527 Reichsthaler (davon 1.056 Reichsthaler Material) sicherzustellen, schlug man seitens der Gemeinde im Wald Holz für den Neubau und verkaufte andere Holzpartien. Die Einwohner mussten Frondienste - Hand- und Spanndienste - leisten, z. B. Sand, Steine und Holz anfahren, Steine brechen oder Erdarbeiten durchführen. Damit die Bürger ihrer täglichen Arbeit nachgehen konnten, wurde abgewechselt. Außerdem hatte die Gemeinde noch einen Vorschuss von der Stadt St. Goar zu fordern. Welchen Wert die 2.527 Reichsthaler hatten, lässt sich heute nur schwer nachvollziehen. So haben z. B. die zwei Rauchfänge aus leichtem Schwarzblech für die beiden Backöfen 22 Reichsthaler gekostet.

Die Zeichnung und der Kostenanschlag wurden 1821 im Auftrag der königlichen Regierung durch den Architekten Ferdinand Nebel in Koblenz erstellt. Es wurde ein Gemeindehaus mit zwei Stockwerken in Steinbauweise geplant. Dazu gehörte das Backhaus mit zwei Backöfen, die Wohnung für einen Hirten im Erdgeschoss und in der ersten Etage eine Gemeindestube, sowie drei Kammern. Das alte Treppenhaus wurde bei späteren Baumaßnahmen abgerissen. Aus Kostengründen wurde auf einen Keller verzichtet. Die alten Pläne von 1821 zeigen ein Back- und Gemeindehaus mit einer Länge von 50 Fuß (16,40 m) und einer Breite von 29 Fuß (8,90 m). Die Maße des eigentlichen Backraums sind bis heute unverändert (9,15 m x 7,35 m). Die Arbeiten für das Back- und Gemeindehaus wurden öffentlich ausgeschrieben. Nach einigem hin und her wurde der Auftrag an den Kaufmann Georg Heim, St. Goar, vergeben. Bei der Bauabnahme im Jahr 1823 wurden Mängel festgestellt, die z. T. behoben und zum Teil verrechnet wurden.

In der Mitte des Ortes steht seitdem der mächtige Schulbau über langrechteckigem Grundriss, in zweigeschossiger Massivbauweise und mit einem Satteldach, was zum freistehenden Giebel hin abgewalmt ist. Der ursprüngliche Bau von 1822 besaß fünf Fensterachsen, vier weitere sind 1901 angefügt worden. Diese Erweiterung ist in der Fassade deutlich abzulesen: Die Fenster sind höher als im älteren Teil und zeigen einen Segmentbogenschluss und jeweils zwei Fensterachsen werden durch eine sehr flache Nische, die über die beiden Geschosse reicht, wie durch einen Rahmen zusammengefasst. Im Erdgeschoss ist in der rechten Hälfte des älteren Teiles zur Schulstraße hin das Gemeindebackhaus eingebaut, in dem sich ein Backofenpaar, sog. „Deutsche Öfen“, aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhalten hat. Die beiden in Tuff gemauerten Backöfen sind unterschiedlich groß. Die alten Türen, Schieber, Gestänge, Platten etc. aus der Erbauungszeit sind ebenfalls erhalten.

Im Jahr 1866 findet sich erstmals ein Nachweis, dass die Schule nicht mehr bei „Kähle“ ihrem Haus an der Kirche, sondern im Back- und Gemeindehaus untergebracht war. Die Schule muss aber wohl schon mindestens etwa ab 1850 im Back- und Gemeindehaus untergekommen sein, denn sonst hätte die Gemeinde nicht ab 1851 ein neues Spritzenhaus mit Bürgersaal gebaut. Für das Jahr 1853 gibt es einen Versicherungsaufstellung, aus der ersichtlich ist, dass das Schulhaus mit Backhaus für über 1.930 Thaler versichert war. Im Obergeschoss war die Schule untergebracht, die mit der Erweiterung ab 1901 eine andere, innere Organisation erhielt. Zunächst war der Zugang in der Seitenachse des älteren Teils, von dem später noch die untere Lehrerwohnung direkt erschlossen wurde. Mit der Fertigstellung des Anbaus um 1900 wurde das Treppenhaus verlegt, die Schule erweitert. Sie erhielt einen Eingang von der rückwärtigen Längsfront neben dem Backhaus. Heute wird das Bauwerk als Gemeinschaftshaus genutzt, zusammen mit einem Saalanbau aus dem Jahr 1979 dient es als Mehrzweckgebäude für die Ortsgemeinde.

Die alte Schule mit Gemeindebackhaus ist ein Zeugnis des handwerklichen Wirkens und ein kennzeichnendes Merkmal der Gemeinde, so das Landesamt für Denkmalpflege, bei der Unterschutzstellung des Gebäudes. Die ehemalige Schule mit Backhaus ist ein Putzbau von 1822. In der rechten Hälfte des Erdgeschosses ist ein großes Backhaus mit zwei Backöfen für über 60 Brote. Der Eingang an der Nordseite ist mit  Sandsteingewänden eingefasst, darüber hängt eine gusseiserne Tafel: „Erbaut 1822“. An der Südseite ist ein unverputzter Backsteinbau, 1901 nach Plänen von Gottlieb Bernhard, St. Goar, angesetzt. Dadurch wurde das Gebäude wesentlich erweitert. Im diesem Anbau befindet sich heute das Treppenhaus. Es gab seitdem zwei große Schulsäle als Klassen-räume (Blendfenster in der ersten bis dritten Achse). 1932 erfolgt ein weiterer kleinerer Umbau. Das Gebäude wurde als Katholische Volksschule Niederburg bis zum 14. Juli 1971 zum Schulunterricht genutzt. 

Die Sanierung des linken Backofens im Jahr 1987 wird in diesem Frühjahr mit wesentlichen Verbesserungen für die noch Brot backenden Niederburger Bürger fortgesetzt.

Im „Backes“ wird noch regelmäßig jede Woche - wie in alten Zeiten - Bauernbrot aus Roggen gebacken.

Wer beizeiten da ist, und Glück hat, kann ein frisches Brot aus dem Steinbackofen kaufen.

Ende August findet alljährlich das „Backesfest“ in Niederburg statt. Es gibt „Grumbiereplätzjer“, "Grumbierekulles“, „Bauwerebrot mäd Schwoardemaache“, „Grumbieresobb“ oder auch moderne Leckereien wie Pizza aus dem Steinbackofen und natürlich Streuselkuchen mit Obst und „Quetschekuche“ noch warm und frisch aus dem Backes.

Bild links: Die Glut wird im Gemeindebackofen verteilt, damit die Hitze im Backofen zum Backen des Brotes gleichmäßig verteilt ist.


Der zu Brot geformte Teig wird in den Backofen eingeschoben.


Die Brotlaibe befinden sich im Backofen. Gleich wird der Ofen geschlossen und der Backvorgang beginnt.


Über 40 große und auch kleine Brote sind nach dem Backen fein säuberlich auf dem Tisch aufgereiht. Butter und Schinken dazu, dann kann es losgehen. Guten Appetit!


Quelle: Gemeinde Niederburg. Texte von Reinhold Rüdesheim, Bilder von Heinz-Josef Schink; redakt. Bearb. S.G.